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Nur im Winter fällt der Schnee,
Türmt sich langsam in die Höh’,
Und, wenn er liegt hoch und fest,
Auf dem Schnee sich’s rodeln läßt.
So ein Rodel ist ein Schlitten,
Hat ein langes Sitzbrett mitten,
Sauset wie ein lebend Ding
Von den Bergen abwärts flink.
Meistenteils kommt auch sein Reiter
Unten an gesund und heiter.
Manchmal wird das Rodelroß
Seine lustgen Reiter los,
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Und des öftern so ein Gaul
Zeiget Mucken gar nicht faul,
Rennt dorthin, wo er nicht soll
Und gebärdet sich wie toll.
Solch ein Rodelrößlein schön
Sieht man unterm Christbaum stehn,
Den der Meister Blätterteig
Putzte für die Kinder reich.
Heute nämlich Weihnacht ist,
Wie Ihr wohl schon selber wißt,
Denn ’nen richtgen Weihnachtsbaum
Gibt’s zu andern Zeiten kaum.
Unsre lieben kleinen Rangen
Fröhlich um den Christbaum sprangen.
Denn ein Rodelrößlein war
Längst ersehnet von dem Paar
Auch der Affe, Klops genannt,
Diesen Schlitten herrlich fand,
Da die Mädel eifrig ihn
Ziehen übern Teppich hin.
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Abends kommt dann Onkel Schmer,
Zu der Weihnachtsfeier her.
Einen Onkel, der nichts schenkt,
Nennen Kinder gern „beschränkt“.
Dieser Onkel Ignaz Schmer
Hatte stets die Hände leer.
Selbst zu Weihnacht er nichts bringt,
Weil vor Geiz er förmlich stinkt.
Seht Euch diesen Schmer mal an!
Über ihn man lachen kann.
Seine hohen Filzesschuhe,
Riesengroß wie eine Truhe,
Sind benäht mit Lederflicken,
Da sie gehen sonst in Stücken,
In den Schuhen Hosen stecken,
Die am Knie sich beutlig strecken,
Dazu trägt er ’n Pelz vom Schaf,
Den er ablegt nur beim Schlaf.
Um den Hals ein wollner Schal,
Dessen Enden nicht egal,
Ihm ersetzet Schlips und Kragen,
Die – er sagt’s – nur Gecken tragen.
Auf dem Kopf die Schaffellmütz’
Wirket wie ein schlechter Witz.
Weil darunter lang und dünn
Künstlerlocken fluten hin
Bis zu jenem Schale dick,
Der ihm schützet das Genick.
Dieser Schmer, einst Musikante,
Rentner sich seit langem nannte.
Klagte jedoch immerzu,
Hunger ließ’ ihm keine Ruh’.
Dies war Schwindel. Denn der Schmer
Ist zumindest Millionär. –
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Mit den Eltern Blätterteig
Setzet er sich nunmehr gleich
In das schöne große Zimmer.
Wo man pflegt zu speisen immer.
Klops, der Affe, und die Rangen
Haben daher angefangen
– Denn sie sind nun hier allein –
Sich zu bauen rasch und fein
Aus den Möbeln, die sie sahn,
In der Stub’ die Rodelbahn.
Ja – was nützt ein Rodelroß,
Wenn’s nicht gleitet wirklich los?!
Deshalb auch der große Schrank
Wird gestellet schräg und lang.
Alle Kraft man dann verwandte,
Bis der Schrank mit einer Kante
Lehnet auf der Tischesplatte,
Die ’ne mächtige Länge hatte.
Nun der große Spiegel schnell
Wird gebracht zur andern Stell’,
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Wird so an den Tisch gestützt,
Daß als Rutschbahn er was nützt.
Unter ihn das Kleeblatt Stühle
Schob als Pfeiler möglichst viele.
So – das ist die Rodelbahn,
Wie hier jeder sehen kann.
Freilich fehlt ihr noch die Glätte,
Die das Rößlein nötig hätte.
Lene strengt sehr an den Kopf,
Holt sodann den Seifentopf,
Und mit grüner Seife hat
Fix gemacht die Bahn sie glatt.
Nun die Leiter rücket man
Ganz dicht an den Schrank heran,
Unser Kleeblatt steigt nach oben.
Aufwärts wird das Roß gehoben,
Das die Lene mit dem Fuß
Noch so lange halten muß,
Bis sie alle sitzen fest.
Dann das Rößlein frei sie läßt.
Und mit Poltern und mit Quietschen
Sieht man es nach abwärts flitzen. –
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Klirr und krach! Der schöne Spiegel
Sieht jetzt aus wie ’n Stacheligel.
In der Seife dicker Schicht
Stehn empor die Splitter dicht.
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Klirr und krach! Das Rodelroß
Sauste auf den Glasschrank los.
Von der feingeschliffnen Tür
Sind jetzt nur noch Scherben hier. –
Aus dem Zimmer nebenan
Rennen Blätterteigs heran.
Und auch Onkel Ignaz Schmer
Schauet grinsend dies Malheur.
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Ach, das arme Elternpaar
Plötzlich wie versteinert war.
Nur der Onkel Ignaz spricht:
„Seht, da habt Ihr die Geschicht’!
Weshalb auch Geschenke machen,
Die nachher zertrümmern Sachen?!“ –
Meister Heinrich Blätterteig
Nahm dann bei den Ohren gleich
Seine beiden lieben Kinder,
Führte ab die bösen Sünder
In das Schlafgemache klein.
Klöpschen hopste hinterdrein.
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Heinrich sie zu dreschen scheut,
Denn es ist ja Weihnacht heut’.
Nur das Rodelroß sofort
Schließt er ein am sichern Ort.
So war dieser Weihnachtsabend
Keineswegs die Herzen labend.
Festeslaune, die war futsch
Durch den einen Rodelrutsch.
Onkel Schmer geht gleich nach Hause
Hin zu seiner Geizhals-Klause,
Setzt sich an den Ofen dicht,
Zählte nun bei Kerzenlicht
Die Banknoten durch erneut:
Das war seine Weihnachtsfreud’! –
Eine Woche ist vergangen.
Rodelrößlein ist gefangen
Immer noch als zu gefährlich
Und weil ohne Schnee entbehrlich
In der dunklen Bodenkammer
Trotz der Kinder lautem Jammer.
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Endlich von des Himmels Höh’
Rieselt schöner weißer Schnee,
Und die vielen großen Flocken
Unsre drei ins Freie locken.
Mit den dicken warmen Pelzen
Heiter durch den Schnee sie stelzen.
Klops, der Aff’, trägt hohe Stiebel
Heute gegen ’s Kälte-Übel.
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Jetzt sie rollen Schneeball-Klöße
Von ganz annehmbarer Größe,
Bauen einen Schneemann flink,
Putzen aus das weiße Ding,
Ziehen ihm ’nen Schafpelz an,
Finden auch ’ne Fellmütz’ dann,
Und aus alter grauer Wolle
Machen sie die Künstlertolle.
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Ja – das ist der Ignaz Schmer!
Ihn zu kennen ist nicht schwer,
Ganz besonders, da soeben
Er tritt lebend auch daneben.
Unsre drei, erstarrt vor Schreck,
Stehen an des Hauses Eck’.
Ignaz, dessen Augen schlecht,
Diesen Herrn begrüßen möcht’,
Zieht die Pelzmütz’, lächelt sehr,
Saget höflich: „Ich heiß’ Schmer.“
Doch der Schneemann bleibet stumm.
Dies erscheint dem Ignaz dumm.
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„Herr!“ ruft er, „welch ein Begehr
Führt Sie in den Garten her?“
Wieder Ignaz’ Schneeporträt
Saget weder Ja noch Ne.
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Aber Klops, der freche Wicht,
Ballt schon Schnee zum Klumpen dicht,
Zielet gut und trifft auch schnell
Grade jene Backenstell’,
Wo dem Ignaz sitzen schöne
Gelbe falsche große Zähne.
Hui – es flieget das Gebiß!
Ignaz’ Wut war groß gewiß
Und im Wahne, daß der Mann
Klebt ihm eine Ohrfeig’ an,
Holt er aus und schlägt desgleichen
In den Schneekopf, diesen weichen,
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Der dann auch, ganz sonnenklar,
Von dem Rumpf gefallen war.
Nun erst merkte Onkel Schmer,
Daß er sich blamieret sehr,
Und mit einem Fußestritte
Stößt er vor des Leibes Mitte
Hier sein eigen Konterfei,
Verliert jedoch den Halt dabei.
Arm in Arm mit seinem Bild
Strampelt in dem Schnee er wild,
Kommt dann schließlich auf die Bein’,
Läuft zu Blätterteig hinein
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Und verlangt, daß diese Rangen
Möglichst werden aufgehangen.
Blätterteig beruhigt Schmer,
Schenkt ihm einen Kuchen schwer,
Und der Geizhals, rasch versöhnt,
Jämmerlich dann weiter stöhnt:
„Lieber Heinrich, dies Paket
Mir daheim im Wege steht.
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Die Beamten von der Steuer
Scheinen mir nicht ganz geheuer.
Jedenfalls ist’s besser so,
Daß Du mir versteckst es wo.“
Doch es winket Blätterteig
Sehr energisch ab sogleich.
Schmer schiebt das Banknotenpäckchen
Wieder in das Taschensäckchen,
Und von Sorgen sehr bedrückt,
Draußen er noch mehr erschrickt,
Denn es nahet sich dort schon
Steueronkel Loewensohn.
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Ignaz Schmer ist ausgerissen,
Denn er hat ein schlecht Gewissen.
Loewensohn nimmt eine Prise,
Daß er erst mal tüchtig niese.
Dann schleicht dieser Steuerbote
Ignaz nach, dem Geizhalsschlote,
Der, da seine Sehkraft mäßig,
Nascht vom Kuchen sehr gefräßig
Und voll Freude glaubet schon,
Daß verschwunden Loewensohn.
Schmer biegt ein dann in den Wald,
Hofft, daß er hier findet bald
Ein Versteck für sein Paket.
Deshalb er behutsam geht
Aufwärts einen Weg, der steil,
In nicht allzu großer Eil’.
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Unterdessen unsre drei
Holten heimlich ohne Scheu
Sich den Schlüssel zum Gelaß,
Wo das „Roß“ gefangen saß
Und mit diesem Rodelding
Eilen sie nun mächtig flink
Auf den Gockelberg, der nah,
Hier dann allerlei geschah.
Von dem Berge führt ein Weg
Wie ein Serpentinensteg
In das tiefe Tal hinab,
Gab ’ne Rodelbahn jetzt ab,
Wie sie konnt’ kaum besser sein,
Da man hier war meist allein.
Als das Kleeblatt oben war,
Jubelte es fröhlich gar.
Dann bestiegen sie ihr Roß,
Das für drei genügend groß.
Vorne saß die Lotte, dann
Kam als zweiter Klöpschen-Mann.
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Hinten Lene hat den Platz,
Die nun mit gewandtem Satz,
Als dem Roß sie Schwung gegeben,
Läßt sich auf das Sitzbrett schweben.
Abwärts in sehr forschem Ritt
Nimmt das Roß die Reiter mit.
Lotte mit den langen Beinen
Steuert gut, weicht aus den Steinen,
Doch, als eine Kurve kam,
Wen’ger schlau sie sich benahm.
Links auf einer Schanze Schnee
Rast das Rößlein in die Höh’,
Wirft die Reiter, jerum je,
In den tiefen, weichen Schnee.
Lachend steigen unsre drei
Auf ihr Rodelroß aufs neu’.
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Wieder saust der Schlitten munter
Den gewundnen Weg hinunter. –
Frau Therese Honigstrauch
Geht denselben gerade auch.
Auf dem Rücken dieser Alten
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Sieht man Hölzer, kleingespalten.
Grade diese Frau Therese
Stahl, wo’s ging, voll List sehr böse.
Hinter ihr das Rodelroß
Blitzschnell immer näher schoß.
„Platz da!“ warnt sie noch die Lene.
Doch Therese hört nur Töne,
Die man mit dem Nebelhorn
Zuschreit kräftig grad von vorn.
Autsch! Da hab’n wir das Malheur!
Rodelrößlein stoßt gar sehr.
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Stößt Therese vor die Schinken,
Und man sieht sie rückwärts sinken,
Auf dem Affen sitzt sie oben,
Der sich schleunigst hat erhoben
Und nun hocket mächtig stolz
Auf dem Bündel Knüppelholz.
Weiter jagt das Roß derweilen,
Tut ganz riesig sich beeilen,
Und Therese Honigstrauch
Hält vor Angst sich fest den Bauch,
Klops auf ihrer Rückenlast,
Tanzte jetzt vor Freuden fast. –
Ei verflixt – es kommt daher
Diesen Weg der Ignaz Schmer.
Warnend winkt von weitem schon
Der besorgte Affensohn.
Doch der Ignaz, der schlecht sieht,
Leider nicht bei Zeiten flieht.
Und das Rodelrößlein wieder
Boxt den armen Ignaz nieder,
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Der nach hinten fliegt ein Stück
Und sodann – welch seltnes Glück,
Nach dem zweiten Rodelstoß
Sitzt Therese auf dem Schoß.
Dieser Schlitten, hochbepackt,
Jetzt schon recht bedenklich knackt,
Denn es war die große Last
Für ihn doch zu schwere fast.
Weiter flitzt er flink zu Tal,
Bis das Roß zum zweiten Mal
An ’ner Krümmung kurz und scharf
Alle Reiter runter warf. –
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Wiedersehen gibt es oft
Unersehnt und unverhofft.
Hier sieht man zum Beispiel schon
Steueronkel Loewensohn.
Grade ihm fliegt vor die Füße
Onkels Ignaz’ Kuchen süße,
Hinterdrein folgt Ignaz auch,
Reißt sich auf an einem Strauch
Seines Pelzes große Tasch’
Und das Päckchen kollert rasch
In den Schnee und öffnet sich,
Ignaz fluchet fürchterlich,
Denn Papiergeld viel und bunt
Breitet aus sich in der Rund’.
Zwei Banknoten weiter flattern.
Diese kann noch grad’ ergattern
Frau Therese, die im Schnee
Streckt die Beine in die Höh’.
Eiligst jetzt mit diesem Raube
Macht das Weib sich aus dem Staube. –
Grinsend hebt der Steuerbote
Auf nun jede einz’ge Note,
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Spricht dabei von ungefähr:
„Diesen Kindern dank ich sehr!
Denn daß Sie millionenschwer,
Weiß ich jetzt, mein lieber Schmer!“ –
Ignaz rappelt sich fix auf
Und entschwand in hastgem Lauf.
Weil dies Unheil ihn so kränkt,
Hat er sich zu Haus’ erhängt.
All sein Geld erbt Blätterteig,
Der’s verteilt an Arme gleich.
Nur für ’s Kleeblatt einen Schlitten
Kauft er auf der Kinder Bitten,
Denn das erste Rodelroß
Wurde seine Beine los
Bei dem letzten großen Sturz
An der Krümmung, die zu kurz. –
Weiter weiß ich jetzt nichts mehr
Von dem Roß und Ignaz Schmer.
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