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Die Satansfarm

Olaf K. Abelsen

Abenteuer

Abseits vom

Alltagswege

 

Die Satansfarm

 

Einzig berechtigte

Bearbeitung a. d.

Schwedischen von

M. Schraut

 

– Band 32 –

 

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.

Berlin SO 16

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschließlich das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1930 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 16.

Buchdruckerei: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin SO 16.

 

1. Kapitel.

Der Mann von der Satansfarm.

Das Abendrot über der fernen Wüste war weit draußen jenseits der wogenden Hügel soeben erloschen, nur die Gipfel der Felsen-Getreidefelder schimmerten noch wie rot betupft, und das dünne Rinnsal des Ralgate-River, der zwanzig Meilen weiter westlich den Humboldt-Fluß speiste, hatte gleichfalls noch einen rosigen Hauch.

Der Staat Nevada, zum größten Teil Sand- und Steinwildnis, und dieses Schoschonendorf, das an das Bergwerksstädtchen Ralgate grenzte, war mir für Wochen neue Heimat geworden. Freunde hatte ich hier gefunden, die mir ihre schlichten Seelen öffneten, eine Frau ward mir Vertraute, die durch Leid und Trübsal sich durchgekämpft hatte zu heißersehnter Freiheit.

Die Schoschone-Indianer des Dorfes verehrten mich fast, die Kinder wichen mir kaum von den Fersen, und die gelegentlichen Ritte mit Freund Koipato tief hinein in die trostlosen Einöden hatten auch meinen Körper nicht einrosten lassen.

Mitten in das halblaute Gespräch, das Dagmar mit mir durch das offene Fenster geführt hatte, waren die fernen Schüsse erklungen, – ich war im Nu im Freien, im Nu im Stalle, holte den starkknochigen Braunen heraus und jagte trotz Dagmars wiederholter Bitte, sie doch mitzunehmen, durch die Dorfgasse, in der die zivilisierten friedlichen Schoschone-Indianer bereits in dichten, erregten Gruppen vor ihren blitzsauberen Häusern standen.

Ich ahnte, was geschehen. Ich hatte dem Gefängnis von Ralgate nie recht getraut, es war ein jämmerlicher Kasten aus Luftziegeln, und die dort vorläufig eingesperrten Mormonen, deren Sündenregister nicht gerade kurz, dürften, so sagte ich mir, jetzt wohl durch gute Freunde befreit worden sein.

Ich hatte die derbe Ralgater Bevölkerung doch unterschätzt. Als ich mich dem Gefängnis näherte, stieß ich auf Gruppen sehniger, brauner Gestalten, die einen Halbkreis um ein paar jener finsteren Wichte gebildet hatten, die hier in Nevada jahrelang die Farmer peinlich geschädigt und als Viehdiebe ihre besonderen Geschäfte gemacht hatten.

Sheriff Millner, erst vor wenigen Tagen neu ernannt, trat rasch auf mich zu. „Nur vier sind entflohen, Abelsen“, meinte er beinahe stolz. „Wir werden sie sehr bald haben … Unsere Boys sind zu Pferde hinter ihnen her …“

Er deutete nach Nordwesten, wo einige Ausläufer der Schoschonen-Berge ihre nackten Felszacken gegen den abendlichen Himmel reckten.

Mein Brauner trug nur Trense, nicht einmal Sattel, und meine ganzen Waffen bestanden in einem Jagdmesser und einer Coldpistole.

Der Gedanke, daß Koipato gerade in jenen Vorbergen gestern seine Kaninchenfallen aufgestellt hatte und vorhin zu Fuß hinübergeschlendert war, um nach dem Ergebnis der Schlingenjagd sich umzutun, veranlaßte mich, in schärfstem Galopp wieder davonzureiten. Mochte der Sheriff auch annehmen, daß die Mormonen ohne fremde Hilfe den Ausbruchsversuch unternommen hätten, – Dagmars kurze Andeutungen vorhin waren Grund genug zu ernstester Besorgnis.

Satansfarm …

Ja, dieser oder jener Schoschone hatte gelegentlich genau wie Koipato unklare Andeutungen gemacht, daß man dies und jenes vermute …

Es waren alles nur unbestimmte Gerüchte, wie sie in einem so dünn besiedelten Lande wie Nevada leicht auftauchen und schon aus Langeweile ausgeschmückt und weitergetragen werden, bis sie als feststehende Tatsache bereitwilligst mit all den phantasievollen Einzelheiten hingenommen werden. Das Wesentliche blieb ja: Man hatte einen Gesprächsstoff, das Einerlei des Alltags wurde durch solche fundamentlose Erzählungen angenehm unterbrochen, und im übrigen – –?! Man kümmerte sich nicht weiter darum, dazu war eben der Daseinskampf in diesem Lande der Wermutsträucher zu hart.

Das Städtchen Ralgate war einst, als die Goldfunde in Nevadai die spärliche Einwohnerzahl krampfhaft hochschnellen ließen, ein Ort von achttausend Seelen gewesen. Heute waren [es]ii, die etwa 1500 Schoschonen eingerechnet, kaum noch die Hälfte. Das Goldbergwerk in den nordwestlichen Höhenzügen war längst außer Betrieb, die Bevölkerung hatte sich allgemein der Farmwirtschaft zugewandt und lebte davon bei bescheidensten Ansprüchen sorglos und trotz der Nähe der großen Pacific-Bahn wie in einer weltentlegenen Oase.

Ich kannte Weg und Steg ringsum in weitem Umkreis, und wenn diese Wege auch keinerlei Anspruch auf die Bezeichnung „gebahnte Straßen“ erheben konnten und sich sehr bald in den unfruchtbaren Steppen, Sand- und Steinwüsten verloren, dienten sie doch dem Verkehr zwischen den entlegneren Farmen und waren von Wagenrad- und Autoreifenspuren tief aufgewühlt. Es hatte tagelang nicht geregnet, die Dürre außerhalb der künstlich bewässerten Felder war trostlos, und nur die schnell zunehmende Dunkelheit täuschte mir, dem eilig Dahinjagenden, einige landschaftliche Reize vor.

Es gab nur einen Paß durch die zerklüfteten Anhöhen im Nordwesten, und nur diesen konnten die Flüchtlinge benutzt haben, um in die pfadlose, grenzenlose Weite für immer zu verschwinden.

Linker Hand erschienen die verrosteten, verfallenen Wellblechbaracken der in ein großes Tal eingebetteten einstigen Baulichkeiten des toten Ralgate-Bergwerks, – der steinige, ansteigende Boden zwang mich zu mäßigem Trab, und mit einem Male schnellte freudig Füchslein Krake an der Seite des Braunen hoch und stieß jenes eigentümliche Winseln aus, das bei ihm stets den Ausdruck höchster Befriedigung bedeutet. Dagmar Egerlöv, an der mein Bastard von Yucatanfuchsiii mit großer Zärtlichkeit hing, hatte ihn also doch nicht in Koipatos Häuschen zurückhalten können, er war ausgekniffen, und im Grunde billigte ich diese Sehnsucht nach mir, seinem Herrn, in vollstem Maße, da Krake ein nicht zu unterschätzender Begleiter war. Seine feine Nase, seine Schlauheit, seine Dressur hatten mir bereits verschiedentlich genützt.

Oben auf der Paßhöhe traf ich die sechs Ralgater Boys mit ihren Gäulen. Sie hielten dicht nebeneinander und schienen über irgend etwas erregt zu streiten. Mein Erscheinen kam den jungen, recht stark hinterwälderisch ausschauenden Farmersöhnen nur gelegen. Der eine, den ich am besten kannte, ein schlanker Hüne mit verwegenem Gesicht, platzte sofort ohne viele Umschweife heraus:

„Ich habe es dem Sheriff gleich gesagt, Mr. Abelsen, daß die Mormonen die Stahlsägen zum Zerschneiden der Fenstergitter der Zellen von irgend jemandem zugesteckt erhalten hätten, und daß der ganze Fluchtplan sorgfältig vorbereitet gewesen sein müßte … Aber Millner hat ja stets seinen Schädel für sich …“

„Mag sein …“ Ich merkte genau, daß die vier prächtigen, ehrlichen, etwas rauhen Boys bei meinem Erscheinen über ganz andere Dinge disputiert haben müßten. „Wo sind die Flüchtlinge? Weshalb habt ihr hier halt gemacht?“

Jonny Fleers klatschte seinem gleichfalls ungesattelten Gaul derb auf den Hals, – eine verlegene Geste, die durchaus der Biederkeit dieser harten Burschen entsprach. „Halt gemacht …?! – Verdammt, – hat keinen Zweck mehr, Mr. Abelsen, die Kerle zu verfolgen …“

Ich schaute mir die Gesichter der übrigen an, – alle hielten die Blicke gesenkt, einige spuckten wütend in das Gestein, nur einer, wohl der jüngste, krähte vorschnell die Wahrheit heraus:

Er war hier, – – verdammt, – und er hatte Pferde mit, so Stücker acht …“

„Also der Mann von eurer vielerörterten Satansfarm …“, sagte ich gerade heraus, um dieses Herumgerede schleunigst zu beenden.

Jonny Fleers schnitt ein grimmes Gesicht. „War so, Mr. Abelsen, dort hielt er …“ Er deutete vorwärts auf eine breitere Stelle des schmalen Bergpfades. „Und wenn Sie uns für Feiglinge halten, – – dem Kerl weicht jeder aus. Wer ihn sieht, redet nicht viel davon, es reden nur die, die ihn nicht sahen …“

Dieses jungen, strammen Burschen hagere Züge verrieten ein Unbehagen, das schon mehr an Furcht grenzte. „Ist überhaupt eine Schande für unseren Staat, daß derlei Dinge geschehen können, Mr. Abelsen …“, knurrte er halblaut. „Aber die Scheunen brennen eben zu oft, das ist es, und … niemand verbrennt sich gern das Maul, Mister, – – ich weiß genau, daß die Polizei genug Umfrage hielt hier und dort, – – nichts kam dabei heraus. Die Angst vor dem roten Hahn ist zu groß … Vielleicht schwatze ich mir selbst hier diesen roten Hahn an den Hals, … schweigen wir lieber, es ist ja doch nichts zu machen … Die vier Mormonen sind entkommen, – – basta, – kehren wir um.“

Die rauhen Sitten eines rauhen Landes kennen keine übertünchte Rücksichtnahme.

Ohne ein weiteres Wort ritt Jonny Fleers mit seinen Freunden in das Tal hinab und scherte sich den Teufel was darum, ob ich mich ihnen anschlösse.

Ich blieb. Das Geklapper der Hufe auf dem steinigen Zickzackpfad erstarb, und Füchslein Krake, der Braune und ich waren allein auf der windigen, bereits unangenehm kühlen Paßhöhe. Nach Norden zu ragte die Steilwand, durchsetzt mit Kieferngestrüpp, das im Luftzuge nie zur Ruhe kam und mit feinem Zischen Waldrauschen vortäuschte, etwa vierzig Meter hoch empor, nach Süden verlor sich ein finsterer Abgrund in nächtlich düstere Klüfte, und vor mir lag, hundert Meter entfernt, die breite Ausbuchtung des Passes – jetzt kahl und leer. Dort sollte der Mann von der Satansfarm mit seinen Gäulen gehalten haben.

Die unklaren Andeutungen Jonny Fleers über diese fast schon sagenhafte Figur eines gefürchteten Feindes der Allgemeinheit hatten in mir eine eigentümliche Spannung geweckt, die diesem seltsamen, unheimlichen Menschen galt. Meine Gedanken waren angefeuert durch diese ersten, bestimmten Angaben über den – nennen wir ihn – über den „Satan“, und wenn sich diese Angaben auch nur auf die mit ihm in Verbindung gebrachten Feuersbrünste gefüllter Getreidescheunen bezogen, verliehen sie doch dem scheinbar müßigen Gerede einen festen Anhaltspunkt: Der Mann brachte die zum Schweigen, die ihn je zu Gesicht bekommen, indem er ihnen die Brandfackel an ihre Habe legte.

Mochte ich nun auch tief im Nachdenken versunken sein, meine Wanderjahre abseits vom Alltag hatten mich zur Vorsicht und Wachsamkeit erzogen.

Es bedurfte gar nicht Füchslein Krakes vorgereckter, windender Nase und des leicht gesträubten Rückenhaares, – ich hatte den leisen Hufschlag bereits selbst vernommen, der von Osten, vom Städtchen her, immer näher kam, – – um die Biegung des Saumpfades erschien ein einzelner Reiter auf einem zierlich gebauten Rappen, und Koipato, der Schoschone, legte mir wortlos Sattel, Zaumzeug, Satteltaschen und Büchse in die Arme.

Mein Blick forderte eine Erklärung.

Freund Koipato sagte eigentümlich rauh:

„Frau Dagmar ist verschwunden, Olaf … Nur zwei Kinder beobachteten die drei Reiter, die unsere Kameradin entführten …“

Ich empfand ein eisiges Frösteln wie eine eiskalte Hand, die mir über den Rücken strich.

Koipato – es lag in seinem indianischen Blute – fügte genau so trocken-sachlich hinzu:

„Sie haben eine halbe Stunde Vorsprung und die Nacht und der Wind sind ihre Verbündeten … Ich verstehe vieles hiervon nicht – seit langem. Ich hatte nicht die Zeit, mich um diese Dinge zu bemühen. Jetzt, … wir werden sowohl den See wie die Insel und auch den Mann finden, der unseren Landstrich in Atem hält.“

Koipato, Sohn des letzten freien Häuptlings der Nevada-Schoschonen, war nicht nur ein berühmter Jäger, sondern auch ein gebildeter Mensch. Die Indianer von einst sind zumeist friedliche Siedler geworden, haben ihre Schulen, Lehrer und ihre eigene Verwaltung in ihren Dörfern und in den sogenannten Indianerreservationen.

„Jonny Fleers und die Farmer aus Ralgate“, fuhr er etwas hochmütig fort, „fürchten den Mann der Satansfarm … Sheriff Millner bleibt daheim, die Polizei läßt sich Zeit, wir sind auf uns allein angewiesen, Olaf …“

Er lachte hart.

„… Also sattele deinen Braunen … Die Wüste wird uns vielleicht für Wochen in ihre dürren Arme nehmen, aber bezwingen wird sie uns nicht! Denke an den Himmelsreiter, Olaf … Das waren Tage, Monate, Jahre, die mich Nevadas Nordzipfel kennen lernen ließen …! Beeile dich …! Wenn der Mond scheint, werden wir die Spuren finden, falls Krake die Fährte nicht schon früher annimmt …“

Als wir die nächste Biegung nach Norden zu hinter uns hatten, lag unter uns das Städtchen und das Indianerdorf im breiten baum- und buschreichen Tale des Flüßchens. An zwei Stellen schossen rote Feuerzungen, Funkenregen und dicker Qualm gen Himmel.

Koipato, im Sattel einer Steinfigur gleichend, sagte ohne jede Gemütserregung: „Mein Häuschen und mein Stall und Jonny Fleers’ Scheune …! – Der Mann arbeitet rasch, Olaf …!“

Minutenlang hielten uns die brennenden Gebäude am selben Fleck.

Es war bereits völlig finster geworden.

Ein eigentümlicher Ton schwebte plötzlich fernher durch die Luft … Koipato wandte jäh den Kopf und lauschte …

Seine Stimme“, meinte er leise, aber erbittert bis zu tödlichem Haß. „Das ist seine Stimme, Olaf … Ich hörte sie oft … Den Mann selbst sah ich noch nie …“

Ich hatte bereits herausgefunden, um was es sich handelte. – „Eine Sirene, Koipato, die man mit dem Munde zum Tönen bringen kann …!“

Der Schoschone ließ nur ein zweifelndes „So – – Sirene?!“, hören und sein Nachsatz lautete: „Eine Sirene, von einem Menschen geblasen, klingt nicht meilenweit, selbst wenn wie jetzt der Wind auf uns zusteht …! – Vorwärts …!“

 

2. Kapitel.

Der Pfeil im Rotfuchs.

Vor Jahren war es gewesen, da hatte der Nachbarstaat Nevadas, der nicht weniger wüstenreiche Utah, das Mormonenland, eine Anzahl seiner Gläubigen ausgewiesen und Nevadas unfruchtbare Fluren mit diesem zweifelhaften Bevölkerungszuwachs beglückt. Als Ausgestoßene aus der Sekte der Heiligen der letzten Tage hatten diese finsteren, verschlossenen Fremdlinge mit ihren Familien allzeit abseits gelebt und dennoch festgehalten an ihrer Lehre und ihren Bräuchen, waren insgeheim dunkelste Wege bei verbrecherischem Treiben gewandelt und endlich abgefaßt worden. Der „Reiter am Himmel“, ihr unerbittlichster Verfolger, war ihr Verhängnis geworden, und Dagmar Egerlövs Befreiung von den Fesseln einer Ehe mit dem Mormonen Hollerfrey hatte nur ein Zwischenspiel bei dem großen Kesseltreiben auf eine Rotte feiger Mörder bedeutet.

Austin Egerlöv, der hier im Nordwesten des Staates vier Jahre mit Koipatos Hilfe den Himmelsreiter gespielt hatte, weilte jetzt mit dem Chinesenboy Jangse Schang in Nevadas Hauptstadt, um einige geschäftliche Angelegenheiten zu regeln. Wie würde er, der für seine Schwester so unendlich viel aus treuer Bruderliebe getan hatte, diesen neuen Schlag ertragen?! Dagmars Entführung war die Quittung der Anhänger dieser gefährlichen Brut, denen nicht so leicht beizukommen sein würde, weil sie, wie ich längst vermutete, auch unter den Farmern und Städtern ihre Freunde besaßen und weil wahrscheinlich ein ganzes Netz unsichtbarer Fäden dieser gewalttätigen Kreuzspinnen sich über das einst so reiche Goldland Nevada hinzog.

Schweigend, schlaff im Sattel hängend, wie er es von seinen Ahnen gelernt, ritt der Schoschone vor mir her. Die Hügel hatten wir hinter uns, ebenso die letzte einsame Farmiv am Südwestrande, deren Besitzer hier einen verzweifelten Kampf gegen die Dürre des Bodens mit Hilfe primitiver Bewässerungsanlagen ausfocht. Tag und Nacht arbeitete der kleine Elektromotor, Tag und Nacht beförderte die Pumpe lehmiges Wasser aus tiefer Felskluft in die Staugräben, – man mußte Achtung gewinnen vor diesen zähen Siedlern, die schließlich doch für ihr Vieh grüne Wiesen und für die Aussaat brauchbaren Boden gleichsam hervorzauberten.

Empor ging es nun zu dem breiten, sandigen Wüstenstrich, der im Halbkreis das Schoschonendorf gen Nordwest umgrenzte. Über uns funkelten klar und endlos fern wie in bitterkalter Winternacht die Sterne, ein unregelmäßiger Wind fuhr in groben Stößen über die nächtliche Tenne dieser Einsamkeit, und wenn ich mich nicht vor Koipato geschämt hätte, würde ich mir eine der Wolldecken als Poncho um die Schultern gehängt haben. Freund Krake tänzelte bald hierhin, bald dorthin, um die spärlichen Bauten der Präriehunde und der Kaninchen kümmerte er sich nicht, das Viehzeug war zu vorsichtig, außerdem mußte Füchslein Krake auch vorläufig genügend gesättigt sein, in Koipatos Heim hatte er sich geradezu einen Schmerbauch angefressen. – Mit diesen verwilderten Kaninchen hatte [es]v seine besondere Bewandtnis. Es waren Nachkommen einiger Kaninchenpärchen, die ein besonders schlau sich dünkender Mitbegründer von Ralgate einst in den Hügeln ausgesetzt hatte. Zehn Jahre später mußte man diesen sich unheimlich schnell vermehrenden Nagern mit Gift, Fangeisen und Schrotflinten den Krieg erklären, und trotzdem litt die ganze Gegend noch heute an der Überflutung dieser Tiere: Australien im kleinen, wo die Verhältnisse nur noch ärger gelegen hatten, da man dort nicht wie hier die äußerst scharfen Indianerhunde als Verbündete hatte mobil machen können.

Koipato, von Kopf bis Fuß in Leder gekleidet, trotzdem eitel genug, ein farbenfrohes Wollhemd mit Klappkragen und wehendem seidenen Halstuch, halb Krawatte, halb Tuch, und dazu einen verwegenen grauen Filz mit einem Kranz von Geierfedern zu tragen, wich jedem der dunklen Gestrüppstreifen vorsichtig aus. Krüppelkiefern, Wermut, Salbei, vereinzelte Eichen und Dornenbüsche zierten hier noch den Wüstenrand. Felspartien durchbrachen den hellen Sand, einzelne Steine lagen umher, – – der Schoschone kannte die Wildnis und die Wüste wie kein anderer. Ihm entging nichts. Zuweilen verhielt er seinen Rappen, äugte ringsum, aber seine hagere, sehnige Gestalt blieb schlaff und spannte sich nicht, – es war kein Anlaß vorhanden, die Muskeln irgendwie spielen zu lassen. Auge und Gehör genügten.

Es war kalt, bitterkalt. Wer da glaubt, daß diese Einöden östlich der Sierra Nevada mit ihren weißen Schneehäuptern, die als kompakte Gebirgsmasse die Grenze nach Kalifornien hin bilden, durch die Sonnenbestrahlung des Tages genügend Wärme auffangen, um jetzt kurz vor Beginn des Herbstes die Temperaturschwankungen auszugleichen, irrt sich gewaltig.

Ich fror. Mein derber Sportanzug aus Englischleder mochte praktisch sein: Koipato war in seiner echten Lederkluft weit geschützter.

Vielleicht, daß gerade dieses Frösteln unter den fauchenden Windstößen meine Sinne besonders lebendig machte, – – durch Schenkeldruck trieb ich den Braunen mit langen Sprüngen neben den Rappen, und als Koipato mich fragend anschaute, zeigte ich seitwärts, wo auf dem welligen Sande ein Etwas lag, das man für einen eigentümlich geformten Felsen hätte halten können.

Es war ein totes Pferd, das halb auf dem Rücken lag und die Beine steif gen Himmel gestreckt hatte.

„Ein Rotfuchs …“, sagte Koipato, als wir neben dem Tiere hielten. „Olaf, weshalb?!“

Das Pferd war erstochen worden, der Boden ringsum aufgewühlt von Hufen, dunkle Flecken zeigten auch, daß der Rotfuchs viel Blut verloren hatte.

Der Schoschone glitt aus dem Sattel, beugte sich über den Kadaver und untersuchte die Wunde in der Brust des Tieres. Er richtete sich wieder auf, nachdem er sich die Hände mit Sand gründlich gesäubert hatte, und meinte mit schlecht verhehltem Erstaunen:

„Ein abgebrochener Pfeil steckt in der Wunde. – Schade um den Rotfuchs … Ein prächtiges Pferd muß es gewesen sein. Der Leib ist noch warm, dieses Tier ist noch keine Stunde tot.“

Kleinigkeiten sind ja so und so oft die Stützen für die spätere, umfangreiche, bedeutungsvolle Entwicklung unübersehbarer Geschehnisse.

Wer benutzt heute noch in Nevada Pfeil und Bogen?! – Nur die Indianerkinder, die nie so ganz aus ihrem kupferroten Blute das Erbgut kriegerischer Ahnen, die Liebe zum Waffenspiel, ausschalten können.

Koipato fügte etwas lebhafter hinzu: „Ein geschnitzter Holzpfeil, Olaf … Ich möchte ihn herausschneiden … Gib auf die Umgebung acht. Die Mormonen waren hier, der Rotfuchs gehörte dem Manne von der Satansfarm.“

Seine dunklen Augen, deren dichte Brauen fast wagerecht standen und erst an den Schläfen sich scharf abwärts krümmten, glühten schärfer auf, ein Zug von dämonischer Wildheit huschte über sein mageres, kluges Gesicht, aber seine Stimme klang leidenschaftslos, als er hinzufügte: „Es ist eines seiner Pferde, Olaf. Ich war ja häufig genug auf seiner Fährte, und Rotfüchse sind in Nevada sehr selten, besonders ein Tier mit so prächtigem Schweif, der fast kupferrot schimmert. Ein Mann, der ein Leben wie dieser Unbekannte führt“ – die etwas hochmütige Geringschätzung trat abermals in seinem Tonfall eindrucksvoll hervor – „sollte seinen Tieren die Schweife kürzen, obwohl dies an sich ein Verbrechen an der natürlichen Schönheit eines vierbeinigen Geschöpfes ist. Abgerissene Schwanzhaare, die im Dickicht hängen bleiben, sind zumal von einem Rotfuchs sehr verräterisch.“

Er kniete nieder, und geschickt wie ein Chirurg löste er die Pfeilhälfte aus dem Kadaver, während ich, von widerstreitenden Gefühlen stark abgelenkt, die Umgebung vom Sattel aus überschaute.

Im Osten stieg langsam ein goldener Kreis über die dunklen, fernen Silhouetten der Schoschone-Berge, der Mond stand sehr bald als leuchtende Scheibe am Firmament, und gerade unter ihm und den schwarzen Bergkulissen schlängeltevi sich ein Feuerstrich eilends durch die Nacht gen Südwest: Ein Zug der Pacific-Bahn, aus dem Mormonenlande Utah und aus dessen Hauptstadt Salt Lake City kommend, wo man die Gesamtstrecke der Southern Pacific Railroad durch einen Damm, der den großen Salzsee durchschneidet, um siebzig Kilometer verkürzt und weitere 500 Kilometer durch die geradere Fortführung der Linie bis zu Nevadas berühmter Scheidungsstadt Reno gewonnen hat. – Reno, die Sehnsucht aller freiheitslüsternen Ehegatten, die mit ihren Ehescheidungsgründen anderswo kein Glück haben.

Das Licht des Nachtgestirns verwandelte das Landschaftsbild mit einem Schlage in ein die Phantasie anregendes, äußerst abwechslungsreiches Rundgemälde, dem alle krassen Farbengegensätze und besonders der bedrückte Charakter der Einöde fehlten. Sträucher und Büsche mit ihren zum Teil fast weißen Blattunterseiten wurden zu farbenfrohen Wundern, die kahlen Sandflächen, die niemals gleiche Zusammensetzung haben, sondern feine Schattierungen zeigen, täuschten eigentümliche, streifige Schöpfungen von Menschenhand vor, und die durch die Windstöße hochwirbelnden Sandfontänen glichen dort, wo der Sand stark mit Salzkristallen durchsetzt war, bescheidenen, ruhelosen, kurzlebigen matt schillernden Leuchtfontänen.

Meine Gedanken umspielten den in wenigen Stunden eingetretenen jähen Wechsel von beschaulichem Leben inmitten eines zivilisierten Indianervölkchens, zu neuen, alle Kräfte anspannenden Geschehnissen, deren Folgeerscheinungen noch im Schoße der Zukunft verborgen lagen.

Koipato hielt mir die mit Sand gesäuberte Pfeilhälfte hin. Es war ein aus harzigem Kiefernholz sehr sorgfältig geschnitzter Pfeil mit scharfer Eisenspitze, dessen Gesamtlänge ich auf einen Meter schätzte.

Der Schoschone meinte nur: „Der, der den Pfeil abschoß, muß sich eines Bogens bedient haben, der ungeheuer stark und schwer zu spannen sein muß. Die Spitze war ins Herz gedrungen, – ein Meisterschuß, Olaf …“

Er sprach immer bedächtiger. „Ein Meisterschuß eines Schützen, der vielleicht mit dem Manne der Satansfarm ebenfalls eine Rechnung glatt zu machen hat … – Jedenfalls, wir haben jetzt die Fährte, und wir haben dort auch die Spur von drei Reitern, die vom Dorfe emporführt, also Dagmars Entführer … Wenn die Bande nicht so schlau gewesen ist, allzu rasch in die steinige Wüste abzubiegen, werden wir ihren Vorsprung sehr bald wettmachen. – Galopp, Olaf …!“

Ich hatte das Pfeilstück in die Satteltasche geschoben. Wir fegten über die Hochebene dahin, vor uns her lief die breite Fährte von etwa neun Gäulen, Freund Krake mußte ich in den Arm nehmen, dieses Tempo hätte er niemals mitmachen können.

Diese Hatz vertrieb mir den letzten Rest des vielleicht mehr auf Nervenanspannung zurückzuführenden Frostgefühls. Es war Lebenselixier, es war kein Ritt ins Ungewisse, war kein müßiges Dahintraben, um Pferd und eigenen Leib zu bewegen, – wir hatten ein Ziel, wir hatten eine Aufgabe, und all das war anfeuernder Trank, Erwachen von tausend Erinnerungsbildern, die mir das eigene Ich inmitten brausenden Brandens des Abenteuers abseits vom Alltag zeigten.

… Und der Rückschlag kam.

Die sandige Steppe hatte eine schmale Zunge steinigen, völlig kahlen, fast schwarzen Felsbodens, und diese Zunge, aus dem Steinmeer des nächsten Granitplateaus sich vorreckend in mehrfachen Streifen, setzte dem halbstündigen Galopp von selbst eine unüberwindbare Schranke.

Der Schoschone hielt, die Pferde dampften, der Schweißdunst, ihre schaumigen Flocken mahnten uns, daß jeder Übereifer schädlich sei. Die Tiere prusteten, schnoben, schlackerten den Gischt von den Lefzen, – Koipato winkte, ich verstand, nahm Füchslein Krake an den Lasso und drückte seine Nase in die letzte zerwühlte Sandfläche.

„Suche, Krake …!“

Der Yucatan-Bastardvii mit dem braun-rötlichen Fell und den hellen Rückenstreifen (ein reinblütiger Fuchs war Krake durchaus nicht) hatte für die Spuren keinerlei Interesse, sondern windete jetzt andauernd nach Norden, trabte ein Stück vorwärts, verhielt, und die geduckte Haltung, das gesträubte Haar und die sanft pendelnde Rute belehrten uns, daß dort nordwärts, wo neben der immer breiter sich dehnenden Felszunge einige Hügel und Gestrüpp im Mondlicht für die Einbildungskraft so etwas wie Zelte und Hütten – eine Oase – hervorzauberten, nicht alles in Ordnung sei.

Koipato schnupperte. Eine Indianernase, besonders die eines Kindes der Einöde wie mein Schoschone-Freund es war, steht nicht viel zurück hinter der eines Tieres.

„Rauch …!“, sagte Koipato. „Ein Lagerfeuer …“

„Hier sechs Meilen von den Siedlungen entfernt? Wer lagert im Freien, wenn …“

Der Rappe trabte gen Nordost in die Sandsteppe zurück, und ich mußte folgen.

Als wir nachher von Norden den kleinen Hügeln uns zu Fuß näherten, sahen wir den dünnen Qualmfaden eines Feuers, den die Windstöße immer wieder zersetzten und verschwinden ließen.

Und als wir hoch über dem schluchtartigen Taleinschnitt liegend in die Tiefe blickten, hockte da neben dem sauber geschichteten Feuer, über dem ein kleiner Kessel hing, ein Mann, den alle Welt hier nur den verrückten Maler aus Winnemucca, dem Bergwerksstädtchen nördlich von Ralgate, nannte.

 

3. Kapitel.

Der Mann, der den Sonnenaufgang malt…

George Mallibran war weder schön noch männlich noch liebenswürdig. Als ich ihn vor drei Tagen bei einem Spazierritt mit Dagmar kennengelernt hatte (er malte gerade eine Präriehundkolonie und war über unser Erscheinen sehr aufgebracht), gewann ich den Eindruck, daß dieser seltsame Künstler mit dem ungeheuren roten Haarwald, Vollbart und den schlenkernden Gliedmaßen bei all seiner genialen, unbestreitbar großzügigen und packenden Malweise doch ein halber Narr sei.

Dagmar hatte gesagt: „Ein Flegel!“

Stimmte schon. Weniger höflich konnte kaum ein im Mittagsschläfchen gestörter Schiffsstauer sein.

„Er verbindet sich den linken Arm“, flüsterte Koipato.

Neben dem Feuer lag eine tote, reichlich ausgewachsene Klapperschlange, und im Schlupfwinkel kaute ein hochbeiniger Dakotatraberviii, ein Fuchs mit eckigem Schädel, unmutig das dürre Gras, das sein Herr für ihn gesammelt haben mochte. Ferner waren noch zu sehen: Malgeräte, ein riesiger Sonnenschirm, fast so groß, wie ihn die Gartenlokale benutzen, Sattel, Zaumzeug, Satteltaschen und George Mallibrans einzige Waffe: Eine einläufige Schrotflinte, deren verrosteter Lauf und stark lädierter Kolben genügend bewiesen, daß der verrückte Malersmann die Wüste alles in allem für sehr harmlos hielt.

Er hatte seine Jacke aus derbstem grüngrauen Leinenstoff abgelegt, den linken Ärmel des Wollhemdes hochgekrempelt und knotete gerade die Leinenbinde um den Unterarm mit Zähnen und rechter Hand fest.

„Schlangenbiß“, raunte der Schoschone mir zu. „Beim Grasschneiden …“

Mallibran betastete den Arm, die Finger und nahm einen endlos langen Zug aus der Feldflasche. Dann kümmerte er sich um sein Nachtmahl, rührte mit einem Löffel in dem Topf und pfiff dazu irgend eine Opernarie, – es war – er pfiff sehr falsch – irgend etwas aus Puccinis „Tosca“.

Der Schoschone schob sich rückwärts.

„Dein Füchslein Krake verdient Prügel, Olaf …! Wir haben eine volle Stunde verloren.“

Wir richteten uns auf, und als wir eilig dahinschreitend unsere Tiere erreicht hatten, fanden wir in dem dünnen Gebüsch unerwartete Gäste vor: Sheriff Millner und drei berittene Polizeibeamte.

Der lange, vertrocknete Millner mit dem länglichen Ziegenbockgesicht begrüßte uns in seiner lärmenden, wenig ansprechenden Art, schimpfte auf die Mormonen, bedauerte Dagmar, fluchte auf die feigen Ralgater Boys, die den „Satan“ so einfach hatten laufen lassen …

„Ein paar Kugeln, und die neuen Brände wären nicht vorgekommen!“, streute er ein und spickte jeden Satz mit „Verdammt“, „Hole ihn die Pest“ und „der Teufel fresse ihn!“, – alles fromme Wünsche, die meines Erachtens längst hätten verwirklicht werden können, wenn die Siedler und Städter nicht vor dem Mann der Satansfarm geradezu abergläubische Furcht gehabt hätten. Auch Millners Gerede war Bluff. Er, der in Ralgate nebenher das feinste Grundstück und einen großen Kramladen besaß, würde sich hüten, den bewußten roten Hahn zu reizen. Mit der Feuerwehr in Ralgate war es genau so bestellt wie mit dem Gefängnis: Nichts wert!

Koipato ließ den Sheriff schwatzen. Er ahnte wohl das Ende vom Liede und es kam auch so.

„Ihr Grundstück ist vollkommen vernichtet, und Jonny Fleers Farm ist ein rauchender Schutthaufen. Ich schätze, ihr beide genügt, Frau Egerlöv zu befreien. Ich gebe euch jede Vollmacht …“

Wir standen noch in den Büschen, die vier Pferde der Beamten grasten weiter draußen, und ich konnte durch eine Lücke im Buschwerk Millners überall bekannten starkknochigen Fuchs deutlich sehen, der gerade mit den Hinterhufen wild auskeilte und dann mit klingenden, pendelnden Steigbügeln davonraste.

„Ihr Gaul scheint Bewegung zu brauchen, Mr. Millner …“, – aber der noch bissigere Nachsatz blieb unausgesprochen, da das Pferd plötzlich zusammenbrach, sich hin und her wälzte und vergebens wieder auf die Füße zu kommen suchte.

Wir liefen hinüber.

Das Pferd war tot.

Aus seiner Brust ragte das gefiederte Ende eines Pfeiles hervor, der das Tier ins Herz getroffen haben mußte.

Job Millner stand da wie gelähmt. Sein braunes, lederartiges Gesicht war kalkweiß, seine schmalen Lippen flatterten, die starken gesunden Zähne blinkten im Mondlicht wie die eines Totenschädels.

Der Mann machte durchaus den Eindruck, als ob ein tödlicher Schreck auch ihn niederstrecken würde. Ich wartete auf einen Wutanfall, – nichts geschah, – Millner stierte sein Pferd wie ein Gespenst an und raffte sich erst auf, als Koipato gleichmütig sagte:

„Suchen wir die Spur des Pfeilschützen … Vorwärts, – – der Bursche muß doch noch zu erwischen sein.“

Suchen?! – Steingeröll, kahle Felspartien und der gerade hier böse fauchende Wind vereitelten jegliches Bemühen. Nach einer Stunde beehrten wir dann, um geschützt zu lagern, Mr. George Mallibran in seiner windstillen Schlucht. Er schlief bereits, und der Empfang, den er uns zuteil werden ließ, war so herzerfrischend grob, daß sogar der wieder aufgelebte Sheriff vor dem verrückten Maler wortlos kniff und wir etwas abseits uns niederlegten.

Einer der Berittenen übernahm die erste Wache. Als zweiter war ich ausgelost worden, und nachdem der Polizeibeamte mich geweckt hatte, schlich ich mit Freund Krake leise davon, erreichte die Nordseite des Plateaus, sah den Mond allmählich erblassen und durchlebte das Wunder des Überganges von Nacht zu Tag mit all seinen intimen Reizen wie eine mir stets neue Offenbarung.

Langsam die Felsenhügel umrundend, machte ich schließlich vor Sheriff Millners bereits von Präriewölfen angeschnittenem (angefressenem) Pferde halt und wollte mir ohne Zeugen das herausragende Pfeilende nochmals genauer betrachten. Vorhin hatten Koipato und ich wie in stillschweigender Übereinkunft nicht mit einer Silbe den gleichfalls durch einen Pfeilschuß getöteten Rotfuchs erwähnt, und dieses gemeinsame, sicherlich durch dieselben Erwägungen veranlaßte Ausschalten eines wichtigen Begleitumstandes des bisherigen Verlaufes der Jagd auf die Mormonen hätte mich nunmehr am Orte des neuen Erfolges eines unheimlich sicheren Pfeilschützen zu allerlei weiteren Mutmaßungen zwingen müssen, wenn nicht ein Umstand mir sofort aufgefallen wäre, der den Dingen ein ganz verändertes Gepräge verlieh.

Der Pfeil war nicht mehr vorhanden, jemand hatte ihn entfernt und mitgenommen, – es konnte nur der Schütze selbst gewesen sein.

Es bedurfte nur dieses geringen Anstoßes, all meine Sinne zu schärfster Arbeit anzuspornen. Wenn wir vorhin die Fährte des Pfeilmannes nicht entdeckt hatten, – jetzt waren die Umstände hierzu weit günstiger, das Tageslicht vertrieb die letzten Schatten der Nacht, der Wind war eingeschlafen, und die mit Sand bestäubten Stein- und Felspartien mußten irgendwo eine Spur aufweisen, die dann Freund Krakes bessere Nase auch dort festhalten würde, wo das Gelände ungünstiger sein mochte.

Nach altem, erprobtem Brauch schritt ich in immer weiteren Spiralen um die Hügel und Büsche, entdeckte jedoch nur die Eindrücke der Pfoten der scheuen Präriewölfe, die auf Meilen einen Tierkadaver als leichte Beute wittern.

Es war mein Handwerk, das allergeringste wahrzunehmen, es war in langen einsamen Wanderjahren über den Erdrund Erlerntes, und doch versagte selbst hier der mißtrauischste Blick, der schon die feine Rille im Sande und den geknickten Grashalm als bedeutungsvoll einsaugt.

Die Spirale wurde noch größer, und allgemach näherte ich mich der Schlucht, sah Krake plötzlich die Beine steif nach vorwärts stemmen, warf mich nieder, ahnte die Gefahr, schob mich am Boden vorwärts: Hinter drei Krüppelkiefern, die einen spitzen Block umgaben, saß George Mallibran, der verrückte Maler, auf einem Klappstuhl vor seiner Staffelei und pinselte eifrig an dem Untergrund für den in kurzem zu erwartenden Sonnenaufgang. So völlig vertieft war er in seine Arbeit, daß er kaum den Kopf drehte, als ich ihn ansprach. Mein Gruß wurde schroff abgelehnt.

„Ich glaube, man wird auf den Mond fliegen müssen, um ganz allein zu bleiben“, knurrte er mich aus seinem roten Bartwald mehr als bissig an. „Scheren Sie sich zum Teufel, Mister … Ich bin zu einer Unterhaltung genau so wenig aufgelegt wie zu einem Disput über die Kunst …“

Wäre George Mallibran nur ein unliebenswürdiges Original gewesen, hätte man ihm vorhalten können, daß diese Art Originalität Flegelei sei. Aber der Name Mallibran hatte damals schon einen Klang, seine Heimatstadt New Orleans hatte dem etwa Vierzigjährigen das Ehrenbürgerrecht verliehen und ihm hohe Stipendien ausgesetzt, seine Bilder waren gesucht, und seine schlichte Kunst hatte über alle Versuche, die modernen Klexereien europäischer Kollegen dem kaufkräftigen amerikanischen Publikum aufzudrängen, glänzend triumphiert. Er galt als Landschaftsmaler genau so viel wie als Porträtist, und wenn die Bevölkerung Winnemuccas, seines jetzigen Sommersitzes, ihn von der bescheidenen Warte ihres halben Hinterwäldlertums belächelte, mochte dies ihn selbst nur zu einem ironischen Augenzwinkern bestimmen. Er stand als Künstler bereits zu hoch, um nicht auch fanatischer, grober Eigenbrödler sein zu dürfen.

Ich schwieg bescheiden, hielt mich abseits und beobachtete, wie er unter seinem grauen Riesenschirm, die Shagpfeife im Mundwinkel, verblüffend rasch die allerfeinsten Farbtöne auf die Leinwand warf, die dem Sonnenaufgang vorauszugehen pflegen.

Wenn ich sage: Der Mann interessiert mich als Mensch mehr denn als Künstler, mag es seltsam erscheinen.

Es war so.

Schon bei unserem ersten Zusammentreffen, als noch die blonde, blühende, schöne Dagmar sich über sein borstiges Wesen empört hatte, waren mir Mallibrans nußbraune, klare, eigentümlich tiefe und traurige Augen aufgefallen. Sein Blick verlor niemals den melancholischen Hauch der Trübsal einer mir unbekannten Vergangenheit, – Künstlerehren, Erfolg, gesicherte Zukunft konnten diesem schlaffen, übergroßen, gebeugten Manne, der mit seiner gebückten Haltung an die Karikatur eines Buckligen erinnerte, nicht entschädigen für das, was ihm einst widerfahren sein mußte, – so dachte ich es mir zurecht, so fand ich mich als verständnisvoller milder Beurteiler mit seinen Eigenheiten ohne Empfindlichkeit ab.

Er nahm von mir keine Notiz. Er malte, schaute, verglich, er malte die Nevada-Wüste mit all ihrer Trostlosigkeit, die von den ersten Sonnenstrahlen beglückt wird. Er ließ die qualmende Pfeife in das Gestein fallen, er pfiff Puccinis melancholische Arien falsch, aber mit ergreifender Innigkeit, und wandte sich mir jäh zu:

„Binden Sie Ihr Vieh dort vor uns an die einzelne Kiefer fest – als Modell …!“

Ich blickte wieder in seine Augen, sie erschienen mir noch dunkler, rätselvoller als ein stiller beschatteter Urwaldweiher, aus dessen Tiefen langsam die Luftblasen moorigen Untergrundes aufsteigen und zerplatzen und winzige Wellenkreise bilden.

Ich gehorchte.

Es war wie ein Zwang.

Füchslein Krake tat sich nieder, und das Frührot, eigentümlich beeinflußt durch die dünnen Wolkenschleier des östlichen Horizonts, machte seinen gestreiften Rücken und die steil gestellten Ohren mit den luchsartigen Haarbüscheln zu einem belebenden Fleck in der Eintönigkeit und doch wieder so bilderreichen Wandlungsfähigkeit der Sand- und Steinwüste.

Mit kühnen Strichen wurde Krake gleichsam Mittelpunkt des Gemäldes, – in seiner Einsamkeit als einziges Geschöpf die Verlassenheit der Steppe noch stärker betonend.

George Mallibran trat zurück, prüfte sein Werk, setzte hier und dort noch ein paar Farbklexe wirkungsvoll dazu und meinte mit einem Auflachen, das mir ins Herz schnitt:

„Dreitausend Dollar …, – schnell verdient. Aber es gehört Stimmung dazu. Stimmung ist alles. Wer ohne Stimmung arbeitet, ist braver Handwerker. Auch Handwerk kann Kunst werden, aber im Begriff des Handwerks liegt der einer Massenproduktion, und Produktion ist nie Kunst.“ Er hob seine Pfeife auf, stopfte sie von frischem, fragte in seiner sprunghaften Art: „Na – – und Sie, Mister? Man erzählte, hinter Ihnen liefe immer noch ein gedruckter Wisch her … Was waren Sie?“

„… Ingenieur und Zuchthäusler …“

Er musterte mich still.

„Und der Wisch, Steckbrief genannt?“

„Man wird mich hier in Nevada nicht belästigen … Meine Lebensgeschichte spricht für sich, und dieser Menschenschlag hier hat Verständnis für Fehlgriffe des Schicksals.“

„Optimist!!“ Er setzte sich, blinzelte zu mir empor. „Grenzenloser Optimist, Sie …!! Dieser Menschenschlag ist samt diesen Wüsteneien ein modernes Staatsgebilde, und wer Staat mit stattlich in einen Topf wirft, also etwa mit aufrecht, gerade, ehrlich, ist ein Narr. Es liegt im Wesen aller organisierten Betriebe, daß neben dem Anständigen der Lump sich breitmacht, und das Kapitel „Bestechlichkeit“, Mister, hat leider mit wachsender Überkultur und mit wachsenden Lebensansprüchen derart an Ausdehnung gewonnen, daß ich Ihnen nur einen guten Rat geben kann: Verschwinden Sie!“

Hätte ein anderer zu mir gesprochen, würde ich es als müßiges Geschwätz hingenommen und abgetan haben. Ein Mann wie dieser warnt nicht ohne guten Grund, sagte ich mir.

„… Es sind Kräfte am Werk“, fuhr er noch ernster fort, „die Sie und den Schoschonen ausschalten möchten …, – ja, ausschalten ist das richtige Wort. Bedenken Sie, daß Ihre Freunde, das Geschwisterpaar Egerlöv, Multimillionäre sind und daß jedes Gesetz sich beugen läßt, daß aus Unrecht Recht und aus gemeiner Schiebung etwa Erbfolge konstruiert werden kann …“

Die Sonne hatte soeben die Wolkenschleier überwunden. Die Wüste ward in strahlende Helle getaucht.

„… Es wird Zeit für Sie, Abelsen … Holen Sie Ihren Gaul … Und dann bringen Sie einige Meilen zwischen sich und Sheriff Millner … – Sehen Sie dort im Norden die einzelne Kuppe … Ich werde Koipato verständigen …“

Ein flüchtiger, kräftiger Händedruck, – – und zehn Minuten darauf trabte ich gen Westen, immer ein steiniges Tal entlang, stieß auf einige Salztümpel, auch auf einen größeren See mit jenen berüchtigten, weißumkrusteten Ufern und bog nach Norden ab.

Vor mir lag eine endlose, steinige Hochebene, durchzogen von Sandflächen, – – drüben winkte dem Einsamen die einsame Bergkuppe.

Bitter und hart waren meine Gedanken. Ich war wieder vogelfrei. Finstere Maulwürfe hatten den Frieden meiner neuen Heimat zerstört.

Ich ahnte, wer …

Hinter alledem, der untrügliche Instinkt des gehetzten Wildes verriet es mir, steckte der Einfluß eines einzelnen Menschen, der das Eigentum derer in Flammen aufgehen ließ, die ihn von Angesicht zu Angesicht schauten.

 

4. Kapitel.

Das Mädchen mit dem Kupferhelm.

… Wir haben es sehr behaglich in unserem Felsennest, wir drei Schicksalsgenossen.

Felsennest …

Stimmt schon: Ist eine Felsnase, die aus der nach Westen gerichteten Steilwand des Kings-Berges (so nennt ihn meine Karte) hervorspringt, die Nasenlöcher nach oben gekehrt.

Behaarte Nasenlöcher sind es wie bei einem alten braven Seemann, dem der Sprit das Riechorgan rötete und das Wachstum des Innenschmucks förderte.

Wermutsträucher wachsen hier, dazu ein paar Krüppelkiefern, einzelne Grasstauden und eine mannshohe Eiche, die in diesem Geröll nicht leben, nicht sterben kann.

Und der Weg hierher? … Ich hätte ihn nie gefunden, ich war vier Stunden ohne zu rasten durch den Sonnenglast der Einöde getrabt und hatte mich dann vorsichtig an diese einzelne Kuppe, Höhe vielleicht zweihundert Meter, herangepirscht, denn ich traute niemandem mehr, nicht einmal dem Maler George Mallibran, der mir doch noch im Frührot als Vertreter der sehr seltenen Spezies von anständigen Menschen erschienen war. Aber die Einöde weckt Zweifel, die Einsamkeit rührt Gedanken auf, die bisher in der Tiefe der Seele schlummernd verharrten, und – ich möchte nicht undankbar sein! – auch Mallibran hatte für mich nicht mehr den Wert eines ehrlichen Warners, denn, hatte ich mich gefragt, wie kam gerade er dazu, mir, dem Landfremden Dinge mitzuteilen, für die er keine Beweise nannte?! Sheriff Millner würde mich verhaften,– darauf lief seine Warnung heraus. Was wußte er, der Malersmann, von Millner?! – Und so hatten diese einsamen Stunden allmählich auch Mallibrans Persönlichkeit zerpflückt, und was übrig blieb, war eine hagere, schlotternde Künstlergestalt voller Unklarheiten und Widersprüche trotz der biederen Grobheit und trotz der traurigen Augen.

Und wie wir drei, der Braune, das Füchslein und ich, dann die Kuppe umritten hatten, war Freund Krake plötzlich wie ein abgeschossener Pfeil einen schmalen Felsgrat emporgesaust, den ich nie beachtet hätte, weil die Färbung des Gesteins ihn von unten kaum erkennen ließ, – – Krake als Präriehundfänger hatte selten Glück gehabt, und auch diesmal entwischte ihm die flinke, fette Beute in eine enge Spalte …

So fanden wir den Anstieg zu dem Nest hier oben, – daß der Braune zunächst streikte, verargte ich ihm nicht, denn der Weg war kein Weg, sondern kaum ein Pfad für Gebirgsmaultiere, die des Kletterns gewöhnt sind.

Dennoch langten wir mit heilen Knochen droben an, haben alle drei Platz, haben getrenntes Quartier: Der Braune haust in dem kleinen Loch der Steinnase, ich und Krake in dem anderen, und was mit das beste ist: Unser Balkon vom Kings-Berg hat sogar eine natürliche Zisterne und genügend trockenes Holz, ein Feuer zu unterhalten und den gut zehn Pfund schweren Präriehasen darüber zu rösten, den sein Geschick mir in den Weg sandte.

Der Braten brozelt, das Feuer knistert, Krake kaut an einem Vorderlauf unseres Opfers, der Braune nebenan knabbert Gräser, und mein frisch gespitzter Tintenstift fliegt über das Papier und malt in krausen Linien Menschenschicksale: Mein eigenes, – – das neue Erlebnis, die Vorgeschichte der Satansfarm.

Würden alle Menschen, denke ist oft, Tagebuch führen über die wesentlichen Strecken ihres Lebenspfades, dann müßte so mancher, blätterte er rückwärts in ehrlichen Bekenntnissen, zur Einsicht dessen gelangen, daß er aus dem Vergangenen nichts hinzugelernt hat und in die Zukunft genau so blind, selbstsüchtig und bewußt weltfremd hineinstolpert wie über lange, lange Stücke Weges, die bereits hinter ihm liegen. Das Gedächtnis allein, ohne das geschriebene Wort, ist ja ein so unendlich schamloser Betrüger, umhüllt das Schlechte mit rosigen Schleiern, vergrößert das Gute zu phantastischen Gewächsen der Selbstüberschätzung, deren fruchtbarer Boden die ewige Unzulänglichkeit der Menschenseele ist.

Vorgeschichte der Satansfarm …

Ich weiß bestimmt: Es war nur Vorspiel! Es müssen die Hauptakte folgen, denn Koipato und ich werden dieses Drama fortsetzen, so oder so …

Ein Wesen wie dieser Unbekannte, der da ein weites Gebiet eines so dünn besiedelten Landes als Teufel mit flammendem Schwert beherrscht, muß ausgetilgt werden, und wehe ihm, wenn er und seine Spießgesellen etwa Dagmar auch nur rüde behandelt haben sollten!

… Der Braten ist fertig, die als Sonnendach ausgespannte Wolldecke schirmt nun einen friedlich Schmausenden vor den Pfeilen des Tagesgestirns, das hier unbarmherzig das Urgestein bestrahlt, und Hitzewellen hervorruft, die die Luft flimmern lassen.

Krake bettelt. Krake bekommt sein Teil, obwohl es für ihn besser wäre, er hielte mehr auf schlanke Linie.

„… Krake, du wurdest nach einem greulichen Meeresungetüm getauft, nach einem Riesentintenfisch, einem Oktopus, – du solltest doch beweisen, daß du inzwischen ein gebildetes Bastardfüchslein geworden bist …“ – Und ich hülle den Braten in Eichenblätter und Gras und schiebe ihn in die Spalte des Zisternenloches, aus dem die feuchte Kühle des angesammelten Regenwassers hervordringt.

Es ist nun ein Uhr nachmittags geworden.

Das Fernglas zeigt mir die endlose Weite der Nevada-Wüsteneien, – – nicht ein lebendes Wesen …

Koipato könnte längst hier am Kings-Berg sein, wenn der Maler ihn wirklich von diesem Treffpunkte verständigt hat. Wenn …

Und gesetzt den Fall, George Mallibran wäre unzuverlässig wie die meisten Menschen?!

Koipato, der Schoschone-Jäger ist der einzige, der eine Fährte eines Reiters auch auf steinigem Boden findet und festhält und im Sonnenlicht nicht verliert. Koipato ist der letzte Indianer Nevadas, der letzte der Mohikaner, könnte man sagen. Er hat sich der Neuzeit angepaßt, ohne all das abzustreifen, was seiner roten Ahnen ruheloses, kampffreudiges Blut ihm überlieferten.

Er wird mich finden.

Ich will das Glas gerade von den Augen nehmen …

Es entfällt den jäh sich öffnenden Fingern, ich greife zu, bewahre es vor dem Sturz in die Tiefe und handele dabei doch rein mechanisch, denn mein ganzes Ich, dieser so komplizierte Apparat, Mensch genannt, lauscht nun in die Ferne auf die an- und abschwellenden Töne einer Stimme, die ich noch immer für eine Sirene halte …

Stimme des Mannes von der Satansfarm, Stimme des Unbekannten, aus der kahlen Wüste hervordringend – – Warnung oder Drohung?!

… Die Stimme schweigt, verhallt …

Es mag schon vorkommen, daß bei hellem Tageslicht selbst dem mit besten Nerven Bewehrten die bewußte kalte Hand über den Rücken streicht …

Es ist so: Diese Hand war da, – – ich fröstelte …

Ich hätte gelächelt über dieses fast melodische, dumpfe Auf und Ab von Tönen, wenn es mir anderswo ins Ohr gedrungen wäre.

Die Einsamkeit, die Leere der Sandwildnis, der steinigen Einöden, förderte die Empfänglichkeit für ein Gefühl des Unbehagens.

Warnung, Drohung?! Wie war es zu deuten? Galt es mir, galt es einem anderen?! Wem?! Dem dort im Äther kreisenden Adler, der, ein unerreichter Segelflieger, ohne die Schwingen zu rühren, seine Spiralen zog und nach Beute ausschaute?!

Die Wüste war leer.

Vielleicht waren wir drei Schicksalsgenossen auf zehn, zwanzig Meilen im Umkreis die einzigen Lebewesen, die nicht wie die Präriehunde, die kleinen, feigen Coyoten, die Feldmäuse und die Klapperschlangen und die Erdeulen mit dieser Einöde von Jugend an innigst verwachsen waren, denn dies hier war ihr Reich, dies hier war ihre Heimat, die ihnen niemand streitig machte, weil es trostlose Öde war. Hätte dieser Boden Schätze enthalten an Gold, Silber, Quecksilber oder Kupfer wie anderswo, hätte diese Wildnis sich durch zähen Fleiß ummodeln lassen in fruchtbares Ackerland: Armes Getier, man hätte euch längst aus dieser Heimat vertrieben, wie man einst den Indianer aus seinen Jagdgefilden verscheuchte, damit die Axt die Wälder lichten könne und das wogende Korn und der Dollar die freie Natur in Kulturland verwandelten!

Und doch konnte diese Wüste, so weit ich sie zu überschauen vermochte, nicht leer sein …

Eine Sirene wie die, die da soeben ihre Töne rundum fortgepflanzt hatte, bedarf des Antriebes durch starken Luftstrom.

Die Wüste hat ihre Sprache.

Die klingt anders.

Diese Sprache hatte ich oft vernommen, und ein einziges Mal hatte ich es erlebt, daß diese Sprache angeschwollen war zum Heulen und Brausen des berüchtigten Staubsturmes.

Heute war die Einöde friedlich gestimmt, kein Wölkchen zierte den glasklaren Himmel, und nur die Sonne brannte heiß hernieder und schuf mit ihren glühenden Pfeilen eine gewisse Unruhe, jenes Flimmern der Luft, das die Umrisse der Gegenstände verzerrt und die Täuschung wachruft, als ob das Sand- und Steinmeer in zitternden Wellen sich aufbäumte gegen diese Geschosse des segenspendenden, unheilspendenden, lichtbringenden Tagesgestirns.

Das leichte Frösteln, das mir über den Rücken geglitten war, hatte rasch wieder aufgehört.

Krakes kühle, feuchte Nase berührte meine Hand, und seine gelbgrünlichen Augen begegneten meinem wachen, prüfenden Blick. Dann schob das Füchslein sich vollends neben mich, reckten den Hals lang und windete halb gen Norden – dorthin, woher der müde gewordene Wind kam.

Krake schnüffelte, – – winselte, stellte die Ohrenpinsel ganz nach vorn und reckte sich noch länger und starrte unverwandt in das Nichts der hellen Sanddünen drüben, wo verräterische weiße Krusten das Muster eines verblichenen Teppichs vortäuschten: Salzkristalle! – Sicherlich gab es dort in den Dünen auch Salzwassertümpel und salzige Moräste, in denen nichts gedieh, nichts … Das Salz tötete alles, zerfraß alles, zermürbte Gestein und bewahrte nur die Tierkadaver als groteske Mumien vor völliger Verwesung.

Krakes Benehmen machte mich stutzig.

Die Wüste war nicht leer. Dort drüben weilte ein Etwas, das diese feine Tiernase witterte, – – was?!

Nochmals nahm ich das Fernglas zu Hilfe.

Nichts erspähte ich.

Nur der Adler kreiste tiefer, zog seine Spiralen enger, hing in der Luft wie ein künstliches Gebilde, das an einem Draht wie eine Puppe bewegt wird. Aber der Mittelpunkt seiner Spiralen waren drüben die Hügel mit dem Moorland des verfleckten Teppichs.

Ich erhob mich, griff nach der Büchse, winkte Freund Füchslein, und die Kletterpartie den schmalen Felsgrat abwärts begann und badete mich in Schweiß. Das Gestein schien zu glühen, schien mich zu warnen mit seinem Höllenodem, – – ich hatte ein Ziel, und ich wußte, daß ich etwas finden würde.

Dreitausend Meter waren es bis zu den Dünen im Nordwesten, – wir schritten behutsam dahin, die Kräfte sparend, und als wir durch den feinen Staubsand des Düneneinschnitts wateten, führte mir der Lufthauch den faden, widerlichen Gestank eines faulenden Tieres entgegen.

Dann sah ich.

Hinter der Düne neben vier bescheiden am Boden hinkriechenden Krüppelkiefern, deren Nadeln so saftarm waren, daß sie hellgrün durchsichtig erschienen, lag ein totes ungesatteltes Pferd mit aufgeblähtem Bauch, – ein Schecke.

Rechter Hand bemerkte ich die Reste einer Hütte aus Salzziegeln, deren Material die Erbauer aus einem nahen Morast geschöpft, getrocknet und geformt hatten.

Vielleicht hatten hier einst Goldgräber, verführt durch eine Felsrinne, die ein totes Flußbett versprach und in diesem Bett das körnige Edelmetall, wochenlang, monatelang der starren Einöde getrotzt …

Halb in der Tür der Hütte lag ein Mädchen, das nur mit einem derben Männerwollhemd und einem zerschlissenen Gummimantel bekleidet war. –

Nun sind wir vier Schicksalsgenossen, nicht mehr nur drei.

Die vierte ist die Maid mit dem Kupferhelm.

Etwas Wasser, etwas Fleisch und ein paar gütige Worte haben dieses erst halb erblühte zierlich-kräftige Geschöpf mit dem sonngebräunten feinen Gesichtchen und dem prächtigen kupferroten Haar, das in der Tiefe der natürlichen Wellen fast schwarz schimmert, wieder rasch ins Bewußtsein gerufen.

Nie vergesse ich den ersten klaren Blick, der aus diesen verängstigten dunklen Kinderaugen mich traf und taxierte und Aufschluß erflehte.

„Sie sind geborgen“, sagte ich nur …

Es mag im Klang meiner Stimme gelegen haben: Das Mädchen holte tief, ganz tief Atem und schloß die Augen und flüsterte wie ein wohlbehüteter Liebling einer sorgenden Mutter:

„Ich … bin müde … Und …: glücklich!“

– Ihr Schlaf war Erschöpfung … Ihre Träume waren wilde Visionen, – sie warf sich hin und her, schrie auf … rief Worte, Satzbrocken ohne Sinn, – – nur das eine war mir unverrückbare Gewißheit: Dieses Mädchen mußte Entsetzliches erlebt haben, war entflohen, und das kurze, vernickelte Horn, das neben ihr gelegen hatte, war eine besonders konstruierte Sirene.

Die Stimme, die ich für den Ruf des Mannes der Satansfarm gehalten hatte, war der Hilferuf einer halb Verschmachteten gewesen.

 

5. Kapitel.

Der Heilige.

„… Nennen Sie mich, wie Sie wollen“, sagte sie abends zu mir, als sie nach stundenlangem Schlaf überraschend frisch erwacht war und wir gemeinsam Mahlzeit hielten. „Nennen Sie mich … sagen wir … Bonanza … – Sie wissen doch, Bonanza ist eine reiche Goldfundstelle, – vielleicht bin ich es?! Ich weiß nichts von Ihnen, Sie wissen nichts von mir, – Sie hüllen sich in Schweigen über Ihre Person, – wollen Sie es mir verargen, daß ich dasselbe tue?!“

Sie sprach seltsam reif für ihre wohl kaum achtzehn Jahre, und in ihrem Tonfall war ein unausgeglichenes Gemisch von Übermut, Bitterkeit, Schwermut und Herzlichkeit.

„… Mir bleibt es die Hauptsache, Mr. Olaf, daß Sie mich schützen wollen … Ich bin geborgen, ich freue mich dessen, ich vertraue Ihnen, – – auch ohne lange Fragen nach Woher und Wohin. Mir genügt es: Ich bin bei Ihnen, und ich finde Ihr Füchslein Krake geradezu reizend und dieses Felsennest wie ein Paradies. Verlangen Sie noch mehr?!“

„Nein …“

Und ich, der alte Weltentramp, dem der Erdball fast zu eng für seine Wege abseits vom Alltag, lächelte sanft und nachsichtig.

„Bonanza also, – abgemacht, – es bleibt bei Bonanza …“, nickte ich ihr über den dünnen Dunst des Feuers zu, auf dem der Kaffeetopf Blasen warf und duftete. – Ich gab es auf, sie ausforschen zu wollen. Sie hatte soeben harmlos erklärt, sie vertraue mir. Ich hätte gewünscht, daß ich dasselbe sichere Gefühlt ihr gegenüber empfände: Ich konnte es nicht, es war zu viel Ungeklärtes um dieses Mädchen, das, zweifellos gut erzogen und weltgewandt, durchaus kein Kind mehr war. Die Reife ihres Geistes übertraf die des geschmeidigen, kräftigen Körpers. –

Das Abendrot verblaßte. Die Nacht neigte sich über die Wüste, und Freund Koipato war noch immer nicht erschienen.

Mochte mein Gast hier im Felsennest meine Sorge um den Schoschone-Jäger für eine halbe Stunde zerstreut haben, – die nahende Dunkelheit ließ all die Befürchtungen wieder munter werden. Sheriff Millner konnte sich für mein Entweichen recht gut an Koipato schuldlos gehalten haben. Sehr beliebt war der indianische Jäger gerade nicht bei den Leuten von Ralgate, die ihn – böswillige Märchen – allerlei Schandtaten angedichtet hatten, deren Quelle ich nun zu kennen glaubte.

„So still, Mr. Olaf?!“

Bonanza hielt mir den gefüllten Kaffeebecher hin und drückte mit einem Stein die letzten noch glimmenden Aststücke aus.

„… Es ist besser, daß unser Nest ohne Beleuchtung bleibt“, fügte sie altklug und ernst hinzu. „Die Wüste hat ihre Gespenster … Und Gespenster soll man nicht anlocken.“

Die tiefe Dämmerung ließ ihre gebräunten Züge bereits verschwimmen, und ihr Gesichtsausdruck war nur mehr zu erraten.

Ich wagte einen neuen Vorstoß.

„Gespenster …?! Vielleicht den Mann von der Satansfarm …“, sagte ich klar und scharf.

Ihr Zusammenzucken, der leise Aufschrei und der in die Steine polternde Kaffeebecher, der ihren Fingern entglitten, waren Beweis genug.

„Bonanza, – es wird Zeit, daß Sie ein wenig die Maske lüften“, sagte ich sehr eindringlich.

Sie hatte sich bereits wieder voll in der Gewalt.

„Nein!“, erklärte sie fest. „Ich darf es nicht, Mr. Olaf. Alles in mir sträubt sich gegen Verrat. Ich bin keine so schäbige, verängstigte Seele, daß ich Gutes vergesse und nur das zwangsläufig Schlechte, das mir widerfahren, in den Vordergrund schiebe als lahme Entschuldigung für … Undank. – Sie werden mich kaum verstehen … Ich bin geflohen, verfolgt worden, bin fast ein Opfer der Einöde geworden, – – trotzdem: Ich schweige!“

Das Mädchen füllte seinen Becher von neuem.

„… Ich schweige, Mr. Olaf … Nur bitte ich Sie nochmals: Denken Sie nicht gering von mir.“

Sie trank, und meine Erwiderung machte keinen Eindruck auf sie. „Sie kennen die Satansfarm, Sie kommen dorther, von dort geflohen sind Sie. Sie glaubten mir nichts zu enthüllen, und das graue Haar meiner Schläfen wispert mir zu: Bonanza kennt den Mann, der ein Verbrecher ist, der mit Verbrechern im Bunde steht, der Brände an gefüllte Scheunen legt, der jetzt eine Frau entführt hat …“

Ich hielt inne …

„Sie … lügen!“, – und ihr Kopf war dicht vor mir, ihre Augen glühten, und das Keuchen ihrer hastig atmenden Brust ward kurze Begleitung zum Säuseln des Nachtwindes, der um die Felsenkanzel strich.

„Sie … lügen …!! Er ist ein Heiliger …!!“

Sie war von Sinnen in ihrer unbeherrschten Empörung. Ihre kleine Hand krallte sich fest um den Aufschlag meiner Jacke …

„Er ist ein Heiliger, – – nie würde er derartiges tun! – Woher stammt Ihr Wissen?! Wer sind Sie?! Er hat Feinde … Er …“, – und da besann sie sich, schwieg, rückte weiter von mir ab. „Verzeihen Sie meine Heftigkeit, aber ich habe Pflichten, Mr. Olaf …!“

Seltsam genug, diese Szene …

Seltsam genug, dieses Mädchen, das, sicherlich ohne Falsch, aus Mangel an genügender Kenntnis einer bitteren Wahrheit hier für einen Menschen eintrat, der zu einer verschwiegenen Sippe dunkelster Dunkelmänner gehörte.

Und dann …?!

Ist es nicht immer so, daß Frauen, wenn sie in einem harten Gewissenskonflikt, den sie selbst weit ernster bewerten, als nötig, nicht mehr aus noch ein wissen, ein letztes Mittel bereit haben, jede Verantwortung wegschwemmen möchten durch eine Flut von Tränen?!

Mein Mädchen mit dem Kupferhelm weinte, und dieses Weinen ward zu haltlosem Schluchzen, ward zum verzweifelten Wimmern.

Sie tat mir leid. Auch ich fand mich nicht zurecht in ihren widerstreitenden Empfindungen, ich konnte ihr nicht raten, nicht helfen, – was ich tat war mehr hilflose Geste, ich nahm ihre Hände und flüsterte mahnend:

„Kind, – – wir müssen uns aussprechen, – – über alles, – ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich …“

Ein klirrender Ton über uns an der Felswand riß mir den Kopf in die Höhe. Ein langer dünner Pfeil polterte zwischen das Geröll, und an der Pfeilspitze wehte ein dünner Leinwandstreifen.

Bonanza war verstummt. Frauentränen versiegen wie die Strahlen einer jäh abgestellten Fontäne, – es bedarf nur eines Zwischenfalles, und der Gewissenskonflikt schrumpft zum Nichts zusammen.

„Was bedeutet das?!“ Das Mädchen bückte sich über den sauber geschnitzten und geschickt gefiederten Pfeil.

„Vorsicht!“ Auch von mir wich der Bann dieser Minuten … „Hier, halten Sie die Decke …“ Ich rieb ein Zündholz an und zog die Leinwandfahne glatt … In lateinischen Buchstaben – Rundschrift – stand da mit Tintenstift dick gemalt:

„Koipato Nordwest Salzhütte.“

Das war alles.

Etwa die halb eingestürzte Hütte, in der …

„Koi … pa … to …“, sagte eine helle, feindselige Stimme dicht vor mir. „Sind Sie etwa ein Freund dieses … dieses Menschen?! Schoß er den Pfeil gegen die Steinwand?!“

Bonanzas Augen glühten noch ungezügelter als vorhin.

„… Koipato ist sein Feind, der Feind des Heiligen, – Koipato hat einen Mann ermordet, der …“

Jetzt riß mir doch der ziemlich dicke Geduldsfaden.

„Mädchen, Sie sind eine Närrin! Koipato mordet nicht! Die, denen das Schlechteste zuzutrauen ist, sind die Leute, mit denen Ihr … Heiliger im Bunde steht!“ Ich hatte ihre Handgelenke gepackt, dieses reife und doch so unreife Geschöpf mußte von diesem Wahn befreit werden, der nicht nur ihre eigene Seelenruhe bedrohte, sondern auch uns bei dem so überaus dringenden Werke der Befreiung Dagmars hinderlich und abträglich war. – „Bonanza, oder wie Sie sonst heißen mögen, – glauben Sie, daß man einige neunzig Mormonen unlängst vor Gericht gestellt und hart bestraft hätte, wenn kein sehr ernster Anlaß dazu vorhanden gewesen wäre?! Der Staat Nevadaix hat diesen aus der Sekte Ausgestoßenen seiner Zeit großmütig eine Freistatt gewährt, – was war der Dank?! Diebstahl, Mord, Feuersbrünste, und jetzt noch die Entführung einer Frau, die zu ihrem Unheil einen dieser Burschen geheiratet hatte und die ebenso unabsichtlich, aber für die ehrlichen Farmer zum Glück das große Kesseltreiben gegen diese Banditen einleitete, deren geheimes Oberhaupt jetzt erst entdeckt ist: Der Mann von der Satansfarm, Ihr Heiliger, – nur für Sie, – Sie blindes Kind, ein Heiliger! – Sehe ich aus wie ein Lügner, Mädel?! Habe ich Ihnen nicht angedeutet, daß ich als Landfremder unparteiisch über diesen Dingen stand, daß ich mich nie vorschnell für eine Partei entscheide und daß ich auch hier auf der Seite der Gerechtigkeit focht?! Sie reden wie eine Fanatikerin, – Fanatiker sind stets ohne klares Urteil, man hat Ihr Hirn, Ihre Seele umnebelt, und Ihr Eintreten für eine Rotte von Bösewichten, die der Staat Utah hinauswarf, bleibt umso unbegreiflicher, weil Sie selbst zugeben, diesem „Heiligen“ entflohen zu sein!“

Möglich, daß in meiner empörten Stimme doch genügend Wärme mitschwang, daß das Mädchen dies fühlte und an sich selbst irre wurde.

Sie saß eine Weile ganz still …

Und ihre Entgegnung?!

„Er war immer gut zu mir“, meinte sie scheu und verwirrt. „Ich kann all das nicht glauben … Und doch, auch Sie sind aufrichtig, und wenn ich mir Einzelheiten ins Gedächtnis zurückrufe, die an sich bedeutungslos schienen, gewinnen sie jetzt freilich ein ganz anderes Aussehen.“ Wieder schwieg sie. „Mr. Olaf“ – sie sprach weit bestimmter – „auch ich will vorläufig neutral bleiben, ich will abwarten, ich bin auf Sie angewiesen, – – mit der „Salzhütte“ hier auf dem Leinenstreifen kann nur das Haus aus Boraxblöcken gemeint sein, in dem Sie mich vorfanden. Es gibt dort in dem Dünengelände keine zweite Hütte, ich habe einen vollen Tag nach Wasser gesucht, ich sah mein Pferd verenden, ich war selbst dem Tode nahe …“

„Ja – und da bliesen Sie die Sirene …“, sagte ich in raschem Entschluß, um bei dieser günstigen Gelegenheit auch diesen Punkt zu klären. „Woher haben Sie das Sirenenhorn, Bonanza, woher, – – etwa von Ihrem Heiligen?“

Ich war gespannt, ob sie antworten würde.

„Ja, – – ich nahm es mit, – – ich hatte es so oft gehört … vom Ufer … bis zur Insel hinüber …“, – sie war verlegen, denn sie log, „ich weiß nichts von einer Insel, ich …“

„Kind, Sie machen es mir bitter schwer, mit Ihnen auch nur ein paar vernünftige Sätze zu wechseln …“ Ich hatte mich erhoben. „Bleiben Sie hier … Ich nehme Krake mit … Hier haben Sie meine Pistole … Lassen Sie niemand den schmalen Pfad empor, hüten Sie sich vor denen, die dort unten in der Wüste vielleicht lauern …!“

„Ich komme mit!“

Der Ton gefiel mir.

„Nun gut, – kommen Sie, Bonanza … Wir werden zu zweien vielleicht mehr ausrichten.“

„Oh – ich schieße vorzüglich …“ Sie stand dicht vor mir, reckte sich höher, griff unter ihren fadenscheinigen Mantel, unter dem sie jetzt wenigstens noch mein zweites Paar Reithosen und dicke Sportstrümpfe trug. „Hier – meine Waffe, Mr. Olaf … Auch eine Coldpistole … Nicht einmal Sie haben sie bemerkt, obwohl Sie mich bis hierher trugen!“

Sie war jetzt völlig verwandelt. Mit ihrer Neutralität, dachte ich schmunzelnd, ist es nicht weit her. Ihr Temperament würde mit ihr durchgehen, wenn irgendwie Gefahr drohte, und ich wünschte fast, daß etwas sich ereignen möchte, wodurch ihr vollends die Augen geöffnet wurden.

Wir brachen auf.

Daß Koipato den Pfeil nicht abgeschossen hatte, wußte ich. Der Pfeil stammte von dem geheimnisvollen Schützen, der den Rotfuchs des Mannes von der Satansfarm niedergestreckt hatte.

 

6. Kapitel.

Das Glashaus.

Das Mädchen hatte von Boraxblöcken gesprochen, als es die Hütte erwähnte, und die Bezeichnung „Borax“ für diese Salzart war durchaus zutreffend.

Im allgemeinen dürfte der Durchschnittsgebildete von jenen Seen und Salzsümpfen, deren Salzgehalt weit stärker als der der Ozeane ist, nur das Wenige wissen, was etwa häufiger in dieser oder jener Form immer wieder gedruckt auftaucht: Daß schon die Bibel „das tote Meer“ erwähnt, daß es derart mit Salzen gesättigt ist, daß kein Lebewesen darin existieren kann. – Wie unendlich wenig bedeuten diese knappen Angaben gegenüber alledem, was diese tiefste, bisher bekannte, mit Salzwasser gefüllte Einbuchtung der Erdoberfläche an Absonderlichem bietet! Schon allein die Tatsache, daß das tote Meer fast vierhundert Meter unter dem Spiegel des Mittelmeeres liegt, daß unter dem Bodensand des Sees eine dicke Schicht von Asphalt ruht, daß hineingeworfenes Salz sich nicht mehr auflöst und daß gerade die Umgebung dieses Sees durch seine Hitze berüchtigt ist, dürfte manchem interessant sein. Die salzigen Bestandteile setzen sich zusammen aus Chlormagnesium, Chlorkalk und Chlornatrium, Kochsalz.

Der zweite, ebenso berühmte Salzsee ist der im Staate Utah gelegene „große Salzsee“, nicht ganz so salzreich wie das tote Meer, immerhin zu salzig, um Fische darin existieren zu lassen.

Man spricht von Natronseen, in denen das Natriumkarbonat vorherrschend ist, – so in Algier, Tunis, Ägypten und Ungarn. Anders wieder die Bitterseen, die mehr Magnesiumsulfat enthalten, – am bekanntesten die, die der Suezkanal durchschneidet. Und schließlich die Boraxseen in Tibet, Persien, Kalifornien und besonders in Nevada, wo der große Pyramid-Lake auf seinem Grunde ganze Blöcke von kristallisiertem Borax enthält und auch die kleineren Seen und Sümpfe vorwiegend boraxhaltig sind und man inmitten tiefer Sandtäler dicht unter der Oberfläche ungeheuere Lager von hartem Borax vorgefunden hat.

Die allgemeine Bezeichnung „Salzsee“ und „Salzsumpf“ ist mithin, was Nevada betrifft, mehr als „Boraxgewässer“ aufzufassen, und Bonanzas so zutreffend gewählter Ausdruck „Boraxblock“ bewies mir, daß das Mädchen mit dem Kupferhelm sich außer mit Schießübungen und Romanen wohl auch wissenschaftlich beschäftigt haben dürfte.

– Krake spielte Vorhut, und auf Krake war Verlaß. Wenn er hundert Meter vor uns dahintrottete, waren wir vor einer heimtückischen Kugel sicher.

Trotzdem machte ich einen Umweg nach Norden, damit wir der verfallenen Hütte uns diesmal von der anderen Seite näherten. Der Mond war noch nicht aufgegangen, über den Einöden lagerte jenes Zwielicht, das in sternenklaren Nächten so leicht Sehtäuschungen hervorruft. Schweigend schritten wir nebeneinander, das Mädchen beinahe noch eiliger als ich, – und genau wie ich spähte sie andauernd rundum und war mißtrauisch und behutsam wie ein alter Prärieläufer.

Wir schwenkten nach Westen ab, dann nach Süden, hatten nun die hellen Dünen dicht vor uns, die mit ihren vom Winde zugespitzten Kuppen und vielfachen tiefen Querrinnen ein völlig unübersichtliches Gelände darstellten.

Stellenweise trat das Salz verdunsteter früherer Seen oder Sümpfe als ganz heller Streifen in den Dünenwänden zu Tage, anderswo ragten schwarze, einsame Felsgruppen empor, dann gab es hier und dort etwas Gestrüpp, einen kümmerlichen Baum oder verdorrte Grasflächen.

Die Stille ringsum war bedrückend. Der Nachtwind hänselte um die Dünenspitzen, Krüppelkiefern in phantastischen Formen verneigten sich, richteten sich wieder auf, eine Kolonie von Präriehunden empfing uns mit dem scharfen Dunst ihrer Erdbauten und der mit Unrat bedeckten Wege zwischen den Erdwohnungen dieser scheuen Tiere.

Freund Krake, von mir durch leise Zurufe dirigiert, gehorchte plötzlich nicht mehr und trabte mit pendelnder Rute in ein schmales Dünental, das ich vermieden hätte. Es lag außerhalb unserer Richtung.

Wir bogen um eine Steingruppe, blieben wie gebannt stehen – – genau wie das Füchslein: In dem flachen Tale zwischen bescheidenstem Gebüsch leuchtete matt eine viereckige Hütte mit flachem Dach, als ob sie aus Glasblöcken errichtet wäre, auch das Dach.

Und über diesem Dach erhob sich sogar ein plumper Rauchfang als der einzige nicht erleuchtete, weil verräucherte Hüttenteil.

Es lag Jahre zurück … da hatte ich einst in Australien ein Bauwerk kennengelernt, auch aus Salzblöcken hergestellt, – aber ihm fehlte trotz der Größe das Eindrucksvolle dieses sanften Strahlens, das hier durch Wände und Dach in das nächtliche Halbdunkel drang.

Bonanza war bezaubert. „Mr. Olaf“, flüsterte sie, „– das gleicht einem Glashause, – – und, sahen Sie soeben den Schatten?!“

„Es brennt ein starkes Feuer in der Hütte, – – Da, wieder der Schatten! Ein Mann!!“

Mein Finger schob die Sicherung der Büchse zurück.

Der Anblick da vor uns hatte etwas Unwirkliches, Gespenstisches an sich.

Füchslein Krake windete. Aber die Ohren legten sich jetzt wie gelangweilt etwas zur Seite, die straffe Haltung des zusammengeduckten Körpers verlor sich, und zu meinem Erstaunen trabte der kleine schlaue Bursche weiter auf das erleuchtete, durchschimmernde Glashaus zu und setzte sich dann an der Hüttenecke in aller Gemütlichkeit nieder und beschnupperte einen Knochen, biß hinein, legte sich lang und kehrte uns die Achterseite zu.

„Wie – ist das möglich?!“, hauchte das Mädchen ungeduldig.

„Kommen Sie nur, Bonanza, – das ist so gewiß ein Bekannter von mir, wie dies hier das seltsamste Bauwerk darstellt, das mir je zu Gesicht kam …“

Die Tür des vielleicht 8 mal 8 Meter großen Boraxhauses lag nach Süden, und selbst diese Tür war aus matten, glasähnlichen Platten, die man durch lange Eisenbänder untereinander verbunden hatte, etwas primitiv, aber sicherlich sehr haltbar verfertigt worden. Sie war geschlossen, Fenster gab es nicht, sie waren ja auch nicht nötig, und kein Laut drang aus dem Innern ins Freie.

Der Ingenieur in mir regte sich.

Ich befühlte die rauhen Platten.

Es war nicht Salz …

Es war Glas, wenn auch nur eine Art Naturglas, das man in dieser Art nur in Nevada vorfinden kann. Ich hatte hierüber einst als Student gelesen, war jedoch gewisser Zweifel nie völlig Herr geworden, da ich der Sache nicht genauer nachgegangen war und dieses Spezialgebiet meinem eigenen Studium auch zu fern lag. – Daß man aus Borax durch starkes Erhitzen ein milchiges Glas gewinnen kann, dürfte allgemein bekannt sein. Borax findet in der Glasindustrie überall Verwendung. Daß jedoch an gewissen Stellen der Wüsteneien Nevadas schon häufiger, besonders durch Goldsucher, jenes durch vulkanische Einflüsse, also durch natürliche Schmelzprozesse entstandene Boraxglas in dicken Schichten, eingebettet in Lehm, Ton, Sand oder Steingeröll, entdeckt worden sein sollte, sah ich nun erst hier mit eigenen Augen als nicht wegzuleugnende Tatsache vor mir.

Es war Naturglas, es war reines Boraxglas, vermischt mit allerlei Beimengungen, – außen rauh, uneben, mit Steinchen gespickt, – trotzdem Glas!

„Hallo!! – – Hallo!!“

Mich drängte es, den Bewohner dieser Hütte von Angesicht zu Angesicht zu schauen.

Krake, die Nase an der Türritze, schnüffelte laut. – Ich roch Bratendunst, dazu Pfeifentabak, und noch etwas: Terpentin!

„Hallo, Mr. Mallibran!!“

Es mußte der verrückte Maler aus Winnemucca sein.

„Was soll es?!“, klang es gedämpft von innen. „Scheren Sie sich zum Teufel! Ich will schlafen!“

„Grobian!“, flüsterte Bonanza empört.

„Erkennen Sie meine Stimme nicht, Mr. Mallibran?! Sie warnten mich und schickten mich zum Kings-Berg, aber Koipato ist bisher nicht erschienen.“

„Ah – – Sie …!! Tut mir leid, dieses Haus habe ich belegt, und Koipato müßte längst bei Ihnen sein …! Tut mir wirklich leid, – – zu eng hier für zwei … Ich muß meine Bilder fertigstellen … Sie würden mich stören, kann Ihnen wirklich nicht helfen … – Gute Nacht …“

Mallibran noch groß zu bitten, uns die Tür zu öffnen, paßte mir nicht … Immerhin wollte ich ihn über uns nicht im Ungewissen lassen.

„Seien Sie vorsichtig, rate ich Ihnen! Die Wüste hier ist nicht sicher genug für einen Menschen wie Sie, der nur eine Vogelflinte mit sich führt …! Es ist sogar bestimmt damit zu rechnen, daß der Mann der Satansfarm mit einer größeren Anzahl seiner Anhänger hier jemand suchen dürfte! Nehmen Sie sich also in acht, Mr. Mallibran …“

Des Künstlers übellaunige Stimme ließ zunächst ein übellauniges Lachen hören. „George Mallibran hier abzukehlen, Mr. Abelsen, dürfte der Kerl kaum wagen! Das gäbe einen Orkan im amerikanischen Zeitungswald, wie man ihn seit langem nicht erlebt hätte. Wäre ich nur George Mallibran, würde kein Hahn um einen Vermißten krähen, aber der Maler George Mallibran bedeutet einen wichtigen Faktor im Leben unseres Volkes. Also keine Sorge …! Gute Nacht …!“

„Gute Nacht …!“

Ich schaute mich nach Bonanza um, sie war ein paar Schritte zurückgetreten, und ihre Haltung verriet irgend eine neue starke Gemütsbewegung, deren Anlaß ich nur darin suchen durfte, daß Mallibran meinen Namen genannt hatte. Bisher kannte das Mädchen mit dem Kupferhelm mich nur als „Olaf“.

Ich schritt auf sie zu. „Die Wahrheit bitte …! Hat Ihr Heiliger auch von mir als von einem gefährlichen Ungeheuer gesprochen?!“ – Sie starrte mich an, bog den Kopf zurück, als sei ihr schon der Hauch meines Mundes widerwärtig, und stieß atemlos hervor:

„Sie – – Abelsen?! Sie … derjenige, der …“, – und wieder wich sie zurück. „Zwischen uns kann es keine Gemeinschaft geben, – ich las den Steckbrief, ich kenne Ihre Vergangenheit, ich …“

Ihre grenzenlose Voreingenommenheit gegen alle die, die mit den Mördern und Viehdieben so scharf abgerechnet hatten, war für mich in dieser Form doch nicht länger erträglich.

„Sie kennen gar nichts, – – kommen Sie, – am wenigsten mich!“, – und ich nahm ihre Hand, riß sie neben mich und zwang sie, neben mir zu bleiben. „Sie Kindskopf, Sie …!“, schalt ich, bereits wieder weniger hart mit ihr ins Gericht gehend. „Welcher Teufelsspuk kann nur Ihr junges Hirn derart verwirrt haben, daß Sie einmal vor diesen Kerlen da flüchten und dann wieder deren Partei ergreifen, obwohl eine ehrliche Jury biederer Siedler diese Horde abgeurteilt hat!“

Hinter uns her klang Mallibrans ferne Stimme:

„Wen haben Sie denn da bei sich, Abelsen?!“

Ich blickte mich nur flüchtig um. Der Maler stand in der offenen Tür und hatte den überlangen Leib weit vorgebeugt.

„Niemand!“, – und wir gingen weiter, das Mädchen jetzt freiwillig, ich selbst jedoch wie mit Bleigewichten an den Füßen.

… Zweier Menschen krause Lebenspfade hatten sich hier gestreift … Menschen, die einander unendlich viel zu sagen gehabt hätten.

War es eine innere, mahnende Stimme, die mich zaudern ließ, dieses Mädchens Geschick für ungewisse Zeit und bei so ungewisser Zukunft mit dem meinen zusammenzuschweißen?! Wäre es nicht ratsamer, Bonanza diesem berühmten Maler anzuvertrauen, der nichts von den Anhängern der „Heiligen“ zu fürchten hatte?!

Ich blieb stehen … Diese innere Stimme war zu mächtig in mir geworden. Ich drehte mich um, – aber gerade vollzog sich das reizvolle Wunder, daß das Licht in dem Glashause erlosch und die Hütte im Halbdunkel des Tales urplötzlich wie weggewischt war.

Es war zu spät …

Und dann auch: Koipato rief! Was war mit meinem Schoschone-Freunde geschehen?!

Still eilten wir dahin. Ich verließ mich nur auf meinen Ortssinn.

Der Mond stieg empor, die Dünen bekamen silberne Ränder, die Täler wurden durch Schatten zerteilt, und bereits eine Viertelstunde darauf dunstete vor uns der Kadavergeruch des toten Pferdes meiner stummen Begleiterin, das Kläffen und Knurren von Coyoten und das tiefere Röhren eines Wolfes sowie flinke Schatten, die den toten Schecken umhuschten, zeigten das Pack der Leichenfresser bei gieriger Arbeit.

Krake witterte das Gesindel, schoß vorwärts, stand plötzlich wie gebannt, warf sich herum und flitzte in die verfallene Hütte hinein.

Ein leiser Ruf:

„Hallo – – Olaf!“

Koipato …!!

Ich stürzte Freund Krake nach, rieb ein Zündholz an: – – Der Schoschone-Jäger lag mit verbundenem Kopf im Sande und zwischen den Gräsern des Hüttenbodens. Neben ihm stand sein Rappe mit hängendem Kopf.

 

7. Kapitel.

Das Nest zerplatzt.

Koipato war sehr matt und schwach. Obwohl neben ihm seine gefüllte, geöffnete Feldflasche stand, hätte er nicht einmal die Kraft mehr gehabt, einen stärkenden Schluck zu nehmen. Unsre ersten Begrüßungsworte drückten nur das beiderseitige Erstaunen aus, daß wir uns hier wieder getroffen hatten, – zu längeren Erklärungen war der Verwundete auch kaum imstande, außerdem erschien auch Bonanza jetzt im Hütteneingang, und da der Flackerschein der brennenden Äste und Gräser, die ich schnell aufgeschichtet und angezündet hatte, ihre Gestalt genügend beleuchtete, ruhte jetzt Koipatos etwas müder Blick voller Verwunderung auf der fremden Gestalt.

Auch das Mädchen betrachtete ihn genau so scharf und prüfend, der harte Zug von vorhin, als ich sie etwas derb zum Mitgehen gezwungen, beherrschte noch ihr junges Gesicht und gab ihm etwas Finsteres und Unfreundliches.

Wäre Koipato nur eine Rothaut aus jenen blutigen Zeiten gewesen, wo die vordringende Flut weißer Einwanderer den Indianer rechtlos und daher zum grimmen Verteidiger seiner Jagdgefilde gemacht hatte, würde die Kluft zwischen Bonanza als Europäerin und dem Schoschonen als Vertreter des kupferbraunen Volkes unüberbrückbar gewesen. Jene Zeiten waren längst vergessen. Der zivilisierte Indianer der Vereinigten Staaten ist längst vollberechtigtes Mitglied der Union geworden, und die Abkunft der berühmten Häuptlingsfamilien, die weiße Frauen heirateten, gilt im Lande des Sternenbanners eher als Vorzug als Herabwürdigung – im scharfen Gegensatz zu der freilich ganz anders gearteten Negerfrage. Der Schwarze bleibt Staatsbürger zweiter Sorte, und eine weiße Regierung hat hierdurch eine Verniggerung der Südstaaten, der sogenannten Sklavenstaaten, verhindern können.

Daß Koipato nun außerdem noch der letzte Sproß eines der letzten freien Schoschonenhäuptlinge war, mochte auch Bonanza bekannt sein. Jedenfalls redete sie ihn jetzt zuerst an und zwar mit seinem bürgerlichen Namen, der freilich nur in den Listen der Behörden vermerkt war: Edward Humboldt – ausgerechnet Edward Humboldt!

„Mr. Humboldt, sind Sie sehr schwer verletzt? Wer brachte Ihnen die Wunde bei?“

Ich hatte inzwischen Koipatos Kopf gehoben und ließ ihn jetzt trinken, rückte ihm den Sattel als Kopfkissen bequemer zurecht und erwartete voller Spannung seine Antwort.

„Es war ein Freund des Mannes von der Satansfarm, Miß … – Seltsam, daß Sie sofort wissen wollen, wer mir ein Stück Haut und Schädeldecke wegschoß. – Kennen Sie den Sheriff Millner?“

„Nein …“

„Nun, der wollte mich gern auslöschen … Der ist auch einer der bestochenen Kreaturen des bewußten Mannes …“

Das Mädchen wies diese neue Anschuldigung gegen ihren merkwürdigen Heiligen mit schroffer Handbewegung zurück. „Sie reden im Fieber …! Anders kann ich es mir nicht erklären, daß Sie solche Verdächtigungen aus der Luft greifen!“ Ihre Miene war noch herber und verschlossener geworden.

Koipato sagte nichts. Nur ein Zucken lief um seinen Mund wie ein schwaches Lächeln der Genugtuung.

Worüber Genugtuung?! – Er wußte nichts von Bonanza, konnte nichts wissen. War er lediglich auf Grund von Schlußfolgerungen, die ihm, dem geistig so Rührigen, nicht schwer fallen konnten, zu der Überzeugung gelangt, diese Fremde gehöre irgendwie mit zu jenen Leuten, mit denen wir noch einen bösen Strauß vorhatten?

Bonanza setzte sich auf die Steinschwelle der längst zerfallenen Tür und drehte uns den Rücken zu. Koipato streichelte Krake, und ich fragte vorsichtig, ob der Schoschone sich kräftig genug fühle, bis zum Kings-Berge in unser Felsennest zu reiten.

Seine Antwort? … Er griff nach der Flasche, trank, erhob sich mit meiner Hilfe und lehnte sich gegen die Salzwand der Hütte, ließ mich den Rappen satteln und hing nachher doch ziemlich kraftlos auf dem prächtigen Tiere.

Ein stiller Zug bewegte sich dem Kings-Berge zu. Ich war stets hundert Meter voraus, und weit vor mir trabte Krake kreuz und quer durch das Dünengelände. Die mondhelle Wüste bot heimtückischen Angreifern zwar wenig Verstecke, trotzdem wollte ich nichts außer Acht lassen, unseren Rückmarsch zu sichern.

Der Berg kam in Sicht. Vor uns standen einzelne graue Steine, halb mit Salzkrusten und Sand bedeckt, – ich machte einen Bogen, und als wir die Steine rechts von uns hatten, ertönte irgendwoher von Norden halb hinter uns der an- und abschwellende, dumpf heulende Laut der bewußten Sirene.

… Schwoll immer wieder von neuem an …

Verklang …

Lebte abermals auf …

Immerfort in kurzen Pausen …

Immerfort …

Ich war stehengeblieben, aber Koipato trabte eilends heran, hinter ihm Bonanza …

„Vorwärts!“, rief der Schoschone … „Nicht warten …!!“

Es war Flucht vor dem Feinde, – wir mußten zuerst den Berg erreichen, die heulende Sirene erschien mir wie ein Angriffssignal …

Bonanza schrie auf …

„Dort rechts – – bei den Steinen …!!“

Wie aus dem Boden gezaubert hielten dort sieben Reiter, rissen jedoch ihre Pferde herum und sprengten in wilder Hast gen Westen davon, verfolgt von den über die Bodenwelle der Wüste sich fortpflanzenden Lauten einer Stimme, die nicht die des Satans sein konnte, sondern die eines Warners.

Kein Angriffssignal – – Warnung!! – Und wer warnte uns, wer verscheuchte die sieben, daß sie im Nu im Zwielicht der Ferne verschwunden waren?!

Dann brach die Stimme jäh ab.

Und das Schweigen folgte, das uns daran gemahnte, daß wir hier heimtückisch abgeknallt worden wären, wenn nicht ein Unbekannter uns geschützt hätte. – –

– Nun sind wir wieder im Felsennest, das für eine Miß, zwei Männer, ein Füchslein und zwei Pferde deshalb recht eng geworden ist, weil Bonanza das eine „Nasenloch“, die eine Vertiefung für sich beanspruchen durfte.

Koipato schläft, – – alles schläft hier. Nur ich spiele Wachposten und Chronist, und ich freue mich des Zaubers des Sonnenaufganges und des Fortschrittes meines Geschreibsels, bei dem so manche Kleinigkeit doch wohl zu kurz gekommen ist.

Hätte ich mehr in der Tiefe der Seelen der Hauptfiguren schürfen wollen, hätte ich Bonanzas widerspruchsvollen Charakter und des Malers Mallibran nicht minder eigenartige Statue und sonderbares Verhalten sowie Koipatos leises Lächeln der Genugtuung gründlicher zerfasern wollen: Wäre bei alledem mehr herausgekommen als das, was in mir bereits als fest umrissenes Bild dieser drei sich eingenistet hatte?!

Kaum. – Diese Umrisse konnten sich, was den Schoschone betraf, nicht mehr verschieben.

Bei den beiden anderen würde erst die Zukunft lehren, ob meine Menschenkenntnis mich so arg im Stiche gelassen haben sollte.

– Koipato, Mr. Edward Humboldt, Farmer und Viehzüchter ganz im Nebenberuf, war zugleich mit den ersten Sonnenstrahlen erwacht und hatte sich aufrecht gesetzt.

Blinzelte mich an …

„Hunger, Olaf …!“

„Sehr gutes Zeichen, – sofort!“

Es war noch eine Hinterkeule des Präriehasen vorhanden, und ich holte sie aus dem „Eisschrank“ hervor, wärmte sie über dem Feuer, stellte den Kaffeetopf über die Glut und ließ Koipato essen und erzählen.

„… Daß Millner ein übler Wicht, Olaf, ahnte ich sofort. Daß du fliehen wolltest, als du so leise deinen Braunen aus der Schlucht führtest, wußte ich, sah ich, blieb jedoch ruhig liegen und wartete ab. Millner sollte sich selbst die Maske vom Gesicht reißen, und er tat es. Der Maler kam, packte geräuschvoll seine Sachen und ritt auf seinem Riesenziegenbock davon. Millner wurde munter, war noch halb schlaftrunken und bemerkte dein Fehlen erst nach einigen Minuten. Inzwischen hatte ich doch für alle Fälle den Rappen gesattelt und tat so, als ob dein Verschwinden mich beunruhigte.

– Was soll ich noch viel berichten: Millner wollte mich verhaften, weil ich dir zur Flucht verholfen hätte, ich verabschiedete mich mit einem Spruch, den er mit einer hinterlistigen Kugel beantwortete, die Beamten jagten mir nach, ich verlor viel Blut, wurde immer schwächer und sank vom Pferde. Als ich wieder zu mir kam, lag ich in der Salzhütte, mein Rappe war abgeschirrt, neben mir stand die frisch gefüllte Feldflasche und mein Kopf war sauber verbunden – – wie noch jetzt.“

Er lächelte ganz wenig …

„Die Frage, wer mich in die Salzhütte geschafft hat und wer bei mir Samariter spielte, ist wohl mit einiger Bestimmtheit dahin zu beantworten, daß nur der verrückte Maler aus Winnemucca in Betracht kommen kann. Wer sonst?!“

Ich war davon durchaus nicht so fest überzeugt.

Der Kaffee begann zu dampfen, und aus dem „Pferdestall“ nebenan, hier zugleich Kemenate für Bonanza, erscholl eine sehr frische Stimme: „Darf ich am Frühstück teilnehmen?“

Aus Höflichkeit mußte ich bejahen, obwohl es mir lieber gewesen wäre, das Mädel hätte erst eine halbe Stunde später seine Äuglein geöffnet.

Bonanza kletterte über die trennende Wand, begrüßte uns sehr harmlos und überraschend gut gelaunt und nahm Platz. Sie brachte etwas Stallduft mit sich, aber die blanken Augen hatten zwischen meinem Braunen und Koipatos Fuchs nicht gelitten und schienen sogar sehr übermütig aufgelegt zu sein.

„Ein feiner Patient sind Sie, Koipato!“, sagte sie sofort zu „Mr. Humboldt“, der gerade den Schenkelknochen Krake zuwarf. „Ihren Appetit möchte ich haben …“

Und so redete sie weiter von diesem und jenen, bis ich merkte, daß ihre sprudelnde Laune nur feinste Verstellung war und daß sie auf keinen Fall das Gespräch wieder auf die Vorgänge der letzten Nacht kommen lassen wollte. Sie war ja auch nach dem Zwischenfall mit der warnenden Sirene und den sieben davonstürmenden Reitern sehr still und wortkarg geblieben und hatte sich immer abseits gehalten. Zweifellos hatte ihr fester Glaube an die untadelige Ehrenhaftigkeit ihres „Heiligen“ einen argen Stoß erlitten.

Für Bonanza und mich waren nur noch ein halbes, schon recht trockenes Weizenbrot sowie zwei Schachteln Schafkäse vorhanden. Da wir jedoch beide noch kein Gold im Munde hatten, aßen wir selbst die Krusten mit, und alles wäre gut und schön gewesen, wenn nicht Koipato, der meine Erlebnisse mit Bonanza bereits kannte, etwas unvermittelt geäußert hätte:

„Wir brechen mittags auf, und Sie, Miß, werden uns den Weg nach dem bisher unentdeckten See und der Insel dieses Heiligen zeigen. Frau Dagmar darf nicht länger in den Händen dieser Leute bleiben, denen ich das Schlimmste zutraue. Sie als Mädchen werden wohl am besten beurteilen können, was es heißt, Gefangene dieser Banditen und Weib zu sein. Olaf hat mir alles mitgeteilt, – mögen Sie die Gründe Ihrer Flucht auch verschweigen, wir sind Männer, die sich vieles zusammenreimen. Ich bin überzeugt, der Mann der Satansfarm wollte Sie mit einem dieser Menschen verheiraten, – – deshalb flüchteten sie selbst auf die Gefahr hin, in der Wüste umzukommen.“

Seine dunklen Augen, die heute bereits wieder den eigentümlich matten, tiefen Glanz eines dunkelbraunen Halbedelsteins besaßen, ruhten dabei auf ihrem langsam erblassenden Gesicht.

Schreck, Angst und rasch erwachende Auflehnung gegen Koipatos strenge Worte bewölkten ihre bleichen Züge, und ohne langes Überlegen stieß sie trotzig hervor:

„Ich kenne den Weg nicht! Ich bin nie von der Insel an das Seeufer gelangt, ich …“

Der Schoschone blieb hart. „Dann beschreiben Sie uns den See und die Insel, – das genügt mir.“

Bonanzas Augen flammten auf. „Auch das werde ich nicht tun …! Ich bin ehrlich, ich bin in meiner Ansicht über den …“ – sie zögerte – „den Heiligen schwankend geworden, ich begreife jetzt so vieles nicht … Trotzdem halte ich mein Versprechen.“

Koipato nickte unmerklich. „Es müssen sehr schlaue Schurken sein …! Sie sind ein Mädchen mit offenem Blick, klarem Verstand, sicherlich auch ein guter Mensch. Und doch haben diese Gesellen Sie blind gemacht … Um so gefährlicher sind sie. Ein Staat, der auf den Quadratkilometer noch nicht einmal drei Einwohner zählt, muß auch seine Einöden von solchem Gesindel reinigen, restlos reinigen. Nevada ist meine Heimat, mein Volk wohnte einst hier als freie Jäger, und die Reste meines Volkes sollen nicht in ihrer friedlichen Arbeit durch diesen Heiligen gestört werden. – Sie wollen nicht reden. Gut denn, meine Kenntnis des Landes genügt. Der See, den bisher niemand fand, kann nur inmitten felsigen Gebietes liegen, – Felsen deshalb, weil ein Pferd, dem man über die Hufeisen Rinderlederschuhe streift, keine Spuren auf kahlem Gestein hinterläßt. Würden die Leute beim Besuch der Insel Ihres … Heiligen diese Vorsichtsmaßregel nicht angewandt haben, wäre der See mir längst aufgefallen – infolge der ungewöhnlich zahlreichen Fährten in seiner Nähe.“

Koipato beobachtete Bonanzas Gesicht.

Das Blut war ihr jäh in die Wangen gestiegen, und sie drehte den Kopf rasch zur Seite.

Er lächelte.

„Und dann die Insel, Miß … Es muß aus denselben Gründen eine Felseninsel sein, die, falls jemand zufällig sie vom Seeufer betrachtet, gänzlich kahl, reizlos und unbewohnt erscheint. Der … Heilige muß dort in einem sehr geräumigen Versteck hausen, er muß Flachboote zum Transport von Pferden und einen geheimen Hafen zur Verfügung haben. Es gibt nun nur einen See und nur eine Insel, die dieser Beschreibung vollauf entsprechen. Ich war verschiedentlich an seinem Ufer, nicht ohne Absicht, denn die Gerüchte über die Satansfarm – übrigens ein Ausdruck, den der Volksmund ganz willkürlich prägte – sind seit Jahren immer wieder lebendig geworden, obwohl die, die … Ihren Heiligen einmal zufällig sahen, entweder überhaupt nicht wiederkehrten oder ihr Eigentum in Flammen aufgehen sahen. Es sind viele Goldsucher spurlos verschwunden, sie alle werden wohl auf das Konto dieses heuchlerischen Ungeheuers kommen, das da im Verborgenen die fremden Mormoneneindringlinge, die nicht mehr Mormonen sind, als Oberhaupt geleitet hat. Ich behaupte, Ihr Heiliger ist der Begründer einer neuen Sekte, zugleich der Führer von Verbrechern … – Sie werden immerfort rot und blaß, Miß … Ich brauche keine Bestätigung mehr, jetzt kenne ich die Insel, ich finde allein den Weg dorthin. Aber Sie werden bei uns bleiben, Miß, Sie werden die letzten Geheimnisse dieser Verbrecher doch preisgeben, denn inzwischen wird sich wohl Gelegenheit bieten, Ihnen zu beweisen, welches schändliche Spiel man mit Ihnen getrieben hat.“ Er sprach all dies mit der überlegenen Ruhe eines Mannes, der kein Wort ohne das bittere Fundament harter Lebenserfahrungen fremden Ohren preisgibt, seine klaren, schlichten Schlußfolgerungen hatten auch mich überzeugt, und die Satansfarm, ich wußte es, würde demnächst sehr unangenehme Gäste empfangen müssen.

Bonanza regte sich nicht, blickte von unserer Felsenkanzel durch das dünne Randgestrüpp starr gen Westen, wo die Sonne, die im Osten emporstieg, bereits den Schatten der einsamen Kuppe, Kings-Berg genannt, als dunklen langen Fleck auf den zumeist hellen Wüstenboden zeichnete.

Auch ich beobachtete gedankenvoll, wie dieser Schatten mit dem Anstieg des Tagesgestirns sich immer mehr verkürzte, und mir entging auch der bewußte Fleck nicht, der diesen dreieckigen Schatten plötzlich krönte.

Menschen waren es, unscharf in den Umrissen, – Männer, die hoch über uns auf der Spitze des Berges hin und her eilten, sich im Schattenbild zusammenballten wie ein Bienenschwarm, der im Fluge die Gestalt dauernd verändert, – – mein Kopf flog empor, die Augen zogen sich zusammen, aber dem suchenden Blick blieb diese lästige Nachbarschaft von Fremden verborgen. Nur ein Schattenbild war von ihnen sichtbar.

„Koipato – – dort!“

Der Schoschone drehte sich hastig um. Ich sah sein Profil, die Haut über den starken Backenknochen spannte sich, und trotz seiner gewiß schweren Schußverletzung schnellte er nach wenigen Sekunden hoch.

„Die Pferde und unsere Habe dicht an die Felswand, Olaf, ganz dicht …! – Bonanza, Sie auch – – rasch!! Die Heiligen sind da, – – betrachten Sie die Spitze des Bergschattens, die Schufte werden einen Felsblock herabrollen lassen, und ob unser Nest hier dem Anprall standhalten wird, bezweifele ich …!“

Das Mädchen mit dem Kupferhelm stierte lange wie gebannt nach Westen auf das dunkle Schattendreieck mit den droben krabbelnden eilfertigen Ameisen.

Wir waren bereits bei der Arbeit, wir banden die Pferde unmittelbar an der Felswand fest, wir griffen nach Sätteln, Waffen, Wolldecken …

Bonanzas heller Schrei lenkte uns ab.

„Dort – – Reiter …!! Bei den salzüberkrusteten Ruinen …!“

Koipato sagte nur grimmig: „Glaubten Sie, daß man uns in die Wüste entwischen lassen würde?! Die Kerle wollen uns auslöschen, Sheriff Millner weiß schon, was er tut. Und Ihr Heiliger erst recht.“

Hoch über uns ein Poltern, Prasseln, – ein Steinhagel kam herab als Vorbote des ärgeren Unheils.

Wieder schrie das Mädchen auf …

Ein Stein hatte ihre Schulter getroffen … Ich riß sie an mich, drängte sie an die Steilwand, Koipato hielt Freund Krake im Arm, und Mensch und Tier erwarteten atemlos die drohende erste Granate des Feindes.

Sie kam.

Abermals Steinhagel, – dann mit dumpfem Sausen ein rundlicher Felsblock von gut fünf Zentnern Gewicht …

Ein donnerartiger Knall, ein neuer Hagel von Steinsplittern, – – Koipato hatte rasch die Wolldecken über uns und die Tiere gebreitet, – – dann ein Knistern, Krachen, ein hohles Sausen, – und in der Tiefe irgendwo ein lauter Krach …

Als ich die Decke lüftete, war unser Felsennest verschwunden.

Was geblieben, war ein Vorsprung von kaum drei Metern Breite und sieben Metern Länge …

Zu eng, sich frei zu bewegen, – dazu noch abschüssig, – – kein sicheres Nest mehr, lediglich noch ein … ganz kurzer Weg abseits vom Alltag, ein Höllenpfad ohne Deckung, letzte Zuflucht von drei Menschen und drei Tieren, die dicht vor sich in einen Abgrund starrten.

 

8. Kapitel.

Die Zisterne rieselt…

… Es kam noch ärger …

Als ob die Vernichtung unseres Schlupfwinkels das Signal gewesen, platschten plötzlich bösartig summende Kugeln gegen das Gestein …

Und wir waren die Zielscheiben, frei hingestellt an eine Felswand, die unsere Gestalten bei dem hellen Tageslicht auf hunderte von Metern erkennen ließ.

„Baut einen Wall aus Steinen, so gut es geht“, sagte der Schoschone gleichmütig.

Er hob die Büchse, kniete unter dem Leibe seines Braunen nieder und zielte bedächtig.

Hinter einer Sandwelle im Süden blitzte es abermals auf.

Bleispritzer ritzten unsere Nacken, Freund Krake knurrte und verkroch sich unter meinem Braunen und hinter den Sätteln.

Unter uns rieselte es wie ein Gießbach, der schäumend in die Tiefe eilt. Es war das Wasser der natürlichen Zisterne, das nach unten einen Abfluß gefunden hatte. Das Zisternenloch war noch vorhanden, ein Schacht von kaum acht Metern Durchmesser, mehr nach Süden zu gelegen.

Koipatos Schuß knallte, und hinter der Sandwelle schnellte eine Gestalt hoch und fiel zurück.

„Der erste …“, meinte der Schoschone und zielte abermals.

Bonanza und ich arbeiteten an dem Steinwall, keilten Steinsplitter in die Ritzen des abschüssigen Bodens, sammelten Steinschutt, Felstrümmer, – und wieder kamen die bleiernen Bohnen gepfiffen, aber die Schützen schienen auf Fernschüsse nicht gerade geübt zu sein …

„Der zweite …“, meldete Koipato mit kurzem Auflachen … „Sie werden sehr bald auf diese Art, uns auszulöschen, verzichten … Sie können uns ja aushungern … Drei Tage, und wir sind fertig, die Sonne Nevadas schießt Pfeile, gegen die es keinen Schutz gibt …“

Das Feuer des Gegners verstummte. Auch der Schoschone kam nicht mehr zum Schuß, half uns, und in kurzem war der niedere Wall fertig.

Wir sprachen nichts, wir hockten am Boden, wir kannten unser Schicksal. Bonanza hatte seltsam harte Augen und eine böse Falte auf der Stirn.

Die Sonne wanderte am glasklaren Himmel weiter, und ihre ersten Strahlen lugten scheinheilig um die Ecke.

„Es ist merkwürdig, – das Wasser der Zisterne läuft noch immer!“, sagte ich nach einer geraumen Weile, und meine Stimme klang mir selbst ganz fremd.

Koipato hatte gemächlich seine Pfeife gestopft und tat die ersten Züge. „Du hast recht, Olaf, – es ist merkwürdig … Übrigens habe ich das Wasser geschmeckt, – das war kein angesammeltes Regenwasser.“

Bonanza rührte sich nicht. Sie hatte das Kinn auf die linke Hand gestützt, hatte Freund Krake auf dem Schoße, diesen bedenklichen Damenfreund. Auch Dagmar hatte Krake unglaublich verwöhnt.

„Und doch ist der Zisternenschacht leer“, erklärte ich, nachdem ich fünf Meter nach links gekrochen war und mich über die Öffnung gebeugt hatte. „Ich sehe sogar das bloßgelegte Loch in der Tiefe, aus dem das Wasser herabströmt … – Koipato, wirf mir das Lasso zu …“

Der Schoschone blickte mich an und wir verstanden uns. Auch er kam herbei, bückte sich ganz tief und flüsterte hastig: „Der dünne Streifen Tageslicht, der unten durch das Loch dringt, zeigt uns den Hoffnungsschimmer. – Klettere hinab, ich halte den Lederriemen …“

Wir lagen hier außerhalb des Walles, und daß die Schufte drüben aufpaßten, bewiesen einige Kugeln, die wieder nur der Felswand bläuliche Flecken aufdrückten.

Wenn nicht des Schoschonen stoische Ruhe mich davon abgehalten hätte, würde ich mich zweifellos über den Umfang und Wert dieses Hoffnungsschimmers näher ausgelassen haben. Wir Europäer tragen alle das Herz zu sehr auf der Zunge, und der Indianer trug die Zunge allzeit im Herzen, schwieg und handelte und … verblutete als Nation. Mithin schienen die Schwätzer doch mehr zu erreichen.

Ich rutschte am Lasso vorsichtig hinab. Die Tiefe des Loches betrug etwa sieben Meter, und bevor der Heilige seine harte Nuß auf unser Nest fallen ließ, hatte das Wasser in der Zisterne mindestens vier Meter hoch gestanden. Nun waren nur noch die feuchten, schlüpfrigen Wände vorhanden und das dünne Rinnsal, das irgendwoher aus dem Berge andauernd in gleicher Stärke hervorquoll.

Infolge der jahrelangen Nässe hatte das Gestein allerlei schleimige Fäden und Moose und krause Pilzschichten angesetzt, ganze Bärte kleisterartig klebriger grüner Haare hingen triefend herab und verdeckten den seitlichen Eingang zu dem Stollen, der sich in dem Berg verlor, mit ihren schleierartigen Geweben.

Die Berührung dieser schleimigen Pflanzenwelt der nassen Finsternis war mir widerwärtig, und doch entfernte ich sie mit den Händen und schob mich, halb in einer Wasseransammlung liegend, über den erhöhten Rand des Stolleneinganges hinweg und gab nur acht, daß die Zündhölzer und die kleine Petroleumlaterne nicht Schaden erlitten.

Das Wasserbecken hinter dem Stollendach war so tief, daß ich mich aufrichten mußte. Die Finsternis ringsum war noch tiefer, aber der Stollen hatte dicht hinter dem Eingang bereits eine solche Höhe, daß ich bequem weiterwaten konnte, ohne mit dem Kopf oben anzustoßen.

Der Gang stieg jetzt an, ich gelangte vorsichtig tappend auf trockenen Boden, entzündete ein Hölzchen, die Laterne brannte, und ihr schwaches Licht zeigte mir eine zerklüftete Höhle von nicht erkennbarer Ausdehnung.

War es ein Wunder, daß das alte Abenteurerblut mir frischer durch die Adern strömte und daß mich, den erfahrenen Weltentramp, angesichts dieser rettenden Grotte, in der ich deutlich einen scharfen Luftstrom verspürte, wieder einmal der Rausch des Ungewöhnlichen packte und mich alles andere vergessen ließ.

War es ein Wunder, daß ich zwanzig Schritt weiter wie angewurzelt stehen blieb, um auf die verrotteten Dinge hinabzuschauen, zwischen denen weißgelb und zerfallen die Gebeine eines Skeletts und ein Totenschädel mir entgegengrinsten?!

Nevadas Einöden bergen zahllose Gebeine.

Nevadas einstige Goldreichtümer waren Magnet für tausende von verwegenen Spielernaturen, die hier zu schnellem Reichtum zu gelangen hofften. Das war noch vor der Zeit, als Kalifornien hunderttausende anlockt und vielleicht ein paar hundert wieder als wirklich Reichgewordene heimwärts ziehen ließ.

… Das war noch zu jener Zeit, als Nevada nicht zu den Vereinigten Staaten, sondern – heute seltsam zu hören – mexikanisches Gebiet war, … als die Rothäute durch die Wüste schwärmten, Skalp machten und den weißen Eindringling mordeten, wo sie ihn fanden.

Auch Nevadas Boden ist blutgedüngt wie jeder Boden, in dem die gelben Körner, die Pest der Menschheit, vorkamen.

An den neben dem Skelett liegenden Geräten erkannte ich, daß diese Knochenüberreste die eines Goldsuchers waren.

Mich trieb es weiter …

Die Zugluft hier verhieß einen zweiten Ausgang, und ein Ausgang ins Freie bedeutete Rettung für drei Menschen und drei Tiere.

Der Stollen wurde wieder enger, senkte sich, und nach etwa fünf Minuten sah ich vor mir Tageslicht in dünnen Streifen.

Ich hatte den Ausgang erreicht, er lag nach Norden etwa fünf Meter über der Wüste zwischen einer Geröllhalde, deren größte Blöcke viele Meter hoch waren. Einer dieser Steine war gegen den Ausgang gestützt, hatte jedoch infolge besonderer Form und infolge günstiger Gewichtsverteilung die Eigenschaft einer primitiven Drehtür, – ich drückte an die eine Kante, und der Stein schwang nach außen. Ebenso hastig zog ich ihn wieder zurück, denn unterhalb der Geröllhalde grasten acht Pferde die mehr als spärlichen Halme ab …

Sie waren gesattelt angepflockt, und drei von ihnen trugen große Packen auf Tragsatteln, in derbe Ölleinwand gehüllt, vielfach verschnürt, und … die eine Traglast, das war nicht Täuschung, bewegte sich ganz wenig: Ein gefesselter Mensch!

Dagmar etwa?!

Der Gedanke jagte alle Bedenken davon.

Wieder drückte ich die Steintür auf, kroch ins Freie, hielt scharf Ausschau, kroch weiter, drehte mich um, lugte zur Bergkuppe empor und war mit drei Sätzen neben dem Pferde …

„Dagmar, sind Sie …?!“

Zwischen Dagmar Egerlöv und mir bestand seit Tagen ein recht ungeklärtes Verhältnis. Die treue Kameradschaft, die uns vom Golf von Mexiko bis nach Reno, der Scheidungsstadt, und weiter in die Einöden geführt hatte, war des öfteren bedenklich ins Wanken geraten, und an mir lag es gewiß nicht, daß die trügerische Freundschaft zwischen versteckten Zärtlichkeiten, brüderlichem „Du“ und kühlem „Sie“ und zwischen manch anderem, das in dieselbe Kategorie von verborgenem Anreiz zu endgültiger Aussprache fällt, hin und her gependelt war wie das Gangwerk einer Uhr, die zu stark geölt worden und zu viel Staub geschluckt hat. Nein, an mir lag es nicht … Ich hatte unter das Thema Liebe einen Schlußstrich gezogen. Ich hatte nichts zu verschenken als flüchtigen Traum, da ich selbst nur ein Flüchtling, heimatlos, ruhelos und besessen von jenem Freiheitsdrang war, der nur die einsame Natur mit ihren unverdorbenen Instinkten und Geschöpfen begehrt und ohne Selbstsucht liebt.

„… Dagmar, – – bist du es?!“

Nochmals ein prüfender Blick in die Runde.

„Dagmar?!“

Die Stimme aus dem Leinwandballen genügte schon allein, diese Hoffnung gründlich zu tilgen.

Unter Grunzen, Prusten und Fauchen meldete sich ein bedenklich tiefer Baß, der jede Blaukreuz-Antialkohol-Jungfrau hätte erbleichen lassen.

„Dagmar?! Ich?! Sie wollen mich wohl noch mehr demütigen, Sie …!! Wenn ihr Galgenvögel glaubt, mich weich wie Watte …“

Der Rest ging verloren, denn mein Messer hatte bereits flinke Arbeit getan, ich konnte das Menschenbündel gerade noch auffangen, lief damit wieder die Geröllhalde empor, setzte es im Stollen ab und wollte die Drehtür schließen.

… Fernher kam ein leiser Ton, schwoll an, verebbte, schwoll stärker an … verebbte …

Die Sirene war es …

Und diese Töne klangen fast, als hätten sie einen zweiten Weg um den halben Berg zurückgelegt, – – lebten zum dritten Male auf, endeten in einem schrillen Wimmern.

Ich stand betroffen, den Blick unwillkürlich auf die Pferde gerichtet, da das Auge keinen anderen, fesselnderen Ruhepunkt fand.

Eins der Tiere, und es war wieder ein Rotfuchs mit reichem Schweif, weidete abseits, tänzelte zuweilen nervös, verriet schon durch die spielenden Ohren und durch die Kopfhaltung ein edles Temperament, und schien durch irgend etwas stark beunruhigt zu werden. Möglich, daß meine vorschnelle Befreiungstat den Rotfuchs erregt hatte, – – es war doch ein Irrtum, das Tier stieg plötzlich mit den Vorderbeinen hoch, sprang zur Seite, begann eigentümlich zu schwanken, knickte hinten um und fiel auf die Seite.

Ich war entsetzt über diesen dritten jähen tödlichen Pfeilschuß, – wieder hatte ich von dem Schützen nichts wahrgenommen, – – hinter mir die rauhe Kellerstimme des menschlichen Bündels, eines alten, kleinen, feisten Negers mit weißem Kinnbart und weißer Krimmermütze, echtes, gedrehtes Negerhaar:

„Mister, machen Sie besser Ihre Salontür zu, – das rät Ihnen der alte Lord, – wenn mein Herr auf meinen Rat gehört hätte, brauchte ich nicht um Ihr Messer zu bitten. Lederriemen sind gut, wenn sie als Schlinge den Hals eines jener …“

Ich schlug die Steintür zu, ich hatte über mir Rufe gehört, Steine polterten, mein Messer tat den Rest der Arbeit, und der kleine, feiste Neger bedankte sich leise und trat, seine Handgelenke reibend, neben mich. Die Ritzen an den Türrändern waren breit genug, um draußen das ganze Vorgelände beobachten zu können, und der alte Neger mit dem feudalen Namen Lord flüsterte erstaunt:

„Ist das Pferd tot, Mister?!“

„Ja – erschossen. Durch einen Pfeil … Sie können das gefiederte Schaftende noch sehen, und es ist dies nun das dritte Tier, das auf diese Art umkam. Der Schütze muß geradezu ein Champion im Bogenschießen sein.“

Noch mehr Steine polterten, dann tauchten drei Männer auf von jenem Typ, den ich bereits kannte: Hagere, große Gestalten, Hängeschnurrbärte, kirschbraun gebrannte Gesichter, sehnig, geschmeidig, bis auf die Zähne bewaffnet.

Sie gruppierten sich um den toten Rotfuchs, und aus ihren Mienen war deutlich das stille Entsetzen zu lesen, das in ihnen bei diesem bedrohlichen Anblick aufgestiegen war. Sie sahen sich hier einer neuen warnenden Tat ihres geheimen Feindes gegenüber, und der Schreck und die Verwirrung lähmten sie derart, daß es wiederholten Anrufes von der Berghöhe bedurfte, ihre Aufmerksamkeit auch dem entflohenen Schwarzen zuzuwenden. Klar und scharf drang eine harte, fast schrille Stimme durch das Schweigen der sonnenhellen Wüste, – den Mann sah ich nicht, aber diese Stimme vergaß ich nie. Sie war wie das Schwirren einer Stahlsaite, wie das zischende Pfeifen eines haarscharfen Rapiers, wie das heisere, herrische Kreischen des Adlers, der stolz über seinem Haupte schwebt.

„Der Neger ist entflohen, – sucht sofort nach Spuren! Ich schicke euch noch drei von uns … Mit denen da an der Westseite des Berges werden wir übrigen schon fertig!!“

Der alte Neger Lord lachte lautlos. „Da können sie lange suchen, Mister …! Ihr Versteck hier gefällt mir, obwohl ich im allgemeinen Höhlen nicht liebe … Ich habe meine schlechten Erfahrungen damit gemacht.“

Ich achtete kaum auf seine Worte. – Jetzt hatten sich draußen sechs dieser finsteren Gesellen zusammengefunden, und mit einiger Unruhe merkte ich, daß sie keineswegs so ungeübt im Fährtensuchen waren, wie ich angenommen hatte. Zwei von ihnen waren tief gebückt von dem Packpferde aus, das bisher den Neger getragen hatte, in die Geröllhalde abgebogen, näherten sich Schritt für Schritt unserem Versteck, blieben zuweilen stehen und schienen nun doch unsicher zu werden. Es war unser Glück, daß die Leute soeben so stürmisch vom Berge herabgeklettert und dabei so zahlreiche Steine, Steinchen und Steinschutt ins Rutschen gebracht hatten, wodurch unsere geringen Fährten stellenweise verschüttet worden waren.

Trotzdem gab es ein paar bange Minuten, die mir den Herzschlag etwas beschleunigen und die auch den Neger Lord zu einigen erregten, geflüsterten Bemerkungen veranlaßten.

Dann machten die beiden kehrt, und gleich darauf trabte der kleine Trupp davon und zerstreute sich über die wellige Wüste, suchte nun dort nach verdächtigen Fährten, offenbar ohne großen Erfolg. Ich an ihrer Stelle hätte die Sache freilich etwas geschickter angefangen, aber die Burschen waren wohl sämtlich durch den Tod des Rotfuchses sehr nervös geworden, anscheinend auch ängstlich, und es lag für mich nun wirklich kein Grund weiter vor, an dieser Stelle auszuharren und Koipato noch länger warten zu lassen.

„Kommen Sie, Lord, wir sind hier überflüssig“, wandte ich mich an den kleinen, wohlgenährten Weißbart, der in seinem sehr anständigen Reitanzug mit Sporthemd äußerst würdig ausschaute.

Lord hatte die am Boden stehende Laterne aufgehoben und beleuchtete die eigenartige Drehtür. Mit einem Male prallte er zurück, seine ohnedies schon recht vorquellenden Augen sprangen ihm fast aus den Höhlen, und sich jäh herumwerfend und meinen Arm packend fragte er heiser und ganz außer Atem:

„Mister, – seit wann sind Sie in dieser Höhle?!“

„Seit kaum zehn Minuten – und zum ersten Male, Lord. – Was erschreckt Sie so?!“

„Die … Vergangenheit“, erwiderte er etwas unklar. „Sagen Sie, – fanden Sie hier ein Skelett?!“

„Ja …“

Jetzt war ich der Überraschte.

„Ja, – dort hinten liegen menschliche Gebeine zwischen halb vermoderten Goldgräberwerkzeugen. – Kennen Sie denn diese Höhle, Lord?“

Seine Erregung legte sich.

Er holte ein paarmal tief Atem und entgegnete zögernd: „Ja und nein, Mister. – Sie sind mein Retter, ich möchte Sie nicht belügen, obwohl ich doch nicht die Wahrheit sprechen darf. Sie sollen nicht schlecht von mir denken, – ich bin der langjährige Diener des bekannten George Mallibran, und mein Herr hat …“

„Mallibran?!“ Auch ich brauchte Zeit, diese unerwartete Mitteilung zu verdauen, zumal dieser seltene Happen etwas reichlich groß bemessen war. Gewiß, jetzt besann ich mich, daß Koipato beiläufig erwähnt hatte, daß Mallibran in Winnemucca ein abseits gelegenes Häuschen zusammen mit seinem treuen Diener bewohne, – aber über diesen Diener hatte der Schoschone sich nicht näher ausgelassen, da der Neger ihm wohl zu unbedeutend vorkommen mochte. – Koipato hatte sich jedoch sehr geirrt, dieser alte Neger war durchaus keine belanglose Nebenfigur, Lord war sicherlich ein gebildeter Mann mit reichen Lebenserfahrungen, er besaß sogar unfehlbar etwas Ehrwürdiges, Respekt einflößendes, und mochte er auch äußerlich keineswegs zu dem angenehmen Negertyp gehören, – das vergaß man vollständig, wenn er nur den Mund auftat und mit ehrlichen klaren Augen seine tiefen Baßtöne mit ehrlichen Blicken begleitete.

Mein Zwischenruf führte zu einer kurzen, hastigen Erörterung über Mallibran. Lord erfuhr, was vorläufig nötig, und dann eilten wir den Stollen empor und erreichten die eigentliche Höhle, wo Lord mit dem Bemerken zurückblieb, es lägen hier ja noch ein paar Harzfackeln, ich mochte eine davon anzünden, es sei auch besser, wenn die Kerle draußen ihn nicht zu Gesicht bekämen, – worin ich ihm recht gab.

Als ich in dem Zisternenschacht wieder an dem Lasso emporkletterte, war Freund Koipato bereits recht ungeduldig, was ich dort unten entdeckt hätte, und trotzdem vertröstete ich ihn, bis wir wieder hinter unserem Steinwall liegen würden.

Dort hatten Bonanza, Krake und die beiden Pferde inzwischen in aller Sicherheit unsere Rückkehr abgewartet, die Feinde waren der zwecklosen Schießerei überdrüssig geworden, und wie ich nun dem Mädchen und Koipato das soeben Erlebte genau schilderte, warf der Schoschone kurz ein:

„Die Miß blies die Sirene, – ich fand dies sehr übrig …“

Wahrscheinlich entging uns Männern nur durch diesen Vorwurf Koipatos, der Bonanza einer heftigen Körperwendung des Unwillens veranlaßte, ihre übergroße Erregung, und wenn ich auch bemerkt hatte, daß sie sehr bleich geworden, brachte ich dies doch in keiner Weise mit dem alten Negerdiener Lord in Verbindung.

Nur eins fiel mir nachher auf. Bonanza zeigte uns wieder ihr frisches, hübsches Gesicht, tat völlig harmlos und bat lediglich, wir sollten ihr doch gestatten, den Stollen und die Höhle zu besichtigen, sie habe derartige Naturgrotten noch nie gesehen, und der Neger Lord würde ihr ja sicherlich nichts antun … „Sie sagten ja selbst, Mr. Olaf, er schaue so würdig aus wie ein schwarzer Zauberer im Ruhestande …“

Das hatte ich nun allerdings nicht geäußert, aber da Bonanza dabei zum ersten Male recht spitzbübig lächelte, widersprach ich nicht weiter, wir krochen bis zur Zisterne, und sie glitt als erste am Lasso in die Tiefe, während Koipato ihr erst nach einigen knappen Sätzen mit mir über die nun einzuschlagenden Maßnahmen folgte.

So war ich denn für’s erste allein auf dem schmalen Überbleibsel unseres Felsennestes, konnte mich mit Freund Krake beschäftigen, der sich hier hinter dem Steinwall nicht recht wohl fühlte, und betrachtete auch die bewußte Trompetensirene nochmals ganz genau und fand innen in den Rand der Schallöffnung einen Firmenstempel eingestanzt, der

Thomas Ballafort,
Salt Lake City.

lautete. – Der Name der Hauptstadt des östlichen Nachbarstaates Utah, zugleich Hauptsitz der Mormonensekte, erinnerte mich nur allzu lebhaft wieder an meiner Freundin Dagmar Entführung und an meine selbstverständliche Pflicht, für ihre schleunige Befreiung zu sorgen. Ich überlegte mir, daß es uns kaum schwer fallen könnte, mit den Banditen fertig zu werden, und ich wollte bereits an dem nun an eine Steinzacke gebundenen Lasso gleichfalls wieder in die Höhle hinabklettern, als der Neger Lord über dem Rande der Zisterne erschien und mir eifrig zuraunte, die Feinde seien soeben in schnellster Gangart nach Norden verschwunden, Koipato ließe mir sagen, der Abstieg in die Wüste sei ganz ungefährlich, und ich solle lediglich vorher noch die Pferde tränken und die Feldflaschen füllen.

Lord, der übrigens Charlie Lord hieß, jedoch stets nur Lord genannt wurde, half mir, und bereits eine halbe Stunde später hatten wir den schmalen Felspfad glücklich überwunden und hielten mit den Tieren an derselben Stelle, wo der arme erschossene Rotfuchs seine Beine steif wie Zaunlatten gen Himmel reckte.

Koipato und Bonanza hatten auf uns hier gewartet, und unverzüglich brachen wir jetzt nach Mallibrans seltsamen Glashause auf, denn der schwarze Lord wollte schleunigst mit seinem Herrn wieder vereinigt werden, der, wie der ehrwürdige Alte sich ausdrückte, ohne Aufsicht doch nur dumme Streiche mache.

So manches stieß mir bei dem Zusammentreffen mit Bonanza und Koipato auf. Ich beobachtete ziemlich scharf, und als der Schoschone mir nachher heimlich zuwinkte, blieben wir ein Stück zurück. Unsere Pferde hatten wir dem Mädchen und dem Neger, dessen Fußgelenke durch die Fesseln völlig wund gescheuert waren, überlassen.

„Olaf“, sagte Koipato gedämpft, „hast du dir die Höhle genau angesehen?“

„Nein …“

„Und sahst du dir die Steintür sorgfältiger an?“

„Nein …“

Koipato schüttelte leicht den Kopf. „Der Neger Lord, erzähltest du, prallte vor dieser Tür zurück …“

„Nun ja … Es waren in die Innenseite ganz grob Buchstaben eingemeißelt:

M. B.

so weit ich erkennen konnte.“

Wieder schüttelte der Schoschone den Kopf. „Zuweilen bist du blind, Olaf. Und taub … – Bonanza wollte nur deshalb so eilig in die Höhle hinab, weil sie den Neger Lord sehr gut kennt. – Das ists … – Und noch etwas.“ Er schaute mich merkwürdig zwinkernd an. „Hättest du dein Messer genommen und in der Höhle die eine Wand etwas bekratzt, wärest du gewahr geworden, daß dort Millionen an gediegenem Golde liegen, – eine starke, feine Goldader durchzieht das Gestein, aber der tote Mann, von dem nur noch die Gebeine dort liegen, hat diese Goldader mit Fackelruß absichtlich geschwärzt, und diesen Mann kannte der Neger Lord genau so gut, wie er Bonanza kennt, die sich mit ihm nur schnell verständigen wollte. Als ich in die Höhle kam, saß sie da und weinte. – Begreifst du jetzt, Olaf, weshalb sie sich vor uns Bonanza nennt?!“

Ich begriff es …

Es ging hier letzten Endes um die Goldader, und der Mann der Satansfarm war hinter dieser Goldader her.

Vieles andere begriff ich nicht.

 

9. Kapitel.

Mallibrans Malerschirm.

„… Füchslein Krake, du bist nur ein Bastard zwischen einem Yucatanfuchs und einer gestreiften Coyotenmama, aber das macht garnichts, ich habe dich einmal von einer treibenden Meereswiese gerettet, und wir haben seitdem treu zusammen gehalten, – das wollen wir jetzt erst recht tun, wo die Dinge eine so üble Wendung genommen haben und wir beide nur durch Zufall den Kugeln dieser Kerle entgangen sind …“

Krake saß vor mir in dem Felsenloch, das dicht und hoch von Wermutsträuchern, Kiefern und kläglichen Eichen umwuchert war.

Krake machte ein äußerst mißvergnügtes Gesicht – begreiflich!

Auch ich hatte Hunger.

Aber vorläufig durften wir uns aus dieser großen Mausefalle nicht ins Freie wagen, und Hunger war noch immer angenehmer als ein Gericht Bleibohnen, die meist so niederträchtig sind, im Magen nicht halt zu machen, sondern sofort wieder weiterzufliegen und ganz üble Löcher zurückzulassen.

Dies als Vorspruch.

… Wir bewohnen zur Zeit das Glashaus, das ich in „Pechhaus“ umgetauft habe.

Lords Anhänglichkeit an seinen Herrn und sein energischer Wunsch, zunächst noch George Mallibran aufzusuchen, sollte die nunmehr günstige Sachlage mit einem Schlage gründlich umwerfen.

Ich kann mich hier mit kurzen Andeutungen begnügen. – Es war ohne Frage unverantwortlich leichtsinnig von uns, so bestimmt damit zu rechnen, daß die Gegner endgültig nach Norden abgezogen seien. Wir wurden freilich durch einen Umstand noch sicherer gemacht, der uns bewies, daß der geheimnisvolle Pfeilschütze seine verderblichen Geschosse nicht nur auf Pferde richtete. Im Vorgelände der Dünen fanden wir einen der hageren Fanatiker, dem ein Pfeil die Brust glatt durchschlagen hatte, – ein sichtbares Zeichen für die unerhörte Kraft, mit der diese Pfeile abgeschossen wurden. Der Tote lag in einer Salzmulde und der von Pferdehufen und Männerstiefeln ringsum zerstampfte Boden redete seine besondere Sprache: Die Gegner hatten sich hier zusammengefunden, hatten sich jedoch nicht einmal Zeit gelassen, die Leiche mitzunehmen, und offenbar waren sie auch von hier – es handelte sich um die sechs von mir beobachteten Fährtensucher, – im Galopp zum Kings-Berge zurückgekehrt. Die Angst hatte ihnen im Nacken gesessen, und der Trupp war nachher dann nordwärts in der Wüste verschwunden.

Bonanza hatte angesichts dieses Toten, dem die eiserne Pfeilspitze zum Rücken herausragte, eine ungewöhnliche Fassung bewahrt, hatte sich nur verfärbt und kein Wort geäußert.

Anders der alte Schwarze. Mr. Charlie Lord verleugnete seine abgeklärte Würde und sagte feindselig: „Ein Schurke weniger!“

Koipato stieg ab, bedeckte den Toten mit Sand, Steinen und Salzplatten, und wir eilten abermals den nordwestlichen Dünen zu.

Ein Präriehase, der leichtfertig ein Männchen machte und uns beäugte, fiel durch des Schoschonen Kugel und wurde für die Mittagsmahlzeit mitgenommen. Der äußerst bewegliche Krake, der heute scheinbar für einen Dauerlauf trainierte, war zumeist weit voraus. Zwischen Freund Koipato und mir kam es leider zu keinen näheren Erläuterungen über die M. B.-Höhle, wie der Schoschone sie rasch getauft hatte, denn das Paar Bonanza-Lord schloß sich uns bis zur Glashütte ganz eng an, und das schleppende Gespräch drehte sich zumeist um den Pfeilschützen. Als ich hierbei so nebenbei einmal den „Heiligen“ erwähnte, sagte das Mädchen mit dem Kupferhelm äußerst scharfen Tones:

„Nennen Sie ihn nur den Mann von der Satansfarm, Mr. Olaf, – meine Illusionen sind erloschen …“

Das war allerdings sehr vielsagend.

Und dann sahen wir das einzigartige Glashaus. Die Sonne beleuchtete es ganz grell, die Glasblöcke der Wände und des Daches schillerten matt, die Tür stand offen, vor der Tür lag die Staffelei, daneben ein Bild, noch feucht, die Farbseite nach oben, der Sand ringsum war voller Fährten, und Koipatos schrilles „Hallo!!“ fand keine Antwort.

Die Hütte war leer. Ihr Inneres verriet nichts von ungewöhnlichen Ereignissen, aber Mallibran, sein großer Ziegenbock und die Vogelflinte waren nicht zu finden. – „Er wird auf die Jagd gegangen sein“, meinte der sonst so mißtrauische Schoschone gleichgültig.

Wir wollten also Mallibrans Rückkehr erwarten, richteten uns häuslich ein, der Hase schmorte über dem Herdfeuer, und aus des Malers Gepäck, für das Bonanza besonderes Interesse verriet, entliehen wir eine Konservenbüchse Gemüse sowie etwas Zucker für den Kaffee.

Unverantwortlich leichtsinnig war alles, – mag sein, daß die Spuren draußen, die halb verweht doch sämtlich von Mallibran herzurühren schienen, uns noch mehr einschläferten.

Wir aßen, und es war ein Zufall, daß ich als erster in den grellen Sonnenschein hinaustrat, um Mallibrans zum Trocknen ausgelegtes Gemälde hereinzuholen. Krake schlüpfte mit hinaus, und nachdem ich die Tür wieder zugedrückt hatte, trieb es mich doch auf eine der westlichen Kuppen, um von dort Ausschau zu halten. Ich war ohne Waffen, hatte nur das Messer bei mir, – auch dies ein Leichtsinn, der mir jetzt, vierundzwanzig Stunden später, unbegreiflich bleibt.

Ich kann nur annehmen, daß gerade Koipatos knappe Andeutungen über Bonanza und den alten Neger und der nicht zur Ruhe kommende Gedanke an die Goldhöhle mich innerlich völlig verwandelt hatten. Ich gab mich allzusehr müßigen Schlußfolgerungen hin, die, vielleicht in diesem besonderen Falle verständlich, doch zu keinem endgültigen Ergebnis führen konnten.

Krake, allzu satt und faul, schlich hinter mir her, auch ich war müde, eine unerträgliche Hitze lastete über den Dünen, kein Luftzug regte sich, eine Totenstille lag über der Wüste, die im Verein mit den glühenden Sonnenpfeilen die Sinne abstumpfte.

Schweigend und keuchend watete ich durch den Sand, bereute bereits den törichten Gedanken, die Dünenkuppe zu ersteigen, und war nahe daran, wieder umzukehren. Trotzdem war da ein Etwas in mir lebendig geblieben, das mich weiter trieb, vielleicht war es der Instinkt des Mannes, der seit Jahren in so inniger Gemeinschaft mit der unberührten Natur lebte. Und die Natur verleiht ihren Geschöpfen besondere Gaben, nur dem angeblich höchstentwickelten Wesen sind sie verloren gegangen, – die Kultur hat in diesem Punkte die Natur besiegt und uns Menschen zu Sklaven abgestumpfter Sinne gemacht.

Ich erreichte die Kuppe … Ein Blick gen Norden …

Reiter …

Ein Blick gen Osten …

Reiter …

… Eingekreist!!

Das waren nicht mehr allein die Gegner, die uns am Kings-Berge hatten auslöschen wollen, das waren mindestens ihrer dreißig, wenn nicht mehr …

Zurück also!!

Zurück?!

Im Galopp jagten bereits Sheriff Millner und drei Kerle auf das Glashaus zu, mein Warnungsruf verhallte, ich mußte die Freunde vorläufig im Stiche lassen, wir durften nicht alle diesen Kerlen in die Hände fallen. Ich rutschte die steile Dünenkuppe gen Westen hinab, – unten im Paralleltale zu dem des Glashauses schillerten Salztümpel, gab es Sträucher, Gras, Felsen …

Vielleicht hatte ich Glück …

Ich sauste abwärts, immer schneller, hatte Krake beim Genick gepackt, – wir sausten über eine steinige Strecke, über Salzfliesen, sausten durch die Luft, landeten in dem Loche, das so dicht von Gestrüpp überdeckt war.

Der Anprall auf dem Boden hatte uns beide übel zugerichtet, ich glaubte erst, ich hätte mir das linke Bein gebrochen, Krake lag japsend und winselnd da, und ich beschloß, alles auf eine Karte zu setzen und hier auszuharren.

Stimmen ertönten sehr bald. Man suchte uns.

Die schrille, grausame, metallische Stimme war mit dabei.

Schüsse knallten – näher, ferner, – verstummten …

Wieder Schüsse …

Ganze Salven …

Arme Gefährten!!

Aber das Glashaus war kugelsicher …

Hatte nur einen Fehler: Keine Schießscharten!

Urplötzlich nichts mehr – – Stille …

Urplötzlich verschwand auch die Sonne …

Ein hohler Wind heulte über uns hinweg, ein Gewitter zog auf, ein Platzregen prasselte … Donner und Blitz täuschten für kurze Zeit diesen Einöden reiche Spende belebenden Regens vor, aber diese Gewitter sind nur Theaterdonner, die Sonne brach durch das Gewölk, und in wenigen Minuten war alles wie vordem.

Leise, flüsternde Stimmen warnten …

Man suchte noch immer …

Stimmen, die oft so nahe raunten, daß ich das Ende vorausahnte.

Und doch schützte uns das Gestrüpp. Der kurze Platzregen hatte die Spuren verwischt, und sicherlich glaubten die Kerle, ich sei längst weiter in unübersichtliche Dünen verschwunden.

Schweigen folgte, – bedrohlich, bedrückend, an den Nerven zerrend …

Stundenlang …

Bis die Nacht kam, bis ich mich aufrichtete, den Kopf emporreckte und ihn schleunigst wieder einzog.

Auf der Dünenkuppe nach Osten zu zeichnete sich gegen den mondhellen Himmel die hagere Gestalt einer Wache ab.

Ich schlief ein.

Erwachte. Es war Tag geworden …

Hunger, Durst meldeten sich …

Der Durst peinigte mich, – ich mußte ins Freie … Meine Hoffnung war die Quelle am Kings-Berg. Ich trug Krake, kroch in das Tal, schlich davon, – – der Gegner war nun endgültig abgezogen.

So kamen wir zum halb zerstörten Glashaus. Kugeln hatten die Nordwand zermürbt, sie war zusammengesunken, das zauberhafte Glashaus, das nachts so geheimnisvoll gestrahlt hatte, war halbe Ruine.

Unter den Trümmern der Blöcke fand ich Mallibrans Gepäck, die Satteltaschen, den wasserdichten Sack, seine Bilder, den riesigen Sonnenschirm, der einen hohlen, dicken Stock, Aluminiumrohr, hatte und zwei große Feldflaschen und Konserven.

Blutspuren am Boden der Hütte, Blutspritzer an den Wänden ließen mich das Schlimmste fürchten. Einrichtungsgegenstände gab es hier nicht, die Lagerstatt aus Decken und Blättern und Gras und der Herd waren das einzige, das an Bewohner erinnerte. Neben dem Herde lagen die unsauberen Reste des geschmorten Hasen, – wir waren nicht wählerisch, Füchslein und ich, wir aßen, tranken, und dann erst suchten wir die Umgebung ab …

Der Feind war nicht mehr da. Ich fand die Reiterfährte, ich zählte vierundzwanzig Tiere, und mit dieser Spur vereinigten sich weiter nach Nordwest eine zweite von neun Reitern.

Ich war waffenlos, ohne Reittier, – ich war nur auf Füchslein als Begleiter und auf mich selbst als letzte Hoffnung angewiesen. Das frische Abenteurerblut regte sich, und gerade diese verzweifelte Lage stachelte mich an, ihrer Herr zu werden.

Wir kehrten zur Glashausruine zurück, ich suchte mir aus Mallibrans Gepäck das Wertvollste heraus, und dann wollte ich zunächst zum Kings-Berg, um die Feldflaschen neu zu füllen.

Wollte …

Da war etwas, das mich am Fleck bannte, da hatte jemand mit rohen Strichen aus Holzkohle auf den Glasblock des Herdes an der Seite eine Skizze gemalt.

Ich sah sie, als ich den letzten Rest des Hasen briet, und ich erkannte ihre Bedeutung auf den ersten Blick.

Die Karte von Nevada hatte ich in der Brusttasche. Die Zeichnung mit den knappen Angaben genügte mir daher, nur Koipato konnte sie eiligst entworfen haben – als Wegweiser für mich zum fernen See, wo der Heilige hauste.

Das M. B. auf der Zeichnung konnte nur der Königs-Berg sein, den Quins-River kannte ich bereits, und die Pueblo-Berge standen auf der Karte. Die Satansfarm hatte ich also der Zeichnung nach Nordnordwest zu suchen.

Diese Entdeckung der Zeichnung pulverte mich noch mehr auf.

Was noch an Gedankenschwere meine Entschlußkraft behindert hatte, entschwand, – der Weltentramp, in sein ureigenstes Element, die große Einsamkeit zurückgeworfen, lachte fast fröhlich.

Und vor dem Aufbruch, als ich Mallibrans sechs fertige Gemälde sorgsam verwahrte und dabei den großen Schirm als Regenschutz – auch das Dach war geborsten – verwenden wollte, stand ich abermals minutenlang wie erstarrt.

Was ich längst vermutet, wurde halbe Gewißheit.

Ich betrachtete mir das Ungetüm von Schirm noch genauer, – bisher hatte mich es nur in Erstaunen versetzt, daß der starke Schirmbezug lediglich mit geölten Schnüren an den dicken Stahlstäben festgebunden war.

Ich löste den Bezug ab, ich sah, daß diese Schirmstäbe sehr praktisch an dem Aluminiumstock beweglich festgeschraubt waren und sich unschwer und schnell gleichfalls entfernen ließen. Als ich sie, acht im ganzen, in der Hand hielt, kam mir die neue Offenbarung. Diese Stäbe, zweifellos von vornherein für diesen Zweck bestimmt, lieferten, genügend fest vereinigt, einen Stahlbogen, den nur ein Mann von gewaltiger Körperkraft spannen konnte.

Wie wurden sie vereinigt?!

Ich schüttelte das Aluminiumrohr, und es klapperte darin höchst verdächtig, – ich schraubte die Spitze ab, und vor meine Füße fielen sechs Pfeile, acht Klemmschrauben aus rundem Messingband und eine Bogensehne mit Stahlhaken aus feinstem, geflochtenen Stahldraht.

Krake saß dabei und machte ein sehr gleichgültiges Gesicht.

„Krake“, sagte ich, „du bist ein Dummkopf. Der Pfeilschütze ist gefunden …! Natürlich ist deiner verfressenen Seele dies alles sehr gleichgültig. Mir nicht.“

Yucatan-Bastard geruhte mit den Ohren zu wackeln.

Nun hatte ich doch eine Waffe …

Und dies hier, diese letzten Abschnitte, habe ich hier in der Glashütte geschrieben, wo eine sorgende Hand meinen flachen Zinkkasten mit meinen bekritzelten Blättern unter das primitive Bett geschoben hatte.

Vielleicht Bonanza …

Ich fand den Kasten, als ich die Wolldecken aufraffte …

Dank dir, Bonanza!!

… Mädels haben so viel Liebe für Tagebücher.

 

10. Kapitel.

Die Romantik des Goldes.

… Fünf Tage.

Kurze Zeitspanne für die, die im Trott des Alltags dahinschleichen vom eigenen Heim zur Arbeitsstätte, die heimkehren, die als Sklaven des ewigen Einerlei die rinnenden Stunden und Tage kaum spüren.

Fünf Tage, und vor uns endlich der Kings-Fluß.

Ein Fluß?! – Sagen wir Bach, Bächlein …

Immerhin: Für zwei halb Verschmachtete ein Strom des Lebens, eine heilige Quelle.

Noch nie habe ich mit solchem Entzücken gebadet und getrunken und meine Hemden gewaschen und Krake in das Wasser getaucht, bis das ganze Heer seiner Flöhe mit der Strömung davonschwamm.

Armer Kerl, – die Flöhe waren wirklich zu einer Armee von Blutsaugern geworden.

Und nicht nur das Göttergeschenk trinkbaren, wenn auch leicht salzigen, faden Wassers beglückte uns beide.

Da waren Büsche, Eichen, Dornen, reife Brombeeren an den felsigen Ufern wie grüne Tupfen, da waren Kolonien von Präriehunden, Hirsche, Wölfe, Coyoten, – nachts gab es ein Konzert, das Stein und Bein erweichen konnte, die Bestien stritten sich um die Reste des durch Pfeilschuß erlegten Hirsches.

Wir drei in unserem sicheren Uferwinkel schliefen trotzdem, selbst der Riesenziegenbock hatte sich niedergetan, und das Gefühl, das Ärgste hinter uns zu haben, gab meinem Schlaf die Freude freudiger Träume.

Drei, sage ich.

Mallibrans Dakotatraberx gehörte mit zu unserer Vagabundenkumpanei.

Dieser verrückte Maler aus Winnemucca, hinter dessen letzte Geheimnisse ich noch immer nicht gekommen bin, ist ohne Pferd der Bande der Satansfarm in die Hände gefallen, und sein Ziegenbock hat, geleitet durch den Instinkt der dürstenden Pferdeseele, den Weg dorthin gefunden gehabt, wo auch wir Wasser holten: Zum Kings-Berg, dessen Quelle noch immer herabrieselte und bereits am Fuße der Westwand zwischen den Trümmern unseres Felsennestes einen klaren Tümpel gebildet hatte.

Dort fing ich den gesattelten Ziegenbock.

Schön ist er nicht, der Schädel könnte erheblich kleiner sein, die Beine kürzer, der Schweif voller und sein Traben weniger „medizinisch“: Er „stößt“, als ob ich eine Entfettungskur nötig hätte. Im übrigen: Perle!!

Die endlosen Beine haben ihr gutes, wenn dieser Ziegenbock galoppiert, kommt kein Rennpferd mit, und daß wir die Einöde vom Kings-Berg glücklich durchquert haben, danken wir Dakotas Stelzbeinen. –

Kurz vor Tagesanbruch erwachte ich, da Freund Krake unruhig wurde. Ich pflege Krake anzubinden, und das freie Ende des Lassos wickelte ich mir um die Hand, so wird Krake zum Wecker und Wachhündchen.

Füchslein stand vor dem Gebüsch und windete nach Süden. Dort also war irgend etwas nicht in Ordnung, denn die Wölfe und Coyoten drüben am anderen Ufer hatte das Morgengrauen bereits in ihre Schlupfwinkel zurückgescheucht.

Ich schob mich neben Füchslein, und der kühle Luftzug, der das Flußtal entlangstrich, führte mir ein Geräusch zu, das ich erst nach einiger Zeit als dumpfes, regelmäßiges Pochen erkannte. Es klang, als ob jemand mit einem sogenannten Waschholz im fließenden Wasser nasse Wäsche bearbeitet.

Mit dem Bogen Mallibrans und zwei Pfeilen gingen wir behutsam auf die Suche. Das zum Teil recht hohe Gras bot genügend Deckung, außerdem lagen im trockenen Flußbett so viel Felsen, daß das Anschleichen mir recht leicht gemacht wurde.

Das Zwielicht, das von Osten gegen die Nacht ankämpfte, wurde immer durchsichtiger. Jene eigentümliche Beleuchtung, die vor Sonnenaufgang seltsam kalt und frostig die Gegenstände wie gemalte Kulissen erscheinen läßt, gestattete weitere Sicht.

Ich hielt an, und ich war nicht überrascht, – der Ausdruck genügte nicht. Ich war weder entsetzt noch erschrocken, ich war ein ungläubiger Thomas, der einer Vision nicht traut.

… Kniete da am Ufer ein splitternackter Neger, der sich den Leib mit gelbem Lehm eingerieben hatte, – der Lehm konnte jedoch unmöglich Mr. Charlie Lords kleine feiste Gestalt derart maskieren, daß auch der würdige Bart und das weiße, krause Kopfhaar verdeckt wurden.

Es war der alte Schwarze, und er wusch seine Kleider, klopfte sie gründlich aus, rieb das Wollhemd, klopfte wieder, und tat ganz so, als ob er es schriftlich hätte, daß hier keine Bleibohne auf ihn lauerte.

Ich erhob mich, näherte mich ihm im Bogen, und erblickte hinter ihm im Grase ein Bündel, das aus einem Hirschfell und Lederriemen – Rucksack– bestand.

„Guten Morgen, Mr. Lord …!“

Ich hatte von dieser Begrüßung einen großen Knalleffekt erwartet.

Irrtum.

Er drehte nur etwas den Kopf.

„Morgen, Mr. Olaf … Ich wollte Sie nicht im Schlafe stören, auch Krake nicht … – Entschuldigen Sie mein Kostüm, aber ich habe fünfmal in einem Coyotenbau geschlafen, und die Tiere haben eine Sorte Läuse an sich, die einfach vernichtend für die menschliche Haut sind. Mein Leib brennt wie Feuer. Der Lehm hilft, da er mit Salzen durchsetzt ist …“

Ich sagte gar nichts. Die Enttäuschung mußte erst überwunden werden. Ich hatte Lord zu einigen erstaunten Ausrufen zu veranlassen gehofft, und – – was wurde daraus?! Eine Belehrung über Coyotenläuse!

Der alte schwarze Herr fuhr bereits fort:

„Ich freue mich außerordentlich, Sie getroffen zu haben. Sie werden zweifellos wegen Bonanza, Koipato, Mallibran und mir schon in Sorge gewesen sein. Ich kann Sie beruhigen, Mr. Olaf, es geht Bonanza und Koipato den Umständen nach gut, und mein Herr ist überhaupt nie in Gefangenschaft geraten, und was mich betrifft, so bin ich den Kerlen eben ausgekniffen, genau wie Sie, nur später.“

Nach dieser recht erfreulichen Mitteilung rutschte Mr. Lord tiefer ins Wasser, rieb sich den Lehm vollends ab und kroch wie ein fetter Frosch an Land.

Ich war ihm beim Auswringen seiner Kleider behilflich, und nachdem wir sie über Sträucher gebreitet hatten, setzten wir uns, Lord mit einer trockenen Wolldecke als Umhang, ins Gebüsch und besprachen, was es zu besprechen gab. „Mein Herr hat stets seinen Kopf für sich gehabt“, erklärte Charlie Lord unter anderem. „Es war schon ein Unsinn, allein so weit in die Wüste vorzudringen, aber er tat es ja nicht zum ersten Male, wir verleben seit sechs Jahren jeden Sommer hier in Nevada, schlagen unser Hauptquartier bald hier, bald dort auf, und bei längeren Ausflügen bin ich stets mit dabei gewesen. Vor zwei Wochen, als Mr. Mallibran ebenfalls Winnemucca verließ, sollte ich ihm, wie ich schon erwähnt habe, mit dem nötigen Proviant, Farben, Malleinwand und so weiter folgen. Als Treffpunkt war der Kings-Berg vereinbart …“

Ich ließ den alten Diener ruhig reden, er war gut im Zuge, und was ich dann zu sagen und zu fragen hatte, würde ihm wohl recht unbequem werden. – Die Sonne war bereits über dem Horizont erschienen, schwamm jedoch noch als verwaschene Scheibe im schwachen Dunst. Freund Krake betätigte sich als Fischotter am Flußufer, und die blitzschnellen Kopfsprünge, mit denen er den hellsilbernen, lachsartigen Fischen nachstellte, brachten ihm leichte Beute. Der Morgenwind wurde kräftiger, ein zartes Rauschen ging durch das romantische Flußtal, und die Natur rundum, gekräftigt durch den reichen Tau der kalten Nacht, erwartete gewappnet die glühende Hitze späterer Tagesstunden.

„… Kurz vor dem Kings-Berg, Mr. Olaf, faßten mich diese Banditen mit den beiden Packpferden ab, schnürten mich zum Bündel zusammen, – – das weitere wissen Sie. Was nun das Glashaus betrifft, – es ist älter als Sie glauben, und der Erbauer war ein Mann, der …“

„… dessen Monogramm M. B. sein dürfte“, schaltete ich ein und blickte Lord fest an.

Er schaute schnell zur Seite, hüstelte, und meinte:

„Mag sein … – Das steht hier nicht zur Erörterung. Jedenfalls: Als diese Bande mit dem feinen Sheriff an ihrer Spitze uns attackierte, kam es zur Schießerei, und Koipato legte so drei bis vier Leute in den Sand, auf Bonanzas Pluskonto kommen zwei, und ich – – ich will mich nicht rühmen, aber ich schieße auch nicht schlecht, und als die Bande die Tür aufgebrochen hatte, gab es noch in der Hütte einige Schwerverletzte, bis ein alter Kerl, der wie ein Waldmensch aussah, mit einer Stimme, deren Klang einen Lautsprecher ersetzte, Frieden gebot. Wir wurden gefesselt, auch Bonanza, und dann ging es nach Nordwest wieder in die Wildnis hinein, wo beim dritten Lagerplatz Mr. Charlie Lord sich nachts ohne Erlaubnis empfahl … Meine Riemen waren durch den Nachttau sehr weich geworden, Kraft besitze ich schon noch, und ich entkam, wurde verfolgt, – – na, Charlie Lord fängt man nicht so leicht, und auf das Verwischen von Spuren kann ich mir ein Patent geben lassen. Am Morgen traf ich auf eine Farm, – die wenigen Farmer dort, fürchtete ich, seien nur Vorposten des Satans, und so begnügte ich mich, zwei Wasserschläuche zu entleihen und wieder Fersengeld zu geben. Die Notquartiere in Coyotennestern, Mr. Olaf, kann ich nach meiner jetzigen Erfahrung nicht gerade empfehlen … Entschuldigen Sie: Ich war noch niemals verlaust, und wie schwer das Entlausen ist, haben Sie selbst gesehen. – Das wäre so alles …“

„Alles?! – Nein, Lord, das ist nicht einmal die Hälfte …!“ Mein strenger Ton machte ihn verwirrt, und sein schlecht geheucheltes Erstaunen wies ich mit einem scharfen „Kein Theater, alter Freund!“ zurück.

„… Nun hören Sie mal zu, Sie Perle von einem Diener …! Zunächst: Sie kennen Bonanza ganz genau – von früher her, Sie kennen auch die Höhle im Kings-Berg, und Ihre kläglichen Versuche, mir gegenüber genau so Geheimniskrämerei zu betreiben, wie es auch Bonanza tat, sind fernerhin zwecklos. Ich weiß, daß Mallibran durchaus nicht der verrückte Maler ist, sondern ein Mensch von verzweifelter Energie und ein vollendeter Pfeilschütze, der hinter dem „Heiligen“ her ist, – ich habe seinen Patentbogen und die Pfeile jetzt benutzt, und …“

Bisher hatte Lord den weißen Kopf gesenkt gehalten. Jetzt blickte er mich an, und seine großen Puppenaugen troffen Triumphxi. „Nicht wahr, Mr. Olaf, – – eine geradezu glorreiche Idee, dieser Schirm!! Meines Herrn Erfindung, Mr. Olaf!! Wäre er wirklich so, wie er ist, nach Nevada gekommen, hätten ihn Bonanzas Entführer sehr bald durchschaut und abgeknallt.“

Seine Begeisterung nahm noch zu. „Ich sage Ihnen, Mr. Olaf, Mallibran hat den Teufel im Leibe! Was der alles angestellt hat, Bonanza zu finden, – was er und ich in den letzten sechs Jahren alles erlebten, wenn wir nach der Satansfarm suchten, wo wir das Mädchen vermuteten, – – Romane sind das, Romane!! Bedenken Sie, all die dünn besiedelten Staaten der Union hatten durch den Weltkrieg gelitten, Verbrecherbanden hatten sich organisiert, das Geld war knapp, Mißernten kamen, auch Nevada weiß davon ein Lied zu singen! Wissen Sie zum Beispiel, daß die Expreßzüge der Süd Pacific-Bahnxii allein 1921 in Utah und Nevada dreißigmal von Banditen angehalten wurden, daß es zu wüsten Schießereien kam, daß schließlich die Strecke Salt Lake City – Reno an den Telegraphenpfosten mit Aufgeknüpften verziert wurde?! – Drüben in Europa glauben die Leute, Nordamerika sei etwa mit Deutschland oder Frankreich zu vergleichen. Hat sich was! Gewiß, die Großstaaten der Union und Kalifornien und einige Südstaaten sind Kulturzentren, aber Utah, Nevada, Dakota, Wyoming, Arizona, – – du lieber Himmel, nur ein Optimist könnte da von Zivilisation sprechen! Fünf Meilen außerhalb der Städte: Wildnis!! In strengen Wintern Wolfsrudel, daß ganze Treibjagden abgehalten werden müssen, und dann noch die anderen, menschlichen Wölfe, Mister: Das ganze Verbrechergesindel, dem im Osten der Boden zu lauwarm wird, gibt sich hier ein Stelldichein! – Sehen Sie, und da haben mein Herr und ich trotzdem unablässig nach dem Mädchen geforscht …“

„… Nach Mallibrans Tochter“, bemerkte ich sehr bestimmt.

„Keine Rede!“ Charlie Lords Puppenaugen verkleinerten sich, und die Stimme wurde noch mehr zum Kellerbaß. „Keine Rede, – Bonanza heißt wirklich Bonanza mit Vornamen, und ihr Vater war Mallibrans intimster Freund, ein Ingenieur wie Sie, war besessen von der fixen Idee, daß in Nevada noch ungeheuere Goldschätze lagerten. – Mister Olaf, es hätte keinen Zweck, Ihnen hier Unwahrheiten aufzutischen. Die ganzen Umstände zwingen mich, Ihnen alles restlos mitzuteilen …“

Seine derbe Hand legte sich vertraulich auf mein Knie. „Mr. Olaf, wenn ich vorhin von Romanen sprach, von Abenteuerromanen, – Ihnen gegenüber brauche ich dies kaum zu begründen. Ich kenne die Lebensgeschichte Frau Dagmars, die nun diese Kerle ebenfalls wieder in der Gewalt haben, ich kenne jede Einzelheit dieser zunächst so phantastischen Geschichte, die man „Der Reiter am Himmel“ betiteln könnte. Sie wissen am allerbesten aus eigener Erfahrung, daß kein menschliches Hirn der Phantasie, der Wirklichkeit gleichkommt. Das Unmöglichste wird Tatsache, das Verruchteste, das ein Dichter schildern könnte, wird flaues Spülwasser gegenüber tatsächlichem Geschehen. – Bonanzas Mutter starb sehr früh, und ihr Vater, der erst mit fast fünfzig Jahren geheiratet und die Unruhe im Blut von seinen Vätern, von Nevadas ersten Pionieren, geerbt hatte, überließ das Kind Mallibran und mir und zog in die Wüste, um … Gold zu suchen. Im Winter kehrte er nach New Orleans zurück, wo er mit Mallibran ein Landhaus auf einer Flußinsel bewohnte. Im Frühjahr 1911 verschwand er wieder … Die Wildnis lockte ihn, das Gold lockte, und sein Herz war leer, denn er hatte sein junges Weib über alles geliebt, und die kaum zweijährige Bonanza blieb ihm nur trauriges Andenken an die Verstorbene. 1911 war es also, als Macbeth Brance uns für immer verließ. Er kehrte nie zurück.“

Der alte Lord schwieg eine Weile und wischte an seinen Augen herum …

– Ich wußte, daß die Geschichte der sogenannten Goldstaaten Kalifornien, Nevada, Arizona und Neumexiko viele ungeschriebene Kapitel seltsamster Einzelschicksale enthält, angefangen von jenem Trapper Tom Bruns, der in Kalifornien das erste „Placer“ entdeckte und mit einem Pferd und zwei Mauleseln, beladen mit Goldkörnern, in San Francisko erschien und eine Sturmflut von Einwanderern heraufbeschwor. Sogar Tom Bruns’ Name ist vergessen, sein Leben gilt als Legende, und doch ist er der erste Goldsucher Kaliforniens gewesen, – – und starb arm, verkommen als Trinker und Spieler durch eine Kugel.

Das Gold hat bis heute eine besondere Art Romantik geschaffen. Brauche ich zu erwähnen, daß noch unlängst in Arizona ganze Ortschaften verödeten, verführt durch den Wahnsinn des Goldrausches, nicht schnell genug dorthin gelangen konnten, wo in den Echo Cliffs angeblich mächtige Placers entdeckt sein sollten?! Karawanen von Autos rasten dorthin, – ein halbes Jahr später kam die Ernüchterung, und bitter enttäuschte Menschen zogen wieder heimwärts.

Romantik des Goldes! Traurig, blutig, lächerlich zugleich … – Aber der Mensch wird sich nie ändern. Derartige Massensuggestionen wie die von Echo Cliffs stehen durchaus nicht vereinzelt da. Wer das harte Leben der Farmer in gottverlassenen Gegenden kennt, begreift es sehr leicht, daß schon ein Hoffnungsschimmer genügt, aus Menschen Narren zu machen.

 

11. Kapitel.

Ein ungeschriebenes Kapitel…

… Die Familie Brance sind Schotten von Geburt, darauf deuten schon die Vornamen der männlichen Mitglieder hin, die durchweg Macbeth hießen und zur Unterscheidung vor dieses Macbeth zumeist ein Tom, John, Allan, Percy und so weiter setzten.

Bonanzas Vater war der letzte Macbeth Brance, war Ingenieur, war Phantast, war ein echter Brance.

Unterhalb von New Orleans, wo der Fluß immer breiter wird und zahlreiche Lagunen und Inseln bildet, hatten die Brancesxiii eine Plantage erworben, von der schließlich nur noch die bewaldete Uferinsel übrigblieb mit einem alten, festen Gebäude, mit starken Dämmen gegen die Überschwemmungen des Mississippi, – dort wurde Bonanza geboren, dort lebte auch Mallibran als Dauergast, dort verstarb Brances Frau, die den Vornamen Crescant führte, – New Orleans wird ja auch Crescant City, Halbmondstadt genannt, weil der Fluß die Stadt im Halbbogen umschließt.

Die Insel, Mr. Olaf, ist auch meine Heimat gewesen. Mein Vater war noch Negersklave, – sein Sohn, ich, heute fast siebzig, bin ein freier Mann, soweit wir Schwarzen überhaupt von Freiheit sprechen dürfen.

Die Insel, ein kleines Paradies, verlor ihren Herrn im Jahre 1911, denn Macbeth Brance kehrte nie mehr zurück. Seine Gebeine haben Sie in der Höhle des Kings-Berges gesehen, und Bonanza hat dort heiße Tränen geweint, Koipato sah es, aber den Grund kannte er nicht …“

Für mich war die Gegenwart versunken, ich lebte nur mit Charlie Lords schlichter Erzählung, und meine Phantasie zauberte andere Bilder vor Augen als diesen Fluß hier mit seinen Felsen, Sanddünen, kümmerlichen Bäumen. Ich sah die Insel der Familie Brance, bedeckt mit halb tropischer Flora, ich sah den Vater der Ströme mit seinen lehmigen Fluten, die dem Golf von Mexiko zustrebten. Ich sah ein Kind unter blühenden Bäumen und Büschen voller Früchte spielen, behütet von der Lieb George Mallibrans und des alten Charlie Lord. Ich konnte mir Einzelheiten ausmalen, die seine schmucklose Schilderung farbenfreudig gestalteten.

„… Er kehrte nie mehr heim … Ein Jahr verging … Alle Nachforschungen blieben ergebnislos. Brance war zuletzt in Winnemucca gesehen worden, ausgerüstet zum Ritt in die Einöden.

Und Jahr auf Jahr verstrich …

Bonanza wuchs heran, war nun zehn und ein frühreifes, ernstes Kind, das die Tragik des Lebens ihres Vaters nie vergaß.

Sommer war es, glutheiß, – unsere Insel am Mississippiufer verdorrte unter dem Gluthauch eines nie bewölkten Himmels. Es war dasselbe Jahr, in dem das Tropenfieber die Halbmondstadt heimsuchte, in dem die Lagunen Sümpfe wurden, in dem Mückenschwärme jeden Abend aus den sinkenden Sümpfen gleich Gewölk über die Stadt herfielen.

Da fand sich eines Abends ein alter Indianer auf der Insel ein, einer vom Volke der Piuta aus Nevada, die heute noch in den Bahnstationen die Züge abwarten und Achate und kunstvoll geflochtene Körbchen und geschnitzte Messer feilbieten.

Mein Herr empfing den Piuta auf der Veranda hinter den Gazenetzen. Ich war dabei, Mr. Olaf.

Es war bereits dunkel, und das elektrische Licht zeigte uns ein verwittertes, kühnes Rothautgesicht mit blanken Augen.

Der Piuta begann: „Ich bringe Nachricht von Mr. Brance … für seine Tochter und seinen Freund. Ich wäre früher gekommen, Mr. Mallibran, aber ich war sehr krank, viele Jahre, und ich hatte Mr. Brance gelobt, nur persönlich meine Botschaft auszurichten. Die Ärzte in Reno haben mich gesund gepflegt, – ein Klapperschlangenbiß läßt viele dahinsiechen, Mr. Mallibran. – Ich war Mr. Brances Begleiter im Frühsommer 1911, und seine Güte mir gegenüber war die eines Bruders und Freundes. Ich bin dankbar, das erklärt vieles.“

Er holte aus seiner Lederjacke ein in Hirschhaut genähtes Päckchen hervor.

„Dies hier, Mr. Mallibran“, sagte er feierlich, „übergab mir Macbeth Brance, als er mich von dem Glashause, das wir in den Dünen am Kings-Berge erbaut hatten, nach Winnemucca zurückschickte, damit ich Munition, Pferde und Lebensmittel einkaufte. „Wenn mir etwas zustoßen sollte, Black Aigle“, wies er mich an, „bringe dieses Päckchen meinem Kinde und bestelle meinem Freunde Mallibran, daß das Päckchen erst geöffnet werden darf, wenn Bonanza achtzehn Jahre zählt.“ Er gab mir einen Lederbeutel mit Gold für die Einkäufe mit, und als ich nach drei Wochen das Glashaus wieder erreichte, fand ich Mr. Brances Pferd erschossen vor, er selbst blieb verschwunden, und ich suchte einen Monat nach ihm, und dann … biß mich eines Nachts die Klapperschlange … Wie sie in die Hütte eindringen konnte, weiß ich nicht.“

Der Piute, Mr. Olaf, wurde gastlich aufgenommen, – morgens fanden wir ihn in seinem Zimmer erstochen auf, und das Päckchen war aus Mr. Mallibrans Schreibtisch verschwunden. Die Einbrecher und Mörder wurden nie entdeckt. – Der Herbst kam, und täglich fuhr ich nun die kleine Bonanza mit unserem Motorboot zur Schule nach New Orleans, holte sie wieder ab, bis eines Tages im November das Kind verschwand. Die Polizei ermittelte, daß zwei Europäer mit einem Auto die Kleine entführt hatten.“

Charlie Lord hatte abermals die Hand auf mein Knie gelegt.

„Was hätten Sie da getan, Mr. Olaf?!“

„Genau dasselbe, was Mallibran tat: In Nevada Nachforschungen angestellt.“

Der alte Neger nickte ernst. „Ja, das taten wir … Aber wir mußten vorsichtig sein, wir ahnten, daß damals, als der Piute auf der Veranda unseres Inselhauses das Päckchen Mallibran übergeben hatte, draußen jemand gehorcht hatte … – Jemand, – – die Mörder des Piute Black Aigle und die späteren Entführer des Kindes. – Wir waren vorsichtig, Mallibran trat als Maler auf, er war es ja von Beruf, er malte seine Wüstenbilder, er wurde berühmt, – aber unsere Nachforschungen hatten wenig Erfolg, bis wir im vorigen Sommer zum ersten Mal von der Satansfarm etwas hörten und dem unheimlichen Manne selbst begegneten – – am Kings-Berge!“

Der Alte atmete lebhafter. „Mr. Olaf, – diese Begegnung bewies uns, daß der Fremde – es kennt ihn ja niemand! – uns hatte beobachten lassen. – Ich will Ihnen dies genauer schildern. Wir lagerten in den Dünen und hatten den Kings-Berg im Süden vor uns. Die Nacht war dunkel, der Himmel dicht bewölkt, und mit dem Fernglas konnte man am Kings-Berg einige wandernde Pünktchen erkennen: Fackeln oder Laternen. Wir wollten schon hinüberreiten, als plötzlich im Lichtkreis unseres Lagerfeuers ein Reiter erschien, der einen prächtigen Rotfuchs ritt und in einen dunklen Mantel mit einer Kapuze gehüllt war, die in zwei hornartigen Spitzen auslief. Der Mann trug außerdem noch einen Vollbart, und von seinem Gesicht war wenig zu sehen, da er den Kopf tief gesenkt hielt. – Er rief uns an.

„Mr. Mallibran …!!“

Seine Stimme war hart, schrill, grausam, metallisch.

Mallibran, der gerade eine seiner Ölskizzen sauber verpackte, ahnte sofort, wen wir vor uns hatten. – Er war klug und schauspielerte. „Kommen Sie doch näher, – ich bin Mallibran, auch für Sie ist hier noch Platz, Mister … Vielleicht kaufen Sie mir sogar ein Bild ab …“

„Die Bilder haben Ihnen und dem Schwarzen das Leben gerettet“, erwiderte der Mann eisig. „Meiden Sie aber diese Gegend hier, und wehe Ihnen, wenn Sie von diesem, meinem kurzen Besuch irgend etwas laut werden lassen.“

Mallibran lachte herzlich. „Sie sind ein scherzhafter Herr …! Meine Bilder retten mich von dem Verhungern, das stimmt … – Bitte nehmen Sie bei uns Platz … Eine gute Zigarre ist auch noch da …“

Der Reiter ritt bereits davon, und wer er gewesen, flüstert Mallibran mir ins Ohr: Der Mann von der Satansfarm! – Seine Maske sprach dafür, und seine Äußerungen beseitigten jeden Zweifel, daß er einer der Mörder des Piute-Indianers und einer der Entführer Bonanzas sein mußte. – Hätten Sie, Mr. Olaf, nicht dasselbe vermutet?“

„Genau dasselbe“, pflichtete ich ihm bei.

Charlie Lord nickte gedankenvoll.

„Nun wußten wir wenigstens etwas ganz bestimmt, Mr. Olaf, und wir richteten uns danach. – Um keinerlei Verdacht aufkommen zu lassen, daß unsere Sommerbesuche in Nevadas Einöden nicht nur künstlerischem Schaffen galten, verließen wir unser Lager am Morgen und kehrten auf Umwegen nach Winnemucca zurück. – So, wie Sie Mallibran bisher kennen, Mr. Olaf, wird es Ihnen schwer glaubhaft erscheinen, daß mein Herr ein außerordentlich findiger Kopf, beinahe schon ein Detektiv ist. Er versteht es, alle Welt zu täuschen und auszuhorchen, er hatte so auch vernommen, daß die Farmer behaupteten, der Mann der Satansfarm melde sich durch seltsame Töne an. – „Charlie“, sagte er zu mir, „diese schlichten Männer kennen kein Sirenenhorn!!“ – Wir reisten nach Utah, nach der Salzstadt, und hier, wo beim Streckenbau der Südpacificlinie diese Sirenenhörner als Warnung für die Bahnarbeiter beim Nahen eines Zuges und zum Signalaustausch zwischen einzelnen Arbeitskolonnen benutzt wurden, ermittelte Mallibran die Fabrik dieser Sirenenhörner, kaufte vier davon, hielt vorsichtig Nachfrage und stellte fest, daß der Kaufmann Millner aus Ralgate, Nevada, vor zwei Jahren gleich ein Dutzend dieser Sirenen bei der Firma Thomas Ballafort bestellt und empfangen und bezahlt hatte …“

Lord blinzelte mich am „Millner, Mr. Olaf!! Der reiche Millner, der jetzige Sheriff!!“

„Nun, ich habe nicht mehr viel zu berichten … Mein Herr ließ im Winter zwei große Malerschirme anfertigen – zwei!, und in diesem Frühjahr erschienen wir dann abermals in Winnemucca, wo man uns schon kannte, und … die Treibjagd auf den Satan begann. Wir waren nur zwei Treiber, Mr. Olaf, aber wir verstanden die Sache, und wenn wir auch bisher die Satansfarm nicht entdeckt haben, eins gelang uns doch: Wir haben vorausgesehen, daß der Satan in Ralgate erscheinen würde, um seine Banditen zu befreien, und mein Herr sprach auch die Befürchtung aus, Frau Dagmar Egerlöv, Sie und Koipato könnten den Kerlen zum Opfer fallen. Leider ließ Mallibran mich zunächst in Winnemucca zurück, das wissen Sie bereits, und leider gelang es ihm nur halb, den Mann der Satansfarm durch sein geheimnisvolles Eingreifen so sehr einzuschüchtern, daß der Bursche, der ständig die Verkleidung wechselt, kein neues Unheil anrichten konnte. – Wie diese Treibjagd bisher verlief, sehen Sie: Der Zufall kam uns zur Hilfe, wir haben Macbeth Brance’ Skelett gefunden, ich hatte Bonanza gefunden, – – und all das ist nun wieder in nichts zerronnen, Bonanza und Koipato sind gefangen, wo mein Herr steckt, weiß ich nicht, und wie wir beide etwas ausrichten können, weiß ich erst recht nicht. – So liegen die Dinge, Mr. Olaf … Mein greiser Schädel hat alles hergegeben. Jetzt reden und handeln Sie!“

 

12. Kapitel.

Einer von der Insel…

„… Reden?! – Beantworten Sie mir eine Frage, Charlie. Woraus schließen Sie mit solcher Bestimmtheit, daß das Skelett in der Kings-Höhle das Macbeth Brance’ ist?!“

„Mr. Olaf“, erwiderte der Neger feierlich, „die Zähne des Totenschädels beweisen es, denn Brance hatte vier Goldzähne und drei große Porzellanplomben, – – genau wie das Gebiß des Schädels. – Außerdem noch etwas: Brance ist erschossen worden, die eine linke Vorderrippe zeigt ein Kugelloch. Ich nehme an, Brance erhielt die Kugel außerhalb der Höhle, flüchtete in die Grotte und starb dort.“

Meine Gedanken weilten bereits bei einer anderen Frage. Die in die Steintür gemeißelten Buchstaben M. B. gaben Charlie Lord vollkommen recht, aber – das Wichtigste ahnte er trotzdem nicht. Und das war Koipatos Fund, Koipatos Entdeckung: Die Goldader!

Diese Goldader der Kings-Höhle lieferte den Schlüssel zu all diesen Geschehnissen.

„… Eine zweite Frage noch, Charlie …“, sagte ich, jedes Wort abwägend. „Mallibran dürfte doch wohl auch von vornherein vermutet haben, daß das Päckchen, das der alte Piute Black Aigle nach New Orleans brachte, Angaben über eine wirkliche Bonanza enthielte …“

„Gewiß, Mr. Olaf … Das glaube ich auch.“

„Ahnen Sie nun, wo diese Goldfundstelle liegen könnte?“

„Ja. Ich ahne es …“ Der alte Neger blickte mich voll an. „Natürlich in der Höhle, Mr. Olaf.“

„Sprach Koipato mit Ihnen hierüber?“ – Die Frage war eigentlich überflüssig. Der Schoschone hätte es nie getan, wenn die Umstände nicht ganz besonders geartet gewesen wären. Ob die Gefangennahme ihn hierzu bestimmt hatte, erschien mir sehr zweifelhaft.

„Nein.“ Charlie Lord konnte seine Überraschung schlecht verhehlen. „Weiß Koipato etwas?“

„Alles, Charlie, alles …“

Der alte Mann wurde sehr nachdenklich. Er war ja kein ungebildeter Mensch, und sein Geist war außerordentlich rege und aufnahmefähig. „Alles?! Er kennt also die Stelle, wo die Bonanza in der Höhle zu suchen ist?“

Ich wollte antworten, ich wollte Aufrichtigkeit mit gleicher Münze zahlen. Weshalb auch sollte Charlie nicht wissen, daß nur der dicke Fackelruß die Goldader verbarg?

Ein Zwischenfall trat ein. Freund Krake hatte seine Fischjagd beendet, war in unsere Nähe getrabt und wälzte sich im Grase, um sein Fell zu trocknen. Ich beobachtete ihn, der Anblick des zwischen den Halmen strampelnden Füchsleins war so komisch, daß ich trotz des Ernstes unserer Unterhaltung lächeln mußte. Plötzlich fuhr Krake hoch, wandte den vorgereckten Kopf nach unseren Büschen, machte die Vorderbeine steif, duckte sich hinten zusammen und legte die Lauscher nach vorn.

Man spricht so gern von rein mechanischem Handeln. Man erweckt dadurch den Anschein, als wäre bei dem Betreffenden das Hirn als Nervenzentrum ausgeschaltet. Wer sich dieses angeblich „rein mechanische Handeln“ genau zergliedert, wird letzten Endes immer auf das Hirn als Zentralstelle jeglicher körperlichen Betätigung stoßen.

Krakes warnende Haltung veranlaßte mich, den Neger Lord ziemlich unsanft und blitzschnell hinter einen nahen Stein zu stoßen, wo er Deckung hatte. Irgend jemand mußte uns beschlichen haben und lag hinter uns im Gestrüpp. Auch ich rollte zur Seite, schnellte mich aber sofort durch eine Lücke der Sträucher, und das ganz nahe Peng – Peng zweier Pistolenschüsse schadete lediglich dem Buschwerk und dem Sande. Nur zehn Meter das Ufer hinan, und ich sah den Burschen, der hinter einem Felsen kauerte. Der übergroße Schlapphut und die dürre Gestalt, der Reitanzug aus rauhem Wollstoff und die schußfertige Pistole besagten genug. Mit einem langen Satz drückte ich ihn zu Boden, und die gezischte Warnung, still zu liegen, sowie der eiserne Griff nach seiner Waffe benahmen dem Burschen jede Lust, es hier auf einen Kampf ankommen zu lassen.

„Lord!!“

Der Alte erschien, wickelte dem Fremden den Lasso von der Schulter und band ihn so kunstgerecht, daß es für mich nur noch das eine zu tun gab, von der Uferhöhe schleunigst Ausschau zu halten.

Krake half. Minuten darauf fanden wir das Pferd des Mannes, der noch recht jung war, am Sattelknopf hing eine Winchesterbüchse, und die Fährte, die von Norden her zum Kings-Fluß führte, war die eines einzelnen Reiters. Wir hatten also einen Kundschafter erwischt. Es würde nicht der einzige sein, der sich hier umhertrieb.

Als ich zu Charlie Lord und dem mit verbissenem Gesicht im Sande hockenden Gefesselten zurückkehrte, hielt der alte Weißkopf die Pistole des Gefangenen in der Hand und fragte gerade mit verdächtiger Freundlichkeit:

„Du willst also nicht sprechen, mein Sohn … Es ist dein persönliches Pech, daß ich dich wiedererkenne. Beim Angriff auf das Glashaus hattest du einen ziemlich großen Mund, mein Sohn, und wenn es nach deinen aufreizenden Reden gegangen wäre, hätte ich bereits die Himmelsleiter erstiegen, die du freilich nie betreten wirst. – Mr. Olaf, knüpfen wir den Kerl auf …!“

„Ganz recht, – Banditen gehören an den nächsten Ast …!“, – meine Stimme und mein Gesicht färbten das Gesicht des Burschen erdig-grau, obwohl wir es durchaus nicht ernst meinten. Aber der Kerl mußte zum Sprechen gezwungen werden.

Er war kein Feigling. Der Ausdruck fanatischen Hasses in seinen dunklen Augen und die verkniffenen Lippen deuteten darauf hin, daß wir mit ihm kein leichtes Spiel haben würden.

Ich warf ihn mir über die Schulter, und die nächste Steineiche, die in der steilen Uferböschung schräg gewachsen war, konnte für unsere Zwecke garnicht günstiger sein.

Der Mann stand jetzt regungslos da, sah, daß ich sein Pferd holte, daß die Sache bitterernst wurde, schielte zu Charlie nach oben, der das Ende des Lassos um den Stamm knotete, und bekam immer größere, wildere Augen.

Gerade, daß wir keinerlei Versuch mehr machten, ihn auszuhorchen, mußte ihm überaus bedenklich dünken.

Die Schlinge fiel herab, und Charlie dirigierte sie so, daß sie um den Hals des Burschen sich lose festzog.

Der Mann, jetzt ohne Hut, war alles in allem eine sehr sympathische Persönlichkeit, wenn man die fanatische Wildheit seiner Züge sich wegdachte. Sein kastanienbraunes Haar, das gesunde, schmale Gesicht, die trainierte Gestalt und der edel geformte Mund machten ihn zu einem Prachtstück von Banditen. Auf einer Bühne oder im Zirkus als Cowboy hätte er alle Weiber verhext.

„Fertig, Charlie?“

„Fertig!“

Ich packte den Burschen, sein Gaul stand dicht neben mir, und mit kraftvollem Schwung warf ich ihn in den Sattel.

„Aufstehen!!“

Die Füße hatte er frei. Charlies Pistole drohte, und der Mann tat freiwillig den Mund auf.

„Was wollen Sie von mir?!“, stieß er wütend hervor.

„Du hast eine verdammt lange Gehirnleitung, mein Sohn“, sagte der alte Weißkopf vom Eichenstamm herab. „Vor und in der Glashütte warst du redseliger … Und die Kolbenstöße, die du mir, dem Nigger, verabfolgtest, stimmen mich auch nicht milder …“

„Aufstehen!“, befahl ich noch energischer.

Dieses abgekürzte Verfahren machte den Burschen weich. Er sah ein, daß es für ihn kein Entrinnen mehr gab, und sein Gesicht wurde zur Fratze ohnmächtiger Wut.

„Der Heilige wird euch strafen!“, fuhr er mich an. „Ganz gleich, ob ihr aus mir ein Geständnis erpreßt …“

„Euer Heiliger wird auch baumeln“, meinte Charlie Lord sehr kaltschnäuzig. „Los doch, Mr. Olaf, – was halten wir uns mit dem Kerl noch auf! Ich lege keinen Wert auf seine Lügen, nur darauf, daß wir frühstücken können. Übrigens ist dies derselbe Gentleman, den Bonanza heiraten sollte, er hat Bonanza wie ein Gockel die Cour gemacht und ihr die besten Bissen zugesteckt. – Wie heißt du eigentlich, mein Junge? Wir müssen doch schließlich wissen, wen wir aufknüpfen. Die Polizei wird dies auch interessieren, schätze ich.“

Charlie traf den rauhen Ton der Wildnis vorzüglich, und der Mann mit der Schlinge wurde noch zahmer.

„Ich … werde nicht lügen“, sagte er heiser.

„Das ist schon die erste Lüge“, grinste Mister Lord gemütlich. „Los doch, Mr. Olaf! Es genügt ja, wenn der Kerl auch nur einen Meter über dem Boden seine Freiübungen macht. Ich habe Hunger.“

„Fragt mich!“, bat der Bursche mit zitterndem Unterkiefer.

„Na, machen wir den Versuch …“, nickte der alte Charlie gönnerhaft. „Solltest du Bonanza heiraten?“

„Ja …“

„Sehr brav, mein Sohn … – Wie viel Kundschafter hat der Heilige ausgeschickt?“

„Acht … Aber hier zum Fluß nur zwei …“

„Das mag gelogen sein. Wir werden es nachkontrollieren, wenn du eingescharrt bist – – oder eingescharrt werden mußt.“

„Es ist die Wahrheit!“, rief der Bursche wütend und wandte sich an mich. „Mr. Abelsen, der Schwarze ist ein Teufel …! Fragen Sie!!“

„Ich?!“ Achselzucken … „Im Grunde habe ich garnichts zu fragen, – wie heißen Sie? – das wäre alles.“

„Moses Gardner …“

„Moses?! Ach so, – ihr Mormonen liebt ja biblische Vornamen … – Also Moses Gardner, … leicht zu behalten. Ihr seid doch Mormonen?“

Sein Gesicht wurde jäh zu einer hochmütigen Fratze. „Nein, – wir sind Gläubige des Heiligen, die Mormonen haben uns verjagt, und Paulus, der Heilige, gründete unsere Sekte, die …“

„… Verbrecherklub ist!“, kam es von der Eiche herab. „Derartige Sekten gibt es in allen großen Städten im Osten, und die Polizei freut sich, wenn …“

Der Mann mit der Schlinge fauchte wild: „Wir sind keine Verbrecher …! Sie alter Narr sollten …“

„Hm – alter Narr?! – Mr. Olaf, das Maß ist voll … Bete dein letztes Sprüchlein, junger Narr …!“

… Mag sein, daß diese Szene dem Uneingeweihten brutal erschien. Und doch war für Charlie und mich die vorgetäuschte Brutalität Notwendigkeit. Wir mußten über gewisse Dinge Klarheit gewinnen.

„Moses Gardner“, sagte ich streng, „jede Jury würde euch zum Tode verurteilen. Ihr habt uns nachgestellt, wolltet uns töten, am Kings-Berg habt ihr einen Zentnerblock herabgerollt, an der Glashütte feuertet ihr auch nicht zum Spaß, und daß …“

„… Es war Notwehr, und Sheriff Millner hat das Gesetz hinter sich“, fiel er ohne rechte Überzeugung ein. „Sie selbst sind entsprungener Zuchthäusler, ich las den Steckbrief, und Millner wird Koipato vor Gericht stellen wegen Begünstigung …“

Diese anscheinend so widerspruchsvollen Äußerungen gaben den Dingen ein anderes Aussehen.

Eine Vermutung, die bereits durch Bonanzas eifriges Eintreten für den Heiligen in mir flüchtig aufgetaucht war. Ich ahnte, daß die Satansfarm doch nicht ganz den bösen Namen verdiente. Zumindest wurde ein Teil der Anhänger des Heiligen arglistig zu niederträchtigen Zwecken ausgenutzt, davon war ich jetzt überzeugt, und daß dieser Gardner die Sachlage völlig unrichtig beurteilte, war ebenso gewiß.

„Charlie, knoten Sie die Schlinge los … Wir wollen uns mit Gardner in Ruhe aussprechen“, befahl ich sehr bestimmt, hob den jungen Burschen aus dem Sattel und gab Freund Krake einen gelinden Fußtritt, da das Füchslein schon vorhin verdächtiges Interesse für Gardners Waden gezeigt hatte.

Mr. Lord gehorchte wortlos. Er war zu klug, nicht selbst einzusehen, daß die Verhältnisse auf der Satansfarm recht ungeklärt sein müßten.

Wir kehrten zu unserem Lagerplatz zurück, und auch Gardner erhielt sein Stück Fleisch und einen Topf Kaffee. Ich hatte ihm auch die Handriemen abgenommen, und er dankte es mir durch eine bescheidene Höflichkeit, die sehr für ihn einnahm. Sogar Krake freundete sich mit ihm an, und das will sehr viel heißen, denn der Yucatan-Bastardxiv hält es mehr mit der holden Weiblichkeit.

 

13. Kapitel.

Die Insel.

Abermals drei Tage, die in die Vergangenheit hinabgetaucht sind, in das große Meer des Gewesenen, das die Gegenwart verschluckt und auf der Oberfläche Kreise von kleinen Wellen wirft: Erinnerungen!

… Und ein anderer Lagerplatz, wiederum Füchsleins Entdeckung, diesmal ein Felsloch in einer Steilwand, davor Steintrümmer wie eine Ackergrenze bäuerlichen Besitzes.

Gen Süden dehnt sich der See, groß, buchtenreich, umrahmt von den kahlsten Felsenhöhen, die ich je in Nevada antraf.

Ringsum eine schauerliche, trostlose Einöde, ohne den geringsten Busch, ohne jedes Grün, ohne Leben, ohne Tiere: Erstorbenes Land!

Scheinbar …

Es ist der See …

Und dort im Nordzipfel die langgestreckte Insel: Die Insel! Die Satansfarm!

Eine Farm?! – Niemals hat der Volksmund, der doch im allgemeinen so treffende Bezeichnungen prägt, derart daneben gehauen wie diesmal. – Farm?! Hier?! Hier, wo die weißgrauen Salzkrusten der Ufer und fast schneeweiße Salzablagerungen an einzelnen Stellen beweisen, daß der See mit Borax und Salz übersättigt ist, und wo die schroffen Felsgestade, dunkles Urgestein, mehr den verwitterten Betonwällen eines Inselforts gleichen?! Wo dieses düstere, kahle, nackte, zerklüftete Eiland nirgends auch nur die Spur eines kläglichen Kiefernbusches und nicht einmal Moospolster oder Flechtenbärte zeigt?!

Nein, das ist alles andere als Farmland, das ist die Trostlosigkeit in ihrer packendsten Form, das ist Gestade der Vergessenheit, Einsamkeit, Weltfremdheit …

Und trotz allem: Es ist die Insel! Moses Gardner hat uns hierher geführt, und Moses Gardner muß es wissen. Er lügt nicht, lügt nicht mehr, er gehört zu uns, er hat eingesehen, daß ein freventliches Spiel mit ihm und mit vielen anderen getrieben wurde, die dem Satan vertrauten.

– Der Morgen zieht herauf. Um Mitternacht haben wir dieses Versteck erreicht, haben vorher zwei Wolldecken geopfert, um die Pferdehufe zu umwickeln, um jede Spur zu verwischen. Gardner führte uns durch Täler und Schluchten, über felsige Hochebenen, über schmale Paßwege … Selbst das schärfste Auge kann keine Fährte finden, wir sind hier gelandet, als ob wir im Flugzeug durch die Luft geschwebt wären.

Charlie und Gardner schlafen, selbst die Pferde haben sich in der Grotte niedergetan, wir hatten einen Gewaltmarsch hinter uns, und auch mir, der die erste Wache übernommen hatte, drohten die Augen immer wieder zuzufallen. Das spärliche Licht der Morgendämmerung hat immerhin genügt, mich durch die Fortsetzung meines Tagebuches munter zu halten, nun schälen sich aus dem Zwielicht die Einzelbilder dieses Seepanoramas immer klarer hervor, und die höchsten Kuppen der Uferberge, bereits vom Sonnenglanz betroffen, schimmern wie helle Mützen, während in den Tälern und Tiefen noch das drohende Halbdunkel lauert.

Etwas, das mir bisher unverständlich war, beginne ich zu begreifen. Daß dieser See und diese Insel keinen einsamen Jäger oder Goldsucher, den ein Zufall in diese Steinwüste leitete, je den Versuch machte, das Eiland näher zu besichtigen. Und hätte es jemand getan, er würde doch nichts gefunden haben, denn der greise Heilige, der drüben haust, gleicht einem der sagenhaften Zwerge, die im Erdinnern hausen und die nur nachts aus ihren Schlupfwinkeln herauskommen und spurlos wieder verschwinden, sobald sich ein Fremder nur von Ferne zeigt.

Märchenland – – trostloses Land, – ein Märchen von guten und bösen Zeiten: Das war es, was Gardner uns erzählte dort im Lager am Quins-River.

Es war nicht gut zu verlangen, daß er uns alles preisgab, er durfte es nicht, die Anhänger des Heiligen waren gebunden durch einen Eid, und nur die Fragen, die Gardner unbeantwortet ließ und die er stillschweigend bejahte, lüfteten das Geheimnis dieser Insel und ihrer Bewohner. Ich hatte nichts von Gardner gefordert, das wider seine Ehre ging, ich durfte mit dem Erfolg, ihn von dem trügerischen Doppelspiel überzeugt zu haben, mehr als zufrieden sein.

Ganz allmählich ging er aus sich heraus, öffnete uns sein Herz, beklagte den Zwiespalt seiner Empfindungen: Genau wie Bonanza! – und genau wie das Mädchen mit dem Kupferhelm begeisterte er sich für den greisen Prophet, der da, ein Mensch von reinster Herzensgüte, vor Jahrzehnten versucht hatte, aus den vertriebenen Mormonen eine neue Glaubensbrüderschaft zusammenzuschweißen.

Im Grunde war es nicht viel, was wir so erfuhren. Gardners Mitteilungen waren eine einzige Verteidigungsrede, und so, wie er die Dinge darstellte, mußte man ihn entschuldigen.

Drei Punkte waren es, die sich aus seinen Sätzen hervorhoben. Erstens: Bonanza und ihr Geschick. – Gardner war völlig im unklaren darüber, weshalb Bonanza einst entführt worden war. Von dem Morde an den alten Piute-Indianer Black Aigle wußte er überhaupt nichts. Er lebte in dem Glauben, der Heilige habe das Kind zu sich bringen lassen, weil dessen Pflegevater George Mallibran ein verkommener Mensch sei, der nur danach strebe, Macbeth Brance’ Goldfunde für sich zu ergaunern. Und in dieser irrigen Annahme wurden auch die anderen Anhänger des greisen Menschenfreundes bestärkt, der, selbst ein Opfer finsterer Intrigen, bis heute dieselbe Überzeugung vertrat und nur deshalb harmlose Gewaltmaßnahmen duldete. – Daß diese „Goldfunde“ in Wahrheit die Goldader der Kings-Berge darstellten, ahnte Moses Gardner nicht. Er hatte die Höhle auch nach den blutigen Ereignissen im Glashaus-Tale nicht betreten, und wir hüteten uns, ihn völlig aufzuklären.

Das war der eine Punkt.

Und der zweite betraf den Mann, der die Brandfackel an die Habe derer legte, die ihm je begegneten. – Seltsam genug: Gardner kannte den Mann nicht! Er behauptete, niemand kenne ihn, nur der Heilige selbst. Nie sei dieser Vertreter des Heiligen unmaskiert aufgetaucht, nie habe jemand gewagt, gegen seine Befehle sich aufzulehnen. Jeder glaubte ja, der Prophet selbst hätte diese Anordnungen getroffen.

Und schließlich noch: Die Rolle, die Sheriff Millner bei alledem gespielt hatte und noch spielte. – Gardner wollte wissen, daß der ehrliche, biedere Kaufmann Millner aus Ralgate, übrigens nebenher ein eifriger Jäger und Reiter, sehr häufig den Heiligen besucht habe und daß gerade Millners intime Beziehungen zu dem Propheten die Zweifler und Kritiker der neuen Sekte immer wieder zum Schweigen und Nachgeben gebracht habe. – Schon hieraus ging hervor, daß die „Gläubigen“ (die Sekte selbst nannte sich „die Berufenen zum jüngsten Gericht“) offenbar in zwei Parteien geschieden war: In die wirklich Eingeweihten, und das waren die Vertrauten des Maskierten, und in die Ahnungslosen, die man lediglich als Werkzeuge benutzte und mit Lügen und Verdrehungen fütterte.

– Während ich dies, sehr oft dem eilenden Bleistift Ruhe gönnend und mir diese und jene Einzelheit nochmals überlegend, niedergeschrieben und die Sonne immer höher steigt, – während das trostlose Landschaftsbild ringsum im Sonnenglanz ein etwas freundlicheres Aussehen gewinnt und die Salzkristalle am Seeufer und an den Klippen der Insel frisch gefallenen Schnee vortäuschen, und der große, stille See bereits von Streifen gleißenden Lichtes getroffen wird, hat sich Freund Krake zärtlich neben mich geschoben und schmiegt sich an meine Schulter und wackelt mit den Ohren, als ob ihm irgend etwas in der Nähe nicht recht gefalle.

„Yucatanandenken“, sagte ich zu dem schnüffelnden, vierbeinigen Begleiter auf so vielen, krausen Wegen, „erinnerst du dich noch der Stunde, als ich dich von der schwimmenden Insel im Golf von Mexiko herunterholte?! – Du bist doch ein weitgereister Geselle, – was meinst du zu der Insel dort?! Dort wird Dagmar gefangengehalten, dort hoffe ich auch Bonanza Brance, die Erbin der Goldader, und unseren roten Bruder Koipato zu finden … – Gardner hat es abgelehnt, mir irgend einen Fingerzeig zu geben, wie ich den Heiligen finden und allein sprechen könnte. Allein, Füchslein …! Darauf kommt es an … – Weshalb schnüffelst du?! In dem See dort vor uns gibt es keine Fische, in dieser Steinwildnis wird es nicht einmal Präriehasen oder Präriehunde geben … Von Felsgeröll wird niemand satt. Gewiß, es gibt Erdesser, Menschen, die fette Tonerde verschlingen, Wilde, die Lehm als Delikatesse genießen, und Zahme, die Schwalbennester sich servieren lassen, doch auch nur Lehm … Aber Steingeröll, Füchslein?!“

Krake, neben mir hinter dem Naturwall liegend, reckt den Hals noch länger.

Krakes Nase riecht gute Dinge auf tausend Meter, und der Wind kam von Süden, strich über den See und die Insel und säuselte in unsere Grotte hinein.

Ich wurde nun doch stutzig.

Nahm das Fernglas Gardners, – es taugte nicht viel, und beäugte die kaum zweihundert Meter entfernte Nordseite der Insel.

Da waren in den Steilwänden Risse und Klüfte, da gab es Einschnitte, die wie Treppen eines Engpasses aussehen, und da war ein Etwas, das eine dieser Treppen hinabrutschte wie eine Riesenschildkröte – – oder wie ein Mensch, der eine gelbgraue Wolldecke über sich gebreitet hat.

Es war ein Mensch, er kroch abwärts, zuweilen erschien eine seiner braunen Hände unter der schleifenden Decke …

Krakes Lauscher spielten.

Ich sah, – er sah es auch, aber er witterte, was unter der Decke steckte.

Es konnte kein Fremder sein, Krake mußte den Mann kennen, – – jetzt erhob der Mann sich, die Decke glitt ihm vom Kopf, und ich erkannte des Schoschone-Jäger braune Züge und dunkles, wirres Haar.

Koipato hatte sich ganz eng an die Steinwand geschmiegt, und sekundenlang stand er regungslos, schien zu mir hinüberzublicken, winkte plötzlich mit der Hand, deutete auf die Kluft, die er soeben herabgekrochen war, und wies gen Himmel und beschrieb mit dem Arm einen Bogen nach Westen, – eine so eindrucksvolle Geste, daß ich ihren Sinn sofort erriet: Sonnenuntergang, Nacht, – nachts sollte ich denselben Weg wählen!!

Blitzschnell sank er wieder zusammen, war nur noch ein Fleck auf dem dunklen Gestein, und die Riesenschildkröte verschwand langsam dorthin, woher sie gekommen.

Eigentümlich packend und erregend war dieser Zwischenfall. War mir nicht nur bedeutungsvoller Wink für nächtliches Vorhaben, sondern auch Warnung und Mahnung: Koipatos übergroße Vorsicht besagte, daß auf der Insel in sicheren Verstecken Wächter lauerten, und daß wir in unserer Grotte äußerst vorsichtig sein müßten, wollten wir nicht bemerkt werden.

Nun, der Steinwall war sehr hoch, hatte allerdings viele Zufallslöcher, aber die Grotte dahinter senkte sich schräg in die Steilwand hinein, und nur ein Adler hätte uns aus luftiger Höhe erspähen können.

Koipatos Erscheinen besagte noch mehr. Er mußte Mittel und Wege gefunden haben, seine Fesseln zeitweise abzustreifen und seinen Kerker zu verlassen. Er mußte nachts, in der vergangenen Nacht beobachtet haben, wie wir unseren Schlupfwinkel hier mühsam erklommen, und er mußte auch jetzt bei Tagesanbruch den schlüssigen Beweis erhalten haben, daß ich hinter dem Naturwall auf Posten lag. – Wie nur?! War es doch nur Vermutung seinerseits gewesen? – Dann hätte er sich nie mit den kurzen Handbewegungen begnügt, dann würde er ein Gegensignal abgewartet haben. Nahm er es für selbstverständlich an, daß ich Wache halten und die Gefährten ruhen lassen würde?! – Vielleicht …

Jedenfalls war ich jetzt, und das blieb letzten Endes Hauptsache, einer Sorge überhoben: Ich brauchte nicht mehr Pläne zu schmieden, mein Weg war mir vorgezeichnet, ich durfte auch auf Koipatos Unterstützung rechnen, und ich würde den Heiligen der Berufenen zum jüngsten Gericht sprechen und ihm die Augen öffnen und aus der Satansfarm eine Stätte des Friedens machen! Lug und Trug sollten ausgetilgt werden, das Geisteswerk eines greisen Mannes, der zweifellos reinen Herzens das Reine erstrebt hatte, sollte nicht mehr hinabgezerrt werden in den Schmutz gieriger Niedertracht, wie der Maskierte und sein Anhang es fertiggebracht hatte. Ich war überzeugt: Der Heilige, den die kluge Bonanza so tief verehrte und den auch Gardner so temperamentvoll in Schutz genommen, wußte nichts von dem jahrelangen Ränkespiel um die Goldader im Kings-Berge. Ein Mädchen wie Bonanza hätte sich niemals von einem Heuchler derart blenden lassen. Der Heilige war heilig, denn heilig ist alles, was aus gütiger Seele ohne Selbstsucht für verirrte oder haltlose Mitmenschen an geistigen Offenbarungen hervorquillt.

Nochmals beäugte ich die Insel mit dem Glase.

Starr, düster, tot, geheimnisvoll lag sie da inmitten des Sonnenglanzes des neuen Tages, ein zu Fels gewordenes Rätsel, ohne Anzeichen von Leben, und doch seit Jahrzehnten Heimat und Wirkungsstätte eines betagten Weisen, den man schändlich betrog.

Satansfarm?!

Ja, – – Satansfarm dessen, der niemandem sein wahres Gesicht zeigte.

In der kommenden Nacht würde ich diesen Burschen, der da mit seiner gehörnten Kapuze den Teufel spielte, den Teufel gründlich austreiben.

 

14. Kapitel.

Er …!

… Wir frühstückten. Ich hatte Charlie Lord und Gardner von der Schildkröte erzählt, und ich hatte im stillen gehofft, Gardner würde bei dieser Gelegenheit etwas von den Geheimnissen der Insel preisgeben. – Er schwieg.

Nachher übernahm der alte Neger die Wache, ich schlief bis in den Nachmittag hinein, und als ich munter wurde, konnten mir die Gefährten nur melden, daß inzwischen garnichts geschehen sei, nicht eine Menschenseele habe sich gezeigt, die Bergwildnis um den See und die Insel wären leer …

Wir hockten nun hinter dem Steinwall, sprachen wenig, nur Charlie sorgte sich um seinen Herrn, dessen Verschwinden umso merkwürdiger erschien, als sein Dakotatraber, sein Riesenziegenbock, so friedlich unterhalb des Kings-Berges das spärliche Gras gerupft und keinerlei Versuch gemacht hatte, vor mir zu flüchten.

Charlie Lord fragte Gardner nochmals, ob die „Berufenen“ George Mallibran bestimmt nicht überfallen hätten.

„Nein …!“ Gardner wurde nachdenklich. „Schon deshalb nicht“, fügte er hinzu, „weil der Maskierte zweifellos Mallibran fürchtete, wie mir jetzt klar wird. Ich glaube fast, der Maskierte ahnt, wer der Pfeilschütze ist, und wer seine besten Pferde niederstreckte, und es ist sehr gut möglich, daß er sich an Mallibran nicht heranwagte, weil er diesem geheime Verbindung mit anderen zutraute, vielleicht gar mit den Behörden in Nevada …“

„… Was nicht der Fall ist“, sagte der Neger Lord sehr bestimmt. „Mein Herr und ich genügten uns, wir haben niemand eingeweiht, wir waren geschickte Komödianten, – der verrückte Maler von Winnemucca mit seiner Vogelflinte wurde trotz seiner Berühmtheit als Künstler von niemandem ernst genommen, und ich … bin ja nur ein Nigger!“

Er sprach es ohne Bitterkeit aus, mehr mit einem sanften, überlegenen Schmunzeln, das der Blindheit all derer galt, die ihn, Charlie Lord, als große Null betrachtet hatten.

Und abermals nach längerer Gesprächspause schnitt Charlie von ungefähr die Frage an, was wohl das Päckchen enthalten haben mochte, das der alte Piute-Indianer nach New Orleans gebracht hatte und das dann gestohlen wurde. „Mr. Olaf, ich habe mit Mallibran sehr oft hierüber gesprochen, und dabei erörterten wir auch die andere Frage, wie der Mann der Satansfarm wohl Kenntnis von dem Wert dieses Päckchens erhalten haben könnte. Sie werden zugeben, Mr. Olaf, daß die Dinge jetzt in ganz anderem Lichte erscheinen als noch vor etwa zwei Wochen oder vor Jahren. Was das Päckchen betrifft, so waren wir übereinstimmend der Ansicht, es enthalte außer Goldkörnern – es war sehr schwer, und die Hirschledertasche glich fast einem flach gepreßten Beutel – … außer Goldkörnern noch eine genaue Skizze der Fundstelle eines Placers, daß diese Annahme in ihrem letzten Teil irrig war, beweist die Tatsache, daß der Maskierte die Goldader noch nicht geplündert hat …“

Moses Gardners Augen hingen jetzt erstaunt an Charlies feisten Zügen. „Also Sie wissen etwas über die Goldader?!“, warf er überrascht ein.

„Oh ja, mein Junge … Wir wissen darüber gerade genug. Nur der Maskierte weiß nichts. Und weil er nichts weiß, kann das Päckchen unmöglich eine Skizze oder eine Beschreibung des Placers enthalten haben, denn es ist noch unberührt, – bis auf die Kratzer, die Koipatos Messer verursachte und bis auf das Gold, das Macbeth Brance dem alten Piute Black Aigle zu den Einkäufen in dem Päckchen mitgab.“

Gardner war sichtlich verletzt, weil wir ihm diese wichtige Einzelheit verschwiegen hatten. Ich hatte schon längst vermutet, daß er Bonanza sehr zugetan sei, ja, daß er sie ehrlich liebe, und daß die Flucht von der Insel ihn sehr hart getroffen hätte, da doch immerhin die Gefahr bestand, Bonanza könnte in der Wüste elend zugrunde gehen. Bisher hatte er seine wahren Gefühle vor uns sorgsam verheimlicht, jetzt jedoch floß ihm der Mund über, und im Tone heftigsten Vorwurfs meinte er grollend: „Ich wäre der letzte, der Miß Brance um das Erbe ihres Vaters bringen würde!! Ich denke, Sie kennen mich nun, Mr. Abelsen. Meinetwegen könnte dort zentnerweise Gold vorhanden sein, ich bin Farmer, nichts weiter, und ich …“

Charlie Lord und ich, beide etwas verlegen und schuldbewußt, fielen ihm gleichzeitig ins Wort, suchten die Mißstimmung zu beseitigen und lenkten das Gespräch auf andere Dinge, auf die große Siedlung Pueblo, die da im Norden halbwegs zwischen dem See und den Pueblo-Bergen in einem leidlich fruchtbaren Landstreifen recht weltabgeschieden mit etwa achtzig Einzelfarmern im Tale des völlig salzfreien Pueblo-River lag, ursprünglich eine Mormonengründung, neuerdings mehr von östlichen Einwanderern, darunter sehr viel Ungarn, Deutschen und Österreichern. Dort besaß auch Gardner ausgedehnte Ländereien, dort hauste die Mehrzahl der „Berufenen“, wie er uns schon früher mitgeteilt hatte, und gerade die Pferdezucht dort war gewissermaßen berühmt und die sicherste Einnahmequelle der fleißigen Ansiedler.

Allmählich sank die Sonne, verschwand in den Dunstschwaden im Westen, die mit ihrem verfänglichen zarten Streifen, zwischen denen Striche dunklen Gewölks zum Vorschein kamen, die Farbenpracht des Sonnenunterganges fast völlig verwischten und auf eine Wetterverschlechterung, zumindest auf ein Gewitter hindeuteten.

Auch wir fühlten bereits die Sättigung der Luft mit Elektrizität, die abendliche Kühle blieb aus, der geringe Wind schlief völlig ein und die einzelnen Windstöße, die ganz unregelmäßig über die kahlen Höhen fegten, führten sämtlich starke aufgewirbelte Staubmassen mit sich und hüllten zuweilen den westlichen Horizont in wallende Schleier ein.

Die Vorzeichen eines Gewitters in diesen Nevada-Wüstenxv, das wußte ich bereits aus eigener Erfahrung, sind gänzlich verschieden von denen anderer Sand- und Steinböden. Die im Westen den Staat Nevada begrenzenden Hochgebirgspartien der Sierra Nevada, die bereits in ihren westlichen Tälern den halbtropischen Charakter Kaliforniens zeigten, bilden für den Staat Nevada gleichsam das Regensammelbecken, – von dort ziehen die meisten Gewitter herauf, von dort wehen auch die eisigen Nachtwinde, die sich an den Schneehäuptern der Sierra abkühlen und die oft sehr strengen Winter veranlassen.

Moses Gardner, der eine Weile stumm den Horizont beobachtet hatte, sagte sehr befriedigt: „Es gibt bestimmt Regen, Mr. Abelsen, und Ihnen kommt das für Ihren nächtlichen Ausflug sehr gelegen, den Sie ja leider allein unternehmen wollen. Sie setzen sich dadurch Gefahren aus, die Sie gar nicht abzuschätzen vermögen, und ich kann Ihnen nur nochmals zu allergrößter Vorsicht raten, – es ist noch keine lebende Seele von der Insel zurückgekehrt, die allzuviel dort entdeckte …“

Ich schwieg dazu. Mein Entschluß stand fest, und nichts mehr würde mich davon abbringen. Ich war schon andere Pfade gewandelt, auf denen noch ärgere Gefahr lauerte. Die letzten Tage hatten in mir wieder jenes gesunde Selbstvertrauen geweckt, das nichts mit Tollkühnheit zu tun hat. Die Insel und der Heilige sollten ihre letzten Geheimnisse preisgeben, und ein schändliches Intrigenspiel würde restlos aufgeklärt werden, wobei ich bereits mit ganz bestimmten günstigen Nebenumständen rechnete, die sich aus der gesamten Sachlage ergaben.

Das Gewölk wurde zusehends dichter, und die Dunkelheit kam mit einer Schnelligkeit heran, die etwas Beklemmendes an sich hatte. Die Umgebung verlor die Schärfe ihrer Einzelbilder, in kurzem war die Insel nur noch ein finsterer Fleck auf einer matt schillernden Metallplatte, nur die Seeufer mit ihren Salzablagerungen zeigten helle, fast gespenstisch wirkende Stellen, während über den westlichen Randhöhen bereits die eigenartige Erscheinung des vielerörterten und selbst von den Meteorologen bisher nicht aufgeklärten Dauerwetterleuchten immer klarer hervortrat, – eine Lichterscheinung, die einer Reihe hinter Gewölk verborgenen starken Lichtquellen gleicht, zwischen denen die Abstände sich dauernd verändern.

Auch Kamerad Charlie Lord blickte mit großen Augen gen Westen, auch ihm boten die Nevada-Wüstenxvi nichts Neues, sechs Jahre heimlichen Suchens nach Bonanza Brance hatten ihm dieses öde Land mit seiner wechselvollen Geschichte und all seinen Eigenarten zur Sommerheimat gemacht. Die Romantik des Goldes hatte auch ihn in ihre gleißnerischen Schleier gehüllt, auch er, wie sein Herr, waren einsame, verschwiegene Wanderer abseits vom Alltag geworden, nichts war hier alltäglich, die Geschichte der Satansfarm mit ihrem über ein Jahrzehnt zurückliegendem Vorspiel, und das war Macbeth Brances Goldhunger und stiller Tod, glich einem Roman, der nur das Leben mit seiner unergründlichen, nimmermüden Phantasie hervorzaubern konnte.

Wortlos holte Gardner die Eßvorräte herbei, – – „Henkersmahlzeit!“, sagte der alte Neger, um durch diesen flauen Scherz die Stimmung aufzupulvern.

Wir aßen ohne Appetit, nur Füchslein Krake freute sich der reichlich für ihn abfallenden guten Happen, und in dieser lastenden Finsternis leuchteten seine Augen grüngelb, wie die Ziffernblätter kleiner, mit Leuchtmasse präparierter Uhren.

Wir waren nervös, gereizt, fahrig, und ohne innere Sammlung. Wir sehnten den Regen herbei, die dünne Wüstenluft und die fühlbare Elektrizität der Luft benahmen uns schier den Atem.

Die über den westlichen Randbergen schwebenden milchigen, verwaschenen runden Kreise hatten sich verengert, – urplötzlich wie ein Knall eines Riesengeschützes dröhnte ein Donnerschlag mit vielfachen Echos in den kahlen Bergen, ein Blitz war nicht zu bemerken gewesen, der elektrische Ausgleich zwischen dem tief hängenden Gewölk mußte in Gestalt eines wagerechten Blitzes erfolgt sein, und unmittelbar auf den überstarken, explosionsartigen Schlag setzte ein Platzregen ein, der uns zu einem Rückzug in die Grotte zwang, deren abschüssiger Boden den herabströmenden Wassermassen eine bequeme Bahn zu den zahllosen Spalten und Rissen der hinteren Höhlenwand bot.

Es wurde Zeit für mich …

Ich behielt nur die Unterkleider an, schnürte den Anzug und die Schuhe, die Pistole und Mallibrans Stahlbogen sowie zwei Pfeile auf dem Kopfe fest, band Krake an einen Riemen, da er mir sonst bestimmt gefolgt wäre, und drückte den Gefährten stumm die Hand, streichelte Krakes Rücken und meines Braunen kühle, feuchte Nase und begann den Abstieg über die Vorsprünge und kleinen Terrassen der Steilwand, watete in den See und merkte, daß der übermäßige Salzgehalt mir das Schwimmen sehr erleichterte …

Es war wieder einmal ein Weg abseits vom Alltag mit seinem geheimnisvollen Ziel, – es war wie eine selbstgewählte, geheime Mission, – wie sie enden würde, stand in des Schicksals Sternen geschrieben.

Dagmar, Bonanza, Koipato, – – selbst diese drei traten zurück vor dem tieferen, ernsteren Zweck. Nicht der heimatlose Abenteurer war es, der im strömenden Regen der Insel zustrebte, – es war der Mensch Abelsen, losgelöst von jeglichem Sensationshunger, – der Mensch, der dem gütigen, betrogenen Greise die Augen öffnen wollte und das zerstören, was Goldgier an unreinen Bestandteilen in das Lebenswerk des Propheten der „Berufenen“ hineingemischt hatten.

Bis ich die Klippen erreicht hatte, an Land kroch und mich an gewissen Merkmalen überzeugte, daß ich die Richtung genau eingehalten hatte: Ich befand mich vor der Kluft, in der Koipato morgens aufgetaucht war.

Ich duckte mich unter die überhängenden Felsen, nahm das Bündel vom Kopfe, schlüpfte in die Kleider, schob die Pistole in die innere, linke Jackentasche und behielt den Stahlbogen und die Pfeile in der Linken. Eine geräuschlose Waffe wie ein Bogen hat stets ihre Vorteile.

Ein neuer Blitz flammte herab, mußte ganz dicht am Seeufer eingeschlagen haben, denn das gewaltige Krachen des unmittelbar folgenden Donners und ein deutlich spürbarer Luftstoß drückten mich gegen die Felswand. Im selben Augenblick klirrte etwas neben mir gegen das Gestein, – die zerfließende Helle der elektrischen Entladung ließ mich doch noch ein Messer erkennen, das kaum handbreit von meiner linken Brustseite gegen den Granit gefahren war und zurückfallend von der ebenso jäh herabsinkenden Finsternis verschluckt wurde. Ich warf mich zu Boden, hatte ebenso schnell den Pfeil auf der Stahlsehne, – – ein zweites Klirren, ein schwächerer Blitz: Mir gegenüber bemerkte ich zwei Gestalten, einen Mann, den Arm noch hochgereckt, ein zusammengeducktes Mädchen: Der Mann trug einen dunklen Mantel mit Kapuze, zwei Hörner vorn, – – er, der Satan, der große Unbekannte …!

 

15. Kapitel.

Mallibrans wahres Gesicht.

… Das alles gehört nun der Vergangenheit an.

Es war …! Und es bleibt dennoch lebendigste Gegenwart, gebannt in den Hirnzellen der Erinnerung, – ein in feurigen Lettern gedrucktes, geschlossenes Buch, das man nur aufzuschlagen braucht, und Vergangenheit wird wieder Gegenwart … –

Das große Zeltlager am Nordabhang des Kings-Berges ist allmählich zur Ruhe gekommen. Hier und dort schnaubt noch ein Pferd, flackern Stimmen auf … Der Nachthimmel mit seinen Lämpchen und der freundlichen Mondsichel beleuchten mild und neugierig dieses ungerahmte Bild. Die Wüste ist nicht mehr leer, seit Tagen rollen hier schwere Lastautos mit allerlei Maschinen herbei, Holzmasten sind errichtet, Hochspannungsdrähte verteilen den Strom der in einer Wellblechbaracke untergebrachten kleinen Kraftstation über die Hängelampen der Zelte und über die Lampenriesen in der Kings-Höhle, – ein Bergwerksbetrieb ist gleichsam aus dem Boden gestampft, und die Bonanza-Gesellschaft, als deren Direktor ein berühmter Künstler sich betätigt, holt das Gold in mächtigen Brocken aus dem Stollen hervor.

Die Romantik des Goldes ist zerronnen zu kühler, sachlicher Abbauarbeit.

In der Ferne rattert der Benzinmotor der Kraftstation in unermüdlichem Takt, – – das Lager schläft, – einer schläft nicht: Ich, der hier bereits wieder Nebenfigur eines wildbewegten Romanes geworden ist.

Der Goldrausch hat die Ereignisse auf der geheimnisvollen Insel längst in den Schatten gedrängt, – ich verarge es niemandem, daß es so ist, die Menschen sind Sklaven der großen Irrlehre, daß Reichtum und Glück engste Freunde wären, ich stehe abseits von alledem, und im Grunde bin ich hier inmitten dieser Zelte mit ihren schweißdunstenden Arbeitern und ihrem Stab von Ingenieuren, Chemikern und unvermeidlichen Glücksrittern einsamer denn je.

Abseits steht auch mein Zelt hinter der spitzen Dünenwelle, abseits sammelt nun ein Einsamer seine jüngsten Eindrücke, streichelt sinnend den narbigen Kopf seines einzigen, letzten, wahren Freundes und fühlt eine kühle, feuchte Zunge, die meine Hand zärtlich, fast tröstend leckt …

Füchslein Krake, ich brauche keinen Trost.

Mir ist viel genommen worden, sehr viel. Das geschah mir schon des öfteren, und würde meine Seele einmal entblößt und die Menge der Narben dieser Art gezählt, dann kämest auch du nicht mit, kleiner Bursche, ich würde dich mit vielen Punkten schlagen, schon ganz abgesehen davon, daß deine Wunden nur außen sitzen, und die meinen … tief innen.

Der Brettertisch, Kistenholz, wackelt … Ist kein Schreibtisch. Und doch will ich diese nächtlichen Stunden dazu benutzen, dieses Drama des Goldes, durch das sich der reine, weiße Faden eines Lebenswerkes eines greisen Idealisten mit hindurchzieht, in diesen bereits so eng beschriebenen Seiten zu beenden.

Ernste traurige Kapitel … Nur wiederzugeben in kurzen Ausschnitten, die die Hauptereignisse zusammenfassen.

… –

Mir gegenüber, nur fünf Meter Abstand, am Eingang der Uferkluft der heimtückische Messerwerfer, neben ihm eine kauernde Mädchengestalt: Bonanza!

Ohne Lärm hatte er mich abtun wollen, hatte trotz der Donnerschläge nicht einmal gewagt, eine Pistole zu benutzen.

Nach dem letzten, grellen, blendenden Blitz erschien Finsternis, durchpeitscht von Regenschnüren, nur noch schwärzer, undurchdringlicher …

Abwarten?!

Nein – dem nächsten Angriff zuvorkommen! Daß es hier um das Leben ging, wußte ich. Daß mein Leben erhalten bleiben mußte, damit das Leben anderer von neuem einer freundlichen Zukunft entgegenblühe, wußte ich erst recht.

Ich sprang vorwärts, nur das Jagdmesser in der Hand, – – zwei Körper prallten im Absprung zusammen, zwei Männer umkrallten sich in der Finsternis wie mordgierige Bestien, – alles, was in mir je die Wildheit des Abenteurerblutes aufschäumen lassen konnte, tut hier der eine Gedanke: Ich habe den Satan gepackt, und ich ringe mit dem Teufel um den günstigen Abschluß einer bunten Tragödie, – keuchender Atem schlägt mir ins Gesicht, Brust an Brust stehen wir, – ein neuer Blitz zuckt herab, ich sehe das verhaßte Gesicht mit dem wüsten Bart, die Kapuze mit den lächerlichen Hörnern, ich schaue in gierige Mörderaugen, ich sehe die halb offenen Lippen, das starke Raubtiergebiß, ich fühle, daß dieser Mann, größer als ich, mir auch an Kräften gewachsen ist, seine Gorillaarme dulden keine Bewegung meiner Hände, und doch hat der Satan eins vergessen, den alten, verbrauchten Trick …

Mein rechtes Knie schnellt empor …

Wieder umgibt uns die Finsternis …

Mein Knie bohrt sich in seinen Leib, die Umschlingung lockert sich, und die bessere Erfahrung siegt …

Meine Faust fährt empor, der Hieb sitzt, der Kopf des Fremden fährt in den Nacken, der Körper fliegt ins Leere, ein Platsch im Wasser, – – wieder ein Blitz, – – nichts mehr von dem verkappten Burschen, nur der See wirft Wellenkreise, und in diesen Kreisen läuft etwas wie ein Streifen gen Norden: Der Mann schwimmt davon, schwimmt unter Wasser …

Und wieder die starre Dunkelheit, das Rollen des Donners, das Prasseln der Regentropfen …

Einst – einst nannte man mich El Gento, einst war ich Bruder brauner Gesellen im fernen Süden, und diese meine Araukanerfreunde schworen auf mich! El Gento wußte immer Rat.

Bursche, du entgehst mir nicht!

Genau so still, wie du mich mit deinem Messer aufzuspießen suchtest, werde ich dich festnageln!

Nur ein paar Schritt, ein Abtasten des Bodens, und ich habe George Mallibrans Stahlbogen und Pfeile in Händen, bin schon am Ufer, erwarte die nächste, elektrische Entladung.

Sie kommt …

Grelle Lichtflut übergießt den See …

Ein Kopf taucht dreißig Meter vor mir aus dem Wasser …

Hörner, lächerliche Kapuzenhörner mit dazu …

Ein Pfeil schwirrt, – meine Nerven haben nicht gestreikt, meine Muskeln nicht versagt, meine Arme waren Schraubstöcke, in die eine Waffe zum Einschießen festgeklemmt ist.

Ein Schrei gellt auf, – – der Kopf verschwindet, und der nächste Blitz sieht mich in eiligen Stößen das Wasser durchschneiden …

Ich tauche, – ich kann Entfernungen berechnen, – ich spüre ein paar wild arbeitende Arme, und diese Arme packen meine Beine, zerren mich mit hinab, lassen nicht los, verkrampfen sich in Todesangst um diese trügerische Hoffnung …

Auch ich sinke, – – fühle einen schwachen Biß in der linken Schulter, fühle das Gegengewicht, das nach oben strebt, und schüttele die lebende Klemme ab, schieße empor …

Wieder ein Blitz …

Neben mir Krake, naß, triefend, verbissen in meine Schulter … Den Lederriemen noch um den Hals …

Ein paar Atemzüge …

Wieder Finsternis …

Ein keuchender Befehl: „Krake – loslassen!“

Eine zackige Feuersäule … Links von mir über der Flut zwei schwarze Hörner, ein Gesicht, ein Arm, Tigeraugen, eine Pistole …

Schüsse knallen …

Kugeln zischen …

Der Mann wehrt sich bis zum letzten …

Trifft nicht, – erst nachher sehe ich auf Krakes Schädel die beiden blutigen Rillen und die Löcher im Ohr …

Der Mann will leben, will vernichten, – – und sieht den Gegner versinken, rechnet nicht mit diesem Trick, wird hinabgezerrt, wird schließlich halbtot ans Ufer gezogen, wo Krakes Riemen ihm die rührigen Hände lähmt.

Taumelnd sinke ich neben ihn … Mein Kopf droht zu zerspringen, in den Ohren braust es, daß sogar der rollende Donner nur bescheidenes Rumpeln wird, die Lunge ringt nach Luft, das Herz jagt, – – und allmählich komme ich zu mir, betaste den Fremden, reiße ihm die Maske herab, – – drei Zickzackflammen schießen hernieder, und ich schaue in das bartlose, bleiche, verzerrte Gesicht Millners, des neuen Sheriffs von Ralgate, der in Salt Lake City die Sirenenhörner bestellt hatte, den ich bereits von der Minute als den „Satan“ erkannt hatte, wo Charlie Lord mir von diesem Einkauf des braven, biederen Händlers Millner berichtet hatte.

In Millners Schultern dicht am Halse sitzt der Pfeil, die Wunde blutet stark, ich zerbreche den Pfeil, ziehe die Stücke heraus, presse die Wundlöcher zusammen …

Finsternis …

Aber der Regen ist nur noch Geriesel, das Gewitter entfernt sich gen Osten, und mit einem Male zerreißt das schwarze Gewölk, gibt die Sterne frei, der Riß erweitert sich, aus Finsternis wird Halbdunkel, und dann blinkt neben mir ein greller Lichtkegel, schmal, scharf, umgrenzt …

„Olaf, – – Sie?!“

Bonanza steht mit einer Taschenlampe halb geduckt da und rührt sich nicht.

Ihre Stimme hat keine Kraft, ihre Gestalt erscheint wie geknickt, etwas Fremdes umlauert sie …

„Olaf, – – fliehen Sie …! Man wird mich jeden Augenblick vermissen … Koipato schickte mich her, aber „er“ war hinter mir, schlug mich, trat mich … er, er der … hier befiehlt …! Fliehen Sie, auf der Insel sind zwanzig Männer, und Koipato …“

… Endlose Pause …

Bonanzas Stimme sinkt zu zitterndem Hauch:

„… ist tot, Olaf, – – ermordet, erschossen in den Grotten, – – fliehen Sie!“

Vom regennassen Felsboden ein Lachen, das aus einem Höllenschlund kommt …

„Fliehen, – – versucht es doch!! Ihr Narren, – – flieht doch!! Wohin wohl?! Meine Leute finden euch, und wenn ihr tausend Schliche bereit habt!“

Ein Stöhnen folgt …

Millners Wunde mag wie Feuer brennen, – wenn ich die Daumen von den Wundlöchern entferne, verblutet er.

Seine haßgeborene Kraft schwindet.

Ein neues Stöhnen …

In Bonanzas bebender Hand flattert die kleine Lampe, der Lichtkegel tanzt hin und her, und als aus der Kluft eine schrille Stimme, fast übertönt von dem Prasseln rollenden Gesteins und dem Tappen derber Stiefel, in dröhnendem Triumph ein aufmunterndes: „Wir sind schon zur Stelle, Mister!“ hervorbellt, – als flinke Gestalten nahen, die Büchsen halb erhoben, ist es sogar zur Flucht zu spät.

Aber eine andere Stimme erwacht da vom See her, wo die Umrisse zweier Flachboote den matten Wasserspiegel überragen. Diese Stimme hat nichts mehr gemein mit der des verrückten Malers von Winnemucca. Hart, ehern, unerbittlich droht sie, – kalt wie die Hand des Todes, kühl wie die Stimme eines Mannes, der seine Macht kennt.

„Werft die Waffen weg – – sofort!! Die Insel ist umstellt! Hier ist George Mallibran und die Schoschonen von Ralgate! Fünfzig Schoschonen! – Werft die Waffen weg!“

Aus dem einen Flachboot springt eine Lichtbahn auf, fließt als blendender Strom in die Kluft …

Ein Karbidscheinwerfer!

„… Hände hoch, Banditen!!“

Nicht schnell genug geht es denen, die von George Mallibran in Gewaltmärschen herbeigeführt wurden.

Ich reiße Bonanza nieder …

Schüsse, Schreie …

Schüsse, – – huschende Gestalten, keine Indianer überlebter Geschichten, – freie Farmer, ehrliche Siedler, und doch mit dem wilden Blut ihrer kriegerischen Rasse in den Adern …

Vor uns steht Mallibran.

Nicht mehr der schlaffe Maler mit dem wirren Künstlerbart und der überlangen Mähne: Ein Mann mit harten, scharfen Zügen und blinkenden Augen, in denen jetzt die Rührung des Wiedersehens schillert.

„Bonanza, – – Kind, – – endlich!! Kennst du mich nicht mehr, kennst du nicht den Onkel George, auf dessen Knien du rittest und …“

Das Mädchen mit dem Kupferhaar taumelt hoch, taumelt in ausgebreitete Arme.

„… Ich werde ihn verbinden, Mr. Olaf“, wispert der rauhe Baß Charlie Lords mir zu …

Der alte Neger schleppt einen triefenden Tierkörper: Krake!

„… Er hat ein paar üble Streifschüsse, der arme Wicht, Mr. Olaf … Und nachher kommt auch Mr. Millner an die Reihe, – alles in gerechter Ordnung, wie es jeder verdient hat. – Hallo, Mr. Gardner, – her mit der Leinwand und dem Pflasterkasten …!!“

Moses Gardner hat es eilig, den Pflasterkasten loszuwerden.

Ich habe es eilig, den Schlußakt mit zu erleben.

Gardner spricht mit Bonanza, – wie ein begossener Pudel steht er vor ihr, aber ihre dunklen Augen, noch von Tränen der Freude verschleiert, weisen ihn nicht zurück, – Mallibran winkt mir, über fünf stille Gestalten stolpern wir die Kluft empor, Laternen blinken, braune Schoschone-Farmer, jetzt wieder wie einst ihre Vorväter auf dem Kriegspfade, brechen mit uns ein in die versteckte, offene Steintür der Inselhügel, in die weiten, natürlichen Grotten, in ein Reich unter der Erde, in dem überall deutliche Zeichen langen Bewohntseins uns begegnen, Petroleumlampen brennen, Möbel und Teppiche, Vorhänge und Holzverschläge, Küchen und Vorratskammern, eine Ansiedlung, ein geregeltes Leben, einen gewissen Luxus verraten.

Und in einem der Verschläge, einem Steingemach mit fester Tür, liegt starr und steif mein Freund Koipato.

Die anderen eilen weiter, suchen weiter. Ich bleibe …

Was mir dieser stille, bescheidene Schoschone-Jäger gewesen, fühle ich erst in diesem Augenblick, wo ich vor seiner Leiche stehe und den Adel des Todes in den friedlichen Zügen mit feierlichem Staunen als unvergeßliches Bild in mich aufnehme.

Koipato war so anders als die, die je meine Weggefährten gewesen. Er besaß nicht die allzeit bereite hochmütig-ironische Schlagfertigkeit eines Coy Cala, eines Taskamore, er war ein stiller Held, – – und nun war er … für immer still.

War mein Freund und Bruder gewesen, ein Teil meiner selbst: Jetzt wußte ich es!

Und – – er war tot …

Lag stumm und friedlich auf nacktem Gestein seiner Heimat Nevada, – ausgelöscht, mir geraubt, mir, der erst angesichts dieser feierlichen starren Totenruhe begreifen konnte, daß wieder ein Mann dahingegangen war, der mich geliebt hatte – – still, auf seine Art …

 

16. Kapitel.

Wie Millner starb…

… Schüsse, die in den Grotten wiederhallten wie Salvenfeuer, – wilde Schreie, dumpfe, dröhnende Schläge …

Das riß mich hinweg von dieser Stätte, und eine neue Höhle tat sich auf, erfüllt von dem beißenden Dunst des Pulverrauches, hin und her eilenden Männern, – im Hintergrunde eine breite Treppe, belegt mit hellen Läufern, eingerahmt von fein geschnitztem Holzgeländer, – – Dagmar und Mallibran dort als einzige vor der noch reicher verzierten geschlossenen Flügeltür, über der eine Porzellanampel in Form einer weißen Taube brannte und die Figuren der Apostel mild beleuchteten.

„Öffnen Sie!“, rief Mallibran nochmals …

Aus der zusammengedrängten Schar der entwaffneten Anhänger des „Meisters“, und das war Sheriff Millner gewesen, löste sich ein älterer Mann.

Er wollte irgend eine Erklärung abgeben, er wollte vielleicht das klarstellen, was ich bereits wußte: Daß die meisten dieser blinden Toren betrogene Betrüger waren, – Betrüger auch nur durch die hinterlistige Schlauheit dessen, der sich als Vertreter des Heiligen aufgespielt hatte.

Ein anderer kam ihm zuvor.

Ich fand nicht einmal Zeit, Dagmar zu begrüßen, so plötzlich tauchten Bonanza und Gardner auf, so hastig rief Gardner dem kraftvollen Mallibran zu:

„Es ist die Tür zum Tempel … Nur Millner besaß den Schlüssel … Nur wenn Millner hier weilte, fanden die Predigten des Heiligen statt … Hier ist der Schlüssel …“

Ein Kunstschlüssel …

Und das Schloß in der gepanzerten, verzierten Flügeltür ein Kunstschloß.

Mallibran öffnete …

Jetzt streckte ich Dagmar die Hand hin.

„Ein trauriges Wiedersehen, Dagmar … Ich war so sehr in Sorge um Sie, und der, der hier sein Leben ließ, ist Koipato …“

Dagmar Egerlöv, mir verbunden durch Monate gemeinsamen Erlebens, zeigte eine Verlegenheit, die ich nicht recht begriff. Ihr Händedruck war matt, ihre Worte waren ohne Wärme, ihre Augen wichen sofort wieder zur Seite, – dorthin, wo George Mallibran mit kalter Ruhe die Flügeltür aufstieß …

„Licht her!!“

Wir starrten in tiefe Dunkelheit …

Jemand schleppte den Karbidscheinwerfer herbei, und der leuchtende Kegel flog über Reihen von Bänken, über goldene Wandverzierungen, über ein großes Harmonium, über einen prunkenden Altar.

Bonanza eilte durch den Hauptgang, dicht hinter ihr Gardner, der uns hastig zuwinkte.

„… Der Heilige wohnt in den Räumen hinter dem Altar …!“

Eine Woge von Männern folgte.

Hinter dem Altar eine eiserne Tür, bunt lackiert, – – wieder ein Kunstschloß.

Wieder hämmerte Mallibran dagegen, wieder bat seine Stimme, uns einzulassen …

Wir horchten …

Alles, was hier auf engem Raum sich vereinigte, horchte, lauschte …

Mallibran verlangte von Gardner Aufschluß.

„Weshalb meldet sich Ihr Prophet nicht?!“

Der junge, straffe Mann erwiderte merklich befangen: „Seit Millner unsere Sekte leitet, und das dürfte elf bis zwölf Jahre zurückliegen, ließ sich der Heilige nur sehen, wenn Millner zugegen war.“

Mallibrans scharfe Züge wurden noch schärfer, er wechselte einen langen Blick mit mir, nickte mir bedeutungsvoll zu und befahl, Millner herbeizuholen.

Dumpfes Schweigen folgte. Hinter der Metalltür bewegte sich nichts, obwohl Mallibran nochmals sehr kräftig anklopfte.

Die vor Erregung totenbleiche Bonanza hatte sich in Mallibrans Arm gehängt, sie war zunächst nicht fähig, irgend ein Wort hervorzubringen, und als sie endlich sprach, blieben ihre Worte halb unverständlich.

„… Millner war stets anwesend, wenn der Heilige sich mit mir unterhielt, mich tröstete und mir immer wieder versicherte, nur hier sei mein Leben genügend geschützt. Erst seit Millners zeitweisem Auftauchen hier soll auch diese Stahltür angebracht worden sein …“

Jetzt erst erkannte ich, daß meine Vermutungen, was das Verhältnis Millners zu dem Heiligen betraf, weit hinter der schrecklichen Wahrheit zurückgeblieben waren, daß hier noch viel ärgere Schurkereien vorgekommen sein mußten, und daß ein greiser, gütiger Mensch seit Jahren ein Gefangener eines geringen Teiles der Sektierer gewesen, die ihrem „Meister“ Millner blindlings gehorcht und dabei recht einträgliche Geschäfte gemacht hatten.

Es sei hier darauf hingewiesen, daß in keinem zivilisierten Staatsgebilde der Welt – außer England – das Sektenwesen so in Blüte steht wie gerade in Amerika, wo allein schon die aus allen Nationen, aus buntscheckigsten Einwanderern zusammengesetzten Bevölkerung eine solche Zersplitterung der großen Religionsgemeinschaften unterstützt. Selbst das politische Leben wird hierdurch stark beeinflußt, und die Strafprozesse gegen neue „Propheten“, die als Sektengründer im trüben fischen mochten, nehmen kein Ende. – Man brachte Millner herbei. Man hatte ihn auf eine Bettmatratze gelegt, und der deutliche Verfall seiner erdfahlen Züge bewies, daß es mit ihm zu Ende ging. Trotzdem hatte er um die Lippen ein so grausames, höhnisches Lächeln, daß niemand von uns, die hier mit diesem schlauen Banditen abrechnen wollten, eine Regung des Mitleids aufbringen konnte.

„Wo ist der Schlüssel zu dieser Tür?“, herrschte Mallibran den Sheriff an.

Millner lachte. „Suche ihn doch!“ Seine Frechheit raubte ihm auch den letzten Rest von Sympathie seiner bisherigen Getreuen, die ohnedies bereit schienen, ihn gänzlich fallen zu lassen. Derselbe ältere Mann, der vorhin gesprochen, drängte sich vor. „Mr. Mallibran, wir wollen mit ihm nichts mehr zu schaffen haben. Er war es, der uns verführt hat, der uns zu Räubern und Dieben machte. Ich will alles sagen. Er ließ uns Goldsucher beobachten, immer kleinere Trupps oder einzelne Leute, die ja noch immer die Wüste hoffnungsfroh durchstreifen und oft genug auch geringen Erfolg haben. Diese Goldsucher verschwanden – durch ihn – zu Morden hat er uns nie angestiftet, wir bekamen unseren Anteil hinterher, und zerbrachen uns nicht weiter den Kopf, woher das Gold stammte. Eisenbahnüberfälle, Einbrüche, Diebstähle, – auch hierzu fand er sich stets bereit, – wir wurden nie gefaßt, denn seine Maßnahmen, Verfolger irre zu führen, waren mustergültig, sein Spionagesystem umfaßte den ganzen Norden Nevadas, seine Signale mit den Sirenenhörnern bildeten nur einen schwachen Teil dieser seiner Vorsichtsmaßregeln. Der Heilige war sein Gefangener, sein Sklave, die Betversammlungen waren jämmerliche Komödie, denn der Heilige wußte, daß der Tod ihm drohte, wenn auch nur ein Wort fiel, das Millner nicht genehm. Er hatte hier insgeheim ein wahres Schreckensregiment eingeführt, selbst wir fühlten uns nicht sicher, und so mancher von uns war dieses Treibens längst überdrüssig. Aber er hatte ein Mittel, uns trotzdem an sich zu fesseln, er hatte jedem von uns ungeheuere Reichtümer zugesagt, die wir durch Miß Bonanza Brance einst erhalten würden, die er entführen ließ, weil des alten Indianers Black Aigle umfangreiche Einkäufe und Vorräte an Gold ihm bewiesen haben mochten, daß Mr. Brance am Kings-Berge ein unendlich ergiebiges Placer entdeckt haben müsse. Brance starb durch seine Kugel, – ich war dabei, als wir ihn gefangen nahmen, – ich war nicht dabei, als der Schuß fiel und Brance flüchtete und nicht mehr gefunden wurde. – Mr. Mallibran, – – der Schlüssel zu der Stahltür ist in Millners Stiefelschaft verborgen! Im Namen derer, die bisher Millner Gefolgschaft leisteten, erkläre ich hiermit, daß wir uns von ihm lossagen, daß wir nicht ahnten, wer hinter der Maske des Meisters steckte, daß unsere Hände rein von Blut sind: Seine wahren Vertrauten sind tot, Ihre Leute, Mr. Mallibran, haben die richtigen erwischt, – – wir wollen unsere Strafe gern hinnehmen, wir anderen, aber … Mörder sind wir nicht, nur Verführte und Betrogene!“

„Verräter!“, sagte Millner schneidend. „Feigling!! Ihr habt gemordet, ihr werdet mit mir zusammen sterben!!“

„… Was abzuwarten bleibt“, meinte Mallibran eisig.

Der Schlüssel wurde gefunden, die Tür flog auf …

In zwei dürftig ausgestattete Felsgelasse fiel das grelle Licht des Scheinwerfers …

In einer Ecke ein Altar, davor eine zusammengesunkene Gestalt in weißer Kutte mit schlohweißem wallenden Haar, mit schlohweißem Patriarchenbart, mit einem vom Tode entfärbten edlen Gesicht eines stillen Schwärmers, eines blinden Idealisten …

Bonanza schrie auf, kniete neben dem Toten. Ihre Tränen rannen, ihr Schluchzen war minutenlang das einzige Geräusch in dieser beklemmenden Stille. –

Der Heilige, stellten wir nachher fest, war eines natürlichen Todes gestorben: Herzschlag, – – Altersschwäche …

Und das seltsamste: Keiner der „Berufenen“ wußte, woher er gekommen, – keiner kannte seinen Namen, – daß er Mormone gewesen, war bloße Annahme ohne jeden Beweis. Eines Tages war er in der Siedlung am Pueblo-River, wo die meisten der aus Utah vertriebenen Mormonen sich niedergelassen hatten, erschienen und hatte seine Lehre verkündet, eine Religion wahrer Liebe, selbstloser Nächstenliebe, und seine starke Persönlichkeit hatte Eindruck gemacht, seine Sekte wuchs, dann wurde diese Insel hier als Tempel eingerichtet, und sogar fremde Siedler aller Nationen schlossen sich ihr an.

Bis Millner auftauchte, bis aus der Insel des Heiligen der Berufenen die Satansfarm ward, eine geheime Hölle, und der Heilige selbst ein Gefangener.

… Nur Ausschnitte aus jenen Ereignissen vermag ich hier wiederzugeben. Die Einzelheiten würden ein Buch füllen.

Nur das schreibe ich nieder, was mir in das Gedächtnis flammend eingehämmert wurde.

Wir haben damals die Grotte durchsucht, wir hofften irgendwo Aufzeichnungen des Greises zu finden.

Nichts …!

Nur eins fanden wir, und das Versteck verriet uns Millner, als es mit ihm zum Sterben ging, als er fühlte, daß der Tod ihn bereits in den Krallen hatte. Bonanza war es, die ihn beschwor, sein Gewissen zu erleichtern, und des Mädchens gütige Worte, die ein Wiederhall der unendlichen reinen Menschenliebe des Heiligen zu sein schienen, schmolzen das Eis dieser verhärteten, verirrten Menschenseele.

Er bat, ihn vor den Altar im Tempel zu tragen, über dem ebenfalls eine leuchtende weiße Taube als Symbol der Reinheit schwebte. Seine unnatürlich großen Augen, in denen bereits die Schatten des Jenseits dämmerten, hingen unverwandt an diesem Symbol …

„Das … Päckchen …“, – mühsam krochen die Silben über die farblosen Lippen, „… das Päckchen … liegt … geöffnet, für mich nutzlos, unter der Türschwelle des Tempels … Ihr werdet sie leicht emporheben können … Der lange Stein ist hohl …“

Mit einem Male schwebten da sanfte Orgelklänge durch den Raum …

Irgend eine friedliche Melodie … ein Choral.

Millner drehte sich halb um. Ein überirdischer Freudenschimmer überflog sein blasses Gesicht.

Ganz leise fielen die anwesenden Berufenen ein … Ein Lied rauschte durch den Raum …:

„Herr, du bist die Gnade, bist das Erbarmen, bist die Liebe … Herr, vergib mir, denn dein ist die Macht und die Ewigkeit bis zu aller Welten Ende …“

Millner sank zurück … – –

So starb der „Meister“, – der Sheriff Millner von Ralgate, der Mann von der Satansfarm …

 

17. Kapitel.

Zum neuen Pfad…

… Das liegt nun drei Wochen zurück.

Die Sekte der „Berufenen“ hat sich aufgelöst, die Schuldigen werden eine milde Jury finden, mein Freund Koipato schläft den ewigen Schlaf neben dem Heiligen auf der höchsten Kuppe der Insel in einem schlichten Steingrabe.

Drei Wochen, – – und jetzt hier am Kings-Berge die Zeltstadt, die jetzt zur Ruhe gekommen.

Nur ich wache, – schreibe.

Schreibe die Schlußszene des Dramas, habe den Kopf in die Hand gestützt, sinne vor mich hin, ein Einsamer, wieder ein Einsamer …

Es ist ja so gleichgültig gegenüber den seelischen Nachklängen des Geschehenen, daß zum Beispiel der Inhalt des Päckchens nicht aus einem Schreiben, nicht aus Goldkörnern bestand, sondern aus den Stücken einer dünnen Steinplatte, die von Macbeth Brances kunstvoller Hand zu einem schwierigen, bedeutungsvollen Zusammensetzspiel aus 25 Stückchen verarbeitet war. Genau so viel Buchstaben, als das Alphabet Buchstaben zählt.

… So gleichgültig, daß Brance mit seinem Kinde gerade diese Zusammensetzspiele eifrig gepflegt hatte, daß schon die kleine Bonanza hierin die schwierigsten Aufgaben bewältigte, und daß die Steinchen des Päckchens jedes für sich allein besondere Form und Bedeutung hatten, die nur Bonanza kannte. Die Bedeutung: Den Goldreichtum des Berges zu finden!

… Spricht das alles hier irgendwie mit?! Sind nicht die Menschenschicksale, die Menschenherzen das Wertvollste?!

Meine Freundin Dagmar Egerlöv ist mir entglitten. Sie mag nie geahnt haben, daß auch mein Herz ihr restlos gehörte, daß ich mich in dem holden Wahne wiegte, ihre traulichen Zärtlichkeiten entsprängen einer ähnlichen, vollkommenen Hingabe.

Entglitten …

George Mallibran ist ihr Gott geworden, – es gibt doch eine Liebe auf den ersten Blick, und es gibt auch eine zarte, werbende, geduldige Liebe wie die, mit der Gardner nun auf Schritt und Tritt die willfährige Bonanza bescheiden verehrt.

Es gibt auch treue Freundschaft, – – und vorhin war Mr. Charlie Lord bei mir und redete in seiner kurzen Art über dieses und jenes und drückte mir beim Abschied fester die Hand denn je, schaute lange auf die fertig gepackten Satteltaschen, auf die gerollten Wolldecken, auf all die Anzeichen eines langen Rittes, … und schwieg … –

Hinter meinem Zelt scharrt Koipatos Rappe, vielleicht das beste Pferd Nevadas, ungeduldig mit den Hufen im Geröll.

Noch ist es nicht so weit …! Wittere nur den Sattel, wittere nur das Kommende, – um Mitternacht nehmen wir Abschied.

Still, heimlich, wortlos werden wir davonschleichen, wir drei …

Wohin?!

Ein Ziel?!

Doch ein Ziel: Die Insel mit ihren nun leeren Grotten, die Insel im salzigen See zwischen den hohen Bergen.

Die anderen mögen sich damit zufrieden geben, daß unsere Suche nach Aufzeichnungen des Heiligen fruchtlos geblieben.

Ich denke tagtäglich daran, daß dieser greise Idealist, der aus der Fremde kam, der ein Unbekannter blieb, der als Ungenannter starb, seines Daseins verschlungene Wege irgendwo niedergeschrieben haben muß. Über ein Jahrzehnt war er ein Gefangener, war eingesperrt in seine dürftige Eremitage, – sollte er die Jahre wirklich unbenutzt gelassen haben?! Sollte nicht die Einsamkeit, die geradezu zur Beichte drängt, ihm die Feder in die welke Hand gezwungen haben?!

Wir haben gesucht.

Wir fanden Papier, Bücher, Tinte …

Und ich, das weiß ich, werde noch mehr finden.

Ich habe Zeit. Ich kann in den verlassenen Grotten wohnen, kann dort auch, falls nötig, dem Winter trotzen, der sehr bald das frohe Bild des Nachsommers verdrängen wird.

Das ist mein Ziel … –

… Ich packe meine Blätter weg.

Der Roman dieses Weges abseits vom Alltag ist beendet.

Und doch nicht …:

Eine leise Stimme draußen …

„Olaf!!“

„Bitte, Dagmar …“

Der Zeltvorhang hob sich, Dagmar tritt ein.

„Olaf, Charlie Lord erzählte mir, daß Sie uns verlassen wollen, – glaubt er – nein, daß du uns verlassen willst, Olaf …“

„Charlie hat ein sehr feines Gefühl für alles, Dagmar …“

Sie steht neben mir, und ihr schönes, liebes Antlitz zuckt unter der Anstrengung, die Tränen zu meistern.

Sie legt mir die Arme um den Nacken, schmiegt sich an mich, ihr blonder Kopf sinkt gegen meine Schulter.

„Olaf, – – zürnst du mir?!“

„Zürnen?! – Dagmar, für das, was die heiligsten Gefühle, der stärkste Trieb, die Liebe, uns an Anfechtungen bringen, gibt es kein Grollen, keinen Haß, kein Auflehnen … Vielleicht nur sanften Schmerz der Enttäuschung, der rasch entschwindet vor der sieghaften Vernunft. – Ich wünsche dir alles Glück, Dagmar …“

Sie biegt den Kopf zurück …

„Jetzt erst kann ich glücklich sein, Olaf, du bester Freund …!“

Ihre Lippen streifen scheu die meinen, – hastig bückt sie sich zu Krake hinab …

Ihr Schluchzen höre ich noch, als der Zeltvorhang längst zugefallen. – –

Und nun werden wir drei durch die mondhelle Wüste gen Norden reiten, durch die Einöden eines Landes, das mir vieles gab, vieles nahm.

Über uns wird das strahlende Firmament sich wölben, und der Rappe Koipatos und Füchslein Krake werden übermütig die flinken Beine werfen.

Ihr Herr wird nicht zurückschauen nach der schlafenden Zeltstadt …

Es war …!

Es …: Das Drama vom Manne der Satansfarm!

Der neue Pfad ist mir vorgezeichnet …

Was die Grotten der weltfernen Insel mir bringen werden, weiß ich nicht …

 

 

 

Nächster Band:

Der Riß im Firmament.

 

 

Anmerkungen:

i In der Vorlage steht „Newada“. – Vereinheitlicht auf „Nevada“.

ii Fehlendes Wort „es“ ergänzt.

iii Vorlage:Yucatan-Fuchs (vereinheitlicht auf Yucatanfuchs)

iv In der Vorlage steht: „Frau“.

v Fehlendes Wort „es“ ergänzt.

vi In der Vorlage steht: „schlengelte“.

vii Yucatan-Bastard (vereinheitlicht auf Yucatan-Bastard)

viii In der Vorlage steht: „Dokotatraber“.

ix  In der Vorlage steht „Newada“. – Vereinheitlicht auf „Nevada“.

x In der Vorlage steht Dakota-Traber. (vereinheitlicht auf Dakotatraber)

xi In der Vorlage steht: „Triumpf“ (vereinheitlicht auf Triumph)

xii Vorlage: Süd Pacificbahn (vereinheitlicht auf Pacific-Bahn)

xiii Vorlage: Brance’s

xiv Yucatanbastard / Yucatan-Bastard (vereinheitlicht auf Yucatan-Bastard)

xv Nevadawüsten / Nevada-Wüsten (vereinheitlicht auf Nevada-Wüsten)

xvi Nevadawüsten / Nevada-Wüsten (vereinheitlicht auf Nevada-Wüsten)