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Biographie (von Peter Wanjek)

 

BIOGRAPHIE

Walther Kabel

von

Peter Wanjek

 

Walther Kabel

„Ich habe nie ‚Literatur‘ schreiben wollen, habe mich nie um eine Freistelle im Olymp der behördlich abgestempelten Dichtergottheiten bemüht, ich habe nie geschludert, gefeilt, gestrichen, verbessert, gestohlen – ich schrieb für die, die nach des Tages Last Entspannung brauchen!“

„Ich schreibe ‚Harst‘. Ich schreibe für den, der denken lernen will und doch leichte Lektüre braucht. Leichte Lektüre muß nicht gerade seicht sein.“

Max Schraut

 

Einer der vielen deutschsprachigen Autoren von Unterhaltungsliteratur in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts war Walther Kabel, dem das Schreiben in seiner zweiten Lebenshälfte zum Hauptberuf wurde.

Die in der Folge vorgelegte Bibliographie der Arbeiten dieses Autors weist trotz langjähriger Beschäftigung mit ihm noch immer einige Lücken auf

Die Erstellung dieser Werkübersicht wurde durch den Umstand begünstigt, daß Kabel meist unter seinem richtigen Namen veröffentlichte, beziehungsweise vielfach Pseudonyme benutzte, die durch Buchstabenumstellung seines Namens entstanden oder Bezug zu nachprüfbaren Wohn- und Urlaubsorten des Autors hatten. Weiterhin kam einer Nachsuche nach Texten zustatten, daß Kabel über lange Jahre bei einem einzigen Verlag veröffentlichte, dem Verlag moderner Lektüre in Berlin. Desto schwieriger erwies sich die Erstellung einer einigermaßen substantiellen Biographie.

Wie das Standesamtsregister der Stadt Danzig unter Nummer 2345 vom 9. August 1878 belegt, wurde dort von der Hebamme Auguste Weiß angezeigt, daß den Eheleuten August Carl Reinhold (Feldwebel a.D.) und Auguste Therese Marie Kabel, geb. Kröpfgans, vormittags am 8. August 1878 ein Sohn geboren worden war, der die Vornamen Walter August Gottfried erhielt, wovon Walter der Rufname wurde.

Obwohl die Geburtsanzeige den Namen Walter ohne ‚h‘ dokumentiert, soll hier die Schreibweise Walther Anwendung finden, da die meisten Texte Kabels unter dieser Namensschreibweise veröffentlicht wurden, und er selbst seine Korrespondenz mit ‚Walther Kabel‘ zeichnete.

Die erste nachprüfbare Nennung Walther Kabels als Schriftsteller findet sich in Franz Brümmers ‚Lexikon der Dichter des 19. Jahrhunderts‘. In wenigen Zeilen wird dort der noch junge Autor mit seinen ersten Erzählungen erwähnt. Eine Besonderheit des ‚Brümmer‘ bestand darin, daß dieser Herausgeber sein Datenmaterial nicht nur aus zweiter Hand (Kalendern, Listen, Verlagsprospekte) erfuhr, sondern die in das Sammelwerk aufzunehmenden Autoren, soweit möglich, um eine persönliche Darstellung von Leben und Werk bat. Auch Kabel antwortete 1910 auf eine diesbezügliche Anfrage, und sein ausführliches Schreiben, auf dem die dann abgedruckte Zusammenfassung fußte, blieb erhalten. Es ist das bisher einzige Zeugnis über den ersten Lebensabschnitt dieses Autors, sicher wie alle Autobiographien als Selbstdarstellung des schriftstellerischen Werdegangs persönlich gefärbt, trotzdem ein Belegstück von dokumentarischem Wert.

Walther Kabels Familie stammte aus Holland. Sein Urgroßvater war dort Schiffskapitän und hieß van der Kabel. Der Knabe wuchs geschwisterlos als einziges Kind seiner Eltern auf. Über seine Kindheit schreibt er: „Schon frühzeitig machte sich bei mir eine gewisse Begabung zum Fabulieren bemerkbar. Von wem ich sie geerbt habe, weiß ich nicht. Denn meine Vorfahren waren sämtlich nüchterne und praktische Geschäftsleute. Als Knabe schrieb ich blutrünstige Indianergeschichten und wehleidige Märchen, letztere in recht starker Anlehnung an Grimm und Hauff. Die ‚notwendige‘ Gymnasialbildung gaben mir in recht unzureichendem Maße die Gymnasien zu Berent, Danzig und Kulm an der Weichsel. Besonders befruchtend auf meine Phantasie wirkte der Aufenthalt in der früheren Ordensburg Kulm, von deren alten Wällen man bei Sonnenuntergang einen wunderbar schönen Ausblick über das Weichseltal hin hatte. Dort in Kulm schrieb ich als Primaner meine ersten Novellen. Leider habe ich sie später in einer zerstörungswütigen Stimmung sämtlich verbrannt. Ich weiß nur noch, daß sie alle sehr auf einem weltschmerzlichen Akkord ausklangen – sehr sogar, trotzdem ich damals unter Sorgen irgendwelcher Art noch nicht zu leiden hatte.“

Drei bemerkenswerte Punkte fallen in diesen Zeilen auf. Kabel begann bereits in seiner Kindheit mit dem Schreiben, einer Betätigung, die keinesfalls einer sporadischen Laune entsprang, sondern die er praktisch während seiner gesamten Schulzeit ausübte, und wozu er bereits damals viel gelesen haben muß. Die Vielfältigkeit seiner Allgemeinbildung zeigt sich später besonders in den Beiträgen für die Rubrik ‚Wissenswertes und Mannigfaltiges‘ einiger bekannter Familienzeitschriften.

Ein Hang zum Romantischen schwingt mit, wenn er seine Stimmungen in der Ordensburg Kulm hervorhebt und den ‚weltschmerzlichen Akkord‘ seiner Novellen so betont. Romantische Anklänge werden sich auch später in seinen umfangreichen Romanen, besonders bei seinen Figuren Max Schraut und Olaf K. Abelsen, immer wieder nachweisen lassen.

Die Betonung, daß er als Kind unter Sorgen irgendwelcher Art noch nicht zu leiden hatte, erlaubt Rückschlüsse auf den seelischen Zustand, in dem er sich befand, als er den Brief an Brümmer verfaßte, ohne daß Art und Herkunft der späteren Belastungen näher erläutert werden.

In Kulm bestand er Ostern 1900 recht spät das Abiturexamen, nämlich erst im 22. Lebensjahr. Ein strebsamer Schüler scheint er demnach nicht gewesen zu sein. Über die Prüfung sagt er: „… bestand ich mit Note ‚sehr gut‘ im Deutschen und ‚völlig ungenügend‘ in Mathematik. Die mangelnde Befähigung zum Rechnen hat mir dann als Studio sehr geschadet.“ Und fügt augenzwinkernd hinzu: „Mit meinem Wechsel bin ich nie recht ausgekommen.“

Kabel begann Jura zu studieren. Die Gründe für die Wahl dieses Studienganges bleiben unerwähnt, umso deutlicher wird seine negative Einstellung für diese Fachrichtung geschildert: „In München, Berlin und Königsberg habe ich mich angeblich studienhalber aufgehalten. In Wirklichkeit vergingen meine ersten sieben Semester, ohne daß ich vom Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer juristischer Schriften eine Ahnung bekommen hätte. Offen gestanden – das trockene Jus hat mich stets ehrlich angeekelt, – stets, noch heute!“

Zeigt sich hier eine tiefe Abneigung gegen das Jurastudium, oder war eine generelle Interessenlosigkeit am gezielten Lernen, wofür die lange Gymnasialzeit ein Indiz wäre, ein Grund für diese Aussage? Kabel wurde bereits in München Mitglied einer schlagenden Verbindung und genoß auch ansonsten die Vorzüge eines unbeschwerten studentischen Lebens, ohne die gleichzeitigen Verpflichtungen allzu ernst zu nehmen. „Und daher verbrachte ich meine ersten Semester meist auf dem Mensurboden, wovon meine Quartseite ein beredtes Zeugnis ablegte.“ Nachweisen ließen sich seine Zugehörigkeit zu den Turnerschaften Borussia-Berlin und Frankonia-Königsberg.

„Dann kam der große Umschwung in meinem Dasein!“ Und er fährt fort: „… mit 25 Jahren lernte ich eine Frau kennen, die mein Innenleben lange Jahre völlig ausgefüllt hat und mir Beraterin und treue wohlmeinende Freundin war.“ Aus der Formulierung dieses Satzes, und Kabel war ein exakter Formulierer, kann man wohl annehmen, daß es sich dabei um eine ältere reife Frau gehandelt hat, der er mit schwärmerischer Verehrung zugetan war. „Sicher ist sie die einzige große Leidenschaft meines Lebens gewesen, fraglos diejenige, die mich zu dichterischem Schaffen wie keine andere begeistert hat.“ Der junge Kabel traf also seine Muse, die seine fraglos vorhandene Begabung zur Schriftstellerei erkannte, bestärkte und förderte.

„Als Student habe ich, angeregt durch den Verkehr in vielen schöngeistigen Familien und besonders durch Félicie, eine ganze Menge Novellen und Skizzen geschrieben, darunter auch ‚Aschermittwoch‘ – nichts anders als die Geschichte jener heißen Leidenschaft.“

Diese Novelle ‚Aschermittwoch‘ ist damit die erste titelmäßig zu erfassende und zur Veröffentlichung bestimmt gewesene Erzählung Kabels – doch der Text ging verloren. „Eine Redaktion verlegte (im Sinn: es wurde unauffindbar) das Manuskript, ich klagte auf Schadenersatz und erstritt mir im Prozeßwege das Honorar!“ Und er setzt, recht bitter klingend hinzu: „Ein prosaischer Abschluß all der langen Nachtstunden, die ich klopfenden Herzens und mit zitternder Sehnsucht über dieser Novelle zugebracht habe und ebenso prosaisch wie überhaupt das Ende dieser Liebe war. Genug davon …“.

Nach einem mißglückten Versuch bestand Kabel in Königsberg das Referendarexamen und siedelte in das Ostseebad Zoppot über, wo er eine Anstellung als Gerichtsreferendar fand. Doch auch der nun ausgeübte Beruf sollte ihm keine Befriedigung bringen. „Referendare sterben bekanntlich an Arbeitsüberlastung nie. Und so fand ich genügend Muße, meinem Hange für die Schriftstellerei zu folgen. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die sich ein tägliches Arbeitspensum setzen und dies unter allen Umständen erledigen. Oft faulenze ich wochenlang, arbeite dann wieder ebenso wochenlang ohne Ruhepause, bis meine Nerven versagen.“ Das heißt, Kabel schrieb in diesem Stadium nicht wie viele seiner Lohnschreiberkollegen regelmäßig für Geld, sondern folgte seinem ‚Hange‘, schrieb dann aber, wenn er in Stimmung dazu war, bis zum Exzeß, Raubbau an seinen Kräften treibend, fühlte sich mehr als ‚Künstler‘, denn als ‚schreibender Arbeiter‘; eine Schaffensvoraussetzung, die sich im Laufe seines Lebens um dreihundertundsechzig Grad drehen sollte. Aber schon damals störte seinen Fluß der Phantasie das tägliche Einerlei des ergriffenen Berufes. „Leider – leider bin ich ja nebenbei noch Jurist! Und zu oft drängt sich dies Bewußtsein recht störend in meine Stimmungen ein, besonders dann, wenn es heißt, juristische Arbeiten zu erledigen.“ Kabel wollte schreiben, Geschichten erzählen – erlebte sich selbst als Dichter und empfand jede Ablenkung aus seiner fiktionalen Welt als unliebsame Unterbrechung dieser ‚Berufung‘.

Etwa 1906 wurde Kabel zum Militär einberufen. Er diente beim Grenadier Regiment (1. Ostpreußisches Regiment) Kronprinz Nr. 1. Aus den Offizierslisten dieses Regiments ist zu ersehen, daß er am 6. 2. 1907 sein Patent als Leutnant erhielt. Danach kehrte er nach Zoppot in die Referendarstellung zurück und veröffentlichte nun seine ersten Arbeiten ab 1907 zuerst bei der ‚Danziger Allgemeinen Zeitung‘. Schnell fand er Kontakt zu dem Stuttgarter Union-Verlag, der damals eine Reihe vielgelesener Familienzeitschriften herausgab. Der Literaturagent A. Jahn sorgte für eine weitere Verbreitung seiner Arbeiten in Zeitungen und Zeitschriften des Deutschen Reiches, aber auch in Österreich.

Doch trotz der Veröffentlichungserfolge seiner Novellen gibt die biographische Abhandlung für diesen Zeitraum eine tiefe innere Unausgeglichenheit wieder, ohne jedoch mehr als eine Allgemeinaussage zu sein. „Auch sonst ist mein Leben, seit mir jene seltene Frau nicht mehr zur Seite steht, durchaus nicht so ruhig dahingeflossen, wie ich es mir gewünscht hätte. Manch törichter Streich wirkt noch heute in seinen Folgeerscheinungen nach, oft bereut und doch nie gutzumachen … Auch davon genug“. Bedeutender ist der nun folgende Satz. „Wenn man mich fragt, ob ich jene Zufriedenheit empfinde, die den wahren Seelenfrieden für immer verleihen soll, so muß ich leider mit ‚nein‘ antworten. Warum dem so ist, … Darüber werde ich den Helden meines neuen ‚Aschermittwoch‘ sprechen lassen.“ Diese erwähnte Neufassung der Novelle ist leider, falls sie je geschrieben wurde, bis heute nicht bekannt geworden. An dieser Stelle erfahren wir aus Kabels eigenem Munde, daß er seinen fiktionalen Helden mit autobiographischen Zügen auszustatten gedenkt, eine Beobachtung, die man in späteren Erzählungen, besonders des nicht seriellen Bereiches, oft machen kann. Meist sind diese ‚Helden‘ junge unbekannte Schriftsteller oder sie verkehren zumindest in Künstlerkreisen. So schreibt Kabel in einer Erzählung über den Schriftsteller Walter (!) Pöling: „Pöling hatte erst Jura studiert; dann starben seine Eltern, und das Geld war nicht vorhanden, um das Studium fortzusetzen. Da versuchte er’s mit der Schriftstellerei. Zwei Jahre hauste er in einer Dachkammer, und eine Erbsensuppe bei Aschinger bedeutete für ihn schon Schlemmerei. Endlich gab er die Idee, durch seine ausgearbeiteten Novellen und Gedichte sich einen berühmten Namen zu machen, auf. Er hatte seine eigentliche Befähigung erkannt und schrieb Kriminalromane, die ihm soviel einbrachten, daß er sein Leben etwas behaglicher gestalten konnte. Aber glänzend war die Geschichte noch immer nicht. In bitterer Selbstironie nannte er sich wiederholt einen Romanfabrikanten – keinen Schriftsteller! Und fügte hinzu: Ja, wenn ich nur ein paar Monate arbeiten könnte, ohne ständig von Nahrungssorgen geplagt zu werden! Dann würde ich der Welt schon beweisen, daß ich auch Besseres leisten kann!“

Hier sei einmal eine Spekulation in Bezug auf die ‚Zufriedenheit‘ und den ‚inneren Seelenfrieden‘ erlaubt, die ihr Fundament aus der intensiven Kenntnis von vielen hundert Kabeltexten bezieht. Sollte Kabel, vielleicht nur unbewußt, gespürt haben, daß er mit seinem Drange zum Dichter an Grenzen stieß und besser auf dem realen Boden eines Kriminalromanautors blieb?

Neben Novellen und Humoresken sowie einer Vielzahl von Aufsätzen und Skizzen zu wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Themen der verschiedensten Gebiete, geheimnisvollen oder sensationellen Begebenheiten und Anekdoten, verfaßte Kabel nun seine ersten umfangreichen Romane, meist ein kriminelles Geschehen behandelnd und überwiegend in seiner ostpreußischen Heimat angesiedelt. Auch sie wurden in Zeitschriften bzw. den Unterhaltungsbeilagen von Zeitungen veröffentlicht.

In Zoppot lernte der junge Autor dann Käthe Kummer kennen, verlobte sich kurzerhand mit ihr und heiratete sie bald darauf im Jahre 1910. Die Ehe blieb kinderlos. Frau Kabel überlebte ihren Gatten und verstarb achtzigjährig 1967 im Altersheim Teltow in Ostberlin.

Kabel zog von Zoppot nach Berlin, wo er bereits während seiner Militärzeit eine Wohnung in der Sickingerstraße 75 innegehabt hatte, und ist dort erstmals 1913 in einem Adreßbuch mit dem Eintrag ‚Walther Kabel. Schriftsteller und Referendar a.D., Wilmersdorf, Katharinenweg 2 pat., Post Halensee‘ vertreten. Aus dieser Notiz, dem ‚Referendar a.D.‘, geht hervor, daß er bereits 1913 in seinem Beruf nicht mehr tätig war.

In Berlin fand Kabel den Kontakt zu Max Lehmann, dem Inhaber des Verlages moderner Lektüre G.m.b.H. (VmL), einem Verlag, der aus einer Druckerei hervorgegangenen war, und dessen Verlagsprogramm sich auf die Herausgabe von Lieferungsromanen und Sensationsliteratur in Heftform beschränkte. In der Reihe ‚Argus – Bibliothek der besten Kriminalromane‘ erschienen Kabels Zeitschriftenkriminalerzählungen nun im Heftnachdruck. Weiterhin schrieb er aber auch neue Texte für dieses Periodikum und arbeitete daneben an der im selben Verlag erscheinenden Reihe ‚Vergiß mein nicht – Bibliothek der besten Romane‘, in der meist Liebes- und Gesellschaftsromane der verschiedensten Autoren veröffentlicht wurden. Auch hier lag Kabels Erzählungen meist ein Kriminalfall zugrunde. Zeit seines Lebens sollte Walther Kabel von dem Verlag moderner Lektüre nicht mehr loskommen.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges begann bei VmL, wie fast bei allen Unternehmen der Branche, eine zeitgeschichtliche, kriegsverherrlichende Heftreihe, die unter dem Reihentitel ‚Das eiserne Kreuz‘ von den Erlebnissen und Heldentaten der solchermaßen ausgezeichneten Frontsoldaten berichtete. Kabel schrieb die ersten elf Hefte, brach seine Mitarbeit jedoch dann ab. Die Reihe wurde von Richard Grau und Herbert Gerwig fortgesetzt.

Gleich mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Kabel reaktiviert und diente als Leutnant und Zugführer beim Ersatzbataillon des Grenadier-Regimentes 1 in Königsberg. 1914 erhielt er die Landwehrdienstauszeichnung 2. Klasse (LDO 2). Bereits im November desselben Jahres befand er sich wieder auf Genesungsurlaub (Verwundung?, Erkrankung?) daheim in Berlin. Im März 1915 kehrte er zu seiner Einheit zurück, wurde zum Oberleutnant befördert und bekleidete eine Adjutantenstelle beim 2. Ersatzbataillon. Ende Mai 1917 erfolgte die Beförderung zum Hauptmann. Er war nun Kompagnieführer einer Genesungskompanie und Leiter der Versorgungs- und Facharbeiterabteilung des Bataillons. Im Frühjahr 1918 wurde er zum Kriegsministerium abkommandiert und wohnte wieder in Berlin. Die Beförderung vom Oberleutnant zum Hauptmann während der Kriegsjahre war eine ausgesprochene Seltenheit und wurde von Militärhistorikern der Bundeswehr bis zum gegenteiligen Beweis in Abrede gestellt.

Es spricht vieles dafür, daß Kabel nach dem Genesungsurlaub nicht mehr zum Fronteinsatz kam, sondern zumindest ab Frühjahr 1915 Garnisonsdienst tat. Auf jeden Fall fand er neben seinen militärischen Verpflichtungen genügend Zeit, um schriftstellerisch tätig zu sein.

Im Jahre 1916 wurde die Reihe ‚Argus‘, in der Kabel regelmäßig mit Kriminaltexten vertreten war, auf Erlaß der Militärbehörden eingestellt; nur die ‚Vergiß mein nicht – Romane‘ durften weiter erscheinen. Doch bereits im selben Jahr begann der Autor für den VmL die kleinformatige Heftreihe ‚Erlebnisse einsamer Menschen‘. Hier erzählte er zunächst von den Schicksalen Auslandsdeutscher, die fern der Heimat vom Kriegsausbruch überrascht wurden, denen Internierung drohte und die sich ins Reich oder zu dessen Verbündeten durchschlugen. In der zweiten Hälfte der Reihe dominierten dann Robinsonaden, Auswanderererlebnisse und Berichte Forschungsreisender. Sicher war die angesprochene Zielgruppe dieser Publikationen unter Jugendlichen zu suchen, da in fast allen Texten Jungen und Mädchen die eigentlichen Helden waren. Diese Reihe wurde von der Verbotspraxis der Brunnerkommission unbehelligt gelassen und erreichte bis 1919 128 Ausgaben, die alle von Kabel geschrieben wurden. Fünf bereits von ihm verfaßte Manuskripte erschienen allerdings nicht mehr innerhalb dieser Heftreihe, sondern wurden erst ca. 1922 in der Hauszeitschrift des VmL ‚Mein Familienheim‘ abgedruckt.

Herbst 1918, der Krieg war für das Deutsche Reich nicht mehr zu gewinnen, Hindenburg und Ludendorff hatten einem bedingungslosen Waffenstillstand zugestimmt. Der Kaiser dankte ab. In der Heimat kam zu der wirtschaftlichen Not das Chaos der Revolution. Doch bereits 1919 begann VmL als einer der ersten Heftromanverlage mit der Neuproduktion. Man griff zurück auf Textmaterial aus dem Jahre 1908. Damals hatte es in diesem Verlag schon einmal eine Heftserie von Max Ladenburg um die Gestalt des Detektivs Pat Conner gegeben. Diese vorliegenden Erzählungen wurden nun in Sammelbänden zusammengefaßt und unter dem Obertitel ‚Der Detektiv‘ neu herausgegeben. Doch mit der Nummer 6 waren die vorhandenen Manuskripte aufgebraucht. Nun kam Kabels große Stunde. Für die Nummer 7 schrieb er die Geschichte ‚Zwei Taschentücher‘, setzte damit den Beginn für eine neue Serie, gewidmet den Erlebnissen des Berliner Meisterdetektivs Harald Harst, die er bis zum Ende seiner schriftstellerischen Laufbahn fortsetzen sollte.

Kabel kehrte nicht in die juristische Laufbahn zurück, angeblich hielt er körperlich die langen Verhandlungssitzungen nicht durch. Er wurde Berufsschriftsteller, konnte nun einerseits das tun, was ihn seit frühester Jugend innerlich bewegte; Geschichten erzählen, seine rege Phantasie auf dem Papier ausleben. Und doch war er nun aus Broterwerb zum Sklaven seines Verlegers geworden, der Woche für Woche eine neue Fortsetzung erwartete, welche um die Leser bei der Stange zu halten, jeweils noch spannender, noch sensationeller zu sein hatte. Kabel wurde zu einer Art modernem Kolportageschriftsteller.

Noch schien seine Vorstellungs- und Leistungskraft unerschöpflich. Rückblickend schrieb er in einem Brief von 1935 über diese Zeit: „… wenn ich so denke, wie elastisch ich einst war und wie geladen mit Energie … Es gab nichts, was ich nicht schaffen konnte – ich habe mich an jegliches herangewagt und auch immer Erfolg gehabt.“

Doch Kabel schrieb in den Jahren 1919 bis 1922 nicht nur regelmäßig am ‚Harst‘, sondern gleichzeitig noch an einer nicht unbeträchtlichen Zahl anderer Erzählungen. Sein täglich vollbrachtes Arbeitspensum ist allein schon unter physischen Gesichtspunkten bewundernswert, dabei saß er nicht nur kontinuierlich an einem Text, sondern oft an mehreren Objekten gleichzeitig.

So entstanden in diesen Jahren vier Jugendbücher und zehn in sich abgeschlossene Kriminalromane, die in der Reihe ‚Gelbsternbücher‘ erschienen, daneben für Jungen die an ‚Max und Moritz‘ angelehnte Heftserie ‚Männe und Max‘ in Versform zu Bildern von R. Hansche, dem entsprechend für Mädchen ‚Lene und Lotte‘. Kabel wählte dafür das Pseudonym ‚W. Neuschub‘. W. für Walther, theoretisch passend auch für Wilhelm. Neuschub gleich ‚neuer Busch‘ – von hinten gelesen = ein ‚neuer Wilhelm Busch‘.

Daneben veröffentlichte Kabel regelmäßig in der Reihe ‚Vergiß mein nicht‘, schrieb die taschenbuchartige Reihe ‚Kabel Kriminalbücher‘ und übernahm schnell noch die Mitarbeit an der Reihe ‚Intimes – Skizzen aus dem Leben‘. Nachdem 1919 jede Zensur gefallen war, man nach den überstandenen Schrecken des Krieges um jeden Preis leben und genießen wollte, setzte der VmL, wie auch andere Verlage, auf die steigende Nachfrage nach sogenannten Sittenromanen, und schon nach wenigen Texten zeigte Kabel, daß er auch auf diesem Gebiet durchaus lesenswert zu unterhalten wußte. Unter den verschiedensten dieser Veröffentlichungsform angepaßten Pseudonymen schrieb er fast alle Texte dieser Heftreihe.

Mit Ausnahme von zwei Romanen für das Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst in Berlin arbeitete Kabel nach 1919 nur noch für VmL. Alles, was von ihm bei anderen Verlagen erschien, dürfte auf bereits veröffentlichtem Vorkriegsmaterial beruhen.

Er selbst bezeichnet sich in seiner Biographie als einen schlechten Rechner, hatte mit dieser wohl überspitzten Formulierung sicher dahingehend recht, daß er zwar kein weltfremder Träumer, aber gewiß auch kein realistischer Geschäftsmann war. Die von ihm abgeschlossenen Verlagsverträge zeigten sich als äußerst unvorteilhaft. Es ist zu vermuten, daß er seine Manuskripte für ein Fixum mit allen Rechten verkaufte und von Nach- und Neudrucken keinen Pfennig sah. Doch was scherte ihn dies in seiner schaffensreichsten Periode; seine Phantasie gab ihm reichlich Ideen zu neuen Geschichten, und er schrieb und verkaufte, und seine finanzielle Lage dürfte dabei nicht schlecht gewesen sein. An eine Zukunftssicherung dachte er nicht. Bitter beklagt er sich später, nun in überaus ärmlichen Verhältnissen lebend, über sich selbst und seine geringe Weitsicht.

„1913 hatte ich in Danzig ein Mietshaus mit vier Läden und zweiundzwanzig Wohnungen geerbt. 1920 verkaufte ich es für einen Spottpreis auf Anraten eines Duzfreundes, eines Anwalts, der angeblichen Polengefahr wegen. Ein Entschluß, den ich später bitter bereute, da dieses Objekt mit seinen Mieteinnahmen eine sichere Einnahmequelle gewesen wäre.“ Darauf folgt als Nachsatz: „Und so ist es mir oft ergangen.“ Das gewonnene Barvermögen zerann in der einsetzenden Inflation. Und über sein Verhältnis zum VmL sagt er: „Ich habe seinerzeit die große Dummheit begangen, daß mein Verlagsvertrag sehr ungünstig für mich war und daß ich daher von den Nachauflagen nichts mehr an Honorar beziehe – nichts! Dabei sind von Romanen von mir einige in einer Auflage von 200 000 erschienen. Also das übliche Schriftstellerlos!“

Die Jahre 1920 bis 1930 waren Kabels arbeitsreichste Periode. Er schrieb wie am Fließband, mußte schreiben, um zu überleben. Regelmäßig erschienen die ‚Harst‘, daneben 45 ‚Kabels Kriminalbücher‘; er verfaßte die drei Heftserien ‚Im Flugzeug um die Welt‘, ‚Nic Pratt – Amerikas Meisterdetektiv‘ und ‚Felsenherz, der Trapper‘ sowie die Fortsetzungsromane ‚Das Haus der Geheimnisse‘, ‚Die Wolkenkönigin‘ und in 60 Lieferungen (3840 Druckseiten) ‚Der Goldschatz der Azoren‘. Betrachtet man die anderen Publikationen vom VmL zu dieser Zeit, so muß man sagen, daß dieser Verlag nur von der Schaffenskraft eines einzigen Mannes existierte.

1929 begann Kabel die taschenbuchartige Serie ‚Olaf K. Abelsen – Abenteuer abseits vom Alltagswege‘ – seine wohl engagierteste Arbeit. Obwohl wieder unter dem Pseudonym ‚Max Schraut‘ veröffentlicht, fungiert Schraut darin nur als Herausgeber der Tagebuchaufzeichnungen des schwedischen Ingenieurs Abelsen, den ein intrigantes Fehlurteil ins Zuchthaus brachte, aus dem er entkommen kann und nun, von einem Steckbrief verfolgt, um den Erdball flieht.

Die topographischen Fakten für die Schilderungen exotischer Breiten lieferten Nachschlagewerke. Kabel bekennt dazu: „Ich kenne sehr gut Skandinavien bis Nordkap, dann Italien, die Riviera, Polen, Dänemark und Holland. Was ich über andere Länder geschrieben, beruht auf sorgfältigsten Studien von Reisewerken.“

Kabel schrieb weder den ‚Harst‘ noch den ‚Abelsen‘ für ein jugendliches Lesepublikum. Er sprach den erwachsenen Leser an, und zwar den Leser, der auch bereit war, mitzudenken. Sonst legte dieser die ihm ungewohnt knifflige Unterhaltungslektüre womöglich bald unbefriedigt aus der Hand. Zahlreiche Leserzuschriften gab es an den Verlag, die dieser zeitweise in den Heften sowie auf den Umschlägen neben einem Porträt des Autors abdruckte.

Doch mit dem Erfolg bei dem ‚anspruchsvollen‘ Leser meldeten sich auch die Stimmen der Kritiker und Neider. Kabel wurde angegriffen. Mehrfach geht er innerhalb der Harst-Serie darauf ein, daß man z.B. seine Texte in einer Rundfunkübertragung des ‚Senders Runxendorf’ als Schund gebrandmarkt hätte. Noch schlägt er voll Ironie zurück.

Dann kam am 8. Juli 1932 der Antrag des Landesjugendamtes Wiesbaden, die Serie ‚Harald Harst – aus meinem Leben‘ in die Liste der Schund- und Schmutzschriften aufzunehmen. Jetzt fühlte Kabel sich tief getroffen. In einem Brief äußert er sich: „Aber die hiesige Kammer gegen Schund- und Schmutzschriften hat im Sommer 33 den Harst als Schund erklärt und im Urteil betont, die Harstserie sei nicht national gehalten!!! Und dieses unmögliche Urteil erging auf einen Antrag hin, den die Bonzen in Wiesbaden im Sommer 32 gestellt hatten, also zu einer Zeit, wo noch jeder angerempelt wurde, der den Schiebern den Spiegel vorhielt!!!“

Doch es war so. Mit Beschluß vom 27. 4. 1934 war die komplette Harst-Serie von der Berliner Oberprüfstelle in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen worden. Für den Verlag war die Indizierung der kompletten Harst-Serie in der Liste der für Jugendliche ungeeigneten Literatur zwar kein Zwang zur Produktionseinstellung, doch kam sie indirekt einem solchen sehr nahe, da sie ein Werbe- und Auslageverbot beinhaltete und damit den Vertrieb der Hefte stark einschränkte. Lehmann setzte die Auflagenhöhe des ‚Harst‘ herab, und es ist wahrscheinlich, daß er folglich auch Kabels Manuskripthonorar kürzte.

Kabel war tief getroffen, daß gerade sein Detektiv, der immer ein deutscher Detektiv gewesen war, nun auf der Schundliste stand, und das mit der Begründung, er sei nicht national genug. Er verstand die Welt nicht mehr, mußte dazu mit weniger Geld als bisher auch seine persönlichen Lebenshaltungskosten einschränken. Dies alles findet in den Harst-Texten seinen symbolischen Niederschlag. Kabel vernichtet das dem Leser so vertraute Umfeld seines Helden, des Millionärs Harald Harst. Eine Überverbrecherin brennt dessen Haus nieder, Harst verarmt, seine geliebte Mutter und die Köchin kommen in den Flammen um. Er bearbeitet nun nicht mehr seiner Neigung folgend sensationelle Fälle, sondern ermittelt für Geld. Parallelen zu dem Ende der Abelsen-Serie lassen sich aufzeigen.

Doch der Bruch vollzieht sich nicht nur inhaltlich, auch gedanklich und sprachlich lassen die nun folgenden Bände Kabels übersprudelnde Phantasie und deren ganz eigene Darstellung vermissen. Nur hin und wieder einmal blitzt persönliches Engagement auf. Die Texte wirken langatmig und farblos. Es mangelt ihnen an Tempo, an Spannung, an jeder Steigerung im Geschehen. Die Stammleser finden nicht mehr das, was sie von ihrem Autor wöchentlich erwarten. Der Umsatz der Serie sinkt nun nachfragebedingt. Der Verleger will die Serie einstellen. Verzweifelt gibt Kabel auf, mittlerweile in ärmlichen Verhältnissen lebend und gesundheitlich angeschlagen, und läßt seinen Helden nicht ohne wehmütige Anklänge in Band Nr. 372 im Hafen von Swinemünde im Kampf gegen einen übermächtigen Verbrecher ertrinken. Zum endgültigen Schluß siegt das Böse – wie im realen Leben des Autors.

Welch schwermütige Gedanken Kabel zu dieser Zeit bewegten, darüber gibt ein Brief Auskunft, den er einem ihm relativ fernstehenden Verehrer schrieb: „… Unser Dasein ist so entsetzlich eintönig, daß man zuweilen fast lebensüberdrüssig wird, zumal mir ja nur ein äußerer Anstoß, oder besser ein erfreulicher Antrieb fehlt, der mir wieder inneren Schwung verleiht. Dann wäre alles mit einem Schlage anders. Doch dieses Dasein mit seiner zermürbenden Gleichmäßigkeit und im allerengsten Rahmen von Sorgen kleinlichster Art zerfasert jeden Willen allmählich … Und wenn ich jetzt so lediglich im engsten Kreise umherirre wie ein Gaul im Göpelwerk, dann erscheinen mir die Jahre von einst wie ein unfaßbares Wunder … Jetzt liegt es auf mir wie ein dauernder Seelendruck und wie das unklare Vorausahnen noch schlimmerer Tage.“

Kabel überlebte seinen ‚Harst‘ nur um etwa ein Jahr. Er verstarb, seelisch und körperlich ein gebrochener Mann, am 6. Mai 1935 in Kleinmachnow bei Berlin.