Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Band 7:
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.
Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
1. Kapitel.
Blubb und Crax.
Die Stadt El Paso am linken Ufer des Rio Grande del Norte war zu der Zeit, wo unsere Erzählung spielt, noch ein jämmerliches Grenzstädtchen, dessen Einwohner jeden Augenblick gewärtig sein mußten von den Rothäuten angegriffen zu werden.
Auf der Holzveranda einer der zahlreichen Schenken El Pasos saßen an einem für diese Gegend kühl zu nennenden Spätherbsttage zwei Europäer und ein verkommener, zerlumpter Indianer, der wegen Feigheit aus dem Apachenstamme vor drei Jahren ausgestoßen worden war und nun nach manchen Irrfahrten hier in der Schenke, die sich stolz auch Hotel nannte, als Hausknecht ein erbärmliches Leben führte.
Die beiden Weißen, die mit ihm zusammensaßen, waren Engländer, wie man auf den ersten Blick erkannte. Der eine, lang und hager, blond, sommersprossig und mit am Kinn ausrasiertem Vollbart, trug eine Brille und einen dunkelgrünen Sportanzug, dazu einen Tropenhelm und hohe gelbe Stiefel.
Der andere, genau so gekleidet, hatte jedoch ein bartloses Vollmondgesicht, stark vorstehende Oberzähne und eine recht verdächtige blaurote Knollennase und reichte dem Langen etwa bis an die Hüften.
„Master Blubb der Rote wird Euer Hochwohlgeboren nun die ganze Geschichte bis ins kleinste erzählen,“ sagte der Kleine jetzt und verbeugte sich. „Er behauptet nach wie vor, Euer Hochwohlgeboren die tadellos erhaltene Mumie eines der Ureinwohner Mexikos, der Azteken, beschaffen zu können. Er verlangt dafür ein Pferd, eine Doppelbüchse, Pulver, Blei, ein Messer und ––“
„Bewilligt!“ meinte Professor Thomas Blubb kurz. Und zu dem Indianer gewandt: „Vorwärts – erzähle! – Wie heißt Du eigentlich? Hier nennt man Dich stets Jim, aber Du wirst. doch wohl einen Kriegsnamen von früher her haben –“
Der Indianer nickte –
„Der springende Hirsch war der beste Läufer aller Apachen,“ erwiderte er, in trübes Sinnen verfallend. „Dann, wurde er ein Ausgestoßener –“
„Er ist mal bei einem mörderischen Kampf mit den Komanchen ausgekniffen,“ ergänzte, der Kleine.
„Schweig“, Crax!“ rief Thomas Blubb. „Ein Diener redet nur, wenn er gefragt wird!“
„Sehr wohl, Euer Hochwohlgeboren. Ich schweige stets. Wer bereits fünf Jahre bei Euer Hochwohlgeboren Diener ist, schweigt und spült das Unausgesprochene hinunter!“
Er griff nach seinem mit Whisky gefüllten Glase und trank es aus –
Der Professor wandte sich wieder an den Apachen.
„Hast Du die Mumie selbst gesehen?“ fragte er.
„Ja, Sennor! Vor zwei Jahren nördlich von hier in den Jicarilla-Bergen, wo die Ausgestoßenen hausen –“ – Er gab eine genaue Schilderung des Ortes und fügte hinzu? „Ich werde Euch dorthin begleiten, Sennor. Ihr müßt mir aber ein Pferd und Waffen kaufen.“
Blubb überlegte und meinte dann:
„Wer bürgt mir dafür, daß Du mich nicht belügst?! Du kannst Dich leicht aus dem Staube machen, wenn wir erst unterwegs sind. Dann hast Du ein Pferd und Waffen für nichts erhalten!“
John Crax, der Diener, räusperte sich und murmelte vor sich hin: „Hm – man müßte ihm eben noch eine Extrabelohnung – versprechen, sobald die Mumie geborgen ist. Aber – ein guter Diener schweigt!“
Der Apache sagte nun, indem er den Gelehrten fest anblickte:
„Der springende Hirsch schwört bei Manitou, dem Gotte aller Rothäute, daß er es ehrlich meint!“
„Nun gut,“ erklärte der Professor. „Wenn – wir die Mumie glücklich bis hier nach El Paso gebracht haben, schenke ich Dir noch ein Pferd und so viel Waren, daß Du Händler werden kannst. – Morgen früh brechen wir auf. Abgemacht. – Crax, Du bereitest alles vor.“
„Sehr wohl, Euer Hochwohlgeboren. Ich bereite alles vor. Euer Hochwohlgeboren werden zufrieden sein.“ –
In der Schankstube, die hinter der Veranda lag, saßen zur selben Zeit fünf Weiße, die erst gestern auf, abgetriebenen Pferden in El Paso eingetroffen waren und jedermann erzählt hatten, daß sie in der großen texanischen Hochlandwüste, der Llano Estacado, von Komanchen völlig ausgeplündert worden seien.
Mit ihnen am Tisch saß ein mexikanischer Offizier, der hier in El Paso Soldaten für die Armee anzuwerben suchte. Die fünf Weißen, alles wild und verwogen blickende Kerle, wären ihm sehr willkommen gewesen. Doch seine Überredungskünste blieben erfolglos. Ärgerlich stand er jetzt auf und entfernte sich.
Die fünf steckten die Köpfe zusammen.
„Boys,“ flüsterte der eine, der dem offenen Fenster am nächsten saß, „ich hab‘ genau gehört, daß die beiden Engländer morgen früh mit dem verdammten roten Halunken von hier aufbrechen wollen. Alles habe ich nicht verstehen können. Sie wollen aus den Jicarilla-Bergen etwas holen. – Boys, die beiden Engländer schleppen jeder zwei Flinte: mit sich herum. Und der Apache soll auch eine Büchse bekommen –! Boys – dann haben wir wieder Waffen! Ihr begreift! Dann können wir unser schönes Buschklepperleben von neuem beginnen und auch versuchen, uns an den verdammten Schuften zu rächen, die unsere Bande bis auf fünf aufgerieben haben –“ –
Draußen auf der Veranda sagte Professor Blubb zu seinem Diener:
„Crax, steh‘ auf! Die Unterredung ist beendet; Es ziemt sich nicht, daß ein Diener mit seinem Herrn am selben Tische sitzt!
John Crax hatte heimlich die fünf Weißen in der Schankstube beobachtet und auch bemerkt, daß sie für den Professor ein recht auffälliges Interesse bezeigten, indem sie wiederholt wie vom ungefähr durch das Fenster hinausschauten,
Er erhob sich sofort.
„Sehr wohl, Euer Hochwohlgeboren Es ziemt sich nicht,“ sagte er leise mit tiefer Verbeugung. „Ich schweige. Aber ich sehe alles. Und ich denke, es wird gut sein, wir brechen heute in der Nacht heimlich auf. Ich werde Euer Hochwohlgeboren das später begründen –!“
„Crax, Du bist halb betrunken! Geh!“ rief Thomas Blubb wütend.
„Ich bin immer halb betrunken, Euer Hochwohlgeboren. Betrunkene und Kinder reden die Wahrheit. Ich schweige schon, Euer Hochwohlgeboren!“
Blubb hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
Crax zog sich eiligst zurück. Der Apache war schon vorher verschwunden –
Der kleine Crax begab sich in einen nahen Kaufladen, wo man für Geld so ziemlich alles bekam, was man für einen wochenlangen Ritt in die nördlichen Prärien und Bergeinöden brauchte. – Crax war einer von jenen praktisch veranlagten Leuten, die sich sehr schnell in besondere Verhältnisse hineingewöhnen. Er hatte mit seinem Herrn von der mexikanischen Hafenstadt Mazatlan die Reise quer durch Nordmexiko bis hierher zu Pferde zurückgelegt und in diesen vier Wochen sich ganz von selbst manches von jenen Kenntnissen angeeignet, ohne die man in einem unzivilisierten Lande tausend Gefahren und Unannehmlichkeiten ausgesetzt ist.
Als er jetzt für den springenden Hirsch eine Büchse auswählte, wollte der Händler ihm ein neues, scheinbar recht gutes Gewehr aufschwatzen. John Crax aber holte aus einer Ecke eine andere Büchse hervor, die ein bekanntes englisches Firmenzeichen trug.
„Bleibt mir mit Eurer Indianerflinte vom Leibe!“ brummte er. „Dieser Dreck wird ja extra in den Oststaaten für die Rothäute hergestellt und springt beim dritten Schuß auseinander!“
Der Händler merkte, daß er kein Greenhorn (Neuling) vor sich hatte und zog nun andere Saiten auf, rückte auch mit seinem besten Pulver hieraus und ebenso mit einem guten Sattel und Zaumzeug. – Selbst beim Pferdekauf ließ Crax sich nicht anschmieren. Als er dann mit dem Pferde, das für den Apachen bestimmt war, und all den anderen Sachen nach der Schenke zurückkehrte, standen die fünf Weißen vor der Tür und taten so, als ob sie sich um Crax nicht im geringsten kümmerten.
„Banditen!“ dachte Crax. „Euren Galgenvogelgesichtern sieht man ja Euer Handwerk schon an!“
Professor Blubb schrieb. in seiner Stube gerade einen Brief, als Crax eintrat und die Sachen dann in eine Ecke legte.
„Ich schweige!“ knurrte Crax vor sich hin. „Aber um Mitternacht geht‘s weiter! Die fünf Kerle gefallen mir nicht! Es sind Halsabschneider oder dergleichen.“
Blubb drehte sich um.
„Crax – erzählen!“ befahl er. Und der kleine teilte ihm nun seine Verdachtsgründe gegen die fünf Weißen mit.
„Sicher ist sicher!“ sagte er zum Schluß. „Wenn wir um Mitternacht El Paso verlassen, werden die Kerle das Nachsehen haben.“
„Gut – um Mitternacht! Obwohl Du ein Angsthase bist, Crax, – was ein guter Diener nicht sein darf!“ erklärte Blubb. „Nachher besorge diesen Brief – geh‘!“
Crax verschwand bezahlte bei dem Schankwirt die Rechnung und kaufte noch drei Flaschen Whisky ein –
2. Kapitel.
Von Apachen gehetzt.
Die warme Mittagssonne schien in einen von hohen Bergen umgebenen Felsenkessel hinein, an dessen Ostwand hinter einer Gruppe von Tannen ein kleines Blockhaus stand,
Vor diesem Blockhause lag auf einem weichen Graslager ein Indianer, dessen schwarzes langes Haar schopfartig hochgebunden und mit Adlerfedern und Perlenschnüren verziert war.
Das linke Bein der Rothaut trug am Oberschenkel einen Verband. Ein vergifteter, aus dem Hinterhalt, abgeschossener Pfeil hatte den schwarzen Panther, den berühmten Komanchenhäuptling, vor vierzehn Tagen. hier getroffen und ihn auf ein langes Krankenlager geworfen.
Neben dem Komanchen lehnte an einer Tanne eine Doppelbüchse. Außerdem hatte er noch im Gürtel, ein Jagdmesser und einen zierlich gearbeiteten Tomahawk stecken.
Der Häuptling blickte jetzt abermals zur Sonne empor. In seinem edelgeschmittenen Gesicht zeigte sich eine gewisse Unruhe.
Er erwartete seinen weißen Bruder Felsenherz, der heute früh den Talkessel verlassen hatte, um irgendein Wild zu schießen.
Felsenherz hatte längst zurück sein müssen. Allerdings hatte er, als er heute kurz nach Sonnenaufgang aufbrach, dem Komanchen erklärt, es sei leicht möglich, daß er länger ausbleiben würde, da es zu gefährlich sei, hier so nahe den Felsendörfern der Apachen, die am Rio Pecos hauptsächlich wohnten, durch den Knall einer Büchse deren Aufmerksamkeit zu erregen.
Trotzdem befiel den schwarzen Panther jetzt eine von Stunde zu Stunde wachsende Sorge um seinen weißen Bruder.
Als er sich dann mühsam in. die Blockhütte geschleppt hatte, die durch eine Balkenwand von dem längst verstorbenen Erbauer in zwei Räume abgeteilt war, und hier seinen Hunger durch gebratenes Hirschfleisch gestillt hatte, ergriff er seine Büchse und humpelte am Ufer eines klaren Baches, der den Talkessel durchfloß und durch einen Felsentunnel in das östlich gelegene Tal weiterströmte, bis an den Tunneleingang, stieg hier in das Wasser hinein, hielt die Büchse hoch über den Kopf und watete durch den dunklen Kanal in das Nachbartal das sich nach Osten zu öffnete und von dessen Eingang man einen weiten Ausblick über die am Fuße der Berge sich hinziehende Prärie hatte.
Hier setzte er sich in ein Gebüsch auf einen Felsblock und konnte nun sowohl den Taleingang als auch die Prärie im Auge behalten.
Die Sonne neigte sich bereits den westlichen Bergspitzen zu.
Der schwarze Panther wurde immer unruhiger. Er war jetzt überzeugt, daß Felsenherz etwas zugestoßen sein müsse.
Dann erblickte er draußen in der Prärie einen einzelnen Reiter, der soeben. zwischen einer der Buschinseln hervorgekommen war.
Der Mann war ein Weißer und hing völlig erschöpft auf seinem schaumbedeckten Tiere.
Das Pferd raste in unsicheren Sprüngen weiter. Der Komanche erkannte bald, daß es verwundet war. Mit einem Male sank es denn auch vorn in die Knie.
Der Reiter flog über den Pferdehals hinweg ins Gras, sprang aber sofort wieder auf und schnallte dem jetzt matt am Boden liegenden Tiere den Sattel und den Zaum ab, nahm seine Büchse auf und schaute sich suchend um.
Der Weiße war recht klein von Gestalt, aber ziemlich breitschultrig, trug eine Art Sportanzug und dazu einen Tropenhelm. Als er das Flüßchen und den Taleingang erblickte, lief er darauf zu, indem er sich bemühte, auf dem hier bereits felsigen Boden möglichst wenig Spuren zurückzulassen.
Er näherte sich dem Versteck des Komachen, der ihn dann vorüberließ ohne ihn anzurufen.
Der Kleine warf sich jetzt am Ufer des reißenden, schäumenden Flüßchens lang hin und schöpfte mit einem Blechbecher das kühle Wasser, trank gierig, erhob sich wieder und – sah sich dem schwarzen Panther gegenüber, der leise herbeigeschlichen und nun wie eine Statue regungslos auf seiner Büchse lehnte. Nur seine Augen durchforschten das pausbackige Gesicht des kleinen Mannes und nahmen dann allmählich einen freundlicheren Ausdruck an.
Der Kleine war vor Schreck wie gelähmt. Er glaubte, einen der gefürchteten Apachen vor sich zu haben, erinnerte sich aber sehr bald, daß die Apachen ja die Schädel bis auf eine Skalplocke rasiert trugen. Außerdem hatte diese Rothaut auch ein so intelligentes, offenes Gesicht, daß seine anfängliche Angst immer mehr schwand.
„Das Blaßgesicht ist auf der Flucht,“ sagte der Häuptling nun, „Vor wem flieht der kleine Jäger?“
„Vor weißen Banditen und einer Schar Apachen,“ stieß der Kleine hervor. „Mein Name ist John Crax. Ich bin der Diener eines sehr berühmten, aber auch sehr verdrehten Gelehrten.“
„Wo wurde das Blaßgesicht überfallen?“
„Dort im Süden, wo die Jicarilla-Berge beginnen, und zwar heute mittag. Das heißt: überfallen wurde ich selbst nicht. Nur mein Herr und der springende Hirsch, ein Apache, der unser Führer ist. Ich war von unserem Lagerplatz nach Westen zu in die Prärie hinausgeritten, um einen Büffel zu schießen. Mit einem Male hörte ich vom Lager Schüsse und ein wütendes Geheul. Ich ließ mein Pferd in einem Busche zurück und kroch näher an die Talmulde heran, wo Master Blubb, mein Herr, und der Apache sich befanden. Die Sträucher Banditen es mir leicht, bis an den Rand des kleinen Tales heranzukommen. Da sah ich meinen Herrn und den springenden Hirsch am Boden liegen. Die Talmulde wimmelte von Rothäuten, auch waren fünf Weiße darunter, die ich schon in El Paso bemerkt hatte. Ich wollte mich nicht auch gefangennehmen lassen und eilte zu meinem Pferde zurück, wurde jedoch bemerkt und von fünfzig Roten gehetzt, die ich dann erst vor einer halben Stunde, nachdem sie mein Pferd angeschossen hatten, auf steinigem Boden von meiner Fährte ablenken konnte.“
„Hat das Blaßgesicht vielleicht einen blondbärtigen großen Trapper gesehen?“ fragte der Häuptling nun.
Crax verneinte.
„Wieviel rote Krieger waren es?“ forschte der schwarze Panther weiter.
„Mindestens hundertfünfzig. Sie hatten alle nur Skalplocken, trugen die Oberkörper nackt und waren mit schwarzen und roten Strichen bemalt. Ihr Häuptling war ein reiner Riese und hatte um die Adlerfedern und den Hals Ketten von Raubtierzähnen.“
Der schwarze Panther nickte. „Die stinkenden Kröten der Apachen und ihr Oberhäuptling, der große Bär, sind die Todfeinde Chokarigas, des schwarzen Panthers. – Das Blaßgesicht mag jenes Tal entlangschreiten und durch den Kanal und das Flüßchen in das nächste Tal sich begeben. Der schwarze Panther wird ihm bald folgen.“
John Crax Miene hellte sich auf.
„Oh – von dem großen Häuptling der Komanchen habe ich in El Paso viel gehört,“ rief er. „Der schwarze Panther soll es nicht bereuen, wenn er mich unter seinen Schutz nimmt. Ich bin nicht feige. Nur ein Greenhorn bin ich. Aber das wird mit der Zeit wohl abgestreift werden können, das Greenhorn! – Noch etwas möchte ich dem schwarzen Panther anvertrauen. Wir suchen eine Mumie. Und diese soll sich in einem Talkessel befinden, in den man nur durch einen Kanal hineingelangen kann, wie der springende Hirsch uns erzählte, meinem Herrn und mir. Dies da sind ja auch die Jicarilla-Berge, und es wäre wirklich ein merkwürdiger Zufall, wenn ich auf meiner Flucht gerade an den Ort gekommen wäre, der unser Reiseziel war.“
Der Komanche hatte aufgehorcht.
„Die Blaßgesichter suchen eine Mumie?“ meinte er schnell. „Befindet sie sich in einem alten Blockhause – jenes Tales?“
Crax nickte eifrig. „Stimmt, schwarzer Panther, stimmt, – In einer verlassenen Blockhütte.“
Der schwarze Panther überlegte und sagte dann ernst:
„Das Blaßgesicht hat sein Reiseziel erreicht. Aber – ich verbiete dem Blaßgesicht, die Blockhütte zu betreten!“
Wenn‘s weiter nichts ist, Häuptling–!“ erwiderte der Kleine achselzuckend „Ich mache mir aus Mumien verdammt wenig! – Hm – ob die Apachen meinen Herrn etwa töten werden? Dann – dann möchte ich doch lieber versuchen, Ihn zu befreien! Er soll mir nicht vorwerfen können, ich hätte ihn in der Not im Stiche gelassen.“
Über des Komanchen Gesicht huschte ein Lächeln.
„Das Blaßgesicht würde seinen Skalp umsonst opfern. Die Apachen werden das andere Blaßgesicht nicht lange mehr in ihrer Mitte haben. Mein weißer Bruder Felsenherz ist gleichfalls nach Süden zu heute auf die Jagd geritten und wird den stinkenden Apachenkröten bereits auf den Fersen sein. – John Crax möge jetzt den Talkessel aufsuchen und –“
Er schwieg plötzlich.
Er hatte während dieses Gesprächs mit Crax die Prärie dauernd im Auge behalten, gewahrte jetzt einen einzelnen Reiter, der quer über dem Sattel noch einen zweiten Mann liegen hatte.
Und hinter diesem Reiter brachen jetzt aus einem fernen Walde eine Anzahl Verfolger hervor – alles_Indianer, – Apachen mit wehendem Federschmuck –
* *
*
Um die Mittagsstunde dieses Tages hatte ein ganz in Leder gekleideter, blondbärtiger jüngerer Mann auf seinem hochbeinigen, schnellen Braunen südlich der Jicarilla-Berge einen Büffel geschickt von der übrigen Herde getrennt und dann durch einen wohlgezielten Schuß vom Sattel aus niedergestreckt.
Dieser junge Trapper war Felsenherz.
Als er dann gerade die Lendenstücke dem Büffel herausgeschnitten hatte, wurde er durch ein Schnauben seines Pferdes gewarnt, dessen indianische Dressur für einen Westmann so überaus wertvoll war.
Felsenherz sprang sofort auf, spannte die Hähne seiner Doppelbüchse und kroch aus der kleinen Schlucht empor, in der er den Büffel erlegt hatte.
Nun hatte er einen guten Rundblick über die etwas tiefer liegende Prärie.
So sah er denn etwa achthundert Meter nach Osten zu einen kleinen Weißen, der in langen Sprüngen auf ein paar Büsche zulief, wo er sich nun auf sein Pferd warf und nach Norden weiterjagte.
Hinter ihm drein waren etwa fünfzig Apachen, die aus einem Waldstreifen im Südosten aufgetaucht waren.
Felsenherz beobachtete die Verfolgung, bis der kleine Weiße und die Apachen hinter einer vorspringenden Hügelkette verschwunden waren. –
Felsenherz blieb am Rande der Schlucht liegen. Er wollte feststellen, ob noch mehr Apachen den Waldstreifen verlassen würden.
Und wirklich – sehr bald tauchten weitere Rothäute auf – eine endlose Kette, wohl gegen neunzig Krieger, denen fünf Weiße und ein besonders kräftiger Roter mit Adlerfedern in der Skalplocke vorausritten.
Die Apachen und die fünf Weißen trabten auf der Spur des Flüchtlings ebenfalls nach Norden zu.
„Der große Bär!“ murmelte Felsenherz jetzt. „Mein Bruder Chokariga wird recht gehabt haben; die Ausgestoßenen – die wir aus dem Talkessel verdrängt und die Chokariga den giftigen Pfeil in den Schenkel geschossen haben, werden uns an den großen Bär verraten haben! Wie käme der Apachenhäuptling sonst mit so viel Kriegern in diese Gegend, da er doch verpflichtet ist, den Mexikanern gegen die Texaner beizustehen – Nur gut, daß wir unsere Vorsichtsmaßregeln getroffen haben! – Bevor ich in unseren Schlupfwinkel zurückkehre, will ich doch erst mal nachsehen, ob nicht dort in dem Waldstreifen noch mehr Apachen stehen. –“
Er ließ seinen Braunen in der Schlucht zurück und schlich durch das hohe Präriegras dem Walde zu.
Der Waldstreifen war nur schmal. Hinter demselben war die Prärie buschreicher. Felsenherz sah, daß die Spuren der Apachen sämtlich nach einem dichten, breiten Gebüsch hinliefen.
Er wurde jetzt noch vorsichtiger, kroch im Bogen von Süden in die Büsche hinein und bemerkte nun, daß sie eine kleine Bodenvertiefung umgaben.
In dieser Talmulde lagerten zehn Apachen. Abseits lag ein toter Indianer, dem mit einem Tomahawk der Schädel eingeschlagen war. Daneben saß ein gefesselter Weißer im Grase, ein dürrer langer Mann, mit blondem, geteiltem Vollbart und einer Brille auf der Nase.
Zehn Apachen freilich waren auch für ihn als Gegner etwas zu viel! – Er mußte daher versuchen, einige von ihnen wegzulocken,
Lautlos schob er sich rückwärts, bis er eine kleine Öffnung in den Büschen erreicht hatte, wo der nackte Steinboden hervortrat. Hier wählte er drei Felsstückchen aus von etwa Faustgröße und warf sie nacheinander über die Talmulde hinweg in die jenseitigen Büsche, kroch dann sofort wieder vorwärts und sah gerade noch, wie fünf der Apachen, die sämtlich infolge des Raschelns der Steinwürfe hochgeschnellt waren, mit ihren Flinten in das Gesträuch glitten.
Er wartete noch ein paar Minuten. Dann glitt er noch weiter vor, richtete sich auf – Die fünf zurückgebliebenen Apachen kehrten ihm den Rücken zu –
Zwei lange Sätze – drei: Hiebe mit dem flachen Tomahawk – ein Fußtritt – und nur der fünfte der Apachen konnte noch brüllend in den Büschen verschwinden.
Felsenherz zerschnitt die Fesseln Blubbs, wollte dann zwei der Indianergäule nehmen und mit ihnen nach Süden zu davonjagen –
Ein Ausruf Blubbs warnte ihn – Er fuhr mit dem Kopf herum –
Zwei Apachen hatten ihre Büchsen durch die Zweige geschoben –
Felsenherz warf sich lang hin. Seine Büchse lag schon im Anschlag –
Drei Schüsse – Dann ein vierter – Die beiden Apachen fielen nach vorn auf das Gesicht –
Der Professor hatte seine beiden Gewehre aufgehoben und stürmte nach Süden davon. Felsenherz, war dicht hinter ihm –
„Mir nach Master!“ rief er. „Mein Pferd steht drüben –!“ Er zeigte nach Osten.
Blubb war kein schlechter Läufer. – Nun durchquerten sie den Waldstreifen.
„Halt!“ rief Felsenherz. „Stellt Euch dort hinter jene Buche!“
Er lud rasch seine Büchse. Doch – als er gerade die zweite Kugel mit dem Ladestock feststieß, kamen vier Apachen auf ihren Gäulen aus den Büschen hervorgesprengt.
„Master, Ihr gestattet, daß ich die vier erledige,“ sagte Thomas Blubb gelassen. „Ich schieße leidlich, und ich werde zum mindesten die Pferde treffen.“
Seine beiden Gewehre, eine Doppelbüchse und ein zweiläufiger, kurzer Karabiner, taten genau so ihre Schuldigkeit wie ihr Besitzer die vier Pferde brachen zur Seite aus, und drei stürzten dann sehr bald zu Boden. Ihre Reiter verschwanden im hohen Grase.
Felsenherz und Blubb eilten weiter. Als sie die kleine Schlucht erreicht hatten, wo der Braune stand, meinte der junge Trapper anerkennend:
„Master Blubb, Ihr seid als Gefährte hier in der Wildnis brauchbar! – Steigt auf –! Wir reiten zu zweien. Mein Brauner trägt die Last schon.“
„Dürfte ich fragen, wie Ihr heißt?“ sagte der Professor und musterte Felsenherz voller Interesse. „Ich selbst bin einer der bekanntesten Altertumsforscher, und ich –“
„Steigt auf!“ mahnte Felsenherz „Hier seid Ihr jedenfalls wie ein Kind, das erst noch das Gehen lernen soll? Wenn wir noch länger zaudern, können unsere Skalpe in Gefahr kommen!“
„Junger Mann,“ erklärte Thomas Blubb stolz, „Es ziemt sich nicht, daß wir zu zweien reiten. Ich bin der ältere. Ich werde reiten!“
Der Trapper schwang sich in den Sattel. „Lebt wohl; Master Blubb!“ meinte er kurz. „Ihr seid ein Narr! Die Apachen werden Euch bald beweisen was sich ziemt und was nicht!“
„Halt – halt!“ kreischte Blubb da. „Ihr werdet mich doch nicht verlassen?! – Gut – reiten wir zu zweien, wenigstens zuerst. Nachher dürfte es der Anstand verlangen –“ Felsenherz hatte ihn plötzlich beim Kragen gepackt und quer über den Sattel gelegt.
Der Braune trabte davon und der Professor zeterte:
„Master, – das – das ist eine derartige Unhöflichkeit, wie sie nicht einmal –“
„Haltet das Maul!“ befahl Felsenherz mehr im Scherz. „Ihr seid hier nicht in einer Universität, sondern in der Prärie, und zwar in einer Gegend, die den Apachen als Jagdgebiet gehört. Und diese Rothäute sind außerordentlich unhöfliche Leute, Master Blubb, wie Ihr ja bereits am eigenen Leibe erfahren habt. – „So, nun setzt Euch gefälligst nach Damenart mit dem einen Bein über den Sattelknopf und klammert Euch an mir fest.“
„Der Herr Professor schwieg. Er war derart empört das er kein Wort mehr herausbrachte.“
Felsenherz muntertet seinen Braunen zu einem kurzen Galopp auf. Er wollte zunächst einmal aus der Nähe der hier zurückgebliebenen Apachen weg, von denen ja acht noch lebten und die noch sechs Pferde zur Verfügung hatten. Er ritt daher auch direkt auf die Südausläufer der Jicarilla-Berge zu, band hier seinem Pferde die dicken ledernen Hufschuhe unter, durch die er auf hartem Boden jede sichtbare Fährte vermied, und hielt sich auch weiter stets am östlichen Rande der Höhenzüge, wo er seinen Weg durch Schluchten und Täler nahm, um ein Zusammentreffen mit dem Haupttrupp der Apachen zu vermeiden.
Nach dreistündigem Ritt wollte er dem Braunen eine halbe Stunde Ruhe gönnen. – Der Professor setzte sich abseits auf einen Stein. Man befand sich hier auf einer kleinen Hochebene, die mit Felsblöcken wie besät war und der noch eine, Menge uralter Riesentannen einen besonderen landschaftlichen Reiz verliehen.
„Der junge Trapper holte seinem Braunen. Gras, das er mit dem Messer an einer sandigen Stelle des Plateaus abschnitt. Als er mit einem Arm voll Gras zu den drei Steinblöcken zurückkehrte, die er als geschützten Winkel zum Lagern ausgesucht hatte, empfing ihn Thomas Blubb mit den erregten Worten:
„Ihr hättet auch lieber hierbleiben können, Master! Ihr wollt ein Westmann sein und habt nicht mal die drei Apachen gesehen, die vorhin dort rechts in der Prärie vor einem Gebüsch hielten!“
Felsenherz starrte den Gelehrten ungläubig an. Dann rief er: „Wie – und das sagt Ihr erst jetzt! Das ist ja geradezu der Gipfel der Verblödung!“ – Er war jetzt wirklich zornig. „Mann, – steht auf! In den Sattel –!“ fügte er wütend hinzu, warf das Gras weg und schwang sich in den Sattel.
„Ach was!“ brummte Blubb jedoch „Unsinn! – Nur drei Apachen! Mir tun schon alle Knochen weh! Es würde den einfachen Regeln des Anstandes entsprechen – daß Ihr jetzt –“
Felsenherz helle Augen flammten auf.
„Narr!“ wetterte er los. „Ich werde Euretwegen nicht mein und meines roten Freundes Leben aufs Spiel setzen!“
Er hatte den Braunen an Blubb herangedrängt.
Doch der Gelehrte ahnte wohl, daß Felsenherz ihn wieder gewaltsam in den Sattel befördern wollte. Er sprang auf. Die Büchse hatte er umgehängt den Karabiner aber in der Hand.
„Laßt mich in Ruhe!“ fauchte er. „Oder – ich beweise Euch, daß ich – zuschlagen kann –!“
Kaum war das letzte Wort ihm über die Zunge, als des Trappers Faust von der Seite seine Schläfe traf.
„Dann lag er bewußtlos quer über dem Sattel. Felsenherz hob schnell den Karabiner auf, schnalzte leise und jagte über das Plateau hinweg weiter nach Norden zu.
3. Kapitel.
Entwischt!
In der Ferne hatte Felsenherz einen durch Talwände begrenzten Ausschnitt der Prärie vor sich), Und die Prärie war mit zahllosen dunklen Punkten bedeckt, die sich sämtlich in hastiger Bewegung nach Westen“ auf die Berge und das Tal zu, befanden. Es waren Reiter, – Apachen –! – Die drei Späher, die Blubb bemerkt hatte, waren offenbar zu dem Haupttrupp zurückgekehrt und hatten gemeldet, daß Felsenherz dort drüben als leichte Beute einzukreisen sei –
Felsenherz ritt weiter durch den Kanon, gelangte in ein Längstal stieg ab und band dem Braunen wieder die Hufschuhe unter. Dann machte er kehrt, verfolgte den Kanon fast bis zu dessen Einmündung in das erste Tal zurück und bog hier nun in eine ganz enge Spalte ein, die schräg aufwärts führte; Er mußte die Beine hochziehen, sonst wäre der Braune in diesem Engpaß nicht weiter gekommen. Diese Spalte führte auf eine bewaldete Berglehne hinauf. Das wackere Pferd kletterte trotz der plumpen Hufschuhe so gewandt wie eine Gemse. Unter den Bäumen hielt Felsenherz sich jetzt nach rechts, ritt also den Apachen entgegen: Freilich befanden sich diese unten im Tale, und er vielleicht achtzig Meter über ihnen im dichten Walde.
Der Abhang zog sich, zumeist in kleineren Terrassen, um einen Berg herum nach Norden zu. – Felsenherz nickte befriedigt, als er dies wahrnahm. Er blieb im Schutze der Bäume und suchte erst nach zehn Minuten einen Weg in die jetzt leere Prärie hinab.
Hier schnallte er die Laufschuhe ab und goß dem Braunen den Inhalt seiner Feldflasche in das Maul.
Blubb war noch immer bewußtlos. Felsenherz machte sich deswegen jedoch keine Sorgen. Der Professor würde an dem Schläfenhieb nicht sterben.
Dann ging es weiter, stets nach Norden wieder, stets möglichst dicht an den Bergausläufern entlang,
Da regte Blubb sich zum ersten Male, riß die Augen auf, stierte den Trapper wild an. Die Erinnerung erwachte in ihm. Sein Gesicht rötete sich vor Grimm.
„Liegt still!“ befahl Felsenherz kurz. „Die Apachen sind uns auf den Fersen! So, wie ich Euch jetzt im Arm halte, erleichtere ich meinem Pferde die doppelte Last!“
Blubb suchte sich freizumachen keuchte wütend:
„Ihr – Ihr seid ein Bandit, ein Grobian! Laßt mich los –!“
Felsenherz hatte ihm die linke Hand auf den Mund gepreßt, gab gleichzeitig dem Braunen die Hacken. – – Das treue Tier wieherte auf. Es war an diese Art Aufmunterung nicht gewöhnt. Dann stürmte es vorwärts –
Blubb schlug jetzt mit der Faust nach seinem Retter. Der lange, eitle Gelehrte schien völlig die Vernunft verloren zu haben –
Felsenherz' Lippen preßten sich zusammen. Dann glitt seine linke Hand tiefer, umkrallte Blubbs Kehle –
„Ich erwürge Euch, wenn Ihr nicht ruhig liegt!“ drohte er –
Einen Moment nur hatte er nicht auf den Braunen achtgegeben –
Eine Regenrinne war hier ausgewaschen –
Der Braune setzte zum Sprunge an, sprang zu kurz, überschlug sich nach hinten –
Felsenherz war schon samt seinem Gefangenen aus dem Sattel geglitten –
„Daran seid nur Ihr schuld!“ fauchte er Blubb leise an. „Mann – da drüben sah ich in einer Buschlücke die Apachen! Und Ihr –
Er hatte den Zügel des Braunen ergriffen, kletterte aus der Regenrinne heraus. Blubb stand noch unten, blickte tückisch empor und meinte: „Reitet zum Teufel, grober Wicht! Ich werde mich über Euch bei dem Konsul in Mazatlan beschweren –“
Felsenherz war mit einem Satz wieder unten packte Blubb abermals beim Kragen –
„Ihr seid verrückt!“ sagte er gelassen –
Und ehe Blubb es sich versah, lag er schon wieder auf dem Braunen –
Von rechts her aus der Prärie ein gellendes Geheul –
Der Professor drehte erschrocken den Kopf – Da kamen sie herbei – dreißig, vierzig Apachen – Kamen in langer Linie – waren nur noch zweihundert Meter entfernt –
Felsenherz riß den Braunen nach links, den Bergen zu. Das brave Tier ahnte die Gefahr, schnaubte, reckte sich förmlich lang bei jedem Galoppsprung –
Blubb war still und fügsam geworden. – Felsenherz erreichte die ersten Anhöhen, jagte in das nächste Tal hinein, bog auf hartem Gestein nach rechts in ein Seitental ein, glitt wieder aus dem Sattel, stellte Blubb auf die Beine –
„Mir nach!“ rief er leise und begann die Talwand zu erklimmen.
Als sie die Höhe des Abhangs erreicht hatten, erschienen unten die ersten Apachen.
„Schießt auf die Pferde!“ befahl Felsenherz. „Aber duckt Euch dort hinter jenen Stein –!“
„Ihr erlaubt!“ sagte Blubb stolz. „Ich bin kein Feigling!“
Von unten knallten schon die ersten Schüsse –
Blubb taumelte. Felsenherz fing ihn auf, ergriff auch den Karabiner, zog den Braunen: hinter das Gestrüpp, legte den Gelehrten auf den Boden und – zweimal blitzte es dann aus seiner Büchse auf. – Er, ließ die Büchse fallen, nahm den Karabiner. – Wieder hallte der Donner zweier Schüsse in den Bergen wie das Toben eines schweren Gewitters.
„So, nun werdet Ihr wohl eine Weile genug haben!“ murmelte Felsenherz grimmig.
Er nahm Blubb in die Arme, suchte einen Weg in das nächste Quertal. Der Braune folgte von selbst.
Und dann ritt der junge Trapper eine Viertelstunde drauf wieder in die Prärie hinaus. Er schonte sein Tier jetzt. Bis zu dem Talkessel waren es noch zwei Meilen nach seiner Schätzung. Als er an einen kleinen Bach kam, ließ er den Braunen saufen und untersuchte Blubb, da er bisher keine Verwundung hatte feststellen können.
Dann sah er gerade unter dem Herzen einen blau verfärbten Hautfleck. Eine Kugel hatte die Taschenuhr Blubbs getroffen, und der Stoß, hatte diesen lediglich bewußtlos gemacht.
Wieder ging‘s weiter. Und immer aufs neue blickte Felsenherz zurück. – Hinter ihm eilten in der Ferne, klein wie hastig rennende Ameisen, auf seiner Spur die Apachen einher –
Und – die Ameisen wuchsen. – Des Trappers Vorsprung wurde geringer –
Dann – atmete er erleichtert auf. – Dort vor ihm, vor dem glitzernden Strich des schäumenden Flüßchens, stand der schwarze Panther, und neben diesem der kleine Flüchtling, der Diener des Professors. –
Dicht vor dem Komanchenhäuptling zügelte Felsenherz den Braunen, rief:
„Mein Bruder steige auf und nehme diesen Mann mit, der nur betäubt ist – Schnell! Ich werde den Kanal verschließen, sobald ich das Pferd hindurchführen kann –!“
Er war abgesprungen. Wortlos schwang sich der Komanche in den Sattel, nahm Blubb in den Arm, winkte dem Kleinen, der dann hinter ihm drein lief.
Als sie an den unterirdischen Kanal gelangt waren, stieg der schwarze Panter ab, legte sich Blubb über die Schulter und verschwand in dem dreiviertel mit Wasser gefüllten Tunnel. Crax zögerte erst, Dann nahm auch er den Kampf gegen die starke Strömung auf. Das Wasser reicht ihm bis an den Hals. – Der Kanal war nicht lang. Nun watete Crax aufs Trockene, befand sich in dem Talkessel.
Der Häuptling lief schon humpelnd der Mitte des Tales zu, wo das das Flüßchen, das bei den Trappern allgemein der Lincoln-Fluß genannt wurde, einen kleinen Teich bildete.
Hier hatte Felsenherz eine Art Schleuse errichtet, um das Wasser für eine Weile abzusperren und den Kanal auch für Pferde gangbar zu machen.
„John Crax sah, wie der Häuptling die Schleusentür herabfallen ließ –
Das Wasser staute sich an. Der Kanal wurde fast leer –
Draußen in dem Vortale stand Felsenherz und wartete auf das Versiegen des Wassers. Als es den Kanal nur noch halb füllte, nahm er den Braunen am Zügel und führte ihn in das dunkle Loch hinein. Das kluge Tier hatte diesen Weg schon wiederholt zurückgelegt und sich an die Finsternis längst gewöhnt. Als der erste Tagesschimmer von drüben in den Tunnel fiel, lief der Braune von selbst weiter.
Felsenherz machte kehrt. – Mit vieler Mühe hatte er in dem Vortale einen riesigen Steinblock, der auf einer Menge Geröll schräg über dem Tunneleingang ruhte, so weit gelockert, daß er nur einen einzigen; kleineren Stein wegzuziehen brauchte, um den Block ins Gleiten zu bringen.
Er riß jetzt diesen Stein weg, sprang dann eiligst von der Geröllhalde herab und in den Kanal hinein.
Dicht hinter ihm polterte der Felskoloß in das Bett des Flüßchens, lag nun so vor dem Loche, daß er das Wasser bis zur Decke des Kanals aufstauen mußte –
Die ersten Apachen waren jetzt im Tale erschienen, ritten vorsichtig weiter –
Felsenherz eilte in den Talkessel, rief dem Komanchen zu:
„Hoch mit der Schleuse!“
Doch der schwarze Panther schüttelte nur den Kopf.
Als Felsenherz dann vor ihm stand, sagte er ernst:
„Mein weißer Bruder wird in den Tunnel zurückkehren. Unter den Apachen, die den kleinen Jäger dort und dann Dich verfolgten, befindet sich der Häuptling der Apachen, der Dir den Tod geschworen hat. Wenn wir den großen Bär lebend fangen können, werden wir leichter aus diesem Kessel hinausgelangen. Felsenherz mag die Apachen beobachten. Ich werde die Schleuse nur so weit öffnen, daß, das Tal hier nicht überschwemmt wird. Der große Bär ist in seiner Rachgier blind. Vielleicht wird er es wagen, über den Steinblock hinweg den Tunnel zu betreten.“
„Der Gedanke ist gut!“ nickte Felsenherz. „Es fragt sich nur, ob der große Bär wirklich so mutig ist, wie mein roter Bruder annimmt –“
Er schritt dann dem Kanal wieder zu und tappte in der Finsternis bis nach vorn.
Das Wasser stieg jetzt wieder, reichte ihm bis an die Hüften. Er hielt sich ganz im Dunklen, konnte aber genau sehen, ob über dem Rand des Blockes eine Rothaut erschien.
So wartete er eine volle Stunde.
Dann berührte der schwarze Panther von hinten seine Schulter –
„Mein Bruder mag sich jetzt ablösen lassen,“ rief der Komanche ihm ins Ohr, um das Gurgeln der an dem Block sich vorüberdrängenden Strömung zu übertönen. „Das lange Bleichgesicht ist wieder zu sich gekommen und verlangt die Mumie zu sehen. Das kleine Blaßgesicht aber hat mir erzählt, daß die beiden nur deshalb sich hier in die Jicarilla-Berge gewagt haben, weil sie die Mumie des Aztekenkönigs Matazuma holen wollen. Der schwarze Panter wird nicht erlauben, daß die Blaßgesichter die Mumie entführen. Das Volk der Azteken ist mit den Komanchen verwandt. Unsere Sagen berichten, daß Azteken die Urahnen des Komanchenstammes waren. Mein Bruder Felsenherz mag mit den Blaßgesichtern reden. Das lange Blaßgesicht ist wie einer, dem der große Geist den Verstand geraubt hat.“
4. Kapitel.
Das Geheimnis der Mumie.
Thomas Blubb saß aufrecht im Grase und fuhr den kleinen Crax ärgerlich an:
„Du wirst gehorchen, Crax! Es ziemt sich für einen Diener nicht, seinem Herrn gute Lehren zu geben.“
„Ich weiß allein, was ich zu tun habe. – Hilf mir empor, Crax! Dort hinter den Tannen steht die Blockhütte, von der der springende Hirsch uns sagte, daß sie die Mumie in dem Raume links von der Tür beherbergt. Ich will mir, die Mumie zunächst mal ansehen.“
John Crax verbeugte sich tief.
„Sehr wohl, Euer Hochwohlgeboren! Ich gehorche! Ein guter Diener hat zu schweigen. Ich schweige daher. Aber ich denke laut, daß der Komanchenhäuptling mir das Betreten der Blockhütte genau so wie meinem Herrn verboten hat und daß er drohte, er würde uns ein gewisses rundes Stück Kopfhaut, Skalp genannt, vom Schädel ziehen, wenn wir –“
Thomas Blubb zitterte vor Wut.
„Crax – Crax, Du bist entlassen!“ brüllte er, „Du bist mein Diener nicht mehr! Sofort entlassen wegen Ungehorsams!“
John Crax grinste. „Danke, Master Blubb! Einverstanden! Mein Skalp ist mir mehr wert als Eure Launen!“
Er setzte sich und holte aus seiner Jagdtasche eine kurze Tabakpfeife hervor, stopfte sie und pfiff dazu ein Matrosenlied,
Blubb starrte ihn verblüfft an.
„Crax,“ meinte er dann, „Du wirst doch –“
„Bitte, Master,“„ unterbrach der Kleine ihn, „mit dem „Du“ ist's nun vorbei. Ich bin für Euch Master John Crax, ehemals Steuermann auf der Fregatte Niobe, bin ein Gentleman wie Ihr! Und jetzt laßt mich in Ruhe!“
Blubb stand auf, murmelte etwas vor sich hin und schritt langsam der Blockhütte zu, deren Tür weit offen war.
Thomas Blubb trat ein. Die Tür in der Balkenwand hatte nur außen zwei Holzriegel. Er schob sie zurück und öffnete –
Fenster besaß die Hütte nicht, nur längliche schmale Schießscharten. Durch diese fiel jedoch genügend Licht hinein, um auch diesen Raum, der etwa fünf Meter im Quadrat groß sein mochte, überblicken zu können.
In der Mitte bauschte sich der Felsboden – denn Dielen gab es hier nicht – zu einem durch Menschenhand später sauber behauenen, einen Meter hohen, länglichen, oben halb ausgehöhlten und daher sargähnlichen Block auf.
In diesem Steinsarge, der mit allerlei Tierfiguren in erhabener Arbeit verziert war, lag eine nur mit einem breiten Lendentuch umgürtete, tadellos erhaltene Mumie, deren Stirn, Wangen und Brust mit bunten Malereien bedeckt waren. Die Arme waren durch das Lendentuch an den Leib gepreßt.
Der Professor schaute ganz andächtig die Mumie an, flüsterte entzückt:
„Es ist eine Aztekenmumie! Ich sehe es auf den ersten Blick! – Man müßte auch den Sarg mit nach El Paso schaffen! Schade, daß ich nicht Pferde und Wagen hierher mitgenommen habe – sehr schade!“ –
Felsenherz war lautlos eingetreten.
Blubb bemerkte ihn nicht –
Er beugte sich jetzt über die Brust der Mumie, flüsterte wieder:
„Hm – dies hier ist eine Zeichnung, ohne Frage etwas wie eine Landkarte! Ich verstehe mich darauf. – Eine Landkarte, – so, wie die Azteken sie zu zeichnen pflegten. – Hm – dies links könnte der Golf von Kalifornien sein, dies die Insel Ciburony hier der Kolorado, der kalifornische Kolorado, und hier rechts der Gila-Fluß – Sehr interessant – sehr –! Weshalb mag man der Mumie diese Landkarte mit in den Steinsarg gegeben haben –?“
Felsenherz entging kein Wort dieses Selbstgesprächs, das auch seine Aufmerksamkeit schon deshalb aufs höchste fesselte, weil der schwarze Panther und er selbst bisher vergeblich versucht hatten, diese seltsame Zeichnung zu enträtseln.
Blubb hatte sich noch tiefer über die Mumie gebeugt –
„Aha!“ rief er jetzt leise. „Hier in der Karte erkennt man ja am linken Gilaufer neben einem bergähnlichen Dreieck, dessen Spitze einen Menschenkopf bildet, eine menschliche Hand, die irgend etwas umklammert hält – Es sieht aus wie ein Beutel oder ein Sack – Und in der Hieroglyphenschrift der Azteken bedeutet eine Hand, die einen Beutel hält, so viel wie Reichtum, Besitz, Vermögen, Geld oder –, Gold! – Gold –! Gold! Sollte die Karte etwa auf einen von den Aztekenherrschern verborgenen Schatz; hinweisen?! Dies ist ja fraglos eine Königsmumie – Diese Stirnzeichen bilden den Namen – M–a–t–a–z–u–m–a – Matazuma! Das war ein Vorgänger des berühmten Montezuma –“
Er lockerte jetzt die Lendenbinde etwas –
„Halt,“ rief Felsenherz da und wollte ihn beiseite drängen.
Doch Blubb hatte schon unter dem Lendentuche ein Blatt Papier hervorgezogen. –
„Diese Mumie gehört mir!“ schnauzte er den jungen Trapper an. „Ich habe sie dem springenden Hirsch abgekauft! Ich werde sie und den Steinsarg mit einem Wagen nach El Paso –“
Felsenherz hatte schon zugepackt, riß Blubb das Papier aus der Hand und beförderte ihn dann sehr unsanft ins Freie.
Vor dem Blockhause erst ließ er Blubb los und drohte:
„Wagt Ihr Euch nochmals in die Hütte hinein, dann binde ich Euch an einen Baum – verstanden! – Ihr seid nicht recht gescheit, daß Ihr jetzt so lächerliche Pläne macht, die Mumie wegzubringen! Draußen im Vortale lauern gegen zweihundert Apachen! Denkt lieber daran, Euren Skalp zu verteidigen! Wenn die Apachen auch in diesen Talkessel nicht hineinkönnen, weil er völlig unzugänglich ist, so werden wir doch alle Mühe haben, lebend hier fortzukommen!“
Blubb richtete sich hoch auf.
„Master, ich bin der Professor der Altertumskunde Thomas Blu–"
„Ein Narr seid Ihr!“ fiel Felsenherz ihm ins Wort. „Schert Euch nach dem Teiche hin! Zu Eurem bisherigen Diener! Der Mann ist vernünftiger als Ihr!“
„Wie – Ihr wagt es, diesen John Crax –“ – er hatte dabei seine Büchse von der Schulter genommen – „mit mir, dem berühmten Professor Thomas Blubb in einem Atem zu nennen?! Mann – Ihr seid ein gewöhnlicher Trapper, seid ein roher Patron, dem ich zeigen werde, daß Thomas Blubb –“
Felsenherz lachte ärgerlich auf, packte wieder zu, hob Blubb empor, schüttelte ihn, warf ihn in das dichte Gras, hatte Blubbs Arme im Nu auf dem Rücken gefesselt und schob ihn dann vor sich her dem Teiche zu.
Blubb war so verdutzt, daß er zunächst schwieg. Erst als Felsenherz ihn neben Crax auf den Boden drückte, zeterte er los.
„Doch der junge Trapper hatte schon den Tomahawk in der Hand und holte zum Schein aus –
Blubb duckte sich, wurde aschfahl –
„Crax –“ sagte Felsenherz nun, „ich befehle Euch, diesen verrückten Menschen zu erschießen, wenn er auch nur den Mund aufmacht! Er gefährdet unsere Sicherheit durch seine Zanksucht und Rechthaberei.“
„Sehr wohl, Master!“ nickte Crax völlig ernst. „Ihr habt ganz recht: dieser Blubb hat einen regulären Klaps, wie man‘s zu nennen pflegt. Fünf Jahre lang hat er mich geärgert. Nun wird er mal schweigen müssen!“
Felsenherz schritt der Blockhütte zu.
Felsenherz hatte inzwischen das Stück Papier, das das er Blubb aus der Hand gerissen hatte, auseinandergefaltet.
Zu seinem Erstaunen war es beschrieben, – offenbar war als Tinte Ruß und Fett benutzt worden.
Da stand in englischer Sprache:
„Ich habe zehn Jahre gebraucht, bis ich endlich die Zeichnung auf der Brust der Mumie entziffern konnte! Jetzt werde ich die Aztekenschätze heben.
Allan Lincoln.“
Felsenherz erinnerte sich jetzt, daß der Fluß ja nach dem geheimnisvollen Bewohner dieses Talkessels benannt worden war und daß dieser Lincoln, der auch die Blockhütte erbaut haben mußte, dann eines Tages spurlos aus dieser Gegend verschwunden sein sollte.
Also deshalb hatte Allan Lincoln hier in der Einsamkeit gehaust –! Fraglos hatte er hier einst zufällig die Königsmumie gefunden und dann über dem Sarge, der früher noch, wie Steinreste bewiesen, von einem Gemäuer umgeben gewesen sein mußte, die Hütte errichtet –“
„Felsenherz besann sich weiter, daß sein Freund, der alte Trapper Ben der Hinkende, erwähnt hatte, Lincoln sei vor etwa drei Jahren verschwunden. – Drei Jahre! Da hatte er sicherlich längst den Schatz gefunden – längst! Oder aber er war dort am Gila-Fluß, wo ein anderer Unterstamm der Apachen seine Dörfer hatte, den Rothäuten in die Hände gefallen –
Hier wurden seine Gedanken durch das Erscheinen des Komanchen abgelenkt.
„Mein Bruder Felsenherz mag die Schleuse aufziehen!“ rief der schwarze Panther. „Die Apachen wollen den Block vor dem Tunnel sprengen. Einer der fünf Weißen, die bei ihnen sind, hat es ihnen geraten! Ich hatte mich bis dicht an den Block herangewagt und sah ihre Vorbereitungen!“
Felsenherz stürmte nach dem Teiche, zog die Schleusentür vollends heraus Das Wasser schoß nun in hoher Woge das Bachbett entlang, dem Kanal zu –
Der schwarze Panther kam langsam hinterdrein. Der Oberschenkel schmerzte ihn stark – Er hatte sich heute zu viel bewegt.
Als er den gefesselt dasitzenden Blubb erblickte, lächelte er ein wenig. Dann winkte er Felsenherz und den kleinen Crax beiseite. Sie setzten sich in das Gras.
„Wenn die Wassermassen die Sprengung nicht unmöglich machen,“ begann der Häuptling ernst, „dann werden wir den Tunnel verteidigen müssen. Oder wir müssen noch in dieser Nacht fliehen und unsere Pferde hier zurücklassen.“
„Fliehen können wir, gewiß!“ meinte der blonde Trapper bedächtig. „Doch – das hat noch Zeit, denke ich. Ich lasse meinen Braunen nicht gern zurück. Vielleicht findet sich ein anderer Ausweg.“
Der Häuptling war einverstanden –
Als sie sich nun erhoben, rief Thomas Blubb:
„Ich verspreche, die Mumie nicht anzurühren und Euch in allem zu gehorchen Ihr sollt mit mir zufrieden sein –!“
„Das ist vernünftig von Euch!“ lachte Felsenherz gutmütig. „Crax, nehmt ihm die Riemen ab!“ –
Blubb rieb sich die Handgelenke. „Master Felsenherz, Ihr sollt wirklich mit mir zufrieden sein!“ wiederholte er nochmals. „Wenn ich jetzt um etwas Eßares bitten dürfte, – ich habe Hunger, was kein Wunder ist! Es wird ja schon dunkel, und seit heute mittag ist kein – Bissen über meine Lippen gekommen.“
Der schwarze Panther holte dann aus der Blockhütte gebratenes Fleisch, und er, Crax und Blubb nahmen unter den Bäumen am Teiche die Abendmahlzeit ein, während Felsenherz am Tunnel Wache stand und das Wasser beobachtete, das ja sofort fallen mußte, sobald an der Ausflußöffnung des Kanals der Block auch nur teilweise weggesprengt wurde. Jetzt füllte das angestaute Wasser das Loch bis oben aus. Es konnte also niemand den Tunnel passieren.
5. Kapitel.
Ein Verräter.
Dunkle Nacht breitete sich über dem Talkessel aus. Irgendwo in der Ferne grollte ein Gewitter. Ein sehr bald zum Sturm anwachsender Wind durchheulte die romantische Bergwildnis der Jicarilla-Höhen. Wolkenfetzen flogen über den Himmel hin, wurden dichter und länger, wurden bald zu einer schwarzen Decke, die das Sternenlicht völlig absperrte.
Dann begann es zu regnen. – Der Komanchenhäuptling schlug Blubb und Crax vor, unter einer überhängenden Stelle der Talwand in der Nähe des Tunnels die Nacht zuzubringen. Man schaffte die Decken, Brennholz und Crax Satteltaschen dorthin. In diesen Satteltaschen befand sich auch ein kleiner Kessel, Tee und Kaffee.
Der schwarze Panther löste dann Felsenherz als Wächter am Tunnel ab, hüllte sich in seine Decke und setzte sich auf einen Stein dicht an das mit gurgelnden Wassermassen ausgefüllte Loch.
Felsenherz schritt zum Lagerplatz hinüber, der kaum zwanzig Meter entfernt war. Das Feuer brannte schon. Crax hatte aus Steinen eine Art Herd errichtet und den Kessel hinaufgesetzt.
Der junge Trapper aß und unterhielt sich mit dem Gelehrten und dem kleinen John. Blubb war jetzt scheinbar ganz verständig geworden.
„Um Mitternacht löse ich den Häuptling ab,“ erklärte Blubb dann. „Ihr braucht keine Sorge zu haben, Master Felsenherz, daß ich etwa einschlafen könnte. Fragt nur Crax. Wir haben uns während des Rittes quer durch Nordmexiko stets beim Wachen abgewechselt.“
„Stimmt!“ nickte der Kleine. „Und Master Blubb, hat sogar einmal vier elende Yuma-Indianer verscheucht, die unsere Pferde stehlen wollten.“
Felsenherz spürte jetzt nach diesem anstrengenden Tage die Müdigkeit in allen Knochen. Er gab Blubb und Crax genaue Verhaltungsmaßregeln für den Fall, daß die Apachen den Block sprengen und das Wasser im Tunnel sinken sollte. Crax wollte Blubb um drei Uhr morgens ablösen.
Die drei tranken Tee. Felsenherz brachte dem Komanchen ebenfalls einen Blechbecher und besprach noch einiges mit ihm. – Dann hüllten die drei sich in ihre Decken und streckten sich zum Schlafe aus.
Es regnete ununterbrochen weiter. – Still wie eine Statue saß der Häuptling vor dem Tunnel. Der Flackerschein des Feuers warf hin und wieder zuckende Lichtstreifen bis dorthin und zeigte dann dem aufgestützt daliegenden Blubb die regungslose Gestalt des Wächters.
Blubb konnte nicht einschlafen. Ehrgeizige Wünsche hielten ihn wach. Wenn es ihm gelang, die Mumie Matazumas nach England zu bringen, waren ihm neue Ehrungen gewiß, – Vielleicht wurde er gar Lord –! – Und der Ehrgeiz umnebelte sein Hirn immer mehr. Er grübelte und grübelte wie er es anstellen könnte, die Mumie zu rauben. Daß Felsenherz und der Komanche sie Ihm nicht gutwillig überlassen würden, davon war er jetzt überzeugt. –– Und – Gewalt anwenden?! Er allein gegen drei?! Denn Crax, dieser Abtrünnige, hatte ja allen Respekt vor ihm verloren und sich ganz auf die Seite der beiden Freunde geschlagen –!
Gewalt –?! – Ja, nur mit Gewalt war hier etwas auszurichten –
Dann – ein Gedanke – ein ganzer Plan! – So mußte es glücken! – Gewiß – der Plan war vielleicht vom Standpunkte Felsenherz und des schwarzen Panthers aus verwerflich, hinterlistig –! Doch was machte dies, wo es sich um ein wissenschaftliches Objekt von so enormem Werte handelte! –
Thomas Blubb starrte in das Feuer, überlegte, verbesserte diesen Plan, lächelte triumphierend –
Felsenherz war für Sekunden aufgewacht, sah, daß Blubb, den Kopf in den rechten Arm gestützt dalag, sah dieses Lächeln – Aber er war zu müde, schlief wieder ein –
Blubb erhob sich, nahm seinen Karabiner und ging leise, die Wolldecke umgehängt, auf den Häuptling zu.
„Der schwarze Panther mag mir seinen Platz überlassen,“ sagte er. „Ich kann doch nicht schlafen. Ich bin gar nicht müde. Die beiden Becher Tee haben mich munter gemacht, und der Häuptling wird die Ruhe mit seiner Beinwunde nötiger haben.“
Chokariga stand auf. „Das Blaßgesicht halte die Augen gut offen!“ meinte er. „Sobald. der Tunnel leerer wird, wecke es uns sofort!“
„Weiß Bescheid!“ brummte Blubb.
Dann saß er und verfolgte die schäumenden Wasser, die sich eilig in den Kanal hineindrängten.
Eine halbe Stunde verging. Blubb wandte sich um. Das Feuer brannte nur noch schwach. Er schritt hinüber und warf ein paar Äste hinein, er beobachtete die drei Schläfer.
Felsenherz erwachte abermals. Er hatte als Trapper einen sehr leisen Schlaf. Das stärkere Knistern des Feuers hatte ihn für einen Moment aufgeweckt. Er öffnete die Augen nur halb. Und wieder sah er ein triumphierendes Lächeln über Blubbs Gesicht huschen; wieder schlief er ein.
Blubb kehrte zu dem Stein zurück. Nach einer Weile holte er ein paar lange Äste, klemmte sie an dem Stein fest und hing seine Wolldecke darüber, das es aussah, als säße er noch hier.
Er schlich nun tief gebückt dem Teiche und der Schleuse zu, drückte die Balken der Schleusentür herab, bis nur noch etwa die halbe Menge Wasser Durchlaß fand.
Kriechend näherte er sich darauf dem Tunnel, der bereits passierbar war. Er watete hindurch, kletterte an dem Steinblock hoch. Oben war gerade so viel freier Raum, daß ein Mensch sich durchzwängen konnte.
Blubb schaute angestrengt in das Nebental hinein. Der Regen hatte etwas nachgelassen.
Er erkannte drei Apachen, die rechts neben dem Kanalloche, die Büchse im Arm, wie die Bildsäulen dastanden.
Er rief sie leise an.
Drei Flintenläufe fuhren hoch –
„Ich komme als Freund zu den Apachen!“ rief Blubb lauter. „Ich kann ihnen den Weg, in den Talkessel öffnen! – Holt Euren. Häuptling –!“
Einer der Apachen eilte davon. – Nach fünf Minuten kehrte er mit dem großen Bären zurück.
Der riesige Rote argwöhnte Verrat und blieb zehn Schritt von dem Block entfernt stehen. „Der Häuptling der Apachen hat hier einen Engländer vor sich,“ begann Blubb. „Wenn er mir verspricht, das Leben der drei anderen dort im Talkessel zu schonen, und mir zu helfen, die Mumie und den Sarg nach El Paso zu schaffen lasse ich ihn und seine Krieger heimlich hier ein und werde ihm in El Paso hundert Büchsen, viel Pulver und Blei schenken. Ich bin ein Gelehrter, und ich will mir die Mumie für mich haben. Die drei schlafen jetzt. Ich habe die Wache Ihr dürft mir vertrauen.“
Der große Bär schwieg eine Weile. Blubb konnte das heimtückische Grinsen nicht bemerken, das nun das Gesicht des Apachen verzerrte.
Dann erklärte der Häuptling:
„Ich verspreche, was das Blaßgesicht wünscht. Die Mumie ist sein.“
Blubb kannte die Apachen nicht. Er war nicht nur ein Greenhorn, sondern auch ein nur allzu vertrauensseliger Mensch.
„Dann werde ich herauskommen,“ sagte er jetzt. „Der Häuptling wird mich in sein Zelt führen.“
„Das Blaßgesicht mag herabklettern,“ meinte der große Bär kurz.
Blubb stieg über den glitschigen Block und ging auf den Häuptling zu –
Der große Bär hatte den drei Wachen einen Wink gegeben –
Plötzlich fühlte Blubb eine Lassoschlinge über seiner Kopf gleiten, wurde zu Boden gerissen, wurde gefesselt und halb erstickt weggeschleppt.
Das Lager der Apachen befand sich weiter vorn im Tale. Das ganze Lager war lebendig geworden Feuer flackerten hoch. Die Krieger stürmten dem Tunnel zu.
Der große Bär hatte einen Späher in den Kanal geschickt. Sehr bald war der Apache zurück und meldete, daß der Komanche und die beiden Blaßgesichter fest schliefen.
Der Apachenhäuptling drang mit fünf Kriegern als erster in den Kanal ein. Weitere dreißig sollten ihm folgen und vorläufig in dem Tunnel versteckt bleiben –
Felsenherz erwachte. Ein Aststück hatte in der Glut des Feuers besonders laut geknackt.
Er hob den Kopf. Seinem scharfen Ohr entging es nicht, daß das Gurgeln und Rauschen des Flüßchens fast völlig verstummt war –
Seine Augen bohrten sich in die Finsternis ein. Dort saß Blubb – und dort – ja – dort huschte gerade eine flinke, dunkle Gestalt in den nur halb gefüllten Kanal hinein –
Felsenherz war mit einem Satz auf den Beinen, weckte den Komanchen und Crax, eilte auf Blubb zu –
Es war nicht Blubb –! Es war nur eine Wolldecke, die man über ein paar Äste gelegt hatte –!
Felsenherz schritt in den Tunnel hinab. Das Wasser reichte ihm kaum bis an die Hüften. – Nun hatte er den Steinblock vor sich –
Die Beine des Apachenspähers – verschwanden soeben oben aus der freigebliebenen Öffnung –
Felsenherz ward mit einem Schlage die ungeheure Schurkerei und Dummheit Blubbs klar – Nur Blubb konnte die Schleuse geschlossen haben! Und – er hatte es fraglos der Mumie wegen getan –! –
Der junge Trapper eilte zurück, nachdem er einen einzigen Blick über den Stein hinweg ins Freie geworfen hatte –
„Sie kommen!“ rief er dem Komanchen und Crax zu. „Legt unter Eure Decken Steine, damit man Schläfer darunter vermuten kann! Löscht das Feuer halb aus! Und laßt dann einige Apachen durch den Tunnel ein. Der große Bär wird sicher als erster eindringen. Wir müssen ihn fangen! Der schwarze Panther ahme den Ruf der Nachteule nach. Dann öffne ich die Schleuse –!"
Er rannte weiter dem Teiche zu.
Gleich darauf lagen Crax und der Komanche in einem nahen Gestrüpp –
Sechs Apachen erschienen – stiegen lautlos aus dem Wasser, krochen jenseits in ein Gebüsch –
Eine Eule schrie –
Der große Bär horchte auf. Der Eulenruf machte ihn argwöhnisch. Eine Eule sollte so tief da drüben im Gestrüpp sitzen –?!
Bevor er noch zu einem Entschluß kam, stürzte schon ein drei Meter hoher Wasserwall das leere Flußbett hinab; brausend verschwand die Woge in dem Tunnel –
Ein wahnwitziges Angstgebrüll drang noch aus dem Kanal hervor. Dann hatten die Wassermassen ihn gefüllt, drückten die Leiber der Todgeweihten gegen den, Block. Nur vier Apachen konnten sich noch ins Freie zwängen –
Der große Bär war mit langen Sätzen dem Felsloche zugesprungen, hinter ihm seine fünf Krieger –
Sie stutzten – Der Ausgang war verschlossen –! –
Der Trapper war schon heran, kniete neben einem Gebüsch, rief drohend:
„Werft die Waffen weg! Bleibt stehen! Felsenherz und des schwarzen Panters Kugeln verfehlen nie ihr Ziel!“
Der große Bär fuhr herum, riß die Büchse hoch –
Die Kugel des Trappers schlug ihm die Waffe aus der Hand –
Auch der Komanche und Crax feuerten –
Die fünf Apachen versuchten über das Flüßchen in die Büsche zu entwischen. Nur einem gelang es. Die anderen blieben mit Beinschüssen liegen.
Inzwischen hatte der große Bär sich mit geschwungenem Tomahawk auf Felsenherz gestürzt. Der riesige Apache glaubte, daß er hier in eine schlau gestellte Falle geraten sei. Seine Wut, seine Mordgier machten ihn unvorsichtig. Er kannte die Stärke und Gewandtheit seines Gegners, hatte dessen Eisenfaust schon einmal zu kosten bekommen. –
Das Gewölk am Himmel hatte sich gelichtet. Gerade als der herkulische Rote den jungen Trapper mit einem wahren Tigersatz ansprang, trat der Mond hervor –
Der kleine Crax sah, wie der Apache jetzt die Streitaxt herumwirbelte, wie Felsenherz scheinbar vor Schreck gelähmt aufrecht dastand –
Crax schrie auf: „Schwarzer Panther, dort –“
Der Komanche fiel ihm leise ins Wort: „Der große Bär ist wie ein Knabe, der einen Wolf mit einem Stecken erschlagen möchte –!“
Felsenherz hatte jetzt urplötzlich seinerseits einen Satz nach vorn getan –
Der herabsausende rechte Arm des Apachen traf nur mit dem Ellbogengelenk seine Schulter. – Und gleichzeitig mit diesem waghalsigen Angriff, bei dem es auf den Bruchteil einer Sekunde ankam, hatte er mit der geballten rechten Hand dicht am Körper einen blitzschnellen Lieb nach aufwärts geführt. –
„Da – er liegt!“ brüllte der kleine Crax jetzt, „Wahrhaftig – er liegt!“
Felsenherz hatte dem durch den Kinnhieb nach hinten Taumelnden ebenso blitzartig noch einen Stoß gegen die Herzgrube versetzt, und der Apache war wie ein Klotz umgesunken.
Der schwarze Panther rief jetzt dem jungen Trapper zu!
„Mein Bruder mag sich verbergen. Einer der Apachen ist in die Büsche entkommen –!“
In demselben Moment flammte auch schon von links her ein Feuerstrahl auf. Die Kugel riß Felsenherz ein paar Haare von der Schläfe weg.
Der Schütze war dort unter den Bäumen nicht zu sehen. Wenigstens konnte der kleine Crax auch nicht eine Spur von einer menschlichen Gestalt unterscheiden. Und doch hatte der schwarze Panther seinen Tomahawk wie auf gut Glück in die Finsternis hineingeschleudert.
Man hörte einen dumpfen Krach, einen leisen Schrei einen schweren Fall –
Der Mond hatte sich immer mehr entschleiert –
Der Komanche sagte zu dem Kleinen, indem er in die Dunkelheit hineinzeigte:
„Das Blaßgesicht mag den Apachen holen. Der schwarze Panther wird den großen Bären fesseln.“
Felsenherz war inzwischen schon über das Flüßchen hinweg auf die vier Verwundeten zugeschritten. Er war auch jetzt vorsichtig. Drei der Roten saßen aufrecht da. Er konnte genau erkennen, daß sie jede seiner Bewegungen verfolgten.
Hinter einem Tannenstumpf blieb er stehen.
„Werft Eure Waffen beiseite!“ befahl er kurz, „Ihr sollt geschont werden. Ihr wißt, daß ich nie unnötig Blut vergieße und nie mit zwei Zungen rede. Wagt nur einer von Euch noch Widerstand, wird Euch jedoch mein Tomahawk fressen!“
Die drei, die aufrecht saßen, gehorchten. Der vierte lag den Büschen am nächsten und rührte sich nicht.
Felsenherz kam dies verdächtig vor. Crax und der Komanche hatten ja nur auf die Beine der Fliehenden gezielt, wie man dies noch vor dem Eindringen der Apachen vereinbart gehabt hatte.
„Was ist‘s mit dem Krieger dort?“ fragte Felsenherz die anderen,
Einer der Apachen erwiderte: „Der berühmte Jäger – kennt ihn! Es ist Tuma Lapi, die singende Schwalbe, die Tochter des großen Bären, der Felsenherz schon einmal auf dem Rio Pecos das Leben schenkte. Die Kugel hat eine große Blutung hervorgerufen, Tuma Lapi ist bewußtlos.“
Felsenherz sprang schnell zu, kniete neben der jungen Indianerin nieder und untersuchte die Wunde. Die Kugel hatte die linke Wade durchschlagen. Er stellte rasch einen Verband her und trug die singende Schwalbe nach dem Blockhaus,
Inzwischen nahmen der Komanche und Crax sich der drei anderen Verwundeten an. – Der fünfte Apache war tot. Des schwarzen Panthers Streitaxt hatte ihn mitten vor die Stirn getroffen. Als Crax die Leiche aus dem Baumschatten mit leisem Grauen herausgeschleppt und den noch im Kopfe steckenden Tomahawk bemerkt hatte, war ihm bei dem furchtbaren Anblick ganz schwach geworden. Er wollte sich jedoch vor dem schwarzen Panther keine Blöße geben und überwand mit aller Energie diese Regung von Entsetzen.
Als er nun dem einen der Apachen um das zerschossene Knie einen nassen Streifen einer Wolldecke wickelte, sagte er nur: „Der schwarze Panther muß die Augen einer Katze haben! Wie brachte er es nur fertig, dort im Dunklen den Kopf zu treffen!“
„Der kleine Jäger mag sich merken, daß die Augen eines Menschen, der erregt ist, in der Finsternis glühen wie die eines Raubtieres,“ erwiderte der Häuptling kurz. „Ein Späher, der nachts ein Lager beschleicht, und die Augen nicht schließt, wird sich selbst leicht verraten.“ –
Auch die drei Verwundeten und der große Bär wurden nun nach der Blockhütte geschafft, wo man sie zur Vorsicht draußen neben der Tür an Pflöcke festband, die Felsenherz zu diesem Zweck in die Erde rammte.
Bald loderte hier ein Feuer auf, und der kleine Crax mußte den Wächter spielen.
Felsenherz nahm einen harzigen, dicken Tannenast mit in die Hütte, klemmte ihn hier fest und beugte sich über das Lager der jungen Indianerin.
Tuma Lapi war jetzt bei Besinnung. Felsenherz richtete sie etwas auf, gab ihr kalten Tee zu trinken und sagte dabei freundlich:
„Das Schicksal führt mich mit der singenden Schwalbe immer wieder zusammen. – Es tut mir leid, daß Tuma Lapi verwundet worden ist.“
Die dunklen Augen der Indianerin, die einen zierlich gearbeiteten hirschledernen Jagdanzug anhatte, ruhten lange auf Felsenherz offenem, männlichem Gesicht.
Dann entgegnete sie: „Tuma Lapi begleitete ihren Vater nur deshalb in dieses Tal, um zu verhindern, daß der berühmte Jäger sofort getötet würde. Die singende Schwalbe haßt Felsenherz nicht, wenn er auch ihren einzigen Bruder erschossen hat. Es geschah im ehrlichen Kampf. Tuma Lapi wird Felsenherz nie vergessen.“
Der blonde Trapper erkannte jetzt endlich, was an der Seele der hübschen Apachin vorging. Sie liebte ihn –! Ihre Blicke verrieten es ihm ganz deutlich!
„Tuma Lapi ist mir lieb wie eine Schwester!“ erklärte er nun und reichte ihr abermals den Becher. „Aber der Haß ihres Vaters wird nie aufhören; der große Bär wird mein Todfeind bleiben.“
„Er ist ein Apache!“ sagte Tuma Lapi in einem Ton, der etwa ausdrücken sollte daß sie diesen Haß durchaus begreife.
Dann kam der Komanche mit einer Hand voll zerstampfter Wundkräuter und verband die Wunde der Indianerin aufs neue.
6. Kapitel.
Thomas Blubbs Kampf ums Leben.
Der Morgen graute. – Drüben im Lager der Apachen befehligte jetzt der Unterhäuptling, das lange Messer, ein älterer, einäugiger Krieger.
Thomas Blubb war an eine Tanne dicht an der Talwand gefesselt worden. Die Apachen hatten die Äste der Tanne unten abgehauen, so daß der Baum nur noch einen Teil seines immergrünen Schmuckes besaß.
Die Wut der Apachen gegen Blubb war infolge des Verlustes so vieler Krieger und des obersten Häuptlings – denn man hielt den großen Bären bestimmt für tot – so grenzenlos, daß die Krieger schon in der Nacht eine Beratung abgehalten und beschlossen hatten, das verräterische Blaßgesicht am Morgen zu Tode zu martern.
Umsonst hatte Blubb immer wieder beteuert, daß er die Apachen niemals in eine Falle habe locken wollen. man glaubte ihm nicht.
Mit brutalster Grausamkeit hatte man ihm die Riemen um die Handgelenke so eng geschnürt, daß sie die Haut zerschnitten. Die Stiefel hatte man ihm von den Füßen gerissen und ihm mit nackten Sohlen auf spitze Steine gestellt. Dicht vor ihm brannten zwei Feuer, deren Glut ihm langsam die Haut der Füße versengte.
Blubb war mehr tot als lebendig, als die Sonne jetzt über den fernen Bergen am Rio Pecos aufging.
Er hatte eingesehen, wie schändlich er an seinen drei Gefährten aus blindem Ehrgeiz gehandelt hatte; er hatte auch erkannt, daß seine jetzige Lage nur die gerechte Strafe für seinen Verrat war.
Vor ihm hockten vier Wächter. Nun näherten sich das lange Messer und die drei Ältesten der Apachenkrieger.
Der Unterhäuptling blickte den Gefangenen finster an.
„Das Blaßgesicht wird jetzt zeigen, ob es ein Mann ist!“ sagte er voller Hohn. „Du hast uns mit der Rache Deiner Krieger gedroht, die jenseits des Meeres wohnen! Wo sind Deine Krieger?! Die Apachen würden sie wie Dich an den, Marterpfahl stellen!“
Er spie Blubb ins Gesicht –
„Winsele jetzt vor Angst wie ein Weib, dem ein Wolf das Kind stiehlt!“ rief der Unterhäuptling weiter. „Dein Körper wird sehr bald nur noch eine einzige Wunde sein! Dann werden die Krieger der Apachen den Saft der Jucka-Pflanze in das rohe Fleisch träufeln, und Dein Verstand wird vor Schmerzen Dein Hirn verlassen!“
Thomas Blubb war in vielem ein jämmerlicher Charakter. Aber – er war Engländer! Er besaß den sich stets überhebenden Stolz und Hochmut dieses Inselvolkes. Und dieser Stolz war‘s, der bisher keinen Klagelaut über seine Lippen dringen lassen. Auch jetzt erbleichte er nur, sagte dann verächtlich:
„Ihr werdet sehen, daß ein Engländer zu sterben weiß! Ihr seid in meinen Augen nur feiges rotes Gesindel! Einen gefesselten Menschen zu Tode zu martern, dazu gehört wahrlich kein Mut!“
Und – gepackt von einem besinnungslosen. Grimm spie auch er jetzt dem langen Messer ins Gesicht.
Der Apache riß das Schlachtbeil heraus; sein Arm, flog empor –
„Hau‘ zu, feiger Hund!“ brüllte Blubb. „Deine Feigheit verpestet die Luft! Lieber rieche ich ein faulendes Aas, als Deinen Hautgestank! – Hau‘ zu –!“
Seine hellen Augen blitzten den Apachen hinter den Brillengläsern todesmutig an –
Das lange Messer ließ langsam den Arm sinken. Ihm war bisher nur ein Blaßgesicht begegnet, das sich angesichts des sicheren Todes so tapfer gezeigt hatte. Und dieser eine war Felsenherz gewesen, der sich einst freiwillig den Apachen ausgeliefert hatte, um seine Freunde zu retten.
„Das Blaßgesicht mit den vier Augen wird mit dem langen Messer um sein Leben kämpfen,“ sagte er nach einer Weile dumpfen Tones. „Das lange Messer hat seinen Namen verloren und muß ihn sich zurückerobern. Wer einen Apachen anspeit, raubt ihm den Namen! Du wirst mit Tomahawk und Messer mir gegenübertreten. Ich verzichte auf jede Waffe. Meine Hände werden Dich erwürgen, und dann werde ich Dir die Zunge herausreißen; dann bin ich wieder das lange Messer, dann habe ich meinen Namen zurück! – Bindet ihn los! Kühlt seine Handgelenke!“ befahl er den Wächtern. „Wenn der Schein der Sonne keinen Schatten wirft, wird der Kampf beginnen.“
Er schritt mit den drei alten Kriegern davon –
Drüben im Talkessel rüstete sich zwei Stunden später Felsenherz zu einem gefährlichen Gang.
Er hatte sich mit dem Komanchenhäuptling vorher beraten und war dann zu der Stelle hingegangen, wo der große Bär gefesselt abseits von den anderen Apachen lag. – Der Oberhäuptling der Apachen hatte auch bald eingesehen, daß es für ihn nur einen Weg gab, die Freiheit zurückzuerlangen, nämlich den, feierlich zu versprechen, daß die Weißen und der Komanche unbelästigt aus den Jicarilla-Bergen abziehen dürften.
Felsenherz wollte nun auf dem geheimen Pfade den Talkessel verlassen und mit den Apachen draußen unterhandeln, wobei er sich davor hüten mußte selbst ergriffen zu werden.
Nach kurzem Abschied von seinem roten Freunde und dem kleinen Crax erklomm er, die Büchse umgehängt auf dem Rücken, die Steilwand, stieg weiter in eine enge Kluft hinein, arbeitete sich in dieser hoch, erkletterte eine zweite Wand und hatte so nach anderthalbstündiger, mühevollster Anspannung aller Muskeln den Gipfel eines im Westen gelegenen Berges erreicht, mußte nun an dessen Westabhängen wieder hinunter und hierbei noch mit der steten Gefahr rechnen, daß er vorzeitig von Apachenspähern bemerkt würde.
Nur ein Westmann wie er vermochte gleichzeitig die Mühsale dieses von tausend Fährnissen umlauerten Weges über Abgründe und Klüfte zu überwinden und dazu noch stets Auge und Ohr für jeden unerwartet auftauchenden Feinde bereit zu haben –
Nach drei Stunden näherte er sich dann von Norden abermals über zerklüftete Berge dem Tale, wo die Apachen lagerten und der Lincoln-Fluß, seine schäumenden Wasser in die Prärie ergoß.
Die Berglehne im Norden des Tales war dicht bewaldet. Dies gereichte Felsenherz zum Vorteil. Das Anschleichen war jetzt nicht mehr schwer.
Nach Trapperart kroch er lang am Boden hin, schnitt aus den Büschen, die er durchqueren mußte, die ihm hinderlichen Zweige lautlos heraus, machte immer wieder halt und lauschte, kroch weiter und stellte sehr bald fest, daß hier oben keine Apachenwachen standen.
Nun schob er sich in ein dichtes Gestrüpp hinein, das mit seinen Ranken bis in die Äste einer mächtigen Tanne sich hineingezogen hatte, die dicht an der Talwand unten wurzeln mußte.
Abermals arbeitete sein Messer, schnitt einen Weg durch das stachlige Dickicht.
Dann noch eine kurze Strecke – und er konnte den Kopf über den Rand des Abhangs hinausschieben und zwischen den ihn schützenden Schlingpflanzen hindurchspähen.
Was er dort unten sah, trieb ihm das Blut in zorniger Welle zu Kopfe –
Da saß der elende Verräter Thomas Blubb am Fuße der Tanne und hatte seine Hände in einen gefüllten Wasserschlauch gesteckt –!
Blubb war ungefesselt. Vor ihm hockten nur zwei Apachen, die seine Füße durch nasse Decken kühlten! – Felsenherz mußte annehmen, daß die Apachen mit Blubb nichts Böses vorhätten und daß sie den Verräter schonen wollten.
Doch – er wurde sehr bald eines Besseren belehrt!
Jetzt tauchten nämlich hinter den Lederzelten das lange Messer und die drei alten Krieger wieder auf.
Der Unterhäuptling machte vor Blubb halt und sagte finster:
„Die Mittagsstunde ist da. Die Sonne wirft keinen Schatten mehr. Das Blaßgesicht wird jetzt dort vor den Zelten mit mir kämpfen. Bald werden die Aasgeier Deine Leiche zerfetzen, und Dein Skalp wird im Rauche meines Zeltfeuers trocknen!“
Blubb hatte schnell seine Stiefel angezogen, stand auf und erwiderte:
„Ich bin bereit! – Was geschieht, wenn ich das lange Messer besiege?“
Der Apache spie ihm vor die Füße. „Die Angst hat Deinen Verstand verwirrt! Du wirst mich nie besiegen! Nur wenn der große Geist es schlecht mit mir meint, könntest Du mich töten. Aber Manitou beschützt seine roten Kinder! – Besiegst Du mich, so bist Du frei!“
„Doch eine Bitte hätte ich,“ erklärte Blubb dann in demselben festen Ton, „Falls ich sterbe und falls Du einmal Gelegenheit hast, den Trapper Felsenherz zu sprechen, dann sage ihm, daß ich meine Verräterei, zu der mich nur die Mumie und der Ehrgeiz verleiteten, bereue und daß ich ihm danke, weil er mich gestern auf seinem wackeren Pferde vor Euch Apachen rettete.“
Das lange Messer lachte schrill auf. „Felsenherz Skalp wird sehr bald neben dem Deinen hängen! Er und der Hund von Comanche sind in jenem Talkessel wie die Präriehunde in einer Falle eingesperrt. Wir werden warten, bis der Hunger sie heraustreibt. – Folge mir jetzt! Du mußt sterben!“
Thomas Blubb schritt hoch aufgerichtet hinter den Apachen her –
Felsenherz hatte mit Staunen dieses kurze, Gespräch mit angehört.
Er hatte jetzt eine ganz andere Meinung über Blubb gewonnen. Niemals hätte er ihm so viel Mut zugetraut.
Er erkannte, daß Blubb nur in leichtfertiger Übereilung sich zu dem Schurkenstreich hatte hinreißen lassen. Wenn er nicht Zeuge dieser letzten Äußerungen Blubbs gewesen wäre, hätte er keinen Finger zu dessen Rettung gerührt. So aber überlegte er jetzt, wie er Blubb vielleicht noch vor dem sicheren Tode bewahren könne. Denn auch er glaubte, daß Blubb in diesem Zweikampf mit dem Unterhäuptling unterliegen müsse.
Umsonst zermarterte er sich jetzt den Kopf, was er für Blubb tun könnte –
Inzwischen war dieser bereits in den Kreis eingetreten, den die Apachen kaum dreißig Meter entfernt an einer ebenen, gebüschfreien Stelle des Tales gebildet hatten.
Der Unterhäuptling folgte Blubb und gab ihm jetzt ein Messer und einen Tomahawk brüllte dann gellend:
„Die Krieger der Apachen werden Zeugen sein, wie ich mir meinen Namen zurückerobere! – Das Blaßgesicht gebe acht! Sobald jener alte Krieger den schrillen Schrei des Falken ausstößt, beginnt der Kampf!“
Blubb trat einige Schritt zurück –
Dann – warf er das Messer und den Tomahawk zu Boden, rief:
„Ich werde mit der gleichen Waffe Dir gegenüberstehen – nur mit den Fäusten, langes Messer!“
Ein Beifallsgemurmel durchlief den Kreis der Rothäute –
Felsenherz fühlte jetzt geradezu etwas wie Sympathie für den dürren Gelehrten.
Ihm imponierte diese Kühnheit! – Er war nun doch schwankend geworden, hoffte, daß Blubb siegen möchte.
Da – der gelle Falkenschrei ertönte bereits –
Der Unterhäuptling näherte sich jetzt langsam seinem Gegner – duckte sich zusammen – und wollte ihm mit einem Satz an die Kehle springen –
Blubb stand mit schlaff herabhängenden Armen da. Es schien, als ob er, von jäher Angst gepackt, sich gar nicht zur Wehr setzen würde.
Es schien nur so! – Blubb war durchaus nicht verweichlicht. Er hatte wie jeder Engländer das Boxen als Sport geübt, hatte seit seinem Eintreffen in Mazatlan oft genug Gelegenheit gehabt, seine Muskeln während des wochenlangen Rittes nach El Paso zu stählen –
Der Unterhäuptling war zu siegesgewiß. Und daher kam ihm auch der kräftige Fausthieb, den der plötzlich vorschnellende Blubb ihm gerade auf die Nase versetzte, völlig überraschend –
Er taumelte zurück. Blut rann ihm über das Gesicht. Der Schmerz hatte ihn für einen Moment betäubt –
Blubb ließ ihn nicht wieder hochkommen –
Der zweite Fausthieb traf den Apachen ebenso blitzschnell unter das Kinn –
Gleichzeitig schlug Blubb ihm mit der Linken gegen das rechte Ohr –
Das lange Messer hatte Blubbs Beine gepackt wollte ihm umreißen –
Die beiden Hiebe warfen ihm in die Knie –
Und der vierte Stoß war jetzt ein Fußtritt vor die Brust –
Mit gurgelndem Schrei sank der Apache zu Boden. Ein Blutstrom entquoll seinem Munde –
Die Zuschauer, standen einen Augenblick , wie gelähmt. Dann erhob sich ein Gebrüll, als, wäre die ganze Hölle plötzlich lebendig geworden –
Blubb hatte schnell des Apachen Tomahawk aufgehoben und trat neben den Bewußtlosen, schwang die Streitaxt –
Die Apachen verstummten –
„Ich könnte das lange Messer töten!“ rief Blubb, „Ein Blaßgesicht mordet nicht! Ich bin Sieger! Ich schenke ihm das Leben!“
Er legte den Tomahawk auf die röchelnde Brust seines Gegners und schritt der Tanne wieder zu.
Wortlos ließ man ihm hindurch? –
Blubb wollte sich niedersetzen.
Da – von oben eine leise Stimme:
„Achtung! Mein Lasso kommt! Ich ziehe Euch empor, bevor die rote Bande noch richtig wieder bei Verstand ist! Dann würden sie Euch nämlich vor Wut in Stücke reißen!“
Der Lasso schwebte herab –
Blubb besann sich nicht lange –
Ruck für Ruck schwebte er höher –
Da – jetzt hatten die Apachen bemerkt was dort vorging.
Doch es war zu spät. Blubb verschwand schon hinter den Ranken –
Und dann Felsenherz mächtige Stimme:
„Apachen – hier ist Felsenherz! Hört mich an! Ich komme als Bote Eures Oberhäuptlings. Der große Bär, seine Tochter und drei Apachen sind lebend in unserer Gewalt. Der große Bär wird nur freigelassen, wenn Ihr die Jicarilla-Berge sofort verlasst und draußen in der Prärie an dem ersten Waldstreifen lagert. Wir werden, dann aus dem Talkessel herauskommen und unsere Gefangenen zu Euch schicken, sobald wir Euch aus den Augen verloren haben. Plant Ihr Verrat, werden die Gefangenen getötet. – Ihr kennt mich. Ich spreche nie eine Lüge aus. Ich bin Felsenherz, und meine Zunge ist nie gespalten! Beratet jetzt! Aber – keiner von Euch entferne sich um mich etwa hier zu beschleichen! Wenn ich nicht in den Talkessel zurückkehre, wird des schwarzen Panthers Messer mich rächen!“
7. Kapitel.
Das neue Grab der Mumie.
Die Apachen waren bereits so oft mit Felsenherz durch ihre eigene Schuld zusammengeraten, daß sie ihn genau so sehr haßten, wie sie ihn als berühmten Trapper achteten und bewunderten.
Die Beratung war daher auch nur kurz. Niemand zweifelte daran, daß Felsenherz die Wahrheit gesprochen hatte.
Nach etwa zehn Minuten näherten sich die drei ältesten Krieger der Tanne, und einer von ihnen unterhandelte dann weiter mit Felsenherz, der die Bedingungen der Freilassung der fünf Gefangenen nochmals genau nannte und insbesondere forderte, daß kein einziger Apache in dem Tale zurückbliebe, daß dagegen sechs Pferde an dem Tunnel zurückgelassen werden sollten.
Die Apachen gingen auf diese Bedingungen ein.
Felsenherz erklärte noch daß er und seine Gefährten heute gegen Abend die Gefangenen im der vereinbarten Art ausliefern würden. Dann zog er sich von der Talwand zurück, Hinter ihm drein kroch Thomas Blubb, den er bisher keines Wortes gewürdigt hatte.
Erst als sie am Fuße jenes hohen Berges im Westen angelangt waren, konnte der tief beschämte Blubb nicht länger schweigen,
„Master Felsenherz,“ sagte er verlegen, „ich habe wie ein Schurke an Euch gehandelt! Erlaubt mir trotzdem, daß ich Euch dankbar die Hand drücke!“
„Eures Mutes wegen sei Euch verziehen!“ meinte der junge Trapper und reichte ihm die Hand. „Doch – nun kommt! Wir haben noch einen bösen Weg vor uns! Ich werde voranklettern und Euch an den Lasso anseilen. Sonst stürzt Ihr bei Eurer Ungewandtheit im Klettern irgendwo ab!“ –
Gegen vier Uhr nachmittags erreichten sie glücklich den Talkessel, wo Blubbs Erscheinen bei Crax den Ausruf hervorrief:
„Wie – Ihr schleppt sogar noch diesen Schurken herbei, Felsenherz?! – Ich schäme mich, diesem Menschen je gedient zu haben?“
„Die Sache ist erledigt, Crax,“ meinte Felsenherz. „Jeder macht mal eine Dummheit! Er muß sie nachher nur ehrlich bereuen. Und das hat Blubb getan!“
Blubb setzte sich tief geknickt neben der Blockhütte in das Gras. Daß John Crax ihn jetzt wie einen Vorbrecher behandeln durfte, raubte ihm auch den letzten Rest von dünkelhafter Überhebung.
Schweigend schaute er zu, wie Felsenherz und Crax jetzt Steine in den Mumienraum schleppten – immer mehr, bis sich über der Mumie ein durch Tannenbalken gestützter Steinhügel wölbte.
Dann rief der schwarze Panther den Gelehrten hinein, deutete auf den Steinhügel und sagte:
„Mein Bruder Felsenherz und ich haben beschlossen, daß keines Menschen Auge mehr die Mumie schauen soll. Wir werden auch von dem diesseitigen Tunnelausgang ein Felsstück zur Sprengung vorbereiten. Wenn wir dann dieses Tal verlassen haben, wird das Gestein den Tunnel verschließen – wenn nicht ganz, dann doch soweit, daß dieses Tal sich langsam in einen See verwandeln muß. Die Mumie Matazumas wird so für alle Zeit geschützt sein.“ –
Felsenherz und. Crax arbeiteten dann bis gegen sieben Uhr abends an den Vorbereitungen der Sprengung, zu der das bei den gefangenen Apachen vorgefundene Pulver verwendet werden sollte.
Um halb acht schloß Felsenherz die Schleuse.
Das Wasser im Kanal sank sofort. Crax kroch über den Steinblock hinweg in das Nebental. Der Komanche folgte ihm mit fünf Lassos.
Es galt jetzt, den Steinblock zur Seite zu rücken, damit Felsenherz Brauner und der Rappe des Häuptlings hindurchkönnten –
Die sechs Indianergäule waren wirklich wie vereinbart zur Stelle. Sie mußten hier nun als Zugtiere zunächst dienen, wurden an die um den Block geschlungenen Lassos gespannt und kippten diesen dann auch zur Seite.
Darauf wurden die Gefangenen durch den Tunnel herausgebracht und auf die Pferde gesetzt und festgebunden. Nur der jungen Indianerin ersparte man die Fesseln.
Felsenherz kehrte nun als letzter und einziger nochmals in den Talkessel zurück und zündete mit Hilfe eines brennenden Astes den Pulverstrich an, der anstelle einer Zündschnur nach oben zu einem riesigen Steine lief –
Zischend fraß die Flamme weiter –
Felsenherz sprang in den Kanal hinein –
Dann ein Knall – ein Poltern, Krachen –
Der Stein lag im Bett des Lincoln–Flusses – Geröll folgte – hinterher –
Felsenherz nickte befriedigt. Der Lincoln-Fluß würde jetzt nur noch die Hälfte Wasser mit sich führen, und das Mumiental würde zum See werden –
Dann ritt er dem Zuge voran durch das lange Tal der Prärie entgegen. – Auf dem sechsten, Indianerpferde saß Blubb, der sich mit einer Apachenflinte bewaffnet hatte.
Man bog nun in die Prärie ein. Dort in der Ferne lagerten die Apachen –
Der Zug bewegte sich nach Süden zu an den Ausläufern der Jicarilla-Berge entlang.
Die Sonne war längst untergegangen. Bald kam die Dunkelheit und würde den Apachen eine Verfolgung unmöglich machen. Deshalb hatte Felsenherz auch diese späte Abendstunde zum Abzuge bestimmt.
Als man dann von einer Anhöhe aus das Lagen nur noch undeutlich erkennen konnte, durften die vier gefesselten Apachen und die singende Schwalbe zurückreiten.
Tuma Lapi nahm nur mit einem langen, schmerzlichen Blick von Felsenherz Abschied.
Aber ihr Vater, der große Bär ließ nun seiner Wut freien Lauf:
„Der große Bär wird Euch finden, und wenn Ihr Euch hoch oben in Felsengebirge verkriechen solltet!“ rief er. „Der große Geist wird mir helfen, Euch endlich in meine Gewalt zu bekommen!“
Felsenherz sagte ernst:
„Der große Bär täte gut daran, seinen Haß endlich zu vergessen! Wir haben Dich und die anderen Gefangenen so behandelt, als ob Ihr niemals mit allen Mitteln uns nach dem Leben getrachtet hättet! Hüte Dich! Auch meine Geduld wird ein Ende haben!“
Der Apachenhäuptling trabte von dannen. – Tuma Lapi drehte sich nochmals um und winkte mit der Hand –
Dann galoppierten die vier Gefährten weiter nach Süden, bogen sehr bald in ein Tal der Jicarilla-Berge ein und führten ihre Tiere am Zügel in eine steile Seitenschlucht.
Die Dunkelheit nahm schnell zu. Als es völlig finster geworden, lagerten die vier auf der Westseite der Berge in einer kleinen Schlucht, wo sie jetzt vorläufig in Sicherheit waren.
Das Feuer brannte. Und am Spieße über dem Feuer ihn brozelte die eine Büffellende, die Felsenherz gestern mit nach dem Felsenkessel gebracht hatte.
Blubb erzählte nun genauer wie es ihm als Gefangener der Apachen in der verflossenen Nacht ergangen war.
Dabei erwähnte er auch, daß die fünf Buschklepper, die ihm und Crax von El Paso aus gefolgt waren und die sich dann mit den Apachen verbündet hatten, von ihm gebeten worden waren, sie möchten ihn heimlich befreien. Als Lohn hatte er ihnen mitgeteilt, daß dort am Rio Gila wahrscheinlich ein Schatz der Azteken versteckt läge, und hatte ihnen auch den Ort genau beschrieben, da sie schlauerweise so getan hatten, als würden sie ihm nachher irgendwie zur Flucht verhelfen. Dann wären sie aber, als sie erst alles wußten, was sie wissen wollten, hohnlachend davongegangen und hätten morgens das Apachenlager verlassen.
„Natürlich sind die Kerle nach dem Gila-Fluß jetzt unterwegs,“ meinte Felsenherz.
„Wir werden ihnen folgen!“ erklärte der Komanche kurz.
Thomas Blubb schüttelte den Kopf und sagte zögernd:
„Nein – ich verzichte für meine Person auf jedes weitere Abenteuer! Ich kehre nach El Paso zurück – Und Ihr, Master Crax?“
„Hm, – ich denke, Euer Hochwohlgeboren nennen mich wieder wie früher „Du“ –! – Ich verzichte ebenfalls! Die Apachen sind für meinen Geschmack doch zu wenig von der Kultur beleckt!“
„Crax – wirklich – wieder mein Diener?!“ rief Blubb erfreut. „Hand her, Crax! Ich bin jetzt vernünftig geworden Du kannst jetzt reden, wie Dir der Schnabel gewachsen ist!“
Vier Tage später sagten Felsenherz und der schwarze Panther den beiden einige Meilen nördlich von El Paso für immer Lebewohl und ritten dann nach Westen zu, den unwirtlichen Gila-Bergen entgegen.
Der nächste Band: Der Schatz der Azteken.