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Über den Tod von Walther Kabel

 

Über den Tod von Walther Kabel wurde schon viel geschrieben und spekuliert. Sogar ein Selbstmord wurde von einigen Biographen in Erwägung gezogen. Wenn man sich aber die zur Verfügung stehenden originalen Dokumente betrachtet, stellt man fest, daß es keine Belege für die Annahme einer nicht natürlichen Todesursache gibt.

Zwar fehlt im Sterbebuch die Angabe zur Todesursache, aber 1935 galt noch das Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung, und dieses sieht eben nach §59[1] den Eintrag der Todesursache nicht vor; das Formular im Sterbebuch hat daher auch keine Zeile zur Eintragung der Todesursache. Ein Umstand von großer Bedeutung, wie Erich Lifka in seinem Aufsatz Das traurige Ende des Dichters Walther Kabel[2] schrieb, ist die fehlende Todesursache somit nicht. Denn erst mit dem Personenstandsgesetz vom 3. November 1937, als mehr als 2 Jahre nach Kabels Tod!!!, findet die Todesursache im §38[3] formal Berücksichtigung.

Im Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung ist aber auch der zweite Absatz im §58 für unsere Betrachtung von Interesse. Dort heißt es: Findet eine amtliche Ermittelung über den Todesfall statt, so erfolgt die Eintragung auf Grund der schriftlichen Mitteilung der zuständigen Behörde. Bei einem Selbstmord hätte also der Sterbefall von der zuständigen Behörde und nicht von Ernst von Knorre angezeigt werden müssen[4]. Um nun auch noch abschließend zu klären, warum Ernst von Knorre den Sterbefall angezeigt hat, genügt ein Blick auf §57 des selben Gesetzes: Zu der Anzeige verpflichtet ist das Familienhaupt, und wenn ein solches nicht vorhanden oder an der Anzeige behindert ist, derjenige, in dessen Wohnung oder Behausung der Sterbefall sich ereignet hat. Ernst von Knorre war mit Käthe Kabels Schwester Elise verheiratet und nahm somit die Funktion des Familienoberhauptes war.

Auch der Eintrag im Kirchenbuch führt keine Todesursache auf. Diese ist jedoch auch bei den anderen Einträgen auf derselben Seite nicht erwähnt und hat deshalb keine besondere Bedeutung. Auch der Umstand, daß Walther Kabel bereits am Donnerstag, den 9. Mai 1935 (er verstarb am Montag, den 6. Mai 1935), auf dem Waldfriedhof in Klein Machnow beerdigt wurde läßt eher vermuten, daß hier ein natürlicher Tod vorliegt und eben keine Ermittlung der Todesursache, wie eine genauere ärztliche Untersuchung (z. B. Obduktion), stattgefunden hat.

In seinem Aufsatz schrieb Erich Lifka weiterhin, daß bei einem Besuch des Grabes von Walther Kabel ihm der fehlende Grabstein aufgefallen sei und teilte weitere ihm mündliche gemachte Mitteilungen zum Begräbnis mit. Hierzu sei zu bemerken, daß die Preußische Landeskirche mit einer Reform vom 12. März 1930 die kirchliche Bestattung für Selbstmörder erlaubte und eine schlichte Form des Begräbnisses als Soll-Bestimmung anführte[5]. Hieraus ergibt sich kein Widerspruch zu den Angaben von Erich Lifka. Allerdings kann man auf Grund einer schlichten Form des Begräbnisses nicht zwangsweise auf einen Selbstmord schließen, sondern diesen nur nicht ausschließen.

Eine weitere diskutierte Todesursache ist: An einer Lungenentzündung, die infolge seiner schweren Lungenverletzung im Ersten Weltkrieg nicht mehr in den Griff zu bekommen war. Frau Kabel hatte diese Angabe selber gegenüber Erich Lifka gemacht, was er in seinem oben bereits genannten Aufsatz auch erwähnte. Eine Todesursache auf Grund einer Verletzung aus dem ersten Weltkrieg (nicht eine Lungenentzündung für sich allein genommen) wirft aber weitere Fragen auf. Schauen wir dazu in das Gesetz über die Versorgung der Militärpersonen und ihrer Hinterbliebenen bei Dienstbeschädigung (Reichsversorgungsgesetz). Hier heißt es in § 34: Stirbt ein Rentenempfänger, so wird ein Sterbegeld gewährt … Vom Sterbegelde werden zunächst die Kosten der Bestattung bestritten und an den gezahlt, der die Bestattung besorgt hat ein Überschuß, so sind nacheinander der Ehegatte, etc. Und weiter heiß es in § 36: Ist der Tod die Folge einer Dienstbeschädigung, so wird Hinterbliebenenrente (Witwenrente, Waisenrente, Elternrente) gewährt. Der Tod gilt stets als Folge einer Dienstbeschädigung, wenn ein Rentenempfänger an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Dienstbeschädigung anerkannt war und für das er bis zum Tode Rente bezogen hat. Natürlich wissen wir jetzt nicht, ob Walther Kabel eine Rente bezogen hat. Denn, so heißt es im § 24: Der Beschädigte hat Anspruch auf Rente, solange infolge, einer Dienstbeschädigung seine Erwerbsfähigkeit um wenigstens 25 vom Hundert gemindert oder seine körperliche Unversehrtheit schwer beeinträchtigt ist. Es wäre somit eine Dienstbeschädigung möglich gewesen, für die Walther Kabel keinen Anspruch auf Rente gewährt wurde. Nur trifft das auf eine „schwere“ Lungenverletzung zu? Und dann wurde der Sterbefall von Ernst von Knorre, selbst ein Schwerkriegsbeschädigter, gemeldet. Hätte er nicht gewußt, wie in einem solchen Fall gehandelt werden muß, um eventuell Ansprüche geltend zu machen? Es hätte dann ja die Todesursache als Folge einer Dienstbeschädigung belegt werden müssen, was eigentlich nicht zu dem frühen Begräbnistermin paßt. Immerhin scheint so aber eine weitere Erklärung geben zu sein, warum behördlich Frau Kabel untersagt wurde, weiterhin zu behaupten, ihr Mann sei an einer Lungenentzündung in Folge einer Lungenverletzung aus dem ersten Weltkrieg gestorben, wie Erich Lifka an anderer Stelle in seinem Aufsatz schrieb … ohne gleich auf einen Selbstmord schlußzufolgern, wie er es tat.

Fazit: Eine Todesursache auf Grund einer schweren Kriegsverletzung oder gar ein Selbstmord von Walther Kabel kann nicht belegt werden. Die nackte Aktenlage spricht eher für eine natürliche Todesursache.

Frau Käthe Kabel starb am 23. Oktober 1961 im Siechenhaus Bethesda in Teltow[6]. Sie blieb kinderlos. Ihre Schwester Elise lebte damals noch in Berlin-Steglitz.

Geschrieben zum 80ten Todestag von Walther Kabel,

am 06. Mai 2015.

Dirk

 

 

Anmerkungen:

  1. § 59 Die Eintragung des Sterbefalles soll enthalten: 1. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort des Anzeigenden; 2. Ort, Tag und Stunde des erfolgten Todes; 3. Vor- und Familiennamen, Religion, Alter, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Geburtsort des Verstorbenen; 4. Vor- und Familiennamen seines Ehegatten, oder Vermerk, daß der Verstorbene ledig gewesen sei; 5. Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe und Wohnort der Eltern des Verstorbenen. Soweit diese Verhältnisse unbekannt sind, ist dies bei der Eintragung zu vermerken.
  2. Erschienen in: Blätter für Volksliteratur 2/1996, Hrsg. Verein der Freunde der Volksliteratur, Graz.
  3. § 38: In das Sterbebuch ist ein Vermerk über die Todesursache einzutragen, falls sie von einem für das Deutsche Reich bestallten Arzt bescheinigt worden ist.
  4. Hierzu auch eine Notiz zur Todesursache der Behörde in Potsdam, vom 20. Juli 1982, welche einer Sterbeurkunde beigelegt wurde, die Hr. Peter Wanjek angefordert hatte: Die Todesursache ist im Sterbebuch nicht beurkundet. Kabel ist eines natürlichen Todes gestorben, da sonst eine Anzeige des Sterbefalles durch die damalige Ortspolizeibehörde erfolgt wäre.
  5. Die Diskriminierung des Suizids im Spiegel von Begräbnispraktiken von Ursula Bauman, S. 87 –102 In: Diskriminierung – Antidiskriminierung, Hrsg. Jan C. Joerden Springer-Verlag, 2013.
  6. In seinem Aufsatz Das traurige Ende des Dichters Walther Kabel schrieb Erich Likfa, Käthe Kabel sein 1954 in einem Altenheim in Treptow gestorben. Diese Angabe ist falsch.