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Das Blockhaus am Nugget-Bach

 

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von

Kapitän William Käbler.

4. Band:
Das Blockhaus am Nugget-Bach

 

Verlag moderner Lektüre G.m.b.H.
Berlin 26, Elisabethufer 44.

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1922 by Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin. 

 

Druck: P. Lehmann G.m.b.H., Berlin

 

 

Erstes Kapitel.
Die Insel im Rio Pecos.

Dort, wo der Rio Pecos, der größte linke Nebenfluß des Rio Grande del Norte, am weitesten nach Osten ausbiegt, ziehen sich parallel dem Strome auf Meilen am Ostufer spärlich bewaldete, felsige, düstere Berge hin.
In einer versteckten, schwer zugänglichen Schlucht dieser Berge, weidete an einem klaren Septembermorgen ein kräftiges, hochbeiniges Maultier die um eine kleine Quelle besonders saftigen Gräser ab und hob nur zuweilen den Kopf, um nach seinem Herrn hinüberzuschauen, der neben einem Reisigfeuer auf dem Bauche lag und eine auf den Ladestock seiner Büchse gespießte Hirschkeule über den Flammen drehte,
Dieser einsame, von Wind und Wetter tief gebräunte Jäger trug den Üblichen Lederanzug der Trapper und dazu eine Art Pelzmütze, die im Laufe der Zeit jedoch sämtliche Haare eingebüßt und ein speckig-glänzendes Aussehen angenommen hatte.
Neben ihm lag eine verrostete, schwere Doppelbüchse, deren Länge etwa der Ihres Besitzers gleichkommen möchte. Denn der bärtige Mann mit der mächtigen Hakennase war recht klein geraten, dazu dürr wie eine Latte und langhalsig wie ein Kranich. Alles in allem bildete er eine recht putzige Figur. Und nicht minder seltsam waren die Charatktereigentümlichkeiten dieses Zwerges, der hier mitten im Jagdgebiet der Apachen in aller Seelenruhe seine Hirschkeule briet, als ob diese Rothäute die friedfertigsten Menschen von der Welt wären —
Das Maultier näherte sich jetzt dem Feuer und rieb seine Nase am linken Ärmel seines kleinen Herrn.
„Was gibt’s, Liddy“ brummte der Trapper. „Wenn Du etwa um Hafer betteln kommst. — ich habe keinen mehr!“
Liddy ließ ein kurzes Schnauben hören.
Das genügte, den Kleinen blitzschnell auf die Beine zu bringen. Im Nu hatte er ein paar Steine über die Glut gedeckt, einige Distelzweige darüber geworfen und mit seiner Büchse und der Hirschkeule sich hinter einige Felsblöcke an der östlichen Talwand zurückgezogen, wohin ihm Liddy von selbst folgte.
Die Schlucht lag nun wie ausgestorben da —
Der zwergenhafte Trapper behielt den Eingang drüben ständig im Auge. Wer in die Schlucht hineinwollte, mußte dort durch den von Gestrüpp fast völlig ausgefüllten Engpaß, eindringen. Einen anderen Weg in dieses tiefe, steile Tal gab es nicht.
Das Maultier Liddy hatte den Kopf ebenfalls vorgereckt und sog die Luft prüfend durch die Nüstern ein. Dieselbe Spalte zwischen den Felsblöcken diente Herr und Tier zur Beobachtung des Eingangs. Einige Dornenbüsche vor dieser Spalte schützten sie gegen jeden spähenden Blick.
Dann ließ Liddy abermals einen ganz leisen gurgelnden Ton vernehmen, der wie ein unterdrücktes Schnauben klang.
Der kleine Trapper kannte seine Liddy und deren feinen Geruchssinn und ihr noch besseres Gehör.
Er wußte: dieses Gurgeln zeigte das Nahen eines Fremden an, der sich bereits in Sichtnähe befinden mußte.
Er schaute daher noch schärfer nach dem Engpaß hinüber —
Ah — das Gestrüpp schob sich jetzt etwas auseinander, und der mit Adlerfedern geschmückte Kopf eines Indianers wurde für einen Moment sichtbar.
„Hm — eine langhaarige Rothaut, also ein Komanche!“ brummte der Trapper. „Was tut ein Komanchenhäuptling hier am Rio Pecos?! Kam mir auch bekannt vor, das Gesicht —! Müßte mich verdammt irren, wenn’s nicht der schwarze Panther war!?“
Abermals teilte sich das Gestrüpp, und der Komanche glitt jetzt wie eine Schlange lautlos in die Schlucht hinein — tief gebückt, die Augen auf den Boden gerichtet.
Wieder brummte der Zwerg hinter den Felsblöcken in leisem Selbstgespräch:
„Ich hob’ doch meine Fährte so tadellos verwischt —! Freilich, — der schwarze Panther soll ja wohl Augen wie ein Luchs haben, der selbst bei Nacht —“ — Er schwieg plötzlich, denn der Komanche hatte sich aufgerichtet und schaute nun nach den Felsblöcken hinüber, rief, dann leise:
„Der kleine Jäger, den man, Ben, den Hinkenden, nennt, möge aus jenem Versteck hervorkommen. Die Apachen sind in Scharen auf meiner und meines weißen Bruders Felsenherz Fährte. Drei Büchsen sind besser als zwei —“
In demselben Augenblick erschien auch in dem Engpaß ein schlanker, großer, blondbärtiger Mann, und hinter ihm her kamen zwei Pferde, ein Brauner und ein Rappe, beides tadellos gebaute Tiere, deren feine Köpfe und lebhafte Augen Klugheit und ein lebhaftes Temperament verrieten.
Felsenherz kam näher. Ben musterte ihn von oben bis unten, reichte ihm die Hand und meinte:
„Freut mich, Master, Euch nun persönlich kennen zu lernen. Gehört habe ich schon von Euch. Droben am Kolorado erzählte man mir, daß Ihr eine verdammt harte Faust haben sollt! Schade nur, daß Ihr so lang geraten seid! Mann, Ihr bietet zu viel Zielfläche! Seht, da habe ich’s besser. Ich messe genau einen Meter neununddreißig Zentimeter und bin dabei so mager, daß die Kugeln merschtendeels — oder vornehmer ausgequetscht: meistenteils an mir vorüberfliegen. Es lohnt wirklich nicht, auf mich zu schießen. Und die roten und weißen Schafsköpfe, die’s mal versuchten, haben’s auch nie wieder getan —, aus dem sehr einfachen Grunde, weil Ben, der Hinkende, nämlich nie daneben knallt! — So, nu wollen wir aber lieber diese Mausefalle verlassen, denk’ ich, denn wenn die Apachen hinter Euch beiden her sind, ist diese Schlucht ein verdammt ungeeigneter Ort, meine Hirschkeule in Ruhe zu verzehren. Ich kenne ein besseres Plätzchen, und es liegt nicht allzu weit von hier ab.“
Da erklärte der Häuptling ernst:
„Ben, der Hinkende, wird um seinen Skalp kämpfen müssen. In einer halben Stunde werden die Berge vom Geheul der stinkenden Apachenkröten widerhallen.“
Der kleine Trapper lachte. „Mögen sie nur heulen. Uns drei werden sie kaum — finden. Folgt mir! In einer halben Stunde könnt Ihr meine Hirschkeule probieren. Gar ist sie schon!“
Er schritt dem Ausgang der Schlucht zu. Sein linkes Bein war etwas kürzer als das rechte. Trotzdem waren seine Bewegungen gewandt und schnell.
Nachdem die drei dann nach Westen zu ein kahles, steiniges Tal durchschritten hatten, tauchte vor ihnen ein Waldstreifen auf, der zumeist aus Kiefern bestand. Der Wald zogt sich über eine Bergterrasse bis zum Ufer des Rio Pecos hinab.
Als Ben einen Nebenarm des Flusses erreicht hatte, stieg er ins Wasser und holte hinter überhängenden Dornbüschen ein plumpes Boot hervor, in dem zwei Ruder lagen.?
„Los — hinein!“ befahl er kurz. „Die Gäule müssen schwimmen!“
Felsenherz nahm die drei Tiere am Zügel. Ben und der Häuptling ruderten.
Bald befand man sich in der Strömung des Rio Pecos. Die Pferde und das Maultier waren das Schwimmen gewöhnt und machten keine Schwierigkeiten.
Das Boot schoß immer rascher dahin. Nach, kaum fünf Minuten wandte Ben den Kopf und rief dem schwarzen Panther zu:
„Hört Ihr das, Donnern eines Wasserfalles da vor uns?! — Wir werden sofort um eine neue Krümmung biegen. Dann seht Ihr in der Mitte des Stromes zwei kleine Inselchen liegen. Wir müssen zwischen ihnen hindurch. Etwa hundert Meter weiter stürzt der Pecos in flachem Fall über eine Barriere von Felsstücken. Dicht davor liegt eine dritte, etwas größere Insel. Wir werden von der Südseite zu landen suchen. Ihr werdet dort einen Wall von Treibholz bemerken, der die Hauptströmung ableitet. Also aufgepaßt, Häuptling!“
Das Boot glitt jetzt mit einer Geschwindigkeit dahin, die die drei Tiere doch unruhig machte. Sie schnaubten ängstlich und zerrten mit aller Macht an den Zügeln, wollten durchaus ans Ufer und ließen sich nur durch Felsenherz freundliches Zureden einigermaßen besänftigen.
Nun schoß das Boot zwischen den Inseln hindurch; und — hier in diesem Engpaß, der kaum dreißig Meter Breite hatte, zeigte es sich, daß die Apachen den drei Flüchtlingen doch bereits auf der Spur waren. —
Plötzlich Bens tiefe Stimme:
„Nach links hinüber, Häuptling! So wahr Euch Euer Leben, lieb ist —!“
Im gleichen Moment krachten aus dem Gestrüpp des rechten Inselchens auch schon drei Schüsse. Eine Kugel riß dem schwarzen Panther das Ruder aus der Hand; eine zweite fuhr durch Felsenherz Jackenärmel —
Dann folgten etwa acht Pfeile, die jedoch bei diesem unsicheren beweglichen Ziel bis auf einen, der Ben die Wange streifte, sämtlich fehlgingen.
Das Boot hatte bereits wieder offenes Wasser erreicht —
Ein wütendes Geheul, welches das Donnern der nahen Stromschnellen noch übertönte, erklang hinter den diesem Überfall glücklich Entronnenen drein.
Bens Wange blutete. Trotzdem lachte er grimmig auf, als die Rothäute ihre Enttäuschung durch diese gellen Schreie nur zu deutlich verrieten —
„Brüllt nur, verdammte Brut!“ meinte er. „Ben wird Euch die Quittung für seine aufgeschlitzte Backe sehr bald in hartem Blei überreichen —!“
Der schwarze Panther hatte sich jetzt über Bord geschwungen, um das Boot durch Schwimmstöße mit den Beinen lenken zu helfen. Das Ruder hatte er nicht wieder herausfischen können.
Jetzt kam der kritische Moment, wo das Boot aus der Hauptströmung nach links herübergedrückt werden müßte.
Zum Unglück waren die drei Tiere durch das Toben der Stromschnellen wieder derart unruhig geworden, daß Felsenherz sie kaum noch festzuhalten vermochte. Sie zerrten nach dem rechten Ufer hin.
Zu gleicher Zeit erschienen am linken Ufer auf einer Lichtung einige dreißig Apachen zu Pferde. Die Hälfte war mit Flinten bewaffnet. Die Roten merkten, daß die Flüchtlinge der Insel zustrebten und machten sich schußfertig —
Der junge Trapper Felsenherz rief Ben warnend zu?
„He, Ben, wir kommen den Burschen drüben zu nahe!“
„Hilft nichts! Muß sein!“ erklang die Antwort. „Häuptling, drückt die Spitze des Bootes mehr herum, oder wir ersaufen jämmerlich!“
Das Boot glitt wie ein losgeschnellter Pfeil in der bereits schäumenden, Blasen werfenden Strömung dahin. Der Komanche arbeitete mit aller Kraft und schob den plumpen Kahn auch wirklich immer mehr aus der Hauptströmung hinaus —
Noch zwanzig Meter trennten die Flüchtlinge von dem schützenden Wall von Treibholz —
Da begannen die Apachen zu feuern —
Aber ebenso gut hätten sie nach einem dahinrasenden Hirsche zielen können —
Noch fünf Meter —
Noch drei —
Mit einem Male machte. sich nun der tote Strömungswinkel hinter der Treibholzaufhäufung geltend —
Das Boot drehte sich, stand Sekunden fast regungslos —
Ben mühte sich nach Kräften mit dem einen Ruder ab.
Wieder ein paar Schüsse von drüben —
Der schwarze Panther hatte sich gerade in das Boot zurückschwingen wollen, fiel jedoch plötzlich matt über den Bootsrand und glitt langsam, kraftlos ins Wasser —
Felsenherz ließ die Zügel der drei Tiere los, beugte sich weit vor und bekam den Komanchen noch bei den Haaren zu packen —
Das Boot stieß hart auf. Ben war mit einem Satz auf dem nächsten Stein und zog es halb aufs Trockene. Ohne sich um Felsenherz und den Häuptling zu kümmern, tat er jetzt das in dieser Lage einzig Richtige: er nahm seine und des Komanchen Büchse und kletterte das steinige, schroffe Ufer der kleinen Insel empor, kroch durch die Büsche nach der Ostseite hinüber und kam gerade noch zur rechten Zeit, um fünf Apachen, die mit der Strömung die Insel zu erreichen suchten, gebührend zu empfangen —
Vier Schüsse — Und nur einer der Rothäute schwamm eilends dem Ostufer wieder zu.
„So!“ lachte der kleine Ben grimmig. „Ihr werdet uns jetzt ‘ne Weile in Ruhe lassen! Heult nur, Satansbrut! Der Ben wird Euch die Suppe schon versalzen!“
Dann kroch er wieder davon.
Inzwischen hatte Felsenherz den Häuptling nach oben unter die Büsche getragen. Die beiden Pferde und das Maultier waren von selbst das Steilufer hochgeklettert und knabberten jetzt das Laub — von den Sträuchern.
Ben erschien neben Felsenherz, beugte sich über den Verwundeten und meinte nach kurzer Untersuchung:
„Böse Sache! Lungenschuß! — Er ist bewußtlos. Aber — er soll sachgemäß behandelt werden. Ich verstehe mich darauf. — Hebt ihn wieder auf, Felsenherz! Es gibt hier einen besseren Ort als diesen —“

 

Zweites Kapitel.
Bens Schlupfwinkel.

Felsenherz nahm den schwarzen Panther behutsam in die Arme. Die Südspitze des Felseninselchens stieg steil an und lief in einen kahlen Felskegel aus, der zum Teil schon von dem Gischt der Stromschnellen umbrandet wurde.
Ben schob jetzt einen dichten Naturvorhang von Dornenranken und Schlingpflanzen beiseite und enthüllte so die Öffnung einer gut zwei Meter breiten Spalte, die sich durch den kegelförmigen Hügel hindurch zog und die in der Mitte sich bis auf vier Meter erweiterte. Die beiden Ausgänge dieser Kluft nach Norden und nach Süden waren von Dornbüschen und kleineren Tannen, die sich in den Ritzen des Gesteins eingenistet hatten, fast völlig verdeckt, während die Spalte nach oben zu sich schräg fortsetzte und bis auf einen schmalen Riß verengte.
In dieser luftigen, kühlen Grotte herrschte ein Zwielicht, an das sich des jungen Trappers Augen erst gewöhnen mußten.
„Hier — legt den Häuptling auf dieses Fell,“ meinte Ben jetzt. „Ihr merkt wohl, Felsenherz, daß ich Euch in eins meiner geheimen Verstecke geführt habe. Hier liegen meine Felle, die Tausende wert sind. — Wartet, ich werde eine Fackel anzünden.“
Die qualmende Kienfackel schob er dann in eine Spalte hinein.
„So, nun holt die Tiere!“ fügte er hinzu. „Sie haben hier ganz gut Platz —“
Felsenherz eilte dem Nordufer wieder zu. Seine Büchse lag noch im Boote. Als er aus alter Gewohnheit sich geräuschlos durch die Sträucher wand, hörte er seinen Braunen wütend schnauben —
Sofort riß er den Tomahawk aus dem Gürtel, nahm das lange Jagdmesser in die Linke und kroch in Kurzem Bogen um die kleine Lichtung herum, auf der die Tiere standen.
Dann hatte er eine Lücke in den Büschen erreicht —
Sein Blick fiel auf den Treibholzwall, auf das links daneben liegende Boot — —
Zwei Apachen bemühten sich gerade, das Boot ins Wasser zu schieben, während zwei andere auf der äußersten Spitze des Walles auf einem angeschwemmten Baumstamm saßen und es mit einem an der einen Ruderbank befestigten Lasso wegzuzerren sich bemühten —
Felsenherz war mit einem Satz die Uferböschung hinunter —
Er schlug mit dem flachen Tomahawk den einen Apachen nieder; der andere sprang ins Wasser —
Der blonde Trapper stieg ins Boot, packte seine Büchse und Bens Schlafdecke —
Seine Augen blieben auf die beiden Apachen auf dem Baumstamm gerichtet —
Diese zogen den Lasso jetzt mit einem Ruck an —
Das Boot wurde flott —
Felsenherz erkannte die furchtbare Gefahr. Wenn die Apachen den Lasso jetzt freigaben, mußte das Boot in die Strömung geraten und in die Fälle hinabschießen —
Er ließ die Decke fallen, legte an —
Blitzschnell waren die beiden Roten von dem Baumstamm verschwunden —
Aber den Lasso hatten sie in den Händen behalten, rückten nun, für Felsenherz unsichtbar, nochmals zu und brachten das Boot so in den Bereich der Strömung.
Ein gellendes Triumphgeschrei kam hinter dem Treibholzwall hervor —
Der Lasso lockerte sich — Das Boot schoß; mit der Strömung nach Westen um die Insel herum —
Einen Moment nur war Felsenherz wie erstarrt. Er hatte hier den sicheren Tod vor Augen — Es gab nur eine Möglichkeit der Rettung. Mit dem einen Ruder konnte er gegen die Strömung nichts ausrichten —
Er griff nach dem Lasso, dessen freies Ende in eine Schlinge auslief —
Schon glitt das Boot an der Insel vorüber dem brausenden Wasserfalle zu —
Dort am Ufer ragte der Stumpf einer Tanne aus dem Steingeröll hervor —
Alles hing jetzt von Felsenherz sicherer Hand ab —
Die Entfernung betrug kaum vier Meter. Zum langen Zielen hatte er keine Zeit —
Der Lasso wirbelte durch die Luft —
Die Schlinge glitt über die Spitze des Baumstumpfes hin —
Würde der Lasso halten? Würde der Tannen stumpf nicht vielleicht schon zu sehr an der Wurzel abgefault sein —?! —
Felsenherz spannte den Lasso straff, ließ ihn allmählich durch die Hände gleiten —
Dann ein Ruck —
Das Boot erzitterte — Der Lasso erklang wie eine Bogensaite; aber — er hielt —
Und nun drückte die Strömung das Boot von selbst dem Inselchen zu, nun hatte Felsenherz gewonnenes Spiel.
Er sprang auf die Steine, packte den Nachen, zog ihn völlig an Land, nahm seine Büchse und die Schlafdecke, knotete den Lasso los und eilte wieder durch die Sträucher zu den drei Reittieren bin —
Von den Apachen war nichts mehr zu sehen. Sie schienen vorläufig das Inselchen wieder verlassen zu haben —
Als Felsenherz mit den Tieren die Grotte betrat, hatte Ben den Häuptling bereits verbunden und auch die dicht an den Rippen stecken gebliebene Kugel herausgeschnitten.
Der schwarze Panther war jetzt bei Besinnung.
Felsenherz berichtete sein Abenteuer. — Ben nickte nur dazu. — „Daß die Bande die Insel sehr bald besetzen würde, sah ich voraus,“ meinte er. „Die Hauptsache ist, daß sie nicht in diese Festung hineingelangen können. — Helft mir, Felsenherz! Wir müssen den Mordausgang der Spalte verrammeln. Alles dazu Nötige habe ich schon vor Jahren zurechtgelegt, als ein Zufall mich dieses Versteck finden ließ.“
Dort, wo der lange Dornenvorhang den Boden berührte, lagen drei große, flache Steine. Der eine reichte gerade hin, die Spalte unten zu verschließen und konnte leicht durch kleinere Felsstücke so festgekeilt werden, daß er von draußen nicht zu entfernen war. Die beiden anderen Steinplatten über der ersten als Verschluß zu befestigen, machte schon mehr Mühe. Aber auch das gelang, zumal es für Felsenherz Bärenkräfte ein leichtes war, die Steine nah Wunsch zu verschieben.
„So,“ lachte der kleine Ben in seiner heiteren Art, „nun mögen die roten Halunken nur kommen! Hier an dieser Seite ist der Zugang versperrt, und der südliche Ausgang liegt direkt über den Fällen. Vorläufig sind wir also sicher —“ —
Eine halbe Stunde später war auch das Innere der Grotte zweckentsprechend hergerichtet. Felsenherz hatte die Tiere abgesattelt und sie auch trocken gerieben. Der kleine Ben kochte für den schwarzen Panther über einem Reisigfeuer in einem Blechnapf einen Tee aus fieberstillenden Kräutern.
„Jetzt erst sah sich Felsenherz hier genauer um. Er gewahrte jedoch außer einem Vorrat Holz, der in einer breiten Spalte lag, und außer ein paar Bündeln nichts von den Pelzvorräten, von denen Ben vorhin gesprochen hatte.
Der Komanche lag wieder mit geschlossenen Augen da und, röchelte schwer.
„Wo habt Ihr denn Euer Pelzlager?“ fragte Felsenherz flüsternd, „Es gibt hier wahrscheinlich noch eine Seitenspalte, die recht geräumig sein muß und die —“

„Stimmt!“ nickte der Kleine und deutete auf eine Stelle der östlichen Felswand. „Nur wer sehr genau hinsieht, merkt den Braten! — Fein gemacht — wie?! Habe die Felsstücke, die den Verschluß bilden, mühsam ausgepaßt, die Ritzen mit Flußschlamm verschmiert. Vor einem Jahr war ich zum letzten Male hier. Es gibt viele Trapper, Freund Felsenherz, die ähnliche Pelzdepots mitten im Jagdgebiet der Rothäute haben. Werdet das noch alles kennen lernen, — So, nun setz Euch und eßt. Den Häuptling werden wir schon wieder zusammenflicken. Die schlimmere Sorge ist für uns die Nahrung für unsere Tiere. Gewiß — dort mehr nach vorn liegt in einer Spalte ein Vorrat Heu.
Aber der reicht kaum für drei Tage bei drei Fressern. Na — in drei Tagen kann sich manches ereignen — Gutes und Schlechtes.“
Er hatte die Hirschkeule aus den großen Blättern ausgewickelt und gab sie Felsenherz. — „„Futtert nur tüchtig, Mann!“ meinte er aufmunternd. „In meinem Depot dort liegen noch vier geräucherte Bärenschinken und eine ganze Menge gepökeltes Büffelfleisch. — Inzwischen könnt Ihr mir erzählen, was Ihr hier am Rio Pecos getrieben habt —“
„Oh — das ist eine lange Geschichte, Ben,“ sagte der blonde junge Trapper und schnitt das erste Stück von der Hirschkeule herunter. „Der schwarze Panther und seine Schwester, die blaue Taube, waren von den Apachen gefangen genommen worden und wurden im Tale der sprechenden Wasser dort weiter nach Norden zu von zehn Kriegern bewacht. Es gelang mir, den großen Bär, den Oberhäuptling der Apachen, in meine, Gewalt zu bekommen. Wir waren unserer drei, die den schwarzen Panther und die blaue Taube befreien wollten: der lange Billy, dann der Indianerhändler, den man den Skalpierten nennt, und ich. Wir tauschten den großen Bär gegen die beiden aus. Die Apachen waren uns jedoch sehr bald auf den Fersen, und weil des schwarzen Panthers Schwester kein. Reittier hatte, trennten wir uns auf des Skalpierten Vorschlag, der mit Billy die blaue Taube nach der Llano Estacado in seine dortige sichere Behausung bringen wollte, während der Häuptling und ich eine recht deutliche Fährte zurücklassen sollten. Der Plan gelang: wir lenkten die Verfolger von der Spur der anderen ab und lockten die ganze rote Meute hinter uns her wieder dem Rio Pecos zu. Dann fand mein Bruder Chokariga, der schwarze Panther, die Schwanzhaare Eurer Liddy vor jener Schlucht und — das weitere wißt Ihr ja.“ —
Der kleine Ben hatte bei Erwähnung des Tales der sprechenden Wasser überrascht den Kopf gehoben und fragte jetzt:
„Meint Ihr etwa ein Tal mit einem besonders schwer zu findenden Zugang, Felsenherz? Und gibt es in diesem Tal einen Bach, der als Wasserfall über die Steinwand hinabstürzt und dabei seltsame, an Menschenstimmen erinnernde Geräusche hervorruft?“
„So ist’s, Ben! Und in diesem Tale stand bis vor kurzem ein Blockhaus dicht an der nördlichen Talwand, in dem wahrscheinlich Weiße wohnten. Die Apachen haben’s vor einiger Zeit niedergebrannt, und die Bewohner sollen sämtlich in den Flammen umgekommen sein. Das Zelt, in dem der schwarze Panther und die blaue Taube gefesselt bewacht wurden, erhob sich dicht an der Ruine dieses Blockhauses. Ja — und nun kommt das Merkwürdige, Ben: Mein roter Bruder Chokariga behauptet, er hätte einige Male nachts in den Ruinen des Hauses oder sonstwo in der Nähe Stimmen gehört, die nur aus den Kehlen von Weißen stammen konnten! Er hat mir ausdrücklich versichert, ein Irrtum seinerseits sei ausgeschlossen. Wir hatten denn auch vor, nochmals in das Tal zurückzukehren und die Sache näher zu untersuchen. Daß dort tatsächlich in oder bei den Ruinen des Blockhauses etwas Besonderes zu hören gewesen sein muß, bestätigt die abergläubische Scheu, die die zehn Apachen sehr bald vor den verkohlten Trümmern bezeigten.“
„Seltsam, seltsam!“ murmelte Bon der Hinkende. „Wie der Zufall schließlich alles ans Licht bringt —!“
„Was meint Ihr damit, Ben?“ fragte Felsenherz gespannt.
„Hm — auch das ist eine lange Geschichte, old Boy! Ich will mich aber kurz fassen — Vor fünf Monaten etwa war ich unten noch weiter südlich in dem Städtchen San Antonio, wollte Pulver und Blei kaufen und mal sehen, wie’s denn so in der sogenannten zivilisierten Welt steht. Da lernte ich nun in einer Kneipe eine deutsche Familie kennen. Berner hießen sie. Waren vier Personen: ein Vater mit zwei Söhnen und einer Tochter, alles kräftige Menschen. Die Frau war während der Seereise nach Galveston gestorben. — Diese Berners nahmen mich nun gegen anständige Bezahlung als Reisebegleiter und Beschützer in Dienst. Sie wollten sich irgendwo am Rio Pecos ansiedeln. Ich riet ab und meinte, die Apachen würden ihnen dort sehr bald über den Hals kommen.!
Na — weil die Berners von ihrem Plan nicht abzubringen waren, verließen wir denn San Antonio mit einem mit vier Maultieren bespannten Reisewagen, der allerlei Geräte enthielt.
Ich, merkte sehr bald, daß die vier Deutschen etwas vor mir geheim hielten. Sie waren die richtigen Greenhorns, waschechte Neulinge, und doch hatten sie fraglos irgend ‘ne bestimmte Gegend hier am Pecos im Auge, die ihr Reiseziel bildete. Sie lernten unterwegs so allerlei von mir. Doch — sie waren nicht offen. Das ärgerte mich. Und deshalb belauschte ich sie einmal. Sie glaubten, ich wäre auf die Jagd gegangen. Da hörte ich denn, daß sie ein „Tal der sprechenden Wasser“ erwähnten, zu dem der Zugang sehr schwer zu finden sein sollte. Mehr konnte ich nicht verstehen.
Als wir dann etwa bis in diese Gegend gelangt waren, brach der alte Berner mit mir einen Streit vom Zaun. Ich fühlte: sie wollten mich los sein! — Ich erhielt die ausbedungene Bezahlung und noch ein paar nützliche Dinge dazu und trennte mich von ihnen in der Absicht, sie weiter zu beobachten.
Doch — sie fingen die Sache jetzt sehr schlau an. In einer Gewitternacht, deren Regengüsse alle Spuren wegwuschen, verschwanden sie. Das war vor drei Monaten etwa. Seitdem habe ich mich hier beständig herumgetrieben und sie gesucht. Nicht etwa aus bloßer Neugier! Nein, die Berners waren nette Leute, und ich wollte mich doch überzeugen, ob sie wirklich so leichtsinnig gewesen wären, den Apachen so dicht auf der Nase sozusagen sich anzusiedeln.
Na — jetzt weiß ich, wo sie geblieben sind — Das Blockhaus in jenem Tale haben fraglos die Berners erbaut gehabt! Und ebenso sicher ist, daß sie gerade jenes Tal erreichen wollten.
Hm, meint Ihr nicht auch, Felsenherz, daß, diese Geschichte des Blockhauses in dem Tale der sprechenden Wasser reichlich geheimnisvoll ist —! — Weshalb wollten die Berners ausgerechnet dorthin?! Und — was haben nun die Stimmen zu bedeuten, die der schwarze Panther gehört haben will?!“
Felsenherz wischte nachdenklich sein Jagdmesser ab und blickte in die Glut des kleinen Feuers.
„Ben, ich bin selbst ein Deutscher,“ sagte er dann. „Wenn wir aus dieser Mausefalle glücklich entwischen, müssen wir dem Geheimnis auf den Grund geben. Schon weil es sich um Landsleute von mir handelt.“
Ben nickte.
„Mache gern dabei mit, Felsenherz! Sehr gern, Nur — der Häuptling müßte rasch gesund werden!“ —

 

 

Drittes Kapitel.
Von den Apachen gehetzt.

Bens Gebräu bewährte sich. Der Häuptling bekam nur schwaches Wundfieber.
Felsenherz war inzwischen mehrfach am Südausgang der Grotte gewesen und hatte den an den Lasso angebundenen Blechnapf mit Wasser aus den Fällen gefüllt, hatte auch die Pferde versorgt und durch die Ritze des verrammelten Nordausgangs nach den Apachen ausgespäht.
Es war mittlerweile gegen vier Uhr nachmittags geworden.
Ben und Felsenherz saßen neben dem Lager des Komanchen und berieten jetzt, was man wohl unternehmen könnte, um aus dieser Mausefalle zu entweichen
Der Rauch des kleinen Feuers verlor sich oben in der Felsspalte. Felsenherz blickte den grauen Wölkchen sinnend nach, fragte dann plötzlich:
„Habt Ihr eigentlich früher mal versucht, die Spitze dieses Felsens zu erklettern, Ben?“
„Nein! Und zwar deshalb nicht, weil ich mich nicht mit einer acht Meter langen Leiter herumschleppe.
Denn ohne son Ding kommt keiner da nach oben. Der Kegel ist zu steil und die Wände sind glatt wie poliert. Hab’ mir den Felsenkoloß natürlich daraufhin angesehen. Schon deshalb, weil sonst ja mal so ne verdammte Rothaut dort hinaufkriechen und mir durch die Spalte was auf den Kopf schmeißen könnte. Ich weiß nur, daß die Spalte nach oben zu ganz eng wird. Das sieht man ja von außen.“
Felsenherz stand auf.
„Wie wär’s, wenn ich versuchte, hier von innen in diesem natürlichen Kamin hochzusteigen?! sagte er bedächtig. „Die Spalte zieht sich ja schräg nach oben und hat dort, wo die Pferde stehen, schon in zwei Meter Höhe so viele Zacken, daß bei einiger Geschicklichkeit —“
Gleich darauf war Felsenherz in der Spalte bereits verschwunden, rief dann Ben nach einer Weile zu:
„Ich, habe recht behalten, Ben! Die Spalte hat hier Raum genug, einen Menschen ins Freie zu lassen. — Paßt auf! Ich werfe Euch meinen Lasso hinab. Bindet meine Büchse daran fest. Vielleicht kann ich sie oben brauchen. Der Kegel ist nämlich abgestumpft, und auf dieser Plattform liegen Steine und wachsen Dornen und ein paar kleine Tannen. Jedenfalls werde ich nun feststellen können, was die Apachen treiben und ob sie sich noch auf unserem Inselchen herumdrücken.“
Er zog die Büchse langsam hoch. Als er sie in der Hand hatte, schob er sich vollends aus dem Loch heraus, hütete sich aber, sich aufzurichten, kroch vielmehr zwischen den Steinen hindurch bis zur Ostseite und lugte nun vorsichtig umher.
Das Ufer drüben war leer — scheinbar!
Felsenherz kannte aber die Rothäute. Sie steckten natürlich irgendwo im Gestrüpp.
Dann blickte er nach links über die Insel hin. Auch hier nichts Verdächtiges — scheinbar!
Nun kroch er nach dem Westrande hinüber —
Ah — das Boot war verschwunden —! Die Apachen hatten es bereits entführt —!
Von diesem Platze aus konnte er nun auch die Wasserfälle in ihrer ganzen Breite überschauen.
Da — plötzlich prallte dicht neben seinem Kopf eine Kugel auf einen Stein. Die Bleisplitter trafen sein Gesicht; er fühlte warmes Blut über die rechte Wange rieseln —
Blitzschnell schob er sich rückwärts in den Schutz eines größeren Steines —
Der Schütze konnte nur auf einer der Riesenkiefern hocken, die dort dicht am Ostufer standen, überlegte er sich —
Er nahm seinen großen Schlapphut ab, stülpte ihn über einen länglichen Stein und hob ihn, langsam hoch, klemmte den Stein oben auf dem größeren fest und kroch nach links hinüber, behielt dann, durch die Zweige einer Tanne spähend, die beiden höchsten Kiefern im Auge —
Die List gelang —
In der rechten Kiefer bewegte sich etwas —
Jetzt tauchte der Kopf eines Apachen auf, der sich offenbar mit einem Lasso an einem höheren Ast angeseilt hatte, um die Arme zum Schießen frei zu haben.
Der Kopf verschwand wieder.
Felsenherz wartete geduldig, Hatte jetzt seine Büchse gespannt und halb erhoben —
Abermals erschien der Kopf des Apachen. Und — nun tauchte links von ihm noch ein zweiter auf —
Beide schoben ihre einläufigen Flinten vor —
Zwei Schüsse krachten —
Zwei weitere kamen wie ein Echo von dem Felskegel herüber —
Und — beide Apachen pendelten nun leblos in den Lassoschlingen zwischen den Kiefernästen. Felsenherz hatte auf die Köpfe gezielt; und seines Schusses war er sicher —
Den beiden letzten Schüssen folgte vom Ufer her ein wahnwitziges Wutgebrüll —
Und in der Lichtung des Uferwaldes erschien nun zu Pferde die herkulische Gestalt des großen Bären, drohte mit dem Skalpmesser nach dem Inselchen hinüber und stieß den schrillen Schlachtruf der Apachen aus —
Mit einem Male fühlte Felsenherz sich sacht zur Seite gedrängt.
Ben war ihm nachgeklettert, hatte seine lange Büchse mit, legte an, zielte kurz und feuerte —
Das Pferd des Apachenhäuptlings hatte jedoch im selben Moment einen Sprung nach vorwärts getan —
„Pest!“ fluchte der Kleine. „Ein Loch in die Natur!“
Das Pferd des großen Bären bäumte sich, tat noch zwei Sprünge und brach zusammen, warf seinen Reiter in das hohe Gras der Waldblöße —
„So, Freundchen!“ lachte Ben. „Deinen Gaul bist Du los! Du wirst Dich nicht zum zweiten Male als Zielscheibe hinstellen —! — Übrigens, o1d Boy,“ wandte er sich an Felsenherz, „die beiden Roten dort in den Ästen machen sich gut! Die Burschen dienen den anderen als Warnung —!“
Sie luden ihre Büchsen im Liegen, und Felsenherz kroch dann zurück und holte seinen Hut.
Als er dann Ben seinen Fluchtplan auseinandersetzten wollte, rief der kleine Trapper plötzlich:
„Wahrhaftig — dort — ein Weißer! Dort drüben auf der Lichtung —! Ha — die roten Schufte sind dicht hinter ihm —! — Felsenherz — jetzt gilt’s! Kriegen die Apachen den Armen zu fassen, schmoren sie ihn bei lebendigem Leibe! Ihr nehmt die beiden ersten, ich die nächstfolgenden —!“
Der Weiße galoppierte dem Flusse zu —
Acht — zehn Apachen waren keine dreißig Meter mehr ab —
Der eine schwang schon das Wurfbeil —
Felsenherz zielte auf die Stirn des Pferdes. Als dieses zum nächsten Sprunge ansetzt, drückte er ab —
Auch Ben feuerte bereits —
Zwei Gäule hatten sich überschlagen. Die Apachen stutzten —
Der Flüchtling war bereits am Ufer angelangt, sprang aus dem Sattel —
Felsenherz hatte sich — aufgerichtet — Seine Hände lagen als Schallrohr am Munde —
„Hallo — hierher, Mann!“ brüllte er mit äußerster Lungenkraft, um den Lärm der Fälle zu übertönen! —
Der Weiße schaute nach dem Kegel hinüber, sprang ins Wasser —
„Die Strömung wird ihn fortreißen,“ keuchte Ben vor Aufregung —
Aus dem Ufergestrüpp knatterten Schüsse —
Der Flüchtling stieß einen gellenden Schrei aus, versank —
„Armer Teufel!“ meinte Ben. „Na — jedenfalls war dieser Tod noch immer besser als der am Marterpfahl!“ —
Da — eine Kugel zischte über Ben hinweg.
„Bande!“ schimpfte er und duckte sich. „Ich wollte doch nur mal feststellen, ob die Leiche des Ärmsten in den Fällen wieder zum Vorschein kommt!“
Dann folgte er kriechend Felsenherz nach der Westseite des Kegels.
„Ben,“ erklärte der junge Trapper hier, „seht Ihr dort links genau in Richtung unseres Inselchens die großen Blöcke?“
„Na — ich hab’ doch Augen, old Boy!“
„Schön — Wenn wir nun unsere vier Lassos — unsere drei und den aus dem Boote — zusammenbinden, so erhalten wir einen Riemen, der vom Ufer unten bis zu den Blöcken doppelt reicht —“
„Aha — verstehe, Freundchen! Verstehe —! An dem doppelten Riemen könnte man getrost mit der Strömung —“
Er schwieg, — packte Felsenherz’ Arm —
„Dort — dort —! So wahr meine Liddy ‘nen richtgen Menschenverstand hat! das ist der Fremde, der da hinter dem einen Block soeben aufgetaucht ist! Der Mann versteht seine Sache! Muß das ein gewandter Schwimmer sein —! — Da — jetzt hebt den Kopf —! Wartet — ich werde mit meiner Mütze winken — Aha, er hat’s bemerkt!“
„Ja — und nun gilt’s, sich mit ihm zu verständigen,“ rief Felsenherz, „Sucht ihm durch Zeichen klarzumachen, daß wir ihn nach Sonnenuntergang holen werden.“
Bon schob sich noch weiter vor.
Er begann eine Art Zeichensprache, bei der Ben erst mit der Hand auf die Sonne und dann nach Westen deutete, wo sie bald untergehen mußte. Dann folgten Armbewegungen, als ob Ben ein Tau aus der Richtung der Fälle langsam an sich zöge.
Der Fremde schien begriffen zu haben, denn er winkte verschiedentlich herüber.
Die Apachen auf dem Ostufer konnten von alledem nichts wahrnehmen, da diese Szene sich ja auf der Westseite der Kegelplatte abspielte und der Fremde durch die Felsblöcke gegen Sicht gedeckt war.
Ben kehrte dann durch den Felskamin im die Grotte zurück. Der junge Trapper aber wollte bis zum Einbruch der Dunkelheit hier oben bleiben. Er kroch wieder nach der anderen Seite der Plattform und beobachtete das Ostufer und den Flußarm zwischen dem Inselchen und dem Lande, der hier keine fünfzig Meter breit war.
Felsenherz fragte sich, wer der Flüchtling wohl sein könne. Ein Trapper war es anscheinend nicht. Der Mann trug einen grauen Joppenanzug von städtischem Schnitt, dazu einen breitrandigen Strohhut, der ihm jetzt freilich ebenso wie seine Büchse verloren gegangen war. Seine hohen Stiefel deuteten ebenfalls auf einen Farmer hin. Ohne Zweifel war der Mann noch jung. Sein dunkler Schnurrbart schien gepflegt zu sein, und seine ganze Aufmachung verriet die Sorgfalt, die er seinem äußeren Menschen zu widmen gewohnt war.
All das war Felsenherz schon beim ersten Anblick dieses Weißen durch den Sinn geschossen. Nun überlegte er, was den jungen Farmer wohl hier in diese gefährliche Gegend geführt haben könne. Ob der Flüchtling etwa zu einem Auswandererzuge gehörte, den die Apachen überfallen hatten? — Felsenherz lehnte auch diese Annahme ab. In das Jagdgebiet der Apache am Rio Pecos wagte sich so leicht niemand von neuen Ansiedlern. Wenn die Familie Berner dies trotz alle Warnungen getan hatte, dann mußte das fraglos seinen besonderen Grund gehabt haben —
Der blonde Trapper hatte sich seit Minuten mit in seine Gedanken eingesponnen, daß er auf seine Umgebung nicht recht achtgegeben hatte.
Er wurde jetzt wieder aufmerksamer. Sein scharfer Blick glitt prüfend über das Ufergestrüpp, die Bäume und den Fluß hin. Und dieser Blick blieb nun an einem Floß haften, das stromabwärts grade über den Pecos schwamm.
Nein — es schwamm nicht! Es wurde gezogen und wie er sehr bald feststellte. Und — es schwamm auch nicht über den Pecos! Nein, die Lassos, die als Zugstricke dienten, wurden vom Ufer aus straff gespannt —! —
Und das Floß selbst?
Für einen mit allen Teufeleien der Rothäute so vertrauten Westmann, wie es Harry Felsen, jetzt Felsenherz genannt, in kurzer Zeit geworden war, genügte ein einziger Blick, um die Absicht der Apachen, die sie mit diesem vorn mit einer Art Bollwerk oder Brustwehr versehenen Flosse verfolgten, zu durchschauen —
Felsenherz kroch rasch zurück und in die Spalte hinein.
„Was gibt’s?!“ fragte Ben, als der junge Trapper hastig in der Grotte erschien.
„Die Apachen wollen dem Flüchtling ans Leben!“ flüsterte Felsenherz, um den schlafenden Verwundeten nicht zu stören. „Sie haben ein Floß hergestellt und ziehen es an zusammengeknoteten Lassos am Ostufer auf die Stromschnellen zu. Das Floß hat eine Brustwehr, und hinter dieser stecken die Roten. Hinten sieht man eine Art Steuer, mit dessen Hilfe sie das Floß immer weiter vom Ufer abdrücken können, so daß sie dem Weißen, der hinter den Blöcken verborgen ist, eine Kugel zusenden oder ihn gar durch einen Lassowurf zu sich hinüberzerren werden. Das Floß kommt in der Strömung nur langsam vorwärts und ist noch zweihundert Meter entfernt. Eile tut Not, Ben! Ich werde jetzt sofort versuchen, den Mann zu retten. — Schnell, helft mir, unsere vier Lassos aneinander zu knoten! ich nehme nur mein Messer mit — Ihr aber, Ben, müßt von der Plattform aus nach Möglichkeit das Floß beschießen. Ich rate Euch, zielt auf die Lassos, die an der Brustwehr festgebunden sind. Vielleicht gelingt es Euch, die Riemen zu treffen. Denn auf die Apachen selbst könnt Ihr nicht feuern. Die Brustwehr ist zu hoch.

 

Viertes Kapitel.
Eine Floßfahrt wider Willen.

Gleich darauf wurde der verrammelte Eingang zum Teil frei gemacht, und Felsenherz schlüpfte lautlos mit den vier Lassos in die Büsche. Das Messer hatte er zwischen die Zähne genommen, Er erreichte auch ungehindert jenen Baumstumpf an der Westseite, der ihm schon vorhin das Leben gerettet hatte.
Eiligst knüpfte er die Mitte der zusammengeknoteten Lassos um den Stumpf, prüfte, ob dieser auch noch fest im Boden saß, und ließ sich dann von der reißenden, gurgelnden Strömung forttreiben, wobei ihm die beiden Lassoenden langsam durch die Hände glitten, so daß selbst die Gewalt dieser pfeilschnell dahinfließenden Wassermassen ihn nicht rascher, als er beabsichtigte weiter trug.
Dann ruderte er mit aller Macht nach links hinüber, wo aus dem weißen Schaum der brüllenden Fälle die schwarzen, nackten Felsblöcke herausragten, die sich fast stufenweise nach unten hin fortsetzten.
Es war ein furchtbarer Kampf, den hier die Kraft eines Einzelnen gegen die Naturgewalten des Pecos-Flusses ausfocht, In dieser Strömung eine bestimmte Richtung einzuschlagen, erforderte übermenschliche Anstrengung, zumal Felsenherz nur die Beine zu Schwimmstößen benutzen konnte.
Mit verzweifelter Energie wiederholte er stets aufs neue diese Versuche, die Strömung zu überwinden —
Zentimeter für Zentimeter erkämpfte er sich den Weg bis zum ersten Block —
Nun hatte er ihn erreicht, nun glitt er daran vorbei dem zweiten, tiefer gelegenen zu —
Hier fanden seine Füße Grund; hier stemmte er sich mit krummem Rücken gegen die stürzenden Wasser —
Der Sprühregen der Fälle hüllte ihn ein, erschwerte ihm das Atmen —
Er mußte die Lassos so fest umklammern, daß sie ihm hie Haut der Handflächen zerschnitten, sonst hätte er sich gegenüber diesen ungeheuren Kräften der herabdonnernden Massen niemals behaupten können —
Dann schöpfte er, eng hinter den zweiten Block gedrückt, eine Weile Atem —
Der Flüchtling hatte ihn bemerkt und versuchte, auf den schlüpfrigen Steinen höher zu klimmen —
Etwa sieben Meter nur trennten die beiden Männer —
Da — das Floß war jetzt bereits auf Schußweite heran —
Ein Feuerstrahl sprang aus der Brustwehr auf —
Die Kugel hatte dem Flüchtling gegolten, mußte dicht an dessen Kopf vorübergesaust sein, denn Felsenherz sah, wie der Fremde sich schnell lang hinwarf und die schäumenden Sprudel über ihn hinweggingen. Dann richtete er sich langsam wieder auf —
Ein zweiter Feuerstrahl aus der Brustwehr —
Neben Felsenherz klatschte das Blei gegen den Felsen —
Gleich darauf ein dritter Schuß —
Felsenherz erkannte, daß die Lage für ihn kritisch wurde. Er durfte keinen Moment mehr zögern —
Er nahm das eine Lassoende und warf es dem Flüchtling zu, der es auch glücklich auffing und sofort mit Hilfe dieses Stützpunktes des straff gespannten Lederseiles höher klomm.
Felsenherz hatte sich jetzt gebückt —
Ein paar Kugeln waren wieder über ihn hinweggezischt —
Er wollte kehrt machen — Seine Aufgabe hier war beendet. Der Flüchtling mußte nun selbst versuchen, die Insel zu gewinnen —
Plötzlich hinter ihm ein höllisches Wutgebrüll —
Der kleine Ben hatte seines jüngeren Gefährten Rat befolgt und von der Plattform des Kegels aus einen der drei Lassos, die das Floß, in der Strömung festhielten, zerschossen —
Das Floß hatte sich halb gedreht. Und Bens zweite Kugel fuhr jetzt einem der sechs Apachen, die hinter der Brustwehr hockten, durch den Schädel —
Dann hatte Ben nach Felsenherz Doppelbüchse gegriffen, die er ebenfalls mit nach oben genommen hatte —
Zweimal drückte er ab, und zwei weitere Apachen kollerten: von dem schmalen Floß ins Wasser —
Das Wutgebrüll der am Ufer befindlichen Rothäute verstummte.
Dafür begannen jetzt ein paar von ihnen, die inzwischen sich wieder oben in den Riesentannen eingenistet hatten, auf Felsenherz und den Flüchtling zu feuern —
Felsenherz hatte nur noch zwei Meter zurückzulegen, dann schützte ihn die Insel vor diesen Kugeln —
Mit blutenden Händen zog er sich Griff für Griff mit dem Lasso weiter
Da — es war, als hätte ein unsichtbares Messer die Lederleine plötzlich durchschnitten —
Felsenherz hielt nur noch ein kurzes Ende des Lassos in den Händen — Eine Kugel hatte die Leine getroffen —
Die pfeilschnelle Strömung riß ihn mit fort — dem sicheren Tode entgegen —
Er schoß an dem Flüchtling vorüber, der dicht hinter ihm gewesen war —
Jetzt galt’s! Wenn es ihm nicht gelang, aus der Hauptströmung hinauszukommen, wenn er nicht links auf die Felsblöcke zutrieb, mußte er in wenigen Sekunden dort in den Fällen zerschmettert werden.
Drei Schwimmstöße mit schier übermenschlicher Kraft —
Dann umkrallten seine Hände den obersten Stein, fanden eine Ritze, packten fester —
Die Strömung riß. seinen Körper herum nach der Tiefe zu —
Die Fingergelenke drohten ihm gesprengt zu werden —
Vor Anstrengung stieß er einen heulenden Ton aus —
Und — siegte! Er hatte seinen Körper der Strömung entzogen, stand hinter dem Stein —
Klatsch, — schlug eine Kugel gegen den Block —
Klatsch — noch eine! —
Felsenherz bückte sich. Aber die Schützen auf den Bäumen erspähten ihn auch so —
Er konnte hier nicht bleiben — Er kletterte tiefer —
Nun wurde auch vom Flosse aus auf ihn gefeuert —
Ben war noch mit Laden beschäftigt; Ben konnte ihm gerade jetzt diese roten Teufel nicht vom Leibe halten —
Die Felsblöcke waren mit glitschigem Moos und Flechten überzogen, waren daher so glatt wie mit Seife eingeschmiert —
Des blonden Trappers rechter Fuß kam ins Gleiten — Er fiel hin — Seine Beine rutschten in die Strömung — zum Glück nach links, wo diese bedeutend schwächer war —
Jetzt gab’s kein Festklammern mehr —
Die Finger fanden keinen Halt, keine Ritze —
Felsenherz schoß in die Strudel hinab —
Vom Ufer her ein gellendes Triumphgeschrei —
Das Floß war inzwischen wieder näher an das Ostufer herangetrieben, hatte sich von der Insel und den Fällen entfernt.
Die hinter der Brustwehr hockenden, noch lebenden drei Apachen waren jetzt von Bens Kugeln sicher. Einer von ihnen handhabte das Steuer. Die beiden anderen spähten nach den Sprudeln hinüber, ob dort nicht des ertrunkenen Bleichgesichts Leiche von den Wassern wieder ausgespien werden würde —
Da erschien ein blonder Kopf dicht neben dem Flosse —
Felsenherz war wie durch ein Wunder auf keinen Felsen aufgeprallt, hatte sich aus den Sprudeln hocharbeiten können und trieb dann gerade auf das Floß zu —
Einer der Apachen hob den Tomahawk —
Felsenherz’ linke Hand hatte sich an einem der Baumstämme festgeklammert —
Die Rechte riß das Messer aus dem Munde, fuhr zurück —
Das Messer sauste dem Apachen in das Handgelenk. Er ließ den Tomahawk fallen —
Der Trapper hatte sich schon hochgeschwungen —
Ein Fußtritt beförderte einen der Gegner ins Wasser, ein Fausthieb unter das Kinn ließ den zweiten zusammenknicken.
Der dritte mit dem Messer im Handgelenk schlug mit dem Kolben zu —
Felsenherz wich dem Hiebe aus, packte den Roten am linken Arm, stieß ihn ins Wasser, nachdem er noch mit blitzschnellem Griff sein Messer wieder an sich gebracht hatte.
Dann beugte er sich auch schon über die Brustwehr —
Zwei Schnitte durch die Lassos, und das Floß schoß vom Ufer weg in die Hauptströmung hinein, schoß weiter flußabwärts —
Ein paar hinterdrein gefeuerte Schüsse blieben wirkungslos —
Felsenherz sank jetzt erschöpft auf die Baumstämme. Einen Moment drohten ihm die Sinne zu schwinden —
Selbst für einen so bärenstarken Mann wie ihn waren diese letzten Minuten eine zu gewaltige Nervenanspannung und Kraftprobe gewesen —
Er erholte sich rasch.
Er schaute sich den betäubten Apachen an, der regungslos neben ihm lag. Es war ein noch junger Krieger, der seltsamerweise nicht wie seine Stammesgenossen den Schädel bis auf eine Skalplocke geschoren hatte, sondern das blauschwarze Haar in einem Schopf hochgebunden trug. In diesem Schopf waren die Gestreiften Federn des Präriehuhnes befestigt, außerdem noch ein Schmuck aus Bärenfangzähnen.
Felsenherz wunderte sich über den zierlichen Gliederbau des jungen Kriegers, nicht minder über das hübsch verzierte Hirschlederne Jagdhemd und die mit Perlen reich bestickten Mokassins —
Plötzlich beugte er sich tiefer über den Bewußtlosen —
Und — die soeben in ihm aufgetauchte Vermutung wurde zur Gewißheit: er hatte eine Indianerin vor sich — eine junge, kaum achtzehnjährige Apachin —
Jetzt schlug sie auch die Augen auf, seufzte, holte tief Atem —
Felsenherz richtete sie empor und lehnte sie gegen die Brustwehr, rieb ihr die Schläfen mit Wasser und erreichte auch, daß sie bald völlig zu sich kam.
Ihr erst noch halb umflorter Blick gewann an Verständnis, wurde lebhafter.
Dann wurde sie sich ihrer Lage bewußt, starrte den jungen Trapper —
Ihre Hand fuhr nach dem Gürtel, suchte das Messer —
Felsenherz schüttelte den Kopf wie warnend, sagte freundlich: —
„Die Tochter der Apachen wird mich nicht zwingen wollen, sie zu Fesseln. Ich bin Felsenherz, und meine Faust ist schneller als jede Messerklinge —!“
Die Apachin ließ die Hand in den Schoß gleiten.
„Felsenherz ist ein berühmter Krieger,“ erwiderte sie leise. „Tuma Lapi, die singende Schwalbe, hat schon viel von ihm gehört. Felsenherz wird morgen am Marterpfahle wie ein Mann sterben. Mein Vater wird ihn fangen, Schau’ hinüber nach den Ufern —!“
Felsenherz hatte schon vorhin zwei Reitertrupps bemerkt, die an den beiden Ufern dem Flosse folgten.
Der Rio Pecos durchfloß hier eine kleine Prärie. Die Uferberge waren weiter zurückgetreten. Dem Reitertrupp am Ostufer sprengte der Häuptling der Apachen, der große Bär voraus. Ganz deutlich war seine mächtige Gestalt auf dem braunen Mustang zu erkennen.
Felsenherz wandte sich wieder an die Indianerin.
„Die singende Schwalbe ist die Tochter des großen Bären?“ fragte er schnell.
„Das Blaßgesicht weiß es nun,“ nickte das Mädchen.
„Tuma Lapi hat zum ersten Male ihren Vater auf einem Kriegszuge begleitet. Es ist keine Schande, von der Hand des großen Jägers Felsenherz zu sterben. Tuma Lapi wird das Sterbelied der Apachenfrauen, anstimmen. Dann mag das Blaßgesicht mich töten.“
Felsenherz lächelte.
„Du irrst, Tuma Lapi. Felsenherz tötet niemand, wenn es nicht unbedingt sein muß. Er verteidigt stets nur sein Leben. Er ist kein Mörder. Wenn die singende Schwalbe sich kräftig genug fühlt, kann sie ans Ufer schwimmen.
Das Mädchen, schien zunächst an seinen Worten zu zweifeln.
Felsenherz nickte ihr jedoch freundlich zu, daß sie nun ganz fassungslos rief:
„Dann werde ich meinen Vater bitten, daß Du am Marterpfahle sofort getötet und nicht erst lange gequält wirst. — Ich darf also wirklich davonschwimmen?“
„Felsenherz redet nie mit zwei Zungen. — Ich werde Dir von der Brustwehr noch den obersten Stamm losschneiden, an dem Du Dich festhalten kannst.“
Er stand auf und zerschnitt die Weidenruten, mit denen die Brustwehr befestigt war, nahm das Stammende in die Arme und legte es am Rande des Floßes nieder.
Die Strömung des Pecos war hier bereits wieder schwächer geworden. Das Floß hatte sich inzwischen gut eine halbe Meile von den Fällen entfernt.
Auch die Indianerin erhob sich. Ihre schwarzen Augen blickten den Trapper lange an. Dann machte sie plötzlich von ihrem Halse eine aus kleinen, goldenen Tierfiguren bestehende Kette los und reichte sie Felsenherz.
„Das Blaßgesicht wird den Apachenkriegern vielleicht doch entkommen,“ flüsterte sie. „Die singende Schwalbe wünscht es, obwohl Felsenherz ihren Bruder dort in den Baumästen erschossen hat. Felsenherz mag diese Kette aus Nuggets[1] zum Andenken tragen. Tuma Lapi hat die Nuggets vor einem Jahre selbst im Tale der sprechenden Wasser gesammelt und nachher zu Tieren geformt.“
Der blonde Trapper stutzte, als hier abermals der Name jenes Tales erwähnt wurde.
Er fragte rasch: „Weiß die Tochter des großen Bären, ob die Blaßgesichter, die im Tale der sprechenden Wasser ein Blockhaus errichtet hatten, alle tot sind?“
Die junge Apachin bejahte. „Tuma Lapi war selbst dabei, als unsere Krieger nach kurzem Kampf die brennenden Reisigbündel auf das Dach und die Wände warfen. Die Blaßgesichter schossen noch immer aus dem Hause, trafen aber niemand. Bald brannte das ganze Haus. Es stürzte dann zusammen. Nachher fanden unsere Krieger in den verkohlten Trümmern nur ein paar Knochen. Die Blaßgesichter sind in den Flammen umgekommen.“
Felsenherz wollte die Apachin nicht argwöhnisch machen, daß er anderer Ansicht sei, und sagte daher;
„Es waren Leute aus meiner fernen Heimat jenseits des großen Wassers. Deshalb erkundigte ich mich nach ihnen. — Die Kette kann ich von der singenden, Schwalbe nicht annehmen. Sie ist zu wertvoll. Die Tochter des großen Bären schuldet mir keinen Dank.“
Das rote Mädchen machte ein enttäuschtes Gesicht. Dann warf sie die Nugget-Kette Felsenherz vor die Füße, sprang ins Wasser, rollte den Baumstamm vom Flosse herab, klammerte sich mit der Linken daran fest und schwamm so dem Ostufer zu, wo der große Bär die Vorgänge auf dem Flosse ständig beobachtet hatte. Jetzt sprengte er näher an das Wasser heran, schwang seinen Lasso und warf Tuma Lapi die Schlinge zu.
Gleich darauf befand das Mädchen sich an Land und verschwand mit dem Häuptling hinter einer Baumgruppe.
Die Sonne war inzwischen längst untergegangen.
Die ersten Abendschatten senkten sich über den Fluß und die Uferlandschaft herab.
Felsenherz Gedanken galten jetzt ausschließlich seiner Rettung. Die beiden Apachentrupps hielten sich noch immer mit dem Flosse auf gleicher Höhe. Zuweilen ritt einer der Verfolger sogar ein Stück in das Wasser hinein und feuerte vom Pferde aus.
Der Pecos machte hier wieder zahlreiche Krümmungen, und an diesen Stellen mußte Felsenherz das Steuer benutzen, damit er einem der Ufer nicht zu nahe käme.
Er hatte jetzt gerade eine der Krümmungen hinter sich, als er in der Ferne das Ende dieser kleinen Prärie erkannte und gleichzeitig auch wahrnahm, daß die Apachentrupps im Galopp davonsprengten.
Er ahnte, daß der Pecos da vorn, wo die Uferberge wieder näher herantraten, wahrscheinlich eine Felsenenge passierte, die es den Feinden ermöglichte, ihn niederzuschießen oder gefangen zu nehmen.
Die Prärie war mit einzelnen Buschinseln bestanden, und auch die Ufer zeigten den Üblichen Gestrüpp— und Strauchwuchs, zumeist Dornen und stachlige Rankengewächse, hin und. her auch mal ein paar Erlen und Weiden.
Felsenherz war überzeugt, daß nicht sämtliche Apachen der beiden Trupps vorausgeritten, sondern daß auf jedem Ufer ein paar zu seiner Beobachtung zurückgeblieben waren, obwohl er keinen der Feinde bemerkte.
Auf dem Flosse lagen noch die sechs Flinten der Apachen. Er untersuchte sie. Drei der einläufigen Gewehre waren geladen. Es waren schlechte Steinschloßflinten, und auf einen Schuß von ihnen war daher wenig verlaß.
Felsenherz drückte das Floß nun nach dem Westufer hinüber, das gerade hier auf einige hundert Meter völlig kahl war! Auch in der Prärie gab es hier nur ganz vereinzelte Büsche.
Er landete, nahm die drei Flinten mit und lief den nächsten Büschen zu. Er handelte dabei nach einem. wohlüberlegten Plan.

 

Fünftes Kapitel.
Nach der Insel zurück.

Was er vorausgesehen, trat auch ein. Die zu seiner Beobachtung zurückgebliebenen Apachen, vier an der Zahl, tauchten jetzt von Norden her aus der nächsten Buschinsel auf und jagten in Karriere am Ufer hin, um ihm den Weg nach dem Flusse abzuschneiden.
Felsenherz dachte nicht daran, etwa kehrtzumachen. Er lief in kurzem Trab weiter, bis er die Büsche erreicht hatte.
Die vier Apachen waren jetzt herumgeschwenkt und folgten ihm, — Er schlüpfte in die Büsche, die sich, stark mit niederem Gestrüpp durchsetzt, nach Nordwest weiterzogen.
Anstatt nun, wie die Roten wohl annahmen, in den Büschen weiter zu flüchten, kroch er vielmehr den Vorfolgern entgegen, Die auf die Mitte des Buschstreifens zuhielten.
Dann sprangen drei von ihnen von den Pferden, warfen dem vierten die Zügel zu und verschwanden gleichfalls in den Sträuchern.
Auf etwas Ähnliches hatte Felsenherz gerechnet. Er wartete ein paar Minuten und schlich dann auf allen Vieren von hinten auf die Pferdegruppe zu. Der Apache, der die Pferde hielt, war gleichfalls abgestiegen und schaute ahnungslos nach den Büschen hinüber.
Die Indianergäule konnten den Weißen nicht wittern, da der Wind vom Flusse kam. Felsenherz gelangte daher bis auf vier Schritt heran.
Mit langen Sätzen war er dann neben dem Apachen, schlug ihm die Faust halb von rückwärts unter das Kinn, sprang auf den nächsten Mustang, griff die Zügel der drei anderen auf und galoppierte nach Norden, woher die vier Apachen soeben gekommen waren.
Es war jetzt bereits so dunkel, daß spätestens nach einer halben Stunde eine Fährte nicht mehr zu erkennen war.
Er ritt deshalb auch sehr bald im Schritt weiter, lenkte mehr vom Flusse ab und hielt sich stets in der Nähe der Ausläufer der Uferberge. Von den drei Steinschloßflinten hatte er zwei weggeworfen.
Die Dunkelheit nahm schnell zu, In einem langgestreckten Tale ließ er auch die drei Mustangs frei. Seiner Berechnung nach konnten die Stromschnellen und die Insel nicht, mehr fern sein.
Nach abermals einer Viertelstunde hörte er denn auch ein schwaches Brausen von rechts herüberschallen. Es waren die Fälle. Und doch ritt er noch zehn Minuten an einem Waldrande flußaufwärts.
Nun erst bog er nach rechts ab, durchquerte eine Lichtung und befand sich nun dicht am Westufer des Pecos.
Hier trieb er den Indianergaul in den Wald zurück, suchte dann am Ufer nach einem angeschwemmten Baumstamm, fand auch eine entwurzelte, wahrscheinlich durch Blitzschlag halb verbrannte Kiefer, die nur lose mit den Wurzelstauden sich im Gestrüpp verfangen hatte, band mit Weidenruten an den Stamm zwei große, trockene Äste fest, um das Rollen des Baumes im Wasser zu verhindern, schnitzte einen anderen Ast als Ruder zurecht und trieb auf diesem primitiven Fahrzeug mit der Strömung den Fällen zu.
Sehr bald vernahm er das Toben der stürzenden Wasser. Die hohen Wurzeln des Baumes boten ihm bei dieser Dunkelheit genügend Deckung gegen Sicht. Er lenkte zum Ostufer hinüber, um auf möglichst gefahrlose Art das Inselchen erreichen zu können und der Hauptströmung zu entgehen.
Die Strömung wurde jedoch sehr bald auch hier so reißend, daß er alle Mühe hatte nicht doch noch nach der Mitte des Flusses abgetrieben zu werden.
Der Mond war noch nicht aufgegangen. Nur die Sterne flimmerten in den Wassern des Pecos und gaben das einzige Licht ab.
Die Insel tauchte jetzt als schwarzer Klumpen auf —
Felsenherz merkte, daß der Baumstamm sich zu schwer lenken ließ. Er wollte sich lieber auf die Kraft seiner Arme verlassen, glitt ins Wasser und schwamm, jetzt nur wieder mit dem Messer bewaffnet, dem Inselchen zu, landete auch glücklich an dem Treibholzwall und blieb hier im Schutze der überhängenden Äste minutenlang im Wasser liegen.
Dann hörte er auf der Insel laute Zurufe —
Es waren Apachen; die Insel schien also von ihnen besetzt zu sein —
Felsenherz wartete —
Nichts mehr — Nur das Toben der Fälle —
Dann lohte oben auf der Plattform des Kegels eine Fackel auf — noch eine —
Und jetzt erkannte er bei dem rötlichen Schein der harzigen Kiefernäste dort oben — den großen Bär und die singende Schwalbe —!
Sein Herz krampfte sich vor Schreck zusammen. —
Keim Zweifel: Ben, der schwarze Panther und der fremde Weiße waren den Apachen in die Hände gefallen —! —
Felsenherz überlegte. Er wollte sich um jeden Preis Gewißheit über das Schicksal seiner Gefährten verschaffen und sie, wenn es irgend möglich war, befreien. Die Apachen konnten jetzt noch nicht wissen, daß er entkommen und bereits wieder in der Nähe der Insel war. Das Lager der Rothäute befand sich fraglos am. Ostufer im Walde. Wie aber sollte er nun von hier aus über den Flußarm gelangen?! Hinüberschwimmen konnte er nicht, Die Strömung hätte ihn mit fortgerissen.
Er dachte angestrengt nach. — Dann — ein Gedanke!
Wie waren denn der große Bär und seine Tochter auf die Insel gekommen? Vielleicht mit Hilfe des Bootes, das die Apachen ja schon am Nachmittag entführt hatten? Vielleicht hatten sie aus Lassos eine Verbindung vom Ostufer nach der Insel hergestellt, und vielleicht hatte der große Bär das Boot mit Hilfe dieser Lassoverbindung herübergezogen, die dann auch von Schwimmern benutzt werden konnte, um der Strömung Widerstand zu leisten —
Felsenherz kroch mit größter Vorsicht ans Ufer und weiter durch die Büsche am Ostufer des Inselchens entlang.
Seine Vermutung war richtig gewesen. Er fand das Boot, das an Land gezogen war, und dicht daneben ein aus drei Lassos geflochtenes Tau, das um einen Felsblock festgebunden und über den Flußarm gespannt war.
Lautlos schob er sich ins Wasser, hielt sich an dem Ledertau fest und näherte sich Griff für Griff dem Ufer.
Er war noch drei Meter von dem Ufergestrüpp entfernt, als er vor sich im dem Buschwerk einen dunklen Schatten wahrnahm, der jetzt ins Wasser stieg und auf die gleiche Weise wie er nach der Insel hinüberwollte.
Felsenherz hatte das Tau sofort losgelassen, hatte getaucht und schoß unter Wasser mit zwei Stößen dem Ufer zu, bekam hier die dicke Wurzel einer halb unterspülten Erle zu packen, hob nur den Kopf, um atmen zu können und beobachtete den Apachen, der offenbar dadurch argwöhnisch geworden war, daß das soeben noch tief herabgezogene Tau plötzlich hochgeschnellt war, nachdem Felsenherz mit seinem Körpergewicht es nicht mehr beschwerte.
Der Apache stand bis an die Hüften im Wasser und spähte mißtrauisch umher.
Dann schien er wohl anzunehmen, daß drüben auf der Insel jemand das Tau irgendwie belastet gehabt hätte, setzte seinen Weg fort und verschwand nach dem Inselchen zu.
Felsenherz schob sich die Uferböschung hinauf, durchquerte den Wald und sah nun vor sich in einem nur mit einzelnen Bäumen bestandenen Tale mehrere Feuer brennen, ebenso etwa dreißig Lederzelte und zahlreiche Apachen, die sich hin und her bewegten.
Er umschlich das Lager, da die Zelte nach Osten zu dicht an der steilen Talwand sich erhoben, von der aus man alles bequemer würde übersehen können.
Er hatte sich nicht getäuscht. Als er jetzt oben am Rande der Talwand unter einen Busche lag, vermochte er die Roten genau zu beobachten.
Aber — nirgends entdeckte er einen Gefangenen!
Dann — hinter ihm ein ganz leises Geräusch, das Rascheln von Zweigen, das jedoch sofort wieder verstummte.
Er wandte den Kopf. Sehen konnte er nichts —
Abermals das leise Rascheln —
Jetzt wußte Felsenherz Bescheid: hier links neben ihm kroch ein Mensch durch die Büsche!
Er drehte den —Körper, vermied dabei alles, was ihn verraten konnte, tastete den Boden vor sich ab, schob die Zweige nur ganz allmählich zur Seite —
Nun hatte er den Unbekannten vor sich, sah jedoch lediglich ein dunkles Etwas, erkannte keine Einzelheiten.
Er horchte jetzt. Vielleicht verriet ihm das Gehör, wer der Fremde war.
Ah — der Mann murmelte einige Worte —
Und — in englischer Sprache! — Das war also bestimmt kein Roter; das müßte ein Weißer sein —
Felsenherz tippte der Gestalt auf den Rücken, flüsterte:
„Wer seid Ihr, Master?“
Der Mann blieb sekundenlang vor Schreck oder Überraschung regungslos.
Dann die Gegenfrage:
„Und Ihr, Master?“
„Ein Trapper, — Felsenherz nenne ich mich!“
„Felsenherz?! Himmel — seid Ihr’s wirklich?!“
Jetzt erkannte dieser die Stimme.
„Ben — wie kommt Ihr hierher?!“ hauchte er freudig. „Wo ist der schwarze Panther? Ich fürchtete schon, Ihr wäret —“
„Stopp, old Boy! Zum Plaudern ist die Zeit zu kostbar. — Seht— Ihr dort drüben links die vier Tiere neben den Indianergäulen? Das sind Euer Brauner, der Rappe des Komanchen, der Falbe des Farmers Balson und meine Liddy. Die vier Viecher fehlen uns. Und ich wollte hier gerade mich mal umschau’n, wie man sie am besten wegbringen könnte.“
„Das überlaßt nur mir, Ben. — Wo finde ich Euch falls es glückt?“
„Dort nach Osten zu beginnt sofort die Prärie. Und etwa zweitausend Meter von hier weg gibt es ein paar felsige Anhöhen, die sich von Nordost nach Südwest hinziehen. An der Südecke stehen fünf Eichen. Und dort werde ich Euch erwarten. Ohne die Tiere kommen wir nicht lebend davon. In vier Stunden wird es Tag, und dann haben wir die ganze Apachenbrut auf unserer Fährte — Die Tiere zu, holen, wird verdammt schwer fallen, old Boy! Bei den Indianergäulen hocken vier Wächter. Das habe ich schon festgestellt.
„Will’s versuchen, Ben. Mit vieren werde ich’ schon fertig! Kriecht jetzt nur zurück. — Wo stehen die sonstigen Apachenwachen?“
„Am Rande der Prärie schlendern drei der roten Spitzbuben auf und ab.“
„Schon lange? Oder werden sie bald abgelöst?“
„Sind vorhin abgelöst worden. — Hm — soll ich die drei stumm machen?“!
„Nein, Ben —! Hier am Pecos ist schon genug Blut geflossen. Ich hoffe, auch so die Tiere wegschaffen zu können. — Auf Wiedersehen — Wie geht’s dem schwarzen Panther?“
„Gut. — Dann also viel Glück, old Boy! Traue Euch schon zu, daß Ihr uns aus der Klemme helft —“
Ben verschwand nach rückwärts.
Felsenherz blieb noch eine Weile liegen und beobachtete das Lagerleben, insbesondere das Südende des Tales, wo die Pferde standen. Die Spitzen der Zelte ragten etwas über den Rand der Talwand hinweg und warfen auf das Gestrüpp dunkle Schattenstreifen, so daß der junge Trapper es wohl wagen durfte, den Kopf ziemlich — weit vorzustrecken.
Diese Apachenabteilung mochte etwa hundert Krieger stark? sein. Da die Rothäute sämtlich mit den Kriegsfarben bemalt waren, mußte Felsenherz annehmen, daß sie sich mit einem jener größeren Trupps vereinigen wollten, mit denen er vor einer Woche schon südlich von Fort Kavett zusammengeraten war, als er für den Kommandanten des Forts den freiwilligen Kundschafter gespielt hatte. Die Gefangennahme seines roten Bruders, des berühmten Komanchenhäuptlings, hatte seine Tätigkeit als Kundschafter dann schnell und plötzlich beendet —
Mit einem Male gewahrte er jetzt einen neuen Indianertrupp, der von Süden her in das Tal einlenkte und mitten im Lager haltmachte. Es konnten dies seiner Überzeugung nach nur jene Apachen sein, die, ihn während der Stromfahrt flußabwärts verfolgt hatten. Sie kehrten jetzt von der ergebnislosen Jagd auf den einzigen Insassen des Floßes zurück.
Zu gleicher Zeit erschienen auch der große Bär und, die singende Schwalbe nebst fünf Apachen zu Fuß vom Pecos her.
Einer der Roten erstattete dem Häuptling dann offenbar Bericht, wobei er die Nugget-Kette der jungen Indianerin reichte. Felsenherz hatte die Kette auf dem Flosse liegen lassen, und die Strömung hatte dieses, nachdem er gelandet war, wieder mit fortgeführt.
Die sämtlichen Krieger bildeten jetzt um den großen Bär einen dichten Kreis. —
Felsenherz hielt die Gelegenheit für äußerst günstig, die vier Tiere unbemerkt wegzubringen. Auch die Pferdewächter hatten sich etwa fünfzig Meter nach dem Lager hin entfernt, um wenigstens einiges von dem Bericht des Kriegers über des Trappers Flucht zu vernehmen.
Er schlich daher so schnell als irgend möglich am Rande der Talwand entlang und bog dann nach rechts ab. Das Gras stand ziemlich hoch.
Die Tiere waren noch gesattelt, ein Beweis, daß die Apachen hier nicht mehr lange zu bleiben gedachten.
Nach Indianersitte hatte man den drei Pferden und dem Maultiere Bens gleichfalls die Vorderbeine kurz gefesselt, damit sie sich nicht allzu weit entfernen könnten.
Felsenherz schaute nach den Pferdewächtern aus. Sie standen mit dem Rücken nach ihm hin. Er richtete sich auf und band schnell die Zügel von Bens Liddy und die des Rappen und des Falben zusammen. Dann erst durchschnitt er die Fesseln ihrer Vorderbeine.
Die Apachengäule hatten ihn jetzt gewittert und schnaubten, drängten sich zusammen und machten durch ihre Unruhe einen der Wächter aufmerksam.
Felsenherz durfte sich keinen Moment mehr besinnen.
Sein Messer fuhr durch die Fesseln seines Braunen. Mit einem Satz war er im Sattel, griff nach den Zügeln der drei anderen Tiere —
Da gellte schon der Warnungsruf des Wächters ihm in die Ohren —
Er gab dem Braunen die Hacken, schnalzte mit der Zunge —
Der Braune hatte ihn erkannt, wieherte hell auf, galoppierte die hier sanft geneigte Talböschung hinan —
Hinter Felsenherz her krachten die vier Flinten der Wächter —
Und im Lager begann nun ein höllisches Wutgebrüll, das sogar das Toben der nahen Fälle übertönte.
Der Flüchtling sprengte jetzt nicht etwa in die Prärie hinaus, den Eichen zu, wo er die Gefährten treffen wollte. Nein — in Karriere ging’s nach Süden an Prärierande dahin —
Der Mond war jetzt am Himmel erschienen.
Felsenherz drehte sich um —
Ah die Apachen waren hinter ihm drein —! dreißig, vierzig Reiter verfolgten ihn —
Er ritt immer in derselben Richtung weiter. Der Vorsprung, den er anfänglich gehabt, verringerte sich, denn absichtlich hielt er den Braunen zurück, damit die Apachen ihm vorläufig auf den Fersen blieben.
So zog sich die Jagd etwa eine halbe Meile immer nach Süden hin. Dann tauchte vor Felsenherz ein Waldstreifen auf, der ostwärts in die Prärie — hineinragte. Als er ihn erreicht hatte, bog er unter, den nicht allzudicht stehenden Bäumen nach Osten ab, verließ nach einigen Minuten das Wäldchen und galoppierte an dessen südlichen Rande weiter. Hier, wo eine Menge Büsche und der Wald ihn nach allen Seiten deckten, ritt er wohl eine volle Meile in die Prärie hinaus.
Die einfache List war gelungen, Die Apachen hatten seine Spur verloren. Bevor sie die Fährte mit Fackeln wieder aufgefunden haben konnten, mußte er längst mit den Gefährten vereinigt sein.
Er änderte dann die Richtung in einem steinigen, ausgetrockneten Flußbett und schwenkte nach Norden ein, und näherte sich darauf in einem nach dem Pecos führenden Bogen jenem Höhenzuge und sah eine Viertelstunde später die fünf Eichen vor sich.

 

Sechstes Kapitel.
Tuma Lapi.

Ben und der junge Farmer Thomas Balson hatten hier bereits aus Ästen und Zweigen eine Art Krankenstuhl hergestellt, der dann dem Rappen des Komanchenhäuptlings auf dem Rücken befestigt wurde, so daß dieser bequem zurückgelehnt im Sattel sitzen konnte.
Felsenherz begrüßte die Gefährten nur durch einen Händedruck, wechselte mit dem schwarzen Panther, der völlig fieberfrei und leidlich bei Kräften war, einige Worte und mahnte dann zu sofortigem Aufbruch,?
Ben wußte in dieser Gegend gut Bescheid., —
„In die Prärie dürfen wir nicht fliehen,“ meinte er. „Wir können mit dem Verwundeten nur Schritt reiten. Am besten ist, wir nähern uns nach Norden zu wieder dem Pecos und versuchen, in den zerklüfteten Bergen unsere Fährte so gründlich zu verwischen, daß wir die Apachenbrut loswerden.“
Felsenherz und Balson waren einverstanden. Auch der Häuptling nickte zustimmend.
Dann setzte der Zug sich in Bewegung. Ben ritt etwa fünfzig Meter voraus, Dann folgte Balson, und dicht hinter ihm Felsenherz und der Komanchenhäuptling, dessen seltsame Krankenbahre mit Gras und Decken weich gepolstert worden war.
Der junge Trapper hielt den Zügel des Mustangs seines roten Bruders mit in der Hand. — So ging es eine Stunde lang immer nach Nordwest durch die wellige Prärie dahin, bis Ben, der nur undeutlich zu erkennen war, mit einem Male kehrt machte und im Trab auf die Gefährten zuhielt. Man hatte hier gerade den Kamm einer langgestreckten Anhöhe erreicht. Das Mondlicht war bereits schwächer geworden. Die ersten Anzeichen des nahenden Tages meldeten sich.
„Dort — blickt zurück!“ rief Ben leise. „Die Apachenhunde sind uns schon verdammt nahe gerückt. Die roten Pünktchen sind Harzfackeln. Wir werden die Bande in einer halben Stunde auf dem Halse haben, falls es uns nicht gelingt, unsere Fährte ganz gründlich auszulöschen.“
Felsenherz und Balson konnten ihre Bestürzung nur schwer verbergen. Die Gefahr war ja bedeutend größer als Bens Worte dies angedeutet hatten.
Während jetzt sekundenlang Schweigen herrschte, meldete sich der schwarze Panther mit matter Stimme:
„Meine weißen Freunde mögen auf den Rat des Komanchen hören. Die stinkenden Kröten der Apachen werden die Skalpe der Blaßgesichter und des schwarzen Panthers niemals an ihren Gürteln flattern sehen. Mein Bruder Felsenherz besitzt die Kräfte des grauen Bären, der ein Büffelkalb im Maule davonträgt. Felsenherz wird seinen roten Bruder auf der nächsten felsigen Stelle der Prärie in die Arme nehmen und in ein Versteck tragen. Ben und das andere Blaßgesicht aber sollen mit den vier Pferden weiterreiten, und zwar in die Prärie hinaus. Dann werden die Apachen nicht merken, daß wir uns getrennt haben. Dort im Westen liegt nun das Tal der sprechenden Wasser keinen halben Tagesritt entfernt. In jenem Tale wollen wir uns heute abend wieder zusammenfinden.“
„Häuptling!“ rief der kleine Trapper begeistert, „der Rat ist besser als das Hirn sämtlicher Apachen! —
Vorwärts — da drüben gibt es steinige Hügel! Dort werden wir den Apachen ein Schnippchen schlagen!“ —
Fünf Minuten später nahm man kurz Abschied von einander. —
„Ben möge zunächst noch im Schritt reiten, dann im Trab, dann im Galopp,“ flüsterte der Häuptling noch. „Den Apachentkröten könnte sonst die veränderte Gangart der Pferde und des Maultieres zu früh auffallen.“
„Felsenherz trug seinen roten Bruder leichtfüßig über den Steinboden dahin. Er hatte jetzt seine Waffen wieder, — hatte auch die Doppelbüchse des schwarzen Panthers umgehängt. — Die Hügel boten genügend Verstecke. Der blonde Trapper wählte eine Vertiefung in einer Felswand, zu der man nur über einen schmalen Felsengrat hinaufgelangen konnte. Vor dieser Vertiefung hatten sich Kakteen und Dornen angesiedelt.
Nachdem er für den Verwundeten aus den mitgenommenen Decken ein Lager hergerichtet hatte, legte er sich hinter das Gestrüpp, um die Apachen zu beobachten, deren Fackeln von rechts her immer deutlicher aufflackerten.
Dann war der Trupp der Verfolger bei den Hügeln angelangt, wo der steinige Boden die Fährte schwerer erkennbar machte. Die Apachen, etwa dreißig Reiter stiegen zum Teil ab. Bald merkten sie dann an den durch die Hufe der Tiere zermalmten Steinchen, daß die Flüchtlinge hier offenbar wieder in die offene Prärie eingebogen waren.
Der Trupp jagte weiter auf der Spur der vier Tiere entlang. Der Fackelschein verlor sich schnell in der Ferne.
Die Dämmerung nahte. Das Morgenzwielicht lag mit jenem seltsamen Schimmer, der alles in ein verschwommenes Blau zu tauchen scheint, über der Savanne und den fahlen Hügeln.
Felsenherz knotete jetzt die Decken zusammen, so daß er den Verwundeten als Bündel auf dem Rücken tragen konnte.
„Wir müssen aufbrechen, mein roter Bruder,“ sagte er zu dem Häuptling und wollte ihm emporheben.
Da — des schwarzen Panthers Hand fuhr nach dem Messer im Gürtel —
Felsenherz blickte sich um, sah die schlanke Gestalt eines Apachen vor der Grotte stehen, konnte noch gerade den Arm des Komanchen zur Seite schlagen, so daß dessen Messer, das er nach dem Feinde schleudern wollte, zu Boden fiel.
„Es ist die singende Schwalbe,“ sagte Felsenherz rasch. „Was führt die Tochter des großen Bären hierher?“ wandte er sich darauf an die junge Indianerin.
Die erwiderte freundlich; „Der berühmte Jäger soll seinen roten Bruder nicht zu Fuß, davontragen müssen. Tuma Lapi war dem Trupp der Krieger gefolgt und hat die List durchschaut. Der große Jäger mag den Mustang der singenden Schwalbe nehmen. Ich werde sagen, Felsenherz hätte ihn mir geraubt, Aber ich werde erst abends in das Lager zurückkehren. Dann haben Felsenherz und Chokariga genügend Zeit, sich unsichtbar zu machen. Mein Mustang steht unten an dieser Felswand.“
Der junge Trapper reichte der Apachin dankbar die Hand. Ihre Augen ruhten wieder mit besonderem Ausdruck auf seinem männlich—schönen Gesicht —
Zehn Minuten später saß der Verwundete auf dem Mustang, den Felsenherz nun nach Nordwest nach den Uferbergen des Pecos führte.
Der Komanche hatte abermals — jetzt durch Decken und Lassos — eine Rückenstütze erhalten. Felsenherz schritt wacker aus. Man kam schnell vorwärts. Die Prärie ging allmählich in die düstere Bergwildnis der Pecos-Berge über.
Gegen Mittag lagerten die beiden in einer Schlucht. Felsenherz erlegte mit dem Tomahawk — denn er scheute den Lärm eines Büchsenschusses — einen Präriehasen. Der Häuptling war eingeschlafen. Während das Tier am Spieße über dem kleinen Feuer briet, eilten des Trappers Gedanken die Kette der letzten Ereignisse rückwärts.
Noch immer wußte er nicht, wie Ben und Balson den Kranken von dem Inselchen im Pecos an Land geschafft hatten. Aber er konnte sich diese Frage selbst beantworten. Ohne Zweifel hatten Balson und der kleine Ben eingesehen, daß es klüger sei, mit Hilfe der Lassos über die Steinblöcke bei Dunkelheit sofort zu entweichen. Und dies hatten sie dann auch ausgeführt, wobei ohne Zweifel der kräftige Farmer sich den Verwundeten auf den Rücken gebunden hatte.
Nachher bestätigte der schwarze Panther diese Vermutung und erzählte seinem weißen Bruder auch leise verschiedene Einzelheiten dieser abenteuerlichen Flucht durch die Stromschnellen —
Der Komanche aß, ein wenig und verfiel dann wieder in einen gesunden Schlaf.
Gegen drei Uhr nachmittags brach Felsenherz auf. Er wählte als Weg stets die bewaldeten Bergabhänge. Der Mustang der Apachin war das Klettern gewöhnt. Hin und wieder tauchte in einem Einschnitt der Berge zur Linken das im Sonnenlicht glitzernde Silberband des Rio Pecos auf —
Die Sonne neigte sich dem westlichen Horizont zu. Felsenherz erkannte jetzt mit dem geübten Ortssinn des Westmanns, daß er sich dem Tal der sprechenden Wasser näherte, wo er vor nunmehr vier Tagen seinen roten Bruder Chokariga und dessen Schwester befreit hatte.
Dann hatte er jene Schlucht vor sich, die nachher in einem schmalen Bergpfad endete, der sich in Spiralen weiter in das Tal hinabzog.
Es dunkelte bereits. — Felsenherz ließ jetzt das Pferd und den Verwundeten in einem Dickicht zurück und schlich zunächst allein weiter, um festzustellen, ob sich in dem Tale nicht etwa Apachen befänden.
Wie damals vor vier Tagen kroch er den engen Felsenpfad auf allen Vieren entlang, suchte sich nach Möglichkeit gegen Sicht zu decken,
Nur ein in Anschleichen so geübter Jäger wie er konnte in so ungünstigem Gelände lautlos und unbemerkt vorwärtskommen.
Er hatte sich dann gerade hinter einen kleinen Dornenbusch geschoben, als er etwa zehn Meter vor sich den Lauf einer Doppelflinte über ein paar Steine hinwegragen sah.
Er wartete, bis es noch dunkler geworden, lockerte den Dornbusch aus der Wurzel und behielt ihn in der Linken, und seine Gestalt besser zu verbergen.
Die zehn Meter bis zu jenen Steinen legte er nun in großen Pausen zurück.
Nun lag er dicht vor den Steinen; nun lugte er zwischen ihnen hindurch. Die Dunkelheit war noch nicht so stark, daß er nicht sofort in dem einsamen Wächter, der hier vor dem Zugang zum Tale der sprechenden Wasser postiert war, ein blondhaariges junges Mädchen erkannt hätte, das eine Art graugrünes Sportkostüm trug.
Er dachte sofort an des schwarzen Panthers Behauptung, daß in oder bei den Ruinen des Blockhauses Stimmen zu hören gewesen seien.
Kein Zweifel dieses Mädchen war die Tochter jenes Berner, der den kleinen Ben als Führer von San Antonio mitgenommen und dann plötzlich abgelohnt hatte! Also lebten die Berners noch! Sie waren nicht in dem brennenden Blockhaus umgekommen!

 

Siebentes Kapitel.
Das Geheimnis der Berners.

Das Mädchen starrte in Sinnen verloren zu den von der Abendröte in schimmernde Glut getauchten Bergspitzen empor.
Felsenherz mochte sie nicht allzu sehr erschrecken, flüsterte daher:
„Fräulein Berner! Keine Angst! Ich bin ein Landsmann, wie Sie hören!“
Oh — sie erschrak durchaus nicht. Sie hatte sich in der Wildnis die zarten Nerven abgewöhnt.
Ihre Hand hielt schon eine doppelläufige Pistole dem jungen Trapper dicht vor das Gesicht —
„Wer Sie auch sein mögen!“ rief sie leise. „Kehren Sie um! Dieser Weg führt Sie nur ins Verderben!“
Dann hatte sie mit der Linken ihre Büchse ergriffen, sprang von dem Steine, auf dem sie gesessen, rückwärts herab und war blitzschnell um die letzte Biegung des Bergpfades verschwunden.
Felsenherz lachte leise hinter ihr drein.
„Keine zu verachtende Gegnerin!“ murmelte er. „Na — wir werden trotzdem das ‚Verderben’ aufsuchen! Ganz so schlimm wird es wohl nicht werden!“
Er machte kehrt und eilte zu dem Komanchenhäuptling zurück, berichtete kurz das Erlebte und hob den schwarzen Panther dann auf den Mustang.
Als er das Pferd nun aus dem Dickicht hinausführen wollte, hörte er jedoch vom Westende der Schlucht Hufschläge.
Zwei Reiter mit zwei ledigen Pferden nahten. Es waren Ben und der junge Farmer. Dieser hing schief im Sattel, — so, als ob er jeden Augenblick herabfallen würde. —
Felsenherz trat vor.
„Ah — Ihr seid’s!“ rief Ben der Hinkende aufatmend. „Felsenherz, die Apachen sind uns auf den Hacken! Balson hat eine Kugel in der Schulter. Wir haben Pech gehabt. Wir liefen einem anderen Apachentrupp gerade in die Arme! Ein Glück, daß ich nach Eurer Beschreibung die richtige Schlucht gefunden habe!
„Vorwärts! Wir müssen versuchen, ob wir uns in dem Tale nicht behaupten können!“
In aller Eile ging es nun weiter.
Bald war das Tal denn auch erreicht, in dessen Hintergrund ein Bach über die Felsen stürzte und nachher in der Nordwand in einem Loche wieder verschwand und unterirdisch weiterfloß.
Das Tal war etwa fünfhundert Meter lang und hundert Meter breit. Es hatte üppigen, saftigen Grasboden, mehrere kleine Baumgruppen und Büsche und so steile Wände, das es anscheinend nur mit Hilfe des schmalen Bergpfades zu erreichen war.
Die Lage der vier Flüchtlinge war äußerst bedrohlich. Zwei von ihnen waren verwundet. Und Ben und Felsenherz hätten den Bergpfad wohl einige Zeit gegen die anstürmenden Apachen verteidigen können, würden schließlich aber doch der Übermacht erlegen sein, zumal ja von den Berners hier jetzt keine Spur zu, bemerken war.
Felsenherz hatte mehrmals den Namen Berner gerufen, hatte in deutscher Sprache hinzugefügt, daß sie in freundschaftlicher Absicht kämen und daß zwei von ihnen verwundet seien.
Niemand meldete sich. — Ben eilte dann als Wache nach dem Bergpfade zurück. Felsenherz aber zündete einen harzigen Kiefernast an und untersuchte bei dieser Beleuchtung die Trümmer des Blockhauses. Die rechte Seite war nur halb eingestürzt und ließ sich zur Not als Unterschlupf benutzen.
Felsenherz räumte einen Teil der verkohlten Balken weg und schuf so Platz für die vier Reittiere und die beiden Verwundeten, brachte diese in den Raum hinein und ließ, die Tiere zunächst noch grasen.
Dann füllte er die Feldflaschen in dem Bach, dessen rauschender Wasserfall das ganze Tal mit seltsamen Tönen durchdrang.
Als er so für einen Wasservorrat gesorgt hatte, legte er dem Farmer Balson schnell noch einen Verband an. Die Kugel hatte die linke Schulter nur halb gestreift. Aber der Blutverlust war so stark, daß Balson wie tot jetzt dalag —
Felsenherz begriff nicht, wo die Berners geblieben sein könnten und weßhalb sie so mitleidslos waren, den Bedrängten nicht zu Hilfe zu kommen. Immer mehr neigte der junge Trapper nun der Ansicht zu, daß diese Leute hier ein Geheimnis zu bewahren hätten, welches sie um keinen Preis verraten wollten. Sie mußten hier ein Versteck kennen, das sie selbst dem scharfen Auge der Rothäute entzog.
Dann hörte Felsenherz von der Westseite, vom Eingange des Tales her einen Schuß —
Inzwischen war auch der Mond über den Bergen hochgestiegen. Felsenherz sah den kleinen Hinkenden jetzt in langen Sätzen heranstürmen.
Sofort nahm er die Tiere am Zügel und, brachte sie in den Raum zu den Verwundeten hinein.
Ben rief schon von weitem:
„Die roten Schufte haben sich aus dicken Ästen große Schilde hergestellt —! Mit Schüssen ist dagegen nichts auszurichten —! — Felsenherz, diesmal wird es wohl unsere Skalpe kosten —! Aber — der kleine Ben wird sein Leben nicht gerade billig verkaufen!“
In wilder Hast errichteten die beiden aus den verkohlten Ballen noch eine Barrikade. Ein Teil der Vorderwand der Blockhütte und die Seitenwand waren noch ziemlich unversehrt.
Ben und Felsenherz beobachteten über die Barrikade hinweg das Tal.
Nichts war zu sehen — nichts!
Eine Stunde verging. — Es wurde immer Heller. Der Mond und die Sterne ließen selbst die fernsten Büsche erkennen.
Der Farmer war jetzt sehr unruhig geworden. Das Wundfieber schüttelte ihn. Seine Zähne schlugen im Fieberfrost klappernd zusammen. Er stöhnte, lallte unverständliche Sätze —
Felsenherz lugte durch eine der Schießscharten der Seitenwand hinaus —
„Die Teufel!“ zischte er. „Sie häufen im Schutze der Astschilde Reisigbündel auf —! Von vorn wagen sie sich nicht heran. Aber hier im Baumschatten sind sie eifrig tätig!“
Mehrmals legte er an. Doch das Zielen war so gut wie unmöglich. Reisigbündel auf Reisigbündel flogen gegen die Balkenwand —
Dann kam aus den Büschen eine Harzfackel flackernd im Bogen herangeschwebt, senkte sich herab — Das Reisig lohte auf. Gierig fraßen die Flammen weiter prasselnd leckten sie an den Ballen hoch; beißender Qualm drang durch die Ritzen ein —
Der Fiebernde brüllte jetzt des öfteren einen Namen — Es klang wie „Helene“ —
Felsenherz war wieder an die Barrikade neben Ben getreten, sagte leise:
„Das ist das Ende, Ben! Und das schändlichste ist, daß diese Berners uns hätten retten können!“
Abermals schrie der junge Farmer gellend: „Helene — Helene!“
„Er ist den Berners von San Antonio aus gefolgt,“ meinte Ben jetzt. „Er hat sich dort in Helene Berner verliebt. Aber der alte Berner wies ihn als Bewerber grob zurück —“
Die Apachen draußen begannen jetzt ebenfalls ein höhnisches Triumphgeheul anzustimmen —
Die Hitze in dem kleinen Raume wurde unerträglich. Die vier Tiere schnaubten, drängten nach der Barrikade hin —
Und wieder brüllte Thomas Balson in seiner Fieberphantasie sehnsüchtig den Namen der Geliebten
Da hinter Ben und Felsenherz von der Rückwand her eine andere Stimme:
„Hier herein! Folgt mir!“
Ein hohes Viereck der Rückwand war nach dem Felsen zu, an den diese sich anlehnte, geöffnet worden. In dieser gut verborgenen Tür stand ein grauhaariger Mann mit einer großen Petroleumlaterne, hinter ihm das blonde Mädchen und zwei jüngere Männer —
Das Mädchen drängte sich vor, hob den verwundeten Balson auf und trug ihn durch die Öffnung und in ein hohes Loch in der Felswand in eine immer mehr verbreiternde Höhle.
Felsenherz nahm den Komanchen in die Arme, Ben griff nach den Zügeln der Reittiere.
Und hinter ihnen schloß der Alte wieder die Tür, nachdem er noch ein kleines Fäßchen Pulver in die Hütte geworfen hatte.
Das Loch in der Talwand hatte gleichfalls einen kunstvollen Verschluß eine Balkentür, die außen durch Steinplatten dem Aussehen der Feldwand angepaßt war.
Nun befanden sich die Geretteten in dem Versteck der Berners, in einer geräumigen Höhle, durch die der unterirdische Bach hindurchfloß.
„Landsmann,“ sagte der Alte dann zu Felsenherz „mein in Galveston verstorbener Bruder hinterließ mir das Geheimnis dieses Ortes. Der Bach ist goldhaltig führt zahlreiche Goldkörner mit sich. Diese Nuggets wollten wir in aller Stille sammeln und dann in zivilisierten Gegenden zurückkehren. Als ich merkte, daß Ihr verloren wart, gab ich zu Eurer Rettung dieses Geheimnis preis —“
Von draußen ertönte ein furchtbarer Knall —
Das Pulverfäßchen war explodiert. Die Blockhütte bildete jetzt nur noch einen brennenden Trümmerhaufen —
Die Apachen, zum Teil durch die herumfliegende Balkenstücke verletzt, hielten die Flüchtlinge für tot und verließen am Morgen das Tal, besonders da die Explosion noch einen weit überhängenden Teil der Talwand so weit gelockert hatte, daß eine Unmenge Geröll plötzlich die rauchenden Reste des Blockhauses vollends verschüttete —
Der schwarze Panther und Thomas Balson genasen in kurzem. Einen Monat nach der wunderbaren Errettung der vier Flüchtlinge kehrten Berners nach der Ansiedlungen im Osten zurück, wo aus Balson und Helene Berner ein glückliches Paar wurde.
Diese abenteuerliche und traurige Reise der Berners und ihrer Freunde schildert der nächste Band:

Die Buschklepper am Kolorado-Spring.

 

 

Fußnoten:

[1] Goldklümpchen, wie sie in Flüssen und ehemaligen Flußtälern vorkommen.