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Die Goldgräber der Jicarilla-Berge

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.

 

6. Band:

Die Goldgräber der Jicarilla-Berge.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.

Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.

 

Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

 

 

1. Kapitel.

Der geheimnisvolle Maultierreiter.

Die Llano Estacado, die große Hochlandwüste in West-Texas in Nordamerika, ist in ihren östlichen Randbergen das Quellgebiet zahlreicher Flüsse, so auch des Texas-Kolorado, der nicht mit dem gleichnamigen, in den Golf von Kalifornien mündenden Kolorado verwechselt werden darf.

An einem windstillen heißen Herbsttage lagerten etwa fünf Meilen östlich der Quelle des Texas-Kolorado in einem steinigen, gestrüppreichen und von dunklen Tannenkulissen umgebenen Tale drei Weiße und ein schlanker, kräftiger Indianer, dessen edelgeschnittenes Gesicht und offene, lebhafte Augen im Verein mit einer gewissen Würde in Haltung und Sprache ihn weit über den Durchschnitt der Rothäute hinaushoben.

Die vier saßen um ein kleines, durch trockenes Reisig genährtes Feuer herum und warteten auf die Rückkehr zweier indianischer Späher, die man morgens hinter einem Buschklepper hergeschickt hatte, der ihnen am vergangenen Tage entwichen war.

Der eine der Weißen, ein großer blonder Trapper, sagte jetzt zu dem Indianer, indem er auf die über dem Feuer am Spieße bratende Hirschkeule deutet:

„Unsere Mittagsmahlzeit wird sofort –– fertig sein, schwarzer Panther. Wenn wir gegessen haben, werden wir beide den Spähern folgen. Es beunruhigt mich, daß sie noch nicht zurückgekehrt sind. Wir wissen ja, daß die Buschklepperbande, von der wir nun erst vier Mann unschädlich gemacht haben, hier irgendwo im Quellgebiet des Kolorado ihren Schlupfwinkel hat und daß der Rest der Bande noch aus mindestens dreizehn Leuten besteht. Die beiden Komandchenkrieger können also sehr leicht in einen Hinterhalt geraten sein.“

„Mein weißer Bruder spricht das aus, was der schwarze Panther selbst bereits befürchtet, obwohl meine beiden Krieger erprobte Fährtensucher und Jäger sind, die sich nicht so leicht überlisten lassen,“ entgegnete der schlanke Indianer ernst. „Der schwarze Panther meint aber, daß es besser wäre, wenn auch Ben und Sepp uns gleich begleiten würden, Weshalb sollen wir uns trennen, Felsenherz?“

„Ich wollte Ben nur schonen der sich von seinem Schulterschuß noch nicht ganz erholt hat,“ erklärte der junge Trapper.

„Old Boy,“ lachte da der zwerghafte Ben, stets Ben der Hinkende gerannt, der einer der bekanntesten Westmänner der Indianergebiete war, – „old Boy, um den kleinen Ben macht Euch nur keine Sorgen. Der fühlt sich schon wieder so frisch wie ein junger Büffel, wenn’s auch mit der Jugend nicht mehr weit her ist!“. Dabei deutete er auf die grauen Haare, die unter seiner Pelzkappe hervorkamen. Die Pelzkappe hatte längst jede Spur von Pelz eingebüßt und glich nur noch einer recht wunderlichen Ledermütze.

Der dritte Weiße, der eigentlich Zeitungsberichterstatter war und nur zufällig den Trapper Felsenherz und dessen Freunde kennengelernt hatte, jagte nun lebhaft:

„Wir wär’s auch lieber, wenn wir zusammenblieben, Häuptling! Schon deshalb, weil ich schon vor fünf Minuten, als ich drüben die Talwand hochgeklettert war, etwas hörte, das wie ferne Schüsse klang.“

„Felsenherz blickte den Sprecher überrascht an.

„Und das sagt Ihr jetzt erst, Sepp!“ rief ‘er vorwurfsvoll.

Sepp Stileglitz, der aus der schönen Isarstadt München stammte, lächelte verlegen.

„Hm, ich bin doch nur ein Greenhorn (Neuling) in allen Dingen, die mit dem Leben in der Wildnis zusammenhängen, Felsenherz! Vielleicht habe ich mich auch verhört; vielleicht waren es keine Schüsse, sondern lediglich das Geräusch abstürzender Steinmassen, die irgendein Wild ins Gleiten brachte. Man blamiert sich doch nicht gern! Obwohl ich schwören möchte, daß ich wirklich vier bis fünf Schüsse vern–“

Er wollte „vernahm“ sagen, konnte das Wort Jedoch nicht mehr beenden, da der Komanchenhäuptling plötzlich aufgesprungen war, seine Doppelbüchse ergriffen hatte und nach dem Eingang des Tales hinüberschaute, wo soeben durch die Sträucher ein gesatteltes Maultier sich einen Weg gebahnt hatte, noch einige Sprünge tat und dann zusammenbrach.

Auch die drei Weißen waren hochgeschnellt.

Doch der schwarze Panther winkte schon warnend und flüsterte:

„Feuer aus!“

Gleichzeitig bückte er sich und begann auf das Maultier im Schutze der Steine und des Gestrüpps zuzukriechen.

Ben hatte schon eine flache Steinplatte über die Glut gedeckt, hatte sich dann neben Felsenherz und Sepp hinter einen Steinblock knieend niedergelassen und seine Büchse gleichfalls gespannt –

Der Häuptling musterte das bereits verendete Tier, das drei Schüsse in der Brust hatte, nur kurz und glitt nun durch die Sträucher aus dem Tale ins Freie, wo ein kleines Felsplateau zu einer grasreichen Prärie emporführte.

Als der junge blonde Trapper bemerkte, daß sein roter Bruder feststellen wollte, woher das angeschossene Maultier gekommen sei, schritt er ebenfalls davon, indem er Ben und Sepp leise zurief;

„Sattelt unsere Tiere und macht alles zum Aufbruch fertig. Sepp hat ganz recht: es waren Schüsse, die er hörte, und mit der Sicherheit dieser Gegend ist es nicht weit her!“ –

Er blieb dann bei dem toten Maultier stehen.

„Der Sattel war ohne Frage mexikanischer Herkunft, ebenso das bunt verzierte Zaumzeug. Außer, zwei Satteltaschen trug das Reittier einen nur noch halb gefüllten Wasserschlauch.

Felsenherz durchsuchte die Satteltaschen Sie enthielten nur das, was jeder Westmann in die Wildnis mitzunehmen pflegte.

Dann folgte er dem Häuptling in die Prärie, wo dieser jetzt im hohen Grase lag und angestrengt nach Westen spähte.

Als Felsenherz, noch durch ein paar Büsche gedeckt, den schwarzen Panther in dieser liegenden Stellung erblickte, kroch er auf allen Vieren weiter, schob sich neben ihn und fragte:

„Hat mein Bruder Chokariga, der schwarze Panther, drüben etwas Besonderes bemerkt?“

„Felsenherz schaue in die Luft empor,“ meinte der Komanchenhäuptling kurz.

Der Trapper gewahrte denn auch sechs Aasgeier, die jenseits der Prärie über einem Waldstreifen ihre Kreise zogen.

„Sechs Geier – also auch irgendeine Beute für die Vögel!“ sagte Felsenherz ebenso kurz.

„Und zwei Krähenschwärme“, fügte der schwarze Panther hinzu. „Die Wildnis hat ihre besondere Sprache, mein weißer Bruder, Wer diese Sprache nicht versteht, bringt seinen Skalp in Gefahr. Dort, wo rechts und links von den Geiern die Krähen wie Wolken über dem Walde schweben, müssen sich mehrere Leute befinden. Vor einem einzelnen Manne steigen Krähen nicht in solcher Menge auf. Es werden sogar größere Reitertrupps sein, die die Vögel aufscheuchten.“

„Derselben Ansicht bin auch ich, schwarzer Panter,“ nickte Felsenherz. „Wie wär’s, wenn wir – der eine von links, der andere von rechts – an den Wald heranreiten und uns dann dort treffen würden, wo die Geier eine Beute bemerkt haben? Sepp und Ben könnten mir folgen.“

„Mein Bruder rät das Richtige,“ meinte der Häuptling. „Der Nord– und Südrand dieser Prärie hat genügend Büsche, die das Anschleichen an den Wald erleichtern. Holen wir unsere Pferde.“ –

Gleich darauf ritt Felsenherz nach Norden zu durch ein anderes Tal davon, um sich ungesehen dem Walde nähern zu können.

Als er das Tal hinter sich hatte, setzte er seinen Weg in einer flachen Bodenvertiefung fort, die nach Westen hin durch eine Menge Buschinseln geschützt wird.

Der junge Trapper spähte vom Sattel aus fortgesetzt argwöhnisch in die Runde, beobachtete sowohl die Büsche als auch den grasbedeckten Boden und nahm ebenso sein Gehör zu Hilfe, um rechtzeitig irgend etwas Verdächtiges zu entdecken.

Dann gewahrte er vor sich im Grase einen Strich, der von rechts aus einer kleinen Baumgruppe hervorkam und schräg nach links durch die Büsche offenbar in die Prärie hinein sich fortsetzte.

Er sprang sofort ab, spannte seine Doppelbüchse und untersuchte die Fährte. Sie war ganz frisch. Einige Blutflecken neben der Spur dieses Tieres, das den kleinen Hufen nach nur ein Maultier gewesen sein konnte, brachten ihn auf die naheliegende Vermutung, daß hier jenes Maultier vorübergekommen sein könnte, welches nachher in seiner Todesangst noch mit letzter Kraft bis in das Tal geeilt war, wo die vier Freunde vorhin gelagert hatten.

Die Spuren zeigten weiter, daß das Maultier dort aus jener kleinen Baumgruppe hervorgaloppiert und auf die Prärie hinausgestürmt sei.

Felsenherz überlegte. Er hatte bisher angenommen daß die Geier, die drüben im Westen vor dem fernen Walde ihre Kreise zogen, vielleicht den erschossenen Reiter des Maultieres als Beute erspäht hätten. Dies erschien ihn jetzt jedoch sehr unwahrscheinlich: Das Maultier hätte ja dann, wenn es durch die drei Kugeln von den Mördern des Reiters verwundet worden wäre, trotz der schweren Verletzungen noch eine Strecke zurückgelegt haben müssen, die durch diesen Umweg hier nach Norden hin fast doppelt so groß war als die Prärie lang.

Um nun festzustellen, ob hier vielleicht ein zweites verwundetes Tier vorübergekommen sei, schlich er durch die Büsche bis zum Rande der Bodenmulde weiter und verfolgte von hier mit den Augen die weitere Richtung dieser Fährte.

Das Maultier war tatsächlich auf jenes Tal zugelaufen, wie Felsenherz nun erkannte.

Er machte kehrt. Sein Brauner blieb, da er indianische Dressur hatte, von selbst hinter ihm. So bog Felsenherz jetzt, stets auf den Spuren des todwunden Tieres bleibend, in die Baumgruppen ein.

Die Fährte lief im Bogen unter den Bäumen hin und durchquerte dann abermals nach Westen zu die Bodensenkung. Also konnte das Maultier doch von dorther gekommen sein, wo jenseits der Prärie die Aasgeier schwebten –

Der junge Trapper wollte seinen Braunen schon wieder besteigen, als er neben der Fährte im Grase etwas entdeckte, das ihn stutzig machte.

Hier war fraglos ein Mensch aus dem Sattel gesprungen, ohne daß das Maultier in seinem tollen Dahinrasen auch nur einen Moment gezügelt worden wäre.

Das Gras neben der Fährte war niedergedrückt, aber wieder aufgerichtet worden. Trotzdem konnte man deutlich den Eindruck von Stiefelabsätzen erkennen, die die Erde etwas gelockert hatten.

Auch die Fortsetzung der Spur des Reiters, der hier mit großer Gewandtheit abgesprungen war, ließ sich für einen so erfahrenen Westmann, wie Felsenherz es in kurzem geworden, unschwer finden, obwohl der Besitzer des Maultieres seine eigene Fährte aufs beste verwischt hatte.

Diese Fährte lief am Rande der Baumgruppe hin, hörte dann jedoch plötzlich unter einer uralten, riesigen Buche mit mächtigen, zum Teil waagerechten Seitenästen. vollständig auf, und zwar in einer Entfernung von etwa vier Metern von dem rissigen, moosbewachsenen Stamm des Baumes.

Felsenherz stand hier gleichsam vor einem Rätsel, – Wo war der Reiter hingeraten? – Den Baum konnte er nicht erklettert haben, dann hätte die Fährte bis an den Stamm hinführen müssen.

Dann – hob er einen kleinen, frisch abgebrochenen Zweig auf und dazu etwas Baummoos, blickte nun empor und gewahrte drei Meter über den letzten Stiefeleindrücken des Reiters einen Seitenast von Schenkeldicke.

Nun kannte er den Weg, den der Reiter genommen hatte; der Fremde hatte einen Lasso über den Ast geschleudert und war so emporgeklettert! Dabei hatte er jedoch unvorsichtigerweise das Zweiglein abgebrochen und das Moos von dem Aste herabgeworfen.

Felsenherz konnte nur. vermuten, daß der Flüchtling noch oben im Laubwerk der Buche steckte.

Er rief also leise:

„Master, wer Ihr auch seid – meldet Euch! Ihr habt von mir nichts zu fürchten!“

Und die Antwort –?

Ein Pfeil zischte von oben herab, fuhr durch des jungen Trappers Hutkrempe und dann in den Kolben seiner Büchse.

Mit einem langen Satz war Felsenherz schon unter den nächsten Baum gesprungen.

Ein Blick auf den Pfeil, der eine schmale Eisenspitze und am Schaft sauber eingearbeitete Federn des Berghähers hatte, verriet ihm, daß der Schütze ein Indianer vom Stamm der Apachen sein müsse.

Vorsichtig zog er den Pfeil heraus. Und doch – er hatte dabei den linken Ellbogen hinter dieser weit dünneren Buche etwas preisgegeben. Sofort kam ein zweiter Pfeil aus dem Laub der anderen Buche herabgesaust, ritzte Felsenherz den Unterarm und blieb im Ärmel seines hirschledernen Jagdrockes hängen.

Der junge Trapper ihn heraus, war jetzt aber noch vorsichtiger. – Dann schaute er nach rechts. Dort standen ein paar Büsche kaum vier Meter entfernt.

Ein neuer Sprung – und er hatte nun hier eine bessere Deckung, die ihm zugleich auch gestattete, nach dem Schützen Ausschau zu halten.

Er kroch hinter den Büschen weiter. Er mußte den Apachen dort oben auf jeden Fall unschädlich machen, bevor dieser noch auf den Gedanken kam, auf den Braunen zu zielen, der, friedlich die Gräser abrupfend, langsam sich den Büschen näherte.

Da wurde Felsenherz von links angerufen. Er hatte hier durch das Auffinden der Fährte gut zwanzig Minuten Zeit eingebüßt, und Ben und Sepp Stieglitz waren nun inzwischen ebenfalls herangekommen.

„He – was treibt Ihr da, Felsenherz?“ hatte Ben der Hinkende ihm zugerufen.

„Vorsicht! Apachen in der Nähe!“ warnte der blonde Trapper laut. „Einer der Rothäute steckt dort oben in der alten Buche!“

„Na – den werde ich gleich herabpusten!“ meinte Ben, der schleunigst wieder hinter den nächsten Büschen verschwunden war.

Nun kam die große Überraschung für die drei Freunde: aus dem grünen Blätterdach des Riesenstammes meldete sich jemand mit tiefer, voller Stimme in gutem Englisch:

„Ich sehe ein, daß ich mich geirrt habe! Ihr gehört nicht mit zu den Leuten, die mich überfallen haben. Wenn Ihr mir, Versprecht keinerlei Fragen an mich zu richten, komme ich zu Euch herab –!“

„Mann dann habt Ihr auch ‘n böses Gewissen!“ rief Ben zurück. Trotzdem klettert ruhig ein paar Stockwerke tiefer! Ihr habt es hier mit ehrlichen Trappern zu tun!“

 

 

2. Kapitel.

Der Bärenfänger.

Gewand wie eine Pantherkatze schwang sich nun eine mittelgroße hagere Gestalt, die in einen Lederanzug mit sehr weiten, unten geschlitzten Hosen gekleidet war und an den kurzschäftigen Stiefeln mächtige Sporen trug, von Ast zu Ast bis auf den Erdboden herab.

Felsenherz und seine beiden Freunde schauten dem Fremden neugierig in das bartlose, tief gebräunte und sehr faltige Gesicht, dessen dunkle Augen einen seltsamen Ausdruck von Schwermut zeigten.

„Verzeiht, Master!“ sagte der Fremde dann zu Felsenherz, indem er seinen ebenfalls an die Tracht der mexikanischen Vaqueros (Rinderhirten) erinnernden großen Strohhut zog. „Ich mußte nach den vorausgegangenen Ereignissen jedoch annehmen, daß Ihr einer der Buschklepper wart, die vor einer Stunde dort jenseits der Prärie am Waldrande auf meine beiden Maultiere aus dem Hinterhalt gefeuert hatten. Deshalb schickte ich Euch die beiden Pfeile zu.“

„Oh, ein solcher Irrtum kann vorkommen,“ meinte Felsenherz leichthin. „Da wir Euch nach nichts fragen sollen, Fremder, will ich Euch nur anheimstellen, Euch uns anzuschließen. Wir sind nämlich selbst hinter weißen Buschkleppern her. Möglich, daß es dieselbe Bande war, die Euch angegriffen“ hat.“

Der Fremde war lediglich mit einer doppelläufigen, recht langen Pistole, Messer, Tomahawk und Bogen, nebst Köcher bewaffnet, Den Lasso hatte er um die Hüften geschlungen.

Er erwiderte jetzt, indem er die beiden Pfeile aufhob und sie in den Lederköcher zurücksteckte:

„Ich nehme Euer Anerbieten an, Master Felsenherz. Wenigstens für so lange, bis ich mir wieder ein Reittier verschafft habe.“

„Gut,“ erklärte der blonde Trapper. „Dann wollen wir weiter ––! Ihr könnt bei Ben und Sepp bleiben. Im übrigen laßt das „Master“ als Anrede weg. Wir verkehren ganz zwanglos miteinander. Ben, ich reite also wieder voraus. Wir wollen den Häuptling nicht zu lange warten lassen.“

Er trabte davon. – Sepp, Ben und der geheimnisvolle Vaquero folgten ihm nach zehn Minuten.

Felsenherz Gedanken beschäftigten sich jedoch weiter mit dem Fremden. Der Mann hatte auf ihn einen ganz besonderen Eindruck gemacht. Der junge Trapper sagte sich, daß dieser Mensch sehr viel Schweres im Leben durchgemacht haben müsse, denn das Gesicht dieses Unbekannten war gleichsam ein Bild des verkörperten Seelenleides.

Felsenherz hatte sich mittlerweile stets durch Buschwerk und Bodensenkungen gedeckt, dem Walde bis auf hundert Meter etwa genähert.

Nun machte er halt und lugte hinter einem Gebüsch hervor, um zu sehen ob die Krähenschaaren noch immer über dem Walde unruhig hin und her flogen.

Zweierlei gewahrte er so: erstens kreisten die Geier jetzt ganz niedrig, und zweitens schwebte die eine Krähenschaar, und zwar gerade von hier nach Norden zu, genau so aufgeregt über den Baumwipfeln wie vorhin.

Durch diese Beobachtung gewann Felsenherz die Überzeugung, daß hier an seiner Seite des Waldes die Gegend nicht ganz geheuer war, während drüben nach Süden zu, wo der schwarze Panther den Wald durchsuchen wollte, nichts Verdächtiges mehr vorhanden sein konnte.

Er hatte also alle Ursache, seinen Weg nur mit genauester Beobachtung aller Vorsichtsmaßregeln fortzusetzen. Zunächst stieg er ab und band den Braunen in einem Gebüsch fest. Dann näherte er sich in weitem Bogen nach Norden dem Walde, der sich genau von Nord nach Süd hinzog und nach Westen zu die Vorberge eines sonst kahlen Höhenzuges bedeckte.

Als er dem Waldrand erreicht hatte, blieb er wohl fünf Minuten regungslos hinter einer Eiche stehen und lauschte.

In der Ferne vernahm er das mißtönende Krächzen der Krähenschar. Im übrigen lag der Wald, dessen Bäume ziemlich weit auseinander standen, still und friedlich da.

Doch – Felsenherz traute dieser friedlichen Stille nicht.

Er kannte die Wildnis und die Tücke ihrer roten Bewohner nur zu gut. Er vermutete, daß dort im Walde Indianer lagerten.

Felsenherz wurde jetzt plötzlich durch das leise Knacken eines trockenen Astes auf ein Dornengestrüpp aufmerksam, das sich rechts von ihm um eine mitten im Walde liegende Felsengruppe wie ein Wall herumzog.

Er musterte die Steinblöcke scharf und gewahrte auch bald einen bis auf die Skalplocke kahl geschorenen Schädel eines mit den Kriegsfarben bemalten Apachen, der sich soeben lautlos durch die Dornen vorwärtsschob.

Also Apachen! – Das war für den Trapper keine angenehme Feststellung. Denn gerade mit dem Oberhäuptling der Apachen, dem großen Bären, hatte Felsenherz noch vor kurzem weiter südlich eine sehr gefährliche Begegnung gehabt. Nur durch eine Reihe glücklicher Zufälle war er damals den Apachen entflohen. Ob diese jetzt etwa hier in das Quellgebiet des Texas-Kolorado vorgedrungen waren, um ihn zu fangen? Ob sie wußten, daß er gerade hier zu finden war? – Er konnte dies kaum annehmen.

Inzwischen war dem ersten Apachen noch ein zweiter gefolgt.

Felsenherz lag jetzt lang am Boden hinter niederem Gestrüpp. – Die beiden Apachen, ältere, kräftige Krieger, schienen jetzt zu beraten.

Dann fesselte irgend etwas ihre mißtrauischen Blicke, das sich gerade vor ihnen befinden mußte. Sie krochen nach einer Weile lautlos vorwärts, und zwar auf ein paar Tannen zu, deren untere Äste mit ihrem Vorhang von Schlinggewächsen wie eine wirre, grüne Masse aussahen.

Die Apachen hatten seltsamerweise nur ihre Messer und Tomahawks mit. Felsenherz war gespannt, was sie wohl vorhaben könnten. Dann bemerkte er, daß die beiden Rothäute, jeder in der linken Hand noch einen aufgerollten Lasso trugen, dessen Schleifen hinter ihnen her schleppten.

„Er begriff noch immer nicht, weshalb sie den Tannen so große Beachtung schenkten. Für alle Fälle wollte er jedoch näher an sie heran. Es konnte nur zweckdienlich sein, wenn er sie gefangen nehmen würde. Vielleicht erfuhr er von ihnen näheres über die Stärke und Absichten der Apachenabteilung.

Die beiden hatten lediglich für die fünf Tannen Interesse die ungefähr im Kreise standen – Was hinter ihnen vorging, blieb ihnen verbargen.

Felsenherz kroch von Strauch zu Strauch, bis er nur noch drei Schritt von ihnen entfernt war.

Da – mit einem Male erklang aus dem Tannendickicht ein wütendes Brummen. hervor –

Ein Bär steckte also dort – ein grauer Bär! – Felsenherz kannte dieses Brummen des Grisly, des grauen Bären, dieses gefährlichsten Raubtieres des wilden Westens, nur zu gut! –

Was aber beabsichtigten die beiden Apachen?! Wollten sie den Grisly etwa nur mit Messer und Tomahawk angreifen?! Und –– wozu die Lassos?!

Plötzlich tauchte in des jungen Trappers Gedächtnis eine Szene. auf, die mit seiner letzten Gefangenschaft bei den Apachen zusammenhing. Damals hatte er mitten im Lager gefesselt gelegen und vier Krieger hatten ihn bewacht –

Und zwei dieser Wächter sah er hier nun wieder vor sich! Er erkannte sie an den Narben, die ihren nackten Oberkörper als Zeichen ihrer Tapferkeit schmückten –

Einer der beiden hatte nun einen Stein in das Tannendickicht geworfen. Gleich darauf erscholl ein wütendes Fauchen, und kaum drei Sekunden später brach ein mächtiger Grisly aus der Dichtung hervor.

Die Apachen waren blitzschnell hinter zwei nahe Eichen geglitten. Der Grisly richtete sich auf den Hinterbeinen auf und kam wiegenden Ganges auf einen der Krieger zu. Die beiden Eichen, hinter denen sie Schutz gesucht hatten, standen etwa fünf Meter voneinander entfernt.

Der andere Apache schleuderte jetzt seinen Lasso.

Er mußte ein Meister im Lassowurf sein, denn die Schlinge fiel dem Bären gerade über den Kopf –

Felsenherz war erstaunt über die unbegreifliche Verwegenheit der beiden alten Krieger. Es machte fast den Eindruck, als ob sie den Grisly lebend fangen wollten –

Der Bär packte den Lasso mit den Krallen. Der Apache hatte die Schlinge jedoch bereits mit so starkem Ruck zugezogen, daß der Grisly zur Seite taumelte.

Mit zornigem Fauchen schnellte sich die Bestie jetzt nach rechts, wo der Apache den Lasso rasch um den Baum geknüpft hatte. Er floh, und zwar lief er in kurzem Bogen dem Dickicht zu.

Der Bär warf sich herum. – Die Sprünge eines Grisly sind so lang, daß eine solche Bestie es spielend leicht mit einem galoppierenden Pferde aufnimmt. – Der Bär mußte den Apachen also mit zwei Sprüngen eingeholt haben.

Aber – der Fliehende verließ sich fraglos auf die Haltbarkeit des um die Eiche geknüpften Lassos und auf den Beistand seines Gefährten.

Beides jedoch erwies sich als trügerisch.

Gewiß – der andere Apache schleuderte jetzt ebenfalls seinen Lasso – Die Schlinge glitt hinter dem Bären zu Boden.

Nun straffte sich der Lasso den der Bär um den Hals hatte, straffte sich mit einem Ruck, erklang fast wie eine Bogensaite, und – riß –

Der Grisly hatte den fliehenden Apachen erreicht –

Ein Hieb mit der Vorderpranke und der Indianer brach zusammen.

Der Bär hielt sich mit diesem Opfer nicht eine Sekunde auf. Im Moment war er herumgefahren –

Seine tückischen Augen erspähten den anderen Apachen, der sich jetzt auf die Eiche flüchten wollte –

Der Grisly kann nicht klettern. Hierdurch gelingt es manchem Jäger, der ihn nicht sofort tödlich trifft, ihm zu entgehen.

Diese Hoffnung hatte auch den Apachen auf den Baum getrieben. Er hatte nur eins nicht bedacht, daß der Bär imstande ist, gut zwei Meter hoch emporzuspringen, wenn er sich auf den Hinterpranken zusammenduckt und dann hochschnellt –

Der Apache wollte gerade das linke Bein nachziehen, als der Bär ihm im Sprunge das Gebiß in den linken Fuß schlug und im Niederfallen den tollkühnen Krieger mit vom Baume herunterriß.

Schwer krachte des Apachen Körper unten auf.

Der Grisly ließ den Fuß los holte schon zum Tatzenhiebe aus. –

Inzwischen hatte Felsenherz schon den eigenen Lasso, ein Geschenk seines roten Bruders, des schwarzen Panthers, von der Schulter und der Hüfte losgewunden.

Diese Bärenjagd mit Lasso reizte ihn. Er bewunderte auch den Mut der beiden Apachen, die so verwegen ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten. In diesem Augenblick vergaß er ganz, daß es seine Todfeinde waren, denen er zu Hilfe kommen wollte –

Die Lassoschlinge wirbelte durch die Luft –

Felsenherz zog den Lasso dann so scharf an, daß der Grisly mit der zweiten Schlinge um den Hals nach hinten taumelte, bevor er dem Apachen noch mit der Pranke den Schädel einschlagen konnte.

Das freie Ende des Lassos in der Hand, lief der junge Trapper nun mehrmals um eine junge Eiche herum, die, wenn der Bär ihm dann nachsetzte und der Lasso sich spannte, dem Druck elastisch nachgeben mußte.

Kaum hatte er noch einen Knoten geschlungen, als die Bestie auch schon heranschoß.

Felsenherz nahm hinter einer alten Eiche Deckung.

Der Bär konnte im Sprunge nicht so schnell die Richtung ändern –

Da spannte sich der Lasso auch schon –

Und – er hielt den Ruck aus –!

Die Schlinge zog sich so fest zu, daß der abermals nach hinten geschleuderte Grisly sie mit den Krallen nicht mehr lockern konnte –

Im seiner Todesangst raste er jetzt blindlings weiter –

Ein neuer Ruck – Der schon halb erdrosselte Bär sauste wiederum zu Boden –

Und nochmals wiederholte sich dasselbe Spiel –

Jetzt blieb der Bär jedoch liegen – Er hatte sich offenbar das Genick gebrochen –

Als Felsenherz nach den beiden Apachen hinschaute, saß der mit dem schweren Biß im Fuß aufrecht da

Der Trapper schritt auf ihn zu –

Der Apache hatte zum Tomahawk gegriffen –

Felsenherz winkte und rief leise:

„Der Krieger der Apachen kennt mich. Ich bin nicht sein Feind. – Weshalb wolltet Ihr beide den Bären mit den Lassos erlegen?“

„Der große Jäger hat uns ehrlos gemacht,“ erklärte der Apache dumpf. „Wir waren vier Wächter, die Dich bewachen sollten. Zwei, die jünger waren, hat der große Bär zur Strafe, weil Du uns entflohen warst mit dem Tomahawk getötet. Wir beide sollten, so beschloß es der Rat der Krieger, einen Grisly mit den Lassos erwürgen. Dann würden wir unsere Medizin und unsere Ehre zurückerhalten.“ (Die „Medizin“ trägt der Indianer in einem Ledersäckchen um den Hals. Sie ist ihm das Heiligste und Wertvollste, was er besitzt).

Felsenherz nickte. „Dann wirst Du also – Deine Medizin zurückerhalten. – Warte –“

Und er ging zu dem Bären hin, nahm die Schlinge seines Lassos ab und legte der Bestie die Lassoschlinge des Apachen um.

Dann erklärte er weiter. „Der Krieger der Apachen soll nicht meinetwegen ehrlos bleiben! Felsenherz wird niemandem erzählen, was hier vorging. Felsenherz redet nie mit zwei Zungen.“

Er schritt auf den anderen Apachen zu. Auch dieser lebte noch und war nur bewußtlos. Als er darauf sich dem ersten wieder zuwandte, saß dieser noch mit einem Gesicht da, als könnte er gar nicht recht an diese Großmut des Blaßgesichts glauben.

Felsenherz fragte nun: „Was tun die Apachen hier am Kolorado? Wünschen sie Krieg mit den Komanchen?“

„Nein,“ erwiderte der Apache bereitwillig. „Der große Bär hat erfahren, daß die Schwester des schwarzen Panthers, die blaue Taube, mit zwei Blaßgesichtern sich in der Llano Estacado am Apache Spring aufhalten soll. Sie war schon einmal in unserer Gewalt. Der große Jäger weiß es, denn er hat die blaue Taube befreit. Der große Bär aber will die blaue Taube abermals gefangennehmen.“

„Habt Ihr vorhin die Schüsse am Waldrande weiter südlich gehört?“ forschte Felsenherz weiter.

„Ja. Es waren Freunde des großen Bären, die einen Händler überfielen – Blaßgesichter – so viele!“ Und er hob die zehn Finger’ hoch. „Der Händler ist ihnen aber entkommen. Nur sein Packtier haben sie erschossen. Sie waren bis vor einer halben Stunde dort in unserem Lager. Dann ritten sie nach Nordwest weiter.

„Wie heißt Du?“

„Ich habe jetzt keinen Namen, großer Jäger. Ich muß mir erst wieder einen erwerben.“

„So nenne Dich fortan der kleine Bär. – Lebe wohl, kleiner Bär! Felsenherz ist kein Feind der roten Kinder Manitous! Du bist tapfer gewesen. Du wirst auch Deine Ehre zurückerhalten. Ihr beide habt Eure Ehre gerettet. Das sage ich, Felsenherz! Lebe wohl!“

Er schritt schnell davon, bevor der Apache sich noch bedanken konnte.

 

 

3. Kapitel.

Der Namenlose.

Eine Viertelstunde später traf er mit Ben, Sepp und dem „Namenlosen“ zusammen. Sein Abenteuer verschwieg er, erwähnte nur, daß er zwei der Apachen belauscht und so einiges über deren Absichten gehört habe.

„Während die vier noch in einer Waldesschlucht beisammen standen und die Tiere das Gras abweideten, tauchte der Komanchenhäuptling auf.

Als der Namenlose durch Felsenherz mit dem schwarzen Panther bekannt gemacht wurde, bemerkte der junge Trapper, wie die schwermütigen Augen des bartlosen Fremden einen ganz anderen Ausdruck bekamen.

Es war, als ob in diesen Augen plötzlich ein heimlicher Haß aufflammte. Aber trotzdem gab der Namenlose sich völlig harmlos und meinte nur, er sei nicht Händler, wie Felsenherz dies von den Apachen erlauscht haben wollte.

„Ich will Euch jetzt die Wahrheit sagen,“ fügte er hinzu. „Ich bin Goldgräber. Mein Packtier war mit Goldstaub beladen. Ich kam von den Jicarilla-Bergen über den Rio Pecos und durch die Llano hierher und wollte nach den östlichen Ansiedlungen zurückkehren. Zwei Jahre habe ich dort in der Felsenwildnis der Jicarilla-Berge den Goldstaub aus dem Gestein herausgewaschen. Ich war reich geworden. Jetzt bin ich wieder arm. Ich werde Euch begleiten. Ich muß wieder zurück nach der Jicarilla-Wildnis ich muß wieder reich werden – muß!“

Der Komanchenhäuptling entgegnete ernst: „Und – wie sollen wir das Blaßgesicht nennen? Jedes Tier hat einen Namen. Weshalb hat das Blaßgesicht keinen?“

„Nennt mich – Sansnom (Sansnom – franz. sans nom, ohne Namen.)“, meinte der Fremde kurz. „Im übrigen rede ich nicht gern über mich und auch nicht gern mit anderen.“

Der schwarze Panther wandte sich an Felsenherz:

„Mein Bruder und ich werden wieder vorausreiten. Die Fährte der zehn Buschklepper’ wird uns jetzt an deren Schlupfwinkel führen. Wir werden dort ein Pferd für Sansnom finden.“ Dann sagte er zu dem kleinen Ben, dem Hinkenden:

„Ben mag uns nach einer Weile folgen. Wo wir unsere Spur vielleicht verwischen müssen, werden wir ein Zeichen zurücklassen, in welcher Richtung Ben uns findet, Das Zeichen wird ein Tannenzweig sein.“

Er schwang sich wieder auf seinen Rappen. Dann ritten die beiden von dannen, durchquerten den Wald und – erreichten, stets scharf nach Nordwest sich haltend, jenen Höhenzug, dessen östliche Ausläufer noch mit Baumwuchs bestanden waren.

Hier stieg der Komanche in einem steinigen, sanft in die Bergs emporführenden Tale vom Pferde, indem er vor sich auf den Boden deutete und sagte:

„Mein Bruder Felsenherz sieht die zermalmten Steinchen. Es ist die Fährte der Buschklepper. Mein Bruder mag sich hier verbergen. Der Weiße, der sich Sansnom nennt, hat keine guten Augen. Er wird hier, wo der Stein keine Spuren annimmt, zu Entweichen suchen. Mein Bruder wird erkennen, daß ich recht habe. Sansnom hat vorhin den Schimmel Sepps gerade so gemustert, als ob er Absichten auf das Pferd hätte.“

Felsenherz nickte. „Der schwarze Panther spricht meine Gedanken aus. Ich werde hier warten.“

„Der Komanche brach von einer nahen Tanne einen Ast ab und legte ihn so, daß die Bruchstelle und der Ast in ein enges Seitental deuteten.

„Felsenherz lächelte und meinte: „Der schwarze Panther ist vorsichtig. Falls Sansnom mir entwischt, wird er nicht wissen, wohin wir uns gewandt haben.“

Der Häuptling sprang in den Sattel und ritt wortlos ein Stück in das Seitental hinein, kehrte um und verfolgte dann die Fährte der Buschklepper weiter.

Felsenherz wußte, daß der Komanche nur eine, in das Seitental führende Spur hatte zurücklassen wollen. Als der Häuptling verschwunden, nahm er seinen Braunen am Zügel und kletterte die linke Seitenwand des Tales hoch. Hier standen mehrere Buchen mit dichtem Unterholz. Der junge Trapper band sein Pferd an einen Baum und legte sich nun dicht am Rande der Talwand auf die Lauer.

Er brauchte nicht lange zu warten.

Ben, Sepp und Sansnom, letzterer zu Fuß, erschienen bereits nach fünf Minuten.

Als Ben den Tannenzweig bemerkte, sagte er, so laut, daß Felsenherz es ebenfalls verstand:

„Hm – der Zweig zeigt m das Seitental, obwohl ich hier eine deutlichere Fährte sehe, die geradeaus läuft.“

Da erbot sich Sansnom sofort, dieser Fährte ein Stück das breite Tal hinauf nachzueilen. „Wir treffen uns dann in dem Seitental,“ fügte er noch hinzu.

Ben war einverstanden –

Felsenherz begleitete jetzt oben am Talrande der verdächtigen Goldgräber, der hastig davonschritt.

Schon nach wenigen Minuten schaute Sansnom sich argwöhnisch um und begann nun die linke Talwand unweit der Stelle, wo Felsenherz jetzt hinter einem Steine lag, zu erklettern.

Der junge Trapper kroch schnell weiter und drückte sich hinter einen anderen Stein. Hier mußte Sansnom vorüber.

Doch – Felsenherz wartete umsonst auf ihn. Schließlich merkte er, daß der Goldgräber eine andere Richtung eingeschlagen haben müsse. Als er dann gerade sein Versteck verlassen wollte, warf sich jemand mit dem vollen Körpergewicht auf ihn und setzte ihm eine Messerspitze ins Genick –

„Liegt still, oder ich stoße zu!“ drohte Sansnom. „Ich lasse nicht mit mir spaßen! Bei der geringsten Bewegung seid Ihr geliefert!“

Felsenherz war dieser Angriff so überraschend gekommen, daß er sekundenlang sich völlig still verhielt. Dann fragte er, während er die Messerspitze noch immer auf seiner Haut fühlte:

„Master, was wollt Ihr?! Ist das Euer Dank dafür, daß wir Euch freundlich behandelten, obwohl wir nicht wußten, was und wer Ihr wart?!“

„Spart Eure Vorwürfe!“ erwiderte Sansnom kurz, aber nicht unfreundlich. „Mein Tun und Lassen ist lediglich durch eine heilige Pflicht bestimmt. Ich habe ein Ziel vor Augen, das ich unbedingt erreichen muß! Ich war diesem Ziele nahe. Nun ist meine Hoffnung zerschellt. Ich muß von vorne beginnen. – Doch – genug der Worte! – Ich will Euch mitteilen, was ich verlange, falls Ihr Euer Leben retten wollt. Ihr sollt mir helfen, den Komanchenhäuptling in meine Gewalt zu bekommen –!“

Felsenherz glaubte sich verhört zu haben. „Den schwarzen Panter?!“ meinte er ungläubig. „Ihr scherzt wohl, Master! Der Häuptling ist mein Bruder! Ebenso gut könntet Ihr verlangen, daß ich an meinem Vater, falls er noch lebte, Verrat beginge!“

„Ihr werdet gehorchen!“ stieß Sansnom halb verzweifelt, halb im Zorn hervor. „Ich habe jetzt nur noch diese eine Möglichkeit meinen Schwur zu erfüllen, nachdem mir heute die andere Möglichkeit genommen wurde.“

Felsenherz spürte, daß der Druck der Messerspitze nachgelassen hatte. Der Fremde nahm wohl an, der junge Trapper würde keine Bewegung wagen.

Doch – da kannte Sansnom die Gewandtheit eines Felsenherz schlecht –! – Gewiß, dieser lag auf dem Bauche, und der Fremde kniete halb auf ihm, konnte also jeden Moment wirklich zustoßen.

Felsenherz hatte jetzt die unter seinem Leibe liegenden Arme etwas angezogen, hatte die Hände flach auf den Boden gestützt.

„Die andere Hoffnung, von der Ihr soeben spracht, war wohl die Goldladung Eures Packtieres?“ fragte er nun, „Daß Ihr den Häuptling insgeheim haßt, sah ich Eurem Blick an. In welcher Beziehung steht nun der schwarze Panther, der doch niemandem ein Unrecht zugefügt hat, zu Eurem Schwur? Es muß da Zusammenhänge geben, die Ihr offenbar –“

Er hatte all das ganz ruhig gesagt, hatte Sansnom durch den gleichgültigen Ton in Sicherheit wiegen wollen.

Jetzt, als er das Wort „offenbar“ ausgesprochen hatte, änderte sich die Szene –

Felsenherz hatte urplötzlich die Beine und den Unterkörper hochgeworfen, hatte sich gleichzeitig aber auch nach rückwärts geschnellt, so daß Sansnom über seinen Kopf hinwegrutschte.

Dann fuhr seine Faust hoch, traf den Fremden gegen den Hinterkopf. Und diese Faust war wie ein Hammer von Stein –

Sansnom brach bewußtlos zusammen.

Felsenherz hatte ihn im Augenblick mit seinem Lasso gefesselt. Dann setzte er seinen Hut wieder auf, hob den Besinnungslosen empor und trug ihn dorthin, wo er seinen Braunen zurückgelassen hatte.

In seinem Innern empfand er keinerlei Groll gegen den rätselhaften Menschen. Er ahnte, daß dieser Mann mit den so seltsam traurigen Augen und dem von Falten zerrissenen Gesicht sehr Trübes im Leben durchgemacht haben müsse und daß hier ein dunkles Geheimnis vorlag, mit dem der schwarze Panter vielleicht nur scheinbar verknüpft war.

Er legte den Goldgräber neben den Braunen in das Gras und schlich dann der Talwand wieder zu, um Sepp und den kleinen Ben, die inzwischen wohl bemerkt haben mußten, daß die Spur in jenem Seitentale, welche der Häuptling hervorgerufen hatte, sehr bald aufhörte, und die dann umgekehrt sein würden, zu erwarten.

Als er den Kopf durch das Gestrüpp am Rande der Talwand schob, zog er ihn sofort wieder zurück und packte seine Büchse fester –

Dort unten, kaum dreißig Meter, entfernt, hielt ein Trupp Apachen und im Eingang zu dem Seitentale stand der große Bär, der seinen Mustang am Zügel hatte und den Boden sorgfältig prüfte.

Felsenherz spähte durch das Gestrüpp nach Ben und Sepp aus. Er konnte von dieser Stelle das Seitental überschauen. Es war leer –

Diese Beobachtung, beruhigte ihn.

Die Apachen, etwa dreißig Krieger, folgten nun langsam dem Häuptling, der jetzt wieder sein Pferd bestiegen hatte und dem Hintergrunde des Seitentales zuritt.

Mit einem Male blitzte es in einem Gebüsch, das einen Abhang über jenem Seitentale bedeckte, zweimal kurz hintereinander auf –

Der Mustang des großen Bären machte noch einen Satz und sank dann vorn in die Knie, kollerte leblos zur Seite, Die zweite Kugel hatte ein anderes Indianerpferd getroffen –

Und abermals zwei Schüsse von jenem Abhang her, die wieder zwei Apachengäule niederwarfen –

Der Trupp drängte zurück – Der große Bär hatte sich rasch in Sicherheit gebracht, hielt sich am Sattel eines seiner Krieger fest, und ließ sich so halb mit fortschleifen.

Die Apachen jagten bis in den Wald, verschwanden hier unter den Bäumen –

Felsenherz holte seinen Braunen, nahm den Gefangenen in die Arme und wollte gerade in das Tal hinabsteigen, um sich mit Ben und Sepp wieder zu vereinen, als aus dem Gesträuch lautlos ein Apache hervortrat –

„Der große Jäger mag seinen Tomahawk im Gürtel lassen,“ flüsterte der Apache hastig, dessen linker Fuß einen dicken Verband trug. „Der große Jäger sieht den kleinen Bär vor sich, der nun wieder einen Namen hat – Ich – wollte Dich warnen. Der große Bär hat deine Spur erkannt. Deine Stiefelabdrücke sind für ihn wie da Feuerwasser das den Zorn und den Haß leichter auflodern läßt. Er wird nicht eher ruhen, bis er Dich in seiner Gewalt hat –“

Dann warf er einen langen Blick auf den Gefangenen, fügte hinzu:

„Weshalb hat der große Jäger das Blaßgesicht betäubt? Weiß er nicht, daß er ein – Weib gefesselt hat?!“

„Ein Weib?!“ meinte Felsenherz ungläubig.

„Ja, es ist so!“ nickte der kleine Bär ernst. „In den Jicarilla-Bergen jagte ich vor fünf Monaten einen weiblichen Baribal (der schwarze Bär Nordamerikas, der nicht viel kleiner als der Grisly ist). Dabei traf ich mit dieser Frau zusammen, die mir Pulver und Blei schenkte. Nur zufällig merkte ich, daß es ein Weib war. Sie verließ dann – nachts heimlich unser Lager, und ich habe sie seitdem nicht wiedergesehen, Der kleine Bär muß zurück zu seinen Kriegern. Der berühmte Jäger wird es schwer haben, seinen Skalp zu verteidigen.“

Lautlos wie er gekommen, tauchte er in den Büschen wieder unter –

Gleich darauf ritt Felsenherz, die bewußtlose Gefangene im Arm, durch das Seitental und erstieg dann den Abhang, wo er in den Büschen Ben und Sepp antraf.

Man beeilte sich, von hier wegzukommen Ben, der diese Gegend gut kannte, übernahm die Führung.

Nach zehn Minuten hatte man durch eine Schlucht eine Hochebene erreicht, wo man auf die Fährte der Buschklepper und des schwarzen Panthers stieß.

Die Gefangene war jetzt bei Bewußtsein. Felsenherz hatte ihr nur die Hände gefesselt gelassen und sie vor sich in den Sattel gesetzt. Er wollte ihr vorläufig nicht zeigen, daß er nun den Grund kannte, weshalb sie so völlig bartlos war und einen so schlanken Körper besaß. Er empfand Mitleid mit ihr. Er sagte sich, daß dieses Weib, das etwa vierzig Jahre alt sein mochte, Mitleid verdiene. Sie hatte ja von einer heiligen Pflicht und einen Schwur gesprochen, hatte das Gold wohl nur zu einem besonderen Zwecke in den Jicarilla-Bergen aus dem Gestein in mühseliger Arbeit herausgewaschen –

Im Galopp ging es nun auf der Fährte der Buschklepper und des Komanchen weiter –

 

 

4. Kapitel.

Der Schlupfwinkel der Buschklepper.

Der kleine Ben, der stets fünfhundert Meter voraus war, hatte jetzt haltgemacht und ließ die anderen herankommen.

„Hier haben ich zwei Reiter dem Häuptling angeschlossen,“ meinte er. „Reiter mit unbeschlagenen Pferden. – Felsenherz, es werden vielleicht die beiden Späher gewesen sein, die wir schon für verloren hielten.“

Der junge Trapper nickte. „Sie sind’s, Ben! Der schwarze Panther hat ja eine Nachricht zurückgelassen. Dort – seht Ihr die drei Grashalme auf dem flachen Steine liegen? Sie sind durch je zwei Steinchen beschwert. Der eine, nach Nordwest zu gerichtete Halm ist länger als die beiden anderen. Damit ist der Häuptling gemeint. Die beiden anderen sind eben die Komanchenkrieger. – Weiter!“

„Hm!“ brummte Ben. „Von Euch kann man was lernen Felsenherz! Ihr habt die besseren Augen!“

Er galoppierte davon.

Die Hochebene stieg nun allmählich an und ging in eine Schlucht über, aus der rauschend ein kleiner Gießbach hervorschoß.

Dicht vor der Schlucht hatte der kleine Ben abermals angehalten. Als Felsenherz sich näherte, rief er leise: „Was gibt’s, Ben?“

„Gar nichts gibt’s – leider! Ich wünschte, es gäbe was – nämlich Fährten! Sie sind aber hier plötzlich wie weggeblasen. – Da – einige zermalmte Steinchen, – das, ist das letzte!“

Felsenherz beugte sich tief aus dem Sattel und musterte den kahlen, steinigen Boden.

„Ich werde jetzt voranreiten,“ sagte er dann, „Die Buschklepper haben hier ihren Pferden Decken um die Hufe gebunden, und der schwarze Panther und seine beiden Krieger taten dasselbe: – Wenn Ihr dort jene Steinkante betrachten wolltet, Ben – – ich denke, daß an ihr ein paar Wollfasern hängen. Und dort nach links werdet Ihr einen ganzen Wollfaden bemerken – Los, folgen wir dem Beispiele des Häuptlings! Wir dürfen nicht vergessen, daß die Apachen recht bald hier erscheinen werden. Wir müssen sie irrezuführen suchen. Ihr habt ja Lederschuhe für Eure Liddy in der Satteltasche, Ben, und Sepp hat vorgestern für uns beide ähnliche Dinger hergestellt.“

„Er stieg ab und hob zunächst den Wollfaden auf, entfernte auch die Wollfasern von der Steinkante, nahm seinen Braunen am Zügel und schritt mehrmals mit dem Pferde nach rechts hin an der Schlucht vorüber, um hier eine Fährte herzustellen, die bis an den nach Norden fließenden Bach führte.

„So“, meinte er dann, „die Apachen werden denken, wir sind im Bache weitergeritten.“ – Nun schnallte er die plumpen Lederüberzüge, die mit Gras gepolstert waren, dem Braunen über die Hufe, sagte darauf: „Ben Ihr bleibt zurück und verwischt die Fährten an dieser Stelle, wo wir die Tiere beschuht haben. Hebt jedes zermalmte Steinchen auf; laßt nur einige liegen. Sonst merken die Apachen, was wir hier gemacht haben.“

Felsenherz bog links um die Schlucht herum. Die kaum wahrnehmbare Fährte zog sich am Rande der Hochebene zwischen Felsblöcken und Gestrüpp entlang, bis sich nach Westen zu ein tiefer, steiler Kanon öffnete.

Hier lag ein Zweig auf dem Boden, dessen Spitze in den Kanon wies. Felsenherz hob den Zweig auf und warf ihn ins Gestrüpp, drehte sich im Sattel und winkte Sepp näher heran.

„Sepp, Ihr wartet hier auf Ben,“ sagte er dann zu dem früheren Zeitungsschreiber. „Haltet Euch hundert Meter hinter mir!“

„Der Kanon „war bereits in Dämmerlicht getaucht. Die Sonne hatte schon vor einer halben Stunde ihre letzten rötlichen Strahlen über die Bergwildnis gesandt. In einer Stunde mußte es dunkel werden.“

Felsenherz ritt durch den Kanon in kurzem Trab.

Da es ihm unangenehm war, die Gefangene weiter mit gefesselten Händen vor sich im Sattel zu haben, fragte er jetzt, indem er ihr auch jetzt noch verhehlte, daß er über ihre Person besser unterrichtet war, als sie glaubte:

„Master, wenn Ihr mir versprecht keinen Fluchtversuch zu wagen, dann will ich Euch von den Handfesseln befreien. Wollt Ihr dies Versprechen geben?“

„Nein – nein, niemals!“ rief die verkleidete Frau leidenschaftlich. „Ihr wißt nicht, was die Triebfeder meines Handelns ist! Ihr als Weißer stellt die Freundschaft mit einer Rothaut höher als meinen wohlbegründeten Wunsch, diesen elenden Komanchen in meine Gewalt zu bekommen!“

„Ihr irrt, Master!“ erwiderte der blonde Trapper ernst, „Der schwarze Panther ist mir mehr als nur Freund! Habt Ihr nicht an seiner etwas helleren Hautfarbe und dem nicht ganz rein indianischen Gesichtsschnitt gemerkt, daß in den Adern des jungen Häuptlings europäisches Blut fließt? – Damit Ihr es wißt: Chokariga, der schwarze Panther, und ich sind Halbbrüder. Wir haben denselben Vater; nur war des Häuptlings Mutter eine Indianerin, während die meine eine Deutsche war! – Ich kenne Chokariga so gut wie mich selbst. Gewiß – er ist seiner ganzen Gesinnung nach eine Rothaut. Aber zu einer niedrigen Handlungsweise ist er nicht fähig.“

Die Frau schwieg. Und erst nach einer Weile erwiderte sie dann in sanfterem Tone:

„Es gibt auch Schlechtigkeiten, die sich sozusagen vererben und an denen der Erbe dessen, der sie beging, nur insofern mit schuldig ist, als er sie vor aller Welt verbirgt und ableugnet! – Eine Frage werdet Ihr mir offen beantworten: Falls Ihr die Buschklepper wirklich in ihrem Lager überrascht und das Gold, das sie raubten, findet, – was wird mit diesem Golde geschehen?“

„Welche Frage!“ rief der Trapper. „Natürlich erhaltet Ihr es zurück! Es ist doch Euer Eigentum!“

„So?! – Und wie wird sich der schwarze Panther dazu stellen?! Wird er damit einverstanden sein –?!“ hohnlachte die seltsame Frau. „Ich weiß, daß der Komanche es sich aneignen wird! Die Häuptlinge der Komanchen sind nach Gold gieriger als der verkommenste Weiße!“

Felsenherz konnte hierauf nichts entgegnen, da plötzlich vor ihm ein einzelner Reiter aufgetaucht war, in dem er den schwarzen Panter sofort erkannte.

Der Häuptling hielt seinen Rappen an und warf einen besonderen Blick auf die Gefangene. Dann flüsterte er hastig:

„Die Buschklepper sind uns entkommen Ihre Fährte läuft durch diesen Kanon und dann durch ein breites Tal hin. In diesem Tale verschwindet sie jedoch so spurlos, daß die Augen des schwarzen Panthers sie nicht wieder entdecken konnten. Mein Bruder Felsenherz mag mir im Galopp folgen. In zehn Minuten sind wir dort, wo die Fährte aufhört. Dann ist es noch hell genug, so daß mein Bruder sie sich ansehen kann. Ich werde seinem Braunen die Hufschuhe abschnallen.“

Er sprang aus dem Sattel. Als die Lederschuhe abgenommen waren, ging es im Galopp weiter.

Der kräftige Braune trug die doppelte Last spielend leicht. Bald war das Tal auch in Sicht, und dann parierte der Komanche seinen Rappen an einer Stelle, wo der Talboden aus hartem, glattem Fels bestand.

Der blonde Trapper stand schon auf der Erde, bückte sich tief über die undeutliche Fährte und richtete sich nach einer Weile wieder auf, sagte sehr bestimmt:

„Die Buschklepper sind von hier auf ihrer eigenen Spur wieder zurückgeritten!“

Der Häuptling neigte etwas den Kopf. „Mein Bruder hat recht. Aber – wo sind sie geblieben?! Ich habe die Fährte rückwärts verfolgt; sie sind nirgends zur Seite abgewichen.“

Felsenherz schritt nun zu Fuß auf der Spur entlang, während der Häuptling den Braunen am Zügel nahm und langsam hinterdrein ritt. Dann sagte er wieder:

„Hier biegt die Spur meiner beiden Krieger ab, die ich dort in jenes Nebental als Späher geschickt habe.“

Felsenherz war dann nach weiteren zwanzig Schritt stehen geblieben.

Die Fährte ging an dieser Stelle an einem vorspringenden Winkel der südlichen, haushohen und senkrechten Talwand vorüber.

„Mein Bruder Chokariga,“ erklärte der Trapper nun, „möge den harten Steinboden hier recht genau betrachten. Die Flöckchen Wolle, die an den Unebenheiten des Bodens haften geblieben sind, scheinen mir, für eine doppelte Fährte zu häufig. Die Buschklepper haben hier halt gemacht, und ihre Pferde sind unruhig hin und her getänzelt. – Da – dies ist ein Stückchen Leder von einem Stiefelabsatz, der bereits schief gelaufen war! Die Leute sind hier also offenbar auch abgestiegen. Wozu wohl?!“

Der Komanche und Felsenherz hatten jetzt im gleichen Moment denselben Gedanken.

Sie blickten an der Kante des Talwandwinkels empor –

Und dort über ihnen in einer Höhe von etwa sieben Metern erhob sich am Rande des Vorsprunges eine knorrige Eiche, deren Stamm ein wenig schräg nach dem Tale zu stand.

„Mein Bruder weiß, was eine Winde ist!“ sagte Felsenherz dann. „Die Eiche droben trägt die Last eines Pferdes. Und es gibt Lassos, die auch das Gewicht zweier Pferde aushalten würden.“

„Felsenherz Gedanken sind die meinen,“ entgegnete der Häuptling. „Wir werden den Buschkleppern auch dorthin folgen!“

Inzwischen war der Abend angebrochen. Auch Ben und Sepp fanden sich jetzt hier ein, kurz nach ihnen die beiden Komanchenkrieger, die der schwarze Panther dann zum Ausgang des Kanons sandte, damit sie feststellen, ob etwa die Apachen die Fährte doch gefunden und Späher durch den Kanon vorausgeschickt hätten –

Sepp meinte nun achselzuckend, nachdem er die Umgebung des Talwandvorsprunges untersucht halte:

„Dieser Teil der Wand bildet einen durch Seitenschluchten abgetrennten ungeheuren Felswürfel, der nach Süden zu mindestens zweihundert Meter lang ist. Euer Gedanke, daß die Kerle dort oben stecken, ist nicht schlecht. Aber – wie soll man da hinaufgelangen?!“

„Wir werden dünne Tannen fällen und, eine Art Leiter herstellen,“ schlug der Häuptling vor.

Felsenherz hatte sich jedoch bereits Bens Lasso und auch den Sepps geben lassen, knotete sie zusammen und band an das eine Ende einen keulenartig geformten Stein fest.

Dann legte er die beiden Lassos in weiten Ringen über den Boden hin, trat zurück und warf den Stein, der die Lassos mit emportrug, nach der Eiche droben –

Es gehörte seine ungeheure Muskelkraft dazu, um den Stein über den schräg stehenden Eichenstamm wegzuschleudern –

Der Wurf gelang. Der Stein zog den Lasso über den Stamm. Felsenherz hatte nun beide, Enden in den Händen, gab dem Häuptling seine Büchse und sagte:

„Ich werde bald wieder bei Euch sein!“

Er kletterte rasch empor.

Ben, der irgendeinen Zwischenfall fürchtete, hätte sich etwa zehn Meter von dem Vorsprung nach der Mitte des Tales zu entfernt und hielt seine schwere Doppelbüchse halb im Anschlag.

Am Fuße der Eiche wuchs eine Menge Gestrüpp. Die Dunkelheit erschwerte es dem kleinen Hinkenden genau zu erkennen, was dort oben vorging.

Der Häuptling hielt die beiden Enden des Lassos straff, während Sepp auf die Gefangene achtgab.

Felsenherz war jetzt nur noch einen Meter unterhalb der Eiche. Er hatte gerade wieder mit den Füßen Kletterschluß genommen, als er links über sich im Gestrüpp am Rande der Steilwand ein Rascheln hörte –

Er bog den Kopf zurück –

Und er saß nun den Oberkörper eines Mannes sich weit aus den Sträuchern vorbiegen, sah eine noch weiter vorgestreckte Hand in der ein langes Jagdmesser blinkte –

Die Hand und das Messer suchten den Lasso –

Felsenherz wußte, daß es einer der Buschklepper war, daß es sich hier um seine gesunden Glieder, wenn nicht gar um einen tödlichen Absturz auf das harte Gestein handelte –

Er überlegte nicht lange –

Mit den Füßen hatte er den doppelten Lasso fest umklammert. Mit einem Ruck reckte er sich hoch, hielt sich nur noch mit der rechten Hand fest –

Seine Linke griff nach links; er packte das Handgelenk des Buschkleppers gerade in demselben Moment, als die Schneide des Messers den einen Lasso berührte –

Ein furchtbarer Ruck – und der Körper, des Mannes flog aus dem Gebüsch hervor –

Der Kerl schrie gellend auf, hing nun in der Luft, nur gehalten durch des Trappers linke Hand –

Der kleine Ben sah jetzt lediglich dort oben zwei Gestalten, sah, daß die eine ohne Zweifel die eines der Banditen war, legte an, zielte bedächtig, drückte ab –

Der Buschklepper stieß einen zweiten Schrei aus – Die Kugel war ihm durch die Brust gegangen.

Felsenherz rutschte langsam an den Lassos herab –

Der schwarze Panther fing den Verwundeten auf, legte ihn auf den Boden nieder.

„Der Schuß war überflüssig, Ben!“ fuhr Felsenherz den Hinkenden ärgerlich an. „Ihr wißt, daß ich den Mann auch auf andere Weise –“

Der Häuptling rief leise dazwischen –

Der Schuß hat die Buschklepper alarmiert – Der schwarze Panter wird sie vom Abhang wegscheuchen –! – Er drängte Felsenherz beiseite, ergriff die Lassos und kletterte blitzschnell hoch, erreichte auch die Eiche, schwang sich auf den Stamm, war dann mit einem Satz im Gestrüpp, warf sich lang hin, nahm die Büchse von der Schulter und spannte beide Hähne –

Der kleine Ben brummte unten: „Ihr habt mir gründlich die Laune verdorben, Felsenherz! Ich verschwinde! Was der Häuptling kann, kann ich auch!“

Und er begann nun gleichfalls an den Lassos emporzuturnen.

Inzwischen hatte Sepp den Gefangenen, von dem Ja nur Felsenherz wußte, daß es ein Weib war, an der Felswand sich niedersetzen lassen und hatte ihm zur Vorsicht auch die Füße wieder gefesselt.

Der verwundete Buschklepper lag kaum drei Schritt von Sansnom entfernt. Felsenherz kniete jetzt neben ihm, hatte ihm das Jagdhemd geöffnet und sein Präriefeuerzeug angezündet, um die Wunde zu besichtigen.

Das kleine Flämmchen reichte gerade hin, auch das Gesicht des Mannes ein wenig zu beleuchten.

Da – die Gefangene, rief plötzlich halblaut einen Namen:

„Satervo –! – Satervo – Ihr seids?!“

Felsenherz horchte auf –

Der Verwundete öffnete die Augen – Ein dumpfes Röcheln drang aus der zerschossenen Brust hervor –

Dann flüsterte er mühsam:

„Wer – wer nannte mich bei Namen?! Bei dem Namen –?! Und – diese Stimme –?!

Der junge Trapper beugte sich tiefer –

„Satervo, Ihr habt nicht mehr lange zu leben –!“ sagte er ernst, „hier ist jemand, der Euch offenbar kennt – Erleichtert Euer Gewissen –“

Dann winkte er der Gefangenen –

Diese war schon auf den Knien nähergerutscht, rief nun mit bebender Stimme:

„Satervo – was – was bedeutet das?! Ihr seid ein Genosse der Buschklepper?! – Satervo, eine furchtbare Ahnung steigt in mir auf –! Ihr – Ihr habt mich all die Jahre belogen –! Gesteht es ein, Satervo! Bedenkt, daß Ihr in kurzem –“

Der Verwundete hatte sich mit einem Ruck aufgerichtet, klammerte sich an des Weibes Schulter fest, stieß keuchend hervor –:

„Sennora Frontera, – ja, ich – ich habe – als Schurke an Euch gehandelt – Euer, Gatte wird in den Jicarilla-Bergen gefangen gehalten – Dort, wo der Rio Lincoln aus den Felsen –“

Er konnte den Satz nicht mehr beenden, sank schwer zurück. Seine Glieder reckten sich im letzten Krampf. Dann war er tot –

Felsenherz nahm der Gefangenen schnell die Fesseln ab.

„Sennora,“ sagte er freundlich, „ich glaube jetzt Euer Geheimnis erraten zu können. Ihr aber werdet eingesehen haben, daß man Euch betrog und daß Ihr keinen Grund zum Haß gegen meinen roten Bruder habt! – Ihr seid frei, Sennora –!“

Die schlanke Frau ergriff des Trappers Hand. „Ihr sollt die Geschichte meines Unglücks erfahren – später! Jetzt dürften wir nicht Zeit dazu haben, diese Dinge zu besprechen. Ihr erlaubt daß ich weiter bei Euch bleibe und –“

Der Hufschlag eines galoppierenden Pferdes ließ sie verstummen. – Es war einer der beiden Komanchenkrieger, die den Ausgang des Kanons besetzt gehabt hatten.

„Die Apachen!“ rief der Komanche –

Im selben Moment knallten oben auf der Steilwand kurz hintereinander vier Schüsse, denen ein wütendes Gebrüll folgte –

Felsenherz hatte schon seine Büchse ergriffen. rief Sepp zu:

„Wenn es geht, hißt die Pferde nach oben, auch meinen Braunen! Ich werde den Kanon eine Viertelstunde lang wohl allein verteidigen können! Haltet das Seil bereit, daß ich Euch rasch folgen kann –!“

Dann eilte er in die Dunkelheit hinaus, dem Kanon zu, wo er den anderen Komanchen hinter einem Steinblock knieend fand.

„Mein roter Bruder überlasse mir diesen Platz!“ befahl er kurz. „Er kehre zu den anderen zurück –!“

Der Komanche gehorchte wortlos –

 

 

5. Kapitel.

Ein Ritt durch die Luft.

Zehn Schritt vor Felsenherz lag der Ausgang des Kanons wie ein schwarzer Schlund –

Nichts war zu sehen; nichts zu hören –

Und doch wußte der junge Trapper genau, daß dort drüben in der Finsternis die Apachen steckten. Er wußte es, weil ein Luftzug durch den Kanon auf ihn zu strich und ihm die scharfe Ausdünstung von Pferden in die Nase trieb –

Nichts regte sich. Felsenherz Augen bohrten sich in die Finsternis ein, gewöhnten sich langsam an das Dunkel, lernten geringe Einzelheiten unterscheiden.

Er kniff die Augen leicht zusammen – Er entdeckte etwas, das schlangengleich über den Boden sich hinschob –

Und – seine Rechte tastete nach einem Stein.

Der Stein flog – Ein dumpfer Schlag, ein Aufschrei –

Die Gestalt blieb regungslos liegen –

Und Felsenherz suchte einen zweiten Stein –

In weitem Bogen sauste das schwere Geschoß in den Tunnel –

Ein drittes, viertes folgte –

Pferde schnaubten; halb unterdrückte Aufschreie erklangen –

Nun wußte Felsenherz, wo ungefähr es ein Ziel für seine Kugeln gab –

Zweimal drückte er ab – Ließ den Schüssen weitere Steine folgen –

Nun wieder Stille in dem schwarzen Schlund eine unheimliche, die Seele bedrückende Stille.

Felsenherz überlegte – Ob er nicht bereits davoneilen konnte? Ob nicht seine Gefährten die Reittiere bereits nach oben geschafft hatten? – Er überzählte schnell die Anzahl: sechs Tiere mußten in die Höhe gewunden werden – sechs! Das erforderte, doch wohl mehr als fünfzehn Minuten! Also hieß es, hier noch weiter ausharren –

Er hatte inzwischen seine Büchse geladen. Als er nun die Zündhütchen auf die Pistons steckte, war es ihm, als hörte er links von sich an der Talwand ein Poltern wie von einem herabfallenden Stein –

Er blickte scharf dorthin – Doch an der dunklen Wand ließ, sich nichts erkennen –

Trotzdem war er vorsichtig, kroch lautlos zurück hinter einen andern Stein, hob die Büchse, feuerte aufs Geratewohl nach links –

Der Blitz des Schusses zeigte ihm acht Apachen, die aufrecht dort an der Talwand standen, kaum sechs Schritt entfernt –

Sofort glitt er noch weiter zurück. Wenn er den Apachen nicht in die Hände fallen wollte, mußte er die Verteidigung des Kanons anders fortsetzen.

Hinter einem dichten Gestrüpp machte er halt. Wieder nahm er sein Präriefeuerzeug. Das Flämmchen leckte an dem dürren Grase, das zwischen den Dornen und Disteln verkümmert war, zischend hoch; die Flämmchen wurden zu Flammen, huschten weiter und weiter.

Felsenherz war bereits hinter eine Gruppe von kleinen Tannen geschlüpft –

Die rote Glut Fraß höher, beleuchtete die ganze Umgebung. – Die Apachen waren verschwunden –

Nein – nicht verschwunden –! – Fünf – acht Pferde, scheinbar ohne Reiter, brachen aus dem Tunnel hervor –

Und hinten auf. der Kruppe jedes Pferdes hing ein Apache –

Felsenherz schoß die beiden vordersten Pferde nieder –

Dann stürmte er davon –

Es galt jetzt das Leben. Hinter ihm war plötzlich die Hölle los. – Das Kriegsgeschrei der Apachen – erfüllte das Tal; ein vielfaches Echo verstärkte das gellende Geheul.

Als Felsenherz den Vorsprung der südlichen Talwand erreichte, wurde gerade das letzte der Komanchenpferde hochgewunden –

Es hing in breiten Ledergurten, schnaubte vor Angst –

Felsenherz bekam noch den einen Steigbügel zu packen, zog sich empor, ergriff das dicke Lederseil, ließ sich in den Sattel fallen.

Unter ihm rissen die Apachen ihre Tiere zurück, starrten eine Weile untätig nach oben, als ob sie ihren Augen nicht recht trauten –

Pferd und Reiter schwebten höher –

Aus dem Randgestrüpp der Wand blitzte es auf – Drei Apachengäule brachen zusammen –

Aber zu viele der Reiter waren es jetzt. Und die wütende Stimme des großen Bären brüllte den Befehl, Felsenherz herabzuschießen –

Die Apachen feuerten vom Sattel aus. Gegen den sternklaren Himmel hob sich das Pferd in den Gurten deutlich ab –

Das arme Tier wieherte – Felsenherz fühlte, wie es unter den Kugeleinschlägen zusammenzuckte Er hatte sich tief auf den Hals gebeugt, fand so einige Deckung –

Dann konnte er einen Ast der Eiche erreichen, schwang sich hoch, kletterte höher duckte sich hinter dem Stamm –

Das Schnauben des verwundeten Pferdes ging in ein Stöhnen über –

Dann ein Todesschrei, der fast etwas Menschliches an sich hatte – Das Tier war tot – Und doch zog man es jetzt mit Hilfe der an den Ledergurten befestigten Lassos nach der Seite in das Gestrüpp.

Des schwarzen Panthers Stimme übertönte noch das Gebrüll der Apachen –

„Mein Bruder Felsenherz mag in der Eiche bleiben“ Wir werden die stinkenden Apachenkröten verjagen!“

Eine Salve aus sechs Büchsen fuhr in die Masse der Apachen – Eine zweite folgte –

Unten im Tale wälzten sich Tier– und Menschenleiber in wirrem Haufen –

Felsenherz benutzte diesen Moment, glitt am Stamm herab, verschwand in den Sträuchern.

Der kleine Ben trat ihm als erster entgegen streckte ihm die Hand hin –

„Old Boy, Ihr seid doch ein ganzer Kerl! Ohne Euch hätten die Apachen uns überrannt!“ –

Der Mond war jetzt über den Berger hochgekommen.

Felsenherz blickte geradeaus, sah dort zehn Schritt weiter mehrere Leichen liegen, daneben fünf Gefesselte.

Der schwarze Panter sagte ernst: „Die Blaßgesichter, die von hier aus die ganze Gegend unsicher machten, werden nie wieder einsame Reisende und Farmer überfallen, werden nie wieder hinterlistig jagende Komanchen ausplündern! Ich habe drüben in ihrer Höhle die Waffen und die Medizinbeutel von fünfzehn meiner Krieger gefunden. Die fünf noch lebenden Buschklepper werden am Marterpfahle der Komanchen sterben. Es sind Geier, die nur in der Überzahl sich an ihre Beute heranwagten! Auch das Gold der Sennora liegt in der Höhle. – Mein Bruder möge mir folgen.“

Dieses von allen Seiten unzugängliche Felsplateau hatte genau in der Mitte eine kegelförmige Ausbuchtung, deren Nordseite eine tiefe Grotte bildete.

In dieser Grotte brannte ein Feuer. Der junge Trapper konnte daher staunend die Unmenge von Beute aller Art betrachten, die von der Bande hier aufgehäuft worden war.

Dem Komanchenhäuptling und Felsenherz hatte sich auch die Sennora Frontera angeschlossen.

„Der schwarze Panther und sein weißer Bruder sollen jetzt meine Leidensgeschichte hören,“ sagte sie nun und trat vor die beiden hin. „Ich will mich ganz kurz fassen. – Mein Mann besaß eine kleine Hazienda drüben in Mexiko am Rio Uripe. Er war ein sehr unruhiger Geist, der stets von Reichtümern träumte. Mit seinem Freunde Satervo durchstreifte er oft wochenlang die Einöden, wagte sich bis in das Komachengebiet hinein, stets von dem Wunsche getrieben, eine Goldader oder eine Bonanza (Fundstätte großer Goldkiesel) zu entdecken. Als er dann einmal allein abermals drei Wochen unterwegs gewesen und zu mir und unseren beiden Söhnen zurückgekehrt war, erzählte er mir freudestrahlend, daß er nun am Ziel seiner Wünsche sei. Er beschrieb mir sehr genau eine Schlucht in den südlichen Jicarilla-Bergen, wo er eine reiche Goldader gefunden hatte. – Seinem Freunde Satervo, dessen Habgier er inzwischen durchschaut hatte, verschwieg er den Erfolg dieses letzten Rittes. Er wollte die Goldader allein ausbeuten. Vor fünf Jahren im Herbst brach er dann gut ausgerüstet allein nach der Goldschlucht auf. Und – er kam nicht wieder! Erst ein volles Jahr später erschien dann Satervo, der inzwischen Indianerhändler geworden, auf unserer Hazienda und teilte mir mit, daß mein Mann von Komanchen gefangen genommen worden sei und daß er versuchen wolle, ihn loszukaufen. Ich gab Satervo alles an Gold und Waren, was ich auftreiben kannte. Abermals nach acht Monaten fand sich Satervo darauf bei uns mit der Nachricht ein, den Komanchen genüge das Lösegeld nicht; sie wünschten drei Ledersäcke Goldkörner. – Meine Söhne waren damals sechzehn und siebzehn Jahre alt. Wir beschlossen, Satervo nichts von der Goldschlucht mitzuteilen; ich bestellte ihn aber nach einem halben Jahre an den Westrand der Llano Estacado an eine bestimmte Stelle, von der mir mein Mann erzählt hatte, daß sie nur zwei Tagesritte von der Goldschlucht entfernt läge. – Wir drei wurden dann in aller Stille Goldgräber. Satervo versuchte zwar, uns heimlich zu folgen. Wir brachten ihn aber von unserer Fährte ab. In jener Schlucht der Jicarilla-Berge haben wir, meine Söhne und ich, dreimal je drei Säcke Goldstaub und Goldkörner gewonnen. Und stets hat Satervo uns um die Früchte unserer mühsamen Arbeit betrogen, wie jetzt aus seinem Geständnis hervorging. Er selbst wird meinen Mann gefangen genommen haben, um ihm das Geständnis zu erpressen, wo die Goldschlucht zu suchen sei. In den Jicarilla-Bergen hausen viele aus ihrem Stamme ausgestoßene Apachen, und diese dürften es sein, die meinen Mann bewachen. – So, nun weiß der schwarze Panther, weshalb ich glaubte, er hielte meinen Mann gefangen, wie dies – so mußte ich es ja annehmen – schon sein Vater getan hätte. – Satervo wird das Gold in den Ansiedlungen verspielt haben. Ich hegte ja etwas Mißtrauen gegen ihn. Aber stets, wenn er mir wieder das Gold als Lösegeld abnahm, zeigte er mir irgendeinen Gegenstand vor, der meinem Gatten gehörte. So schläferte er mein Mißtrauen immer wieder ein.“

Der kleine Ben war jetzt in der Grotte ebenfalls erschienen.

„Wir tun gut, noch in dieser Macht von hier zu entweichen,“ meinte er. „Wir dürfen nicht vergessen, daß der große Bär genügend Krieger bei sich hat, uns hier zu belagern und gleichzeitig einen Trupp nach dem Apache-Spring in die Llano zu senden, um Eure Schwester, Häuptling, und unsere Freunde Billy und den Skalpierten in seine Gewalt zu bringen. Felsenherz, Ihr könntet Euch das Plateau mal näher ansehen. Euch ist ja noch immer irgend etwas eingefallen, uns aus der Patsche herauszuhelfen.“

Felsenherz verließ dann mit Ben die Grotte.

Das Plateau bildete ein Dreieck, dessen Grundlinie nach Süden zu lag. Es war mit einzelnen Bäumen und Buschwerk bestanden und rings durch tiefe Abgründe von der Umgebung abgeschitten.

Als Felsenherz und Ben nun an der Ostseite des Plateaus entlangschritten, bemerkte der erstere eine Stelle, wo die jenseitige Steilwand nur sechs Meter etwa entfernt war, weil drüben eine Felszunge sich wie ein Balkon weit vorschob.

Der junge Trapper blieb stehen.

„Ben, wenn wir an dieser Stelle hinüberkönnten!“ meinte er bedächtig. „Ob die Apachen etwa auch hier unter uns in diesem Abgrund Wachen aufgestellt haben?“

„Nein. Bisher nicht. Sie warten wohl erst das Tageslicht ab. In dieser von Schluchten zerrissenen Bergwildnis findet sich nachts niemand zurecht.“

„Gut, dann käme es also auf einen Versuch an, hier den Abgrund irgendwie zu überqueren. Wir haben ja das Lederseil und die Winde zur Verfügung, ebenso genügend Lassos –“

Er blickte angestrengt nach der Felszunge hin und fuhr fort: „Wenn es uns gelingt zunächst zwei Lassos drüben zu befestigen, haben wir gewonnenes Spiel!“

„Wird ein böses Kunststück werden!“ brummte der kleine Ben.

„Hm – nicht ganz so schlimm, wie Ihr denkt. Sehen wir nach, ob unter der Beute der Buschklepper vielleicht eine Eisenstange sich befindet, die sich in Ankerform biegen läßt. – Kehren wir also nach der Grotte zurück,“ –

 

 

6. Kapitel.

Die Flucht von dem Bergtableau.

Felsenherz suchte aus dem Beutelager in der Grotte sehr bald einen richtigen kleinen Anker heraus, der sicherlich einmal zu einem Flachboote gehört halte, wie sie auf dem Arkansas, Kolorado und den anderen Flüssen in den Ansiedlungsgebieten verkehren.

Der schwarze Panther, Ben und Felsenherz begaben sich nun wieder nach der Ostseite des Plateaus, hüteten sich aber, sofort mit ihrem Vorhaben zu beginnen, verhielten sich vielmehr eine Viertelstunde völlig regungslos und beobachteten die gegenüberliegende Steilwand und den mit Gestrüpp und Steinblöcken bedeckten Boden des Abgrundes tief unter ihnen.

Nichts regte sich. Die Apachen schienen sämtlich in dem großen, nördlichen Tale zu lagern.

Dann erhob sich Felsenherz, trat in eine Lücke des Gestrüpps und schleuderte den an dem einen Tau befestigten Anker über den Abgrund, indem er das freie Ende des Taues in der linken Hand behielt.

Der Wurf war an sich durchaus nicht schwierig. Es kam lediglich darauf an, ob die Schaufeln des Ankers sich nun auch drüben in einer Spalte festklemmen würden.

Der Anker schlug mit leisem klirren auf. Felsenherz holte jetzt langsam das Tau ein und zog den Anker über den Boden hin.

Zweimal mißglückte der Versuch. Dann aber warf der Trapper den Anker mehr nach rechts, wo das Gestein verwittert war und sich mehrere Zacken gebildet hatten.

Felsenherz ruckte immer stärker an dem Tau. Der Anker hielt.

Jetzt wurde das freie Ende um einen Felsblock gebunden, so daß das Tau ganz straff gespannt war. Als Felsenherz nun jedoch hinüberturnen wollte, schob der Häuptling ihn sacht beiseite

„Mein Bruder hat in dieser Nacht sein Leben bereits mehrfach aufs Spiel gesetzt,“ sagte er schnell. „Der schwarze Panther wird das weitere ausführen. Ben möge mir die drei hierher mitgenommenen Lassos reichen –“

Er knotete sie zusammen, gab Felsenherz das eine Ende und band sich das andere um den Leib, ließ seine Büchse zurück und schwang sich Griff für Griff an dem Tau hinüber.

Langsam richtete er sich drüben auf. – Ben hatte für alle Fälle seine Büchse gespannt. – Der Häuptling benahm sich umsichtig wie stets. Er suchte erst das Jenseitige Plateau ab, indem er, jede Deckung benutzend, von Felsblock zu Felsblock, von Busch zu Busch glitt.

Der Mond hüllte die ganze Umgegend in ein mildes Licht. Felsenherz, und Ben konnten den Komanchen genau beobachten.

Mit einem Male war es, als ob eine unsichtbare Gewalt den schwarzen Panter von rückwärts zu Boden riß –

Er war verschwunden! Und der Lasso, den Felsenherz jetzt anruckte, war durchschnitten –!

„Ben – er ist durch einen Lassowurf überwältigt worden!’„ keuchte Felsenherz erregt. „Ich muß hinüber, muß ihm beispringen! Es sind doch Apachenspäher drüben verborgen gewesen!“

Drei Minuten später umklammerten seine Hände bereits eine Felszacke drüben. Er zog sich höher, lief gebückt, kroch dann sofort nach rechts hin am Rande der Wand weiter, bis er einen Buschstreifen erreicht hatte, der über das Plateau bis in die nächste Schlucht hinabging. Hier richtete er sich auf, lief vorsichtig der Schlucht zu. Er ahnte, daß die Apachen von dorther gekommen sein müßten, und er beabsichtigte ihnen den Weg abzuschneiden.

Das Plateau senkte sich hier ziemlich steil abwärts. Felsenherz spähte nach den Apachen aus. Er entdeckte nichts. Und abermals kroch er auf allen Vieren weiter. Denn die Apachen sich noch an derselben Stelle befanden, mußte er jetzt von hinten an sie herankommen.

Lautlos näherte er sich so einem großen Strauche. Als er nun zwischen ein paar Grasbüscheln hindurchlugte, bemerkte. er an dieser Seite des Busches fünf Apachen, die den schwarzen Panther gerade fesselten.

Der junge Trapper sagte sich mit Recht, daß von den fünf Apachen nicht einer entkommen dürfe. Sie sollten fraglos den Schlupfwinkel der Buschklepper bewachen und hatten wahrscheinlich schon längere Zeit hier verborgen gelegen. Wenn es ihm gelang, sie unschädlich zu machen war der Weg nach dieser Richtung frei.

Allerdings – fünf Rothäute ohne Lärm zu betäuben, alle fünf niederzuschlagen – das war ein sehr zweifelhaftes Vorhaben –! Entfloh auch nur ein einziger, dann war der Plan, über den Abgrund zu entweichen, für alle Zeit vereitelt! –

Felsenherz entschloß sich abzuwarten, was die Apachen weiter tun würden. Er hoffte, daß zwei den schwarzen Panther nach dem Lager schaffen würden. Dann konnte er erst diese beiden überwältigen und später sich an die drei übrigen heranwagen.

Er kroch deshalb wieder eine Strecke zurück bis zu einem einzelnen Busche. Hier verbarg er sich.

Und – seine Vermutung traf zu –! – Zwei Apachen trugen? den offenbar bewußtlosen Häuptling tief gebückt in das Plateau hinab, kamen dicht an dem Strauche vorüber, wo Felsenherz jetzt kniete –

Nun hatten sie den Strauch hinter sich. Und dieser Strauch entzog sie den Blicken der drei anderen –

Neben ihnen schnellte eine Gestalt hoch –

Zwei Fausthiebe – zwei Griffe, und Felsenherz ließ die betäubten Apachen zu Boden gleiten.

Dann durchschnitt er des schwarzen Panthers Fesseln.

Der Komanche war bei Bewußtsein, hatte sich aber, als der Lasso ihn nach hinten riß, den Kopf an einem Steine recht übel zugerichtet.

Der Häuptling setzte sich aufrecht. Sein Blick fiel auf die Apachen. Einer der beiden hatte des Komanchen Messer und Tomahawk im Gürtel. Der schwarze Panther nahm seine Waffen wieder an sich.

Felsenherz schaute nach den drei anderen Rothäuten aus. Sie lagen noch dort hinter den Büschen und hatten nur Augen und Ohren für das Plateau drüben, auf dem die Blaßgesichter sich befänden.

Der schwarze Panther fesselte jetzt schnell diese beiden Apachen, winkte dann Felsenherz und schob sich langsam den Büschen zu –

Gleich darauf lebten von den fünf Apachen nur noch drei. Es waren die, denen die Faust des jungen Trappers einen Messerstich erspart hatte.

„Der schwarze Panther kehrte nun nach dem Schlupfwinkel der Buschklepper zurück und schickte die beiden Komanchenkrieger zu Felsenherz hinüber, der sie als Wachen unten in der Schlucht aufstellte, von der aus man allein auf dieses Plateau gelangen konnte. Nun war man vor einer Überraschung durch andere Apachen sicher; nun wurde in aller Eile das zweite Schiffstau über den Abgrund gespannt und mit dem Hinüberschaffen der Pferde begonnen, was hier weit mehr Schwierigkeiten machte als vorhin das Emporwinden.

Diese Arbeit dauerte fast anderthalb Stunden. Von den überflüssigen Pferden der Buschklepper suchte man die drei besten aus, eins für den einen Komanchenkrieger, dessen Tier für Felsenherz die Kugeln abgefangen hatte, das zweite für die Sennora Frontera, die beim Hinüberschaffen der Pferde wacker wie ein Mann mitgeholfen hatte. Auch die drei Säcke mit Goldstaub nahm man auf das andere Plateau hinüber und lud sie hier dem dritten der Buschklepperpferde auf. Nachdem dann noch das Beutelager in Brand gesteckt und die Verbindung über den Abgrund zerstört worden war, setzte sich den Zug mit den fünf Gefangenen und dem einen Packpferde in Bewegung.

Um folgenden Abend kam der kleine See in Sicht, der unter dem Namen Apache–Spring allen Rothäuten und Trappern wohlbekannt war.

Hier in der Nähe hatte der Trapper Barnley, der stets nur „der Skalpierte“ genannt wurde und mit dem Felsenherz und der schwarze Panther seit langem befreundet waren, seine festungsartige, gut versteckte Behausung.

Des Komanchenhäuptlings Schwester, die dieser vor drei Wochen unter dem Schutze des Skalpierten und des langen Billy, eines alten, erfahrenen Westmannes, hierher geschickt hatte, weil die Apachen auf die junge Komanchin Jagd gemacht hatten, wurde nun in Begleitung Billys, Bens und der zwei Komanchyenkrieger mit den fünf gefangenen Buschkleppern durch die Llano nach Mordost zu nach den Dörfern der Komanchen am Kanadian vorausgesandt, wo sich später auch Felsenherz und der schwarze Panther einfinden wollten, sobald sie den Sennor Frontera befreit hätten. Der Skalpierte wieder schloß sich den drei anderen an, die nun weiter quer durch die Llano den Jicarilla-Bergen zustrebten.

 

 

7. Kapitel.

Der unterirdische Fluß.

An einem klaren Herbstmorgen näherten sich vier Reiter, die am linken Ufer eines Flüßchens dahintrabten, den östlichen Ausläufern der Jicarilla-Berge. – Es waren dies die Sennora Frontera, Felsenherz, der Skalpierte und der Komanchenhäuptling.

Edward Barnley, dem einst Wacco-Indianer nicht nur den Skalp, sondern auch die Ohren geraubt hatten, sah mit seinem schwarzen Vollbart recht finster aus, war aber ein überaus gutmütiger Mann, der hier im wilden Westen, insbesondere zwischen Rio Grande del Norte und Pecos, sehr gut Bescheid wußte und den drei anderen als Führer äußerst wertvoll war. Er ritt mit Felsenherz etwa zwanzig Schritt voraus und sagte nun, als das Flüßchen in einer scharfen Biegung die erste Felsgruppe umfloß und die Reiter zu einem kurzen Umwege zwang:

„Gewiß, es gibt hier in den Jicarilla-Bergen eine ganze Menge Indianer, die aus ihren Stämmen ausgestoßen sind, zumeist Apachen. Es ist eine böse Bande, Felsenherz, – dies heimatlose Gesindel! Als ich noch Indianerhändler war, habe ich häufig mit diesen roten Banditen Geschäfte gemacht, denn sie sind reich, diese Ausgestoßenen, sehr im Gegensatz zu den anderen Indsmen. Gerade weil sie hier in den Jicarilla-Bergen hausen, in denen alten Indianersagen nach ungeheure Schätze verborgen sein sollen, kennen sie wohl so manche Goldfundstelle. – Doch, worauf meine Rede nun eigentlich hinauskommen sollte: ich habe niemals von den Ausgestoßenen gehört und auch nie sonstwie nur die geringsten Beweise dafür erhalten, daß gerade in dieser Bergwildnis seit Jahren ein Weißer gefangengehalten wird! – Trotzdem – ich gebe zu, daß das Geständnis des sterbenden Buschkleppers fraglos auf Wahrheit beruht! Nur wird es überaus schwierig sein, den Gatten der Sennora Frontera zu finden. Wir haben ja als einzigen Anhaltspunkt für den Ort, wo er gesucht werden muß, die Worte des Sterbenden: „dort, wo der Rio Lincoln aus den Felsen – – Mehr konnte jener Satervo nicht verraten. Nun – der Rio Lincoln ist dieses Flüßchen hier. Das betonte ich schon. Alle Trapper und Rothäute nennen ihn seit Jahren so, weil hier an seiner Quelle einmal ein Weißer ganz allein sich angesiedelt haben soll, der Lincoln hieß und der mit den Roten auf freundschaftlichem Fuße lebte, weil er so allerlei Kenntnisse besaß, die Ihn den Indianern unheimlich machten. Ihr wißt ja, Felsenherz, daß die Rothäute jeden, der einen kleinen geistigen Klaps hat, ungeschoren lassen. Und so wird’s auch wohl mit Lincoln gewesen sein.“

„Ganz interessant,“ meinte der junge Trapper, der unausgesetzt seine scharfen Augen umherschweifen ließ.

„Was mag aus Lincoln geworden sein? Und – wart ihr schon mal an der Quelle des Rio Lincoln, Barnley?“

„Beide Fragen muß ich mit Nein beantworten, Felsenherz. Wo und wie Lincoln endete, entzieht sich meiner Kenntnis. Und die Quelle des Rio Lincoln ist mir bis heute gleichfalls. unbekannt – He – was gibt’s denn, Felsenherz?!“

Dieser hatte nämlich mit einem Ruck des skalpierten Pferd hinter einen großen Felsblock zurückgerissen, hatte auch seinen eigenen Braunen ebenso schnell in den Schutz des mächtigen Steines gedrängt, flüsterte jetzt, indem er gleichzeitig dem schwarzen Panther und der Sennora Frontera warnend zuwinkte:

„Dort vor uns in der steil ansteigenden Schlucht sah ich soeben zwei durch Büsche halb verdeckte Gestalten. Ob es Indianer waren, kann ich nicht sagen. – Wartet hier! Ich werde. mich zu Fuß näher heranschleichen.“

„Seid vorsichtig!“ warnte der Skalpierte ernst. „Die Ausgestoßenen, die so etwas wie einen eigenen Stamm bilden, sind die einzigen Indianer, die ihre Pfeilspitzen vergiften –!“

Felsenherz war schon durch die Büsche weiter geschlüpft.

Der hier nur fünf Meter breite Rio Lincoln schoß schäumend und gurgelnd aus der breiten, mit Gestrüpp bewachsenen Schlucht hervor und verursachte ein Getöse, das stets zunahm, je mehr der junge Trapper sich der Schlucht näherte.

Dieser durfte sich hier also lediglich auf seine Augen verlassen. Das Gehör war ausgeschaltet.

Er wand sich deshalb auch ziemlich rasch durch die Büsche, kroch dann auf einem Wildpfade zwischen Dornen- und Distelstauden dicht am Ufer des Flüßchens hin und hatte nun den breiten Schluchteingang erreicht. Hier machte er eine Weile halt und lugte nach den Gestalten aus –

Er wußte genau, wo er sie zuerst bemerkt hatte. Jetzt jedoch war die Stelle leer.

Die Schlucht zog sich etwa in einer Länge von dreihundert Metern nach Westen zu in die Berge hinein. Die Wände waren überall steil und glatt, förmlich wie poliert, und an den niedrigsten Stellen gut zwölf Meter hoch, flachten sich dann erst terrassenartig ab und gingen in die Bergabhänge über. Noch nie hatte Felsenherz bisher so merkwürdig glatte, steile Schluchtwände gesehen. Selbst der Hintergrund der Schlucht wurde durch einen ungeheuren Abhang gebildet. Es gab hier also fraglos nur diesen einen Weg in dieses abschüssige Tal hinein, durch das der Rio Lincoln mit seinen schäumenden Wassern einen gegen das Grauschwarz des Gesteins und das Grün des Gestrüpps sich scharf abhebenden weißen Strich zu ziehen schien.

Der junge Trapper schlich weiter, blieb wieder stehen, schaute sich um –

Nichts – nichts, – keine lebende Seele, kein Mensch –!

Nur dort vor ihm hatten sich soeben fünf Wildtauben auf eine Tanne, niedergelassen. Und das war der beste Beweis, daß sich an jener Stelle weder ein Indianer noch ein Weißer befinden könnte. Es gibt ja keine scheueren Vögel als Wildtauben. Das war Felsenherz sehr gut bekannt, und das erfuhr er auch jetzt wieder, als er mit äußerster Behutsamkeit seinen weg fortsetzte und die Tauben ihn dennoch bemerkten und pfeilschnell davonstrichen.

Er wußte jetzt mit aller Bestimmtheit daß sich in, der Schlucht außer ihm kein Mensch weiter aufhalten könne, – Aber – wo waren dann die beiden Gestalten geblieben?! Sie konnten unmöglich an ihm vorüber gekommen sein, auch nicht jenseits des Flüßchens!

Dieses Verschwinden der beiden erschien Felsenherzrecht rätselhaft; mahnte ihn aber gleichzeitig auch zu doppelter Vorsicht. Er dachte an die Warnung des Skalpierten – an die vergifteten Pfeile! – Deshalb spannte er auch beide Hähne seiner Büchse. „Hier etwa einen Indianer zu schonen, wäre leichtfertig gewesen!

Schritt für Schritt strebte er, immer wieder Ausschau nach allen Seiten haltend, dem Hintergrunde der Schlucht zu.

Der Boden der Schlucht wurde jetzt flacher. Ein halbes Dutzend mächtige Tannen wuchsen hier am linken Ufer des Flüßchens. Von ihren abgestorbenen unteren Ästen hingen dicke Vorhänge von Schlinggewächsen herab.

Als Felsenherz nun diese Tannen, umgangen hatte, lag die hintere Schluchtwand keine zwanzig Schritt entfernt von ihm. Und in dieser Granitmauer gähnte in der Mitte, grottenartig gewölbt, ein von ausströmendem Wasser fast völlig ausgefülltes Loch, gut zwei Meter hoch und unten ebenso breit –

„Die Quelle des Lincoln!“ dachte Felsenherz froh – Es konnte ja nur die Quelle sein! Mithin mußte sich hier in der Nähe auch der Gefangene, befinden –!

Der junge Trapper bewunderte noch das eigenartige Bild der aus dem Loche hervorquellenden Wassermassen, als plötzlich zwischen dem oberen Rande der breiten Wasserflut und dem höchsten Punkte des Felsenloches der Kopf und die Brust eines Menschen auftauchten –

Rasch arbeitete der noch recht junge Weiße, der einen jetzt völlig durchnäßten Lederanzug trug, sich aus dem Loche hervor und stürzte taumelnd vorwärts –

In seinem linken Arme stete ein langer gefiederter Pfeil, den er nun herauszuziehen suchte. – Felsenherz rief ihn an.

„Wer seid ihr he!“

Der junge Weiße griff sofort nach dem Messer. Als er dann sah, daß er offenbar einen Trapper vor sich hatte, kam er rasch näher, stieß atemlos hervor: „Ich heiße Juan Frontera –! – Helft mir, Master! Schneidet mir den Pfeil heraus. Mein Bruder und ich wollten dort durch den Tunnel –“

Felsenherz liest ihn nicht aussprechen. „Juan, eilt die Schlucht abwärts! Eure Mutter befindet sich dort drüben! Der Komanchenhäuptling wird Euch beistehen! Macht schnell, ehe das Gift wirkt! Ich werde zusehen, ob ich Euren Bruder noch retten kann –!“

Juan lief bereits davon. –

Kaum war er hinter den Tannen verschwunden, als aus dem Felsloche zwei Rothäute herauskamen –

Beim Anblick des Trappers stutzten sie. Dann hatte der eine schon einen Pfeil auf die Bogensehne gelegt, zielte –

Felsenherz sprang zur Seite, riß die Büchse hoch – Der Donner zweier Schüsse hallte in den Bergen wider, und der Schütze warf die jetzt nutzlose Büchse weg, legte auch das Pulverhorn ab und stieg über die Leichen der Indianer in den dreiviertel mit Wasser gefüllten Schlund hinein.

Die Kraft der herausdrängenden Strömung zu bewältigen, war nicht leicht. Felsenherz stemmte sich mit aller Macht dagegen, schritt nun In das Dunkel hinein, hielt die Arme halb erhoben vorgestreckt, um nicht irgendwo mit dem Kopfe anzustoßen. – Er hatte damit gerechnet, daß der unterirdische Kanal sich sehr weit hinziehen würde, und war daher recht überrascht als er nach etwa hundert Metern vor sich einen Lichtschimmer gewahrte und auch spürte, daß die Kraft der Strömung nachließ, da der Kanal breiter und Wassermasse flacher wurde. Er hatte dann noch eine Biegung zu passieren, sah nun durch eine kegelförmige Spalte in ein Tal hinein, das den Namen Felsenkessel mit Recht verdiente. Die Talwände waren hier womöglich noch steiler als drüben in der Schlucht. Der Durchmesser dieses fast kreisrunden Bergkessels mochte etwa 500 Meter betragen. Kleinere Baumgruppen, üppiger Graswuchs und frischgrüne Büsche waren wohl der Feuchtigkeit zuzuschreiben, die das Flüßchen spendete, das in der Mitte des Tales sogar einen kleinen Teich bildete.

Das erste, was der junge Trapper hörte, als er jetzt aus dem Wasser hinter die nächsten Büsche sprang, war ein gellendes Geheul und der nervenaufpeitschende Angstschrei eines Menschen ––

Er stürmte daher auch ohne zu zögern weiter, stutzte dann jedoch noch im letzten Augenblick, da er dich am Ufer der kleinen Wassersammlung gegen dreißig Rothäute bemerkte, die mit den Tomahawks nach einem an eine dicke Buche gefesselten jungen Weißen warfen – freilich so, daß die Streitäxte das Opfer nicht berührten, sondern nur dicht neben ihm in den Stamm fuhren.

Noch etwas anderes bemerkte Felsenherz einen älteren Mann mit verwildertem Bart und völlig zerfetzten Kleidern, der etwas weiter nach links an eine Erle gebunden war.

Felsenherz ahnte sofort, daß diese beiden Europäer der Sennor Frontera und dessen anderer Sohn waren.

Er sagte sich jedoch auch, daß er allein gegenüber diesen vertierten menschlichen Bestien, die ihr Versteck durch das junge Blaßgesicht entdeckt sahen und sich bereits in einem wahren Blutrausch befanden, nichts ausrichten könne. Während er noch die grauenvolle Szene dort vor sich beobachtete, fühlte er eine leise Berührung an der Schulter. Er fuhr herum und erblickte die Sennora Frontera und den Skalpierten hinter sich. Wortlos drückte der Skalpierte ihm seine Büchse in die Hand. Felsenherz schaute auf das Gewehrschloß. Es steckten frische Zündhütchen auf den Pistons. Die Büchse war also geladen. Auch die Sennora hatte ein Gewehr mit, das des schwarzen Panthers. – „Laßt mich mal mit der Bande erst unterhandeln,“ flüsterte der Skalpierte jetzt. „Sie kennen mich ja von früher her, diese Ausgestoßenen ––!“

Furchtlos trat er hinter den Büschen hervor und schritt auf die Rothäute zu, rief laut und befehlend: „Werft Eure Waffen weg und flieht! Wer auch nur eine Hand gegen mich erhebt wird erschossen –!“ Er deutete dabei auf die Büsche, vor denen jetzt die Sennora und Felsenherz mit angeschlagenen Büchsen standen.

„Schießt!“ brüllte der Sennor Frontera da. „Schießt! Die Halunken haben mich hier wie einen –“

Die rote Bande hatte jetzt die erste Erstarrung abgeschüttelt. Einer schwang schon seinen Tomahawk ein anderer spannte den Bogen –

Felsenherz wollte und mußte es ihnen beweisen, daß sie es mit Gegnern zu tun hatten, deren Kugeln nicht fehlgingen –

Zweimal drückte er ab. Auch die Sennora feuerte –

Und gleichzeitig ertönte auch der schrille Schritt des heranstürmenden Komanchenhäuptlings –

Da gab es für die Bande kein Halten mehr. In wirren Knäuel stürzten sie davon, erklommen in wilder Hast eine an der Talwand stehende Riesenleiter und sprangen von hier auf einen schmalen Felsen von dem aus sie die Berglehne höher hinaufkletterten.

Der Komanche war ihnen gefolgt. Seine Pfeile holte noch acht der Ausgestoßenen herab. Die anderen entkamen –

An demselben Tage noch geleitete der Skalpierte die Familie Frontera nach seiner Behausung zurück im Llano Estacado, wo der jüngere Sohn Juan doch sehr bald von den Folgen des Pfeilschusses genas. Die Fronteras erreichten später auch wohlbehalten ihre Hazienda an der Grenze von Mexiko. Demselben Felsenherz und seinem roten Bruder bewahrten sie stets ein dankbares Andenken –

Weshalb Felsenherz und der schwarze Panter noch in den Jicarilla-Bergen zurückblieben, soll im nächsten Bande erzählt werden.

 

 

Band 7: Die Mumie Matazumas.