Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Band 8:
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.
Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
Erstes Kapitel.
Trapper gegen Trapper.
Eine Abteilung von fünfzig Reitern, die zumeist die Uniform der mexikanischen Kavalleristen trugen, kehrte an einem drückend heißen Herbstnachmittag von einem Patrouillenritt aus den Guadalupe Bergen am Rio Pecos nach dem Städtchen El Paso zurück.
Der Abteilung waren zur Sicherung des Marsches drei Kundschafter vorausgeschickt worden, und zwar waren dies drei Trapper, die gegen hohen Sold infolge ihrer langen Erfahrungen als Pelzjäger den Truppen vorzügliche Dienste leisteten.
Die Mexikaner näherten sich gerade den beiden Höhenzügen, die östlich von El Paso in einem spitzen Winkel nach Nord und Nordost sich in die Prärie hineinziehen, als einer der Kundschafter im Galopp zurückkehrte und dem Führer der Abteilung, dem Kapitän Durango, einem schwarzbärtigen, finster blickenden Manne, meldete, daß, man auf eine frische Fährte zweier Reiter gestoßen sei, die offenbar den nördlichen Höhenzug hatten umrunden wollen.
Kapitän Durango befahl, der Fährte mit größter Vorsicht zu folgen, und gab dem Kundschafter noch fünf erprobte Leute mit.
Der Kundschafter, ein alter verwitterter Graubart namens Walker, den man stets nur den krummen Walter nannte, weil er einen kleinen Buckel hatte, galoppierte mit den fünf Soldaten wieder von dannen.
Die Prärie war hier sehr wellig und auch mit kleinen Baum- und Buschinseln bedeckt. – Nach einer Viertelstunde hatte Walker, der wie leider so viele Trapper ein recht gewalttätiger Mensch war und insbesondere jede Rothaut für vogelfreies Wild ansah, das man ruhig niederknallen dürfte, seine beiden Gefährten erreicht, die ihn in einem Gebüsch am Nordrande des Höhenzuges erwartet hatten.
„Boys,“ (Vertrauliche Anrede, etwa gleich „Jungens“ oder „alte Freunde“) meinte er, „der Kapitano möchte sich die beiden genauer ansehen! Also vorwärts! Ich werde zunächst allein weiterreiten. Ihr kommt nach zehn Minuten nach!“
Die Fährte war im Grase ganz deutlich zu erkennen. Walker vermutete, daß der eine der Reiter, der ein unbeschlagenes Pferd mit sehr zierlichen Hufen hatte, ein Roter sei, während der andere offenbar einen beschlagenen Braunen ritt. Walker hatte schon vorhin an einem Distelstrauche ein paar Schweifhaare dieses Braunen gefunden. Als er jetzt an einem Dornenbusch abermals einige Pferdehaare, jedoch von schwarzer Farbe entdeckte, brummte er vor sich hin:
„He – ein Brauner und ein Rappe –! Sollte das etwa das berühmte Freundespaar, der Komanchenhäuptling schwarzer Panther und der Trapper Felsenherz, sein, von dem man sich jetzt an allen Lagerfeuern die reinen Wunderdinge erzählt! Der Rappe mit den zierlichen Hufen ist ja fraglos ein erstklassiger Gaul, und der Braune muß der Schrittlänge nach sehr hochbeinig sein! Das würde alles auf Felsenherz und den Komanchen hindeuten, mit dem ich ohnedies noch eine kleine Rechnung wettzumachen habe, von vor zwei Jahren, als er mich nur deshalb tagelang mit seinen Kriegern hetzte, weil ich zwei der roten Halunken eine Kugel durch den Schädel gepustet hatte. – Na – jedenfalls werde ich sehr vorsichtig sein! Sind es Felsenherz und der schwarze Panther wirklich, dann tut man gut, Augen und Ohren aufzusperren!“
Die Fährte bog jetzt plötzlich nach links in die Berge ein.
„Verdammt!“ schalt der krumme Walter. „Die beiden werden ihre Spur auf dem Steinboden verwischen wollen! Das müßt Ihr aber sehr geschickt anstellen, Boys – sehr! Der alte Walker nimmt es mit Euch an Schlauheit noch alle Tage auf!“
Die Spuren liefen in einem sanft ansteigenden Tale aufwärts und dann nach Westen in ein Quertal einem, dessen kahler Felsboden nur hin und wieder die Fährte an einem durch die Hufe zermalmten Steinchen erkennen, ließ.
Dann aber vermochte selbst Walker die Fortsetzung der Spuren nicht mehr herauszufinden. Sie hatten ganz plötzlich auf einer zweiten Hochebene ein Ende, und alles suchen brachte Walker hier nicht um einen Schritt weiter. Er mußte kehrtmachen, zumal die Sonne längst untergegangen war und bereits die ersten Schatten der Abenddämmerung die Bergwildnis einzuhüllen begannen.
Trotzdem wollte Walker noch ein letztes versuchen und schlich nun in die dicht bewaldete Schlucht hinein. Aber auch hier nichts von Fährten – nichts! Zwischen den Tannen gab es breite, kahle Felsflächen, die stellenweise mit Moos bewachen waren.
Walters scharfe Augen leuchteten plötzlich auf – Ah hier war ein losgerissenes Moosstück sehr sorgfältig wieder eingefügt worden, und hier rechts davon gab es zwei frisch geknackte Zweige eines kleinen Diestelstrauches –
Walker grinste –
„Schlaue Kerle, die beiden! Sie sind abermals dort an der Hochebene umgekehrt! Ich denke, es werden wohl dieser Felsenherz und der Komanche sein! Und ich müßte mich verteufelt irren, wenn sie nicht dort hinten in der Schlucht lagern! Na – wir werden’s ja bald heraushaben!“
Er kroch jetzt links am Abhange der Schlucht unter den Bäumen weiter –
Diese Schlucht machte, was man am Eingange nicht sofort wahrnehmen konnte, eine scharfe Krümmung und eilte sich dann in drei noch unwegsamere Bergeinschnitte. In der westlichen dieser Seitenschluchten hatten soeben zwei Reiter ihre Pferde hinter ein paar Felsblöcke geführt, deren Schlingpflanzenbehang und erhöhte Lage unter der hier weit sich vorwölbenden Steilwand sie als Lagerplatz besonders geeignet erscheinen ließ.
Die beiden Reiter, ein schlanker Indianer und ein großer stattlicher Weißer, hatten hier in dem Zwischenraum zwischen den Blöcken und der Schluchtwand mit ihren Pferden gerade Platz.
„Ich werde jetzt nochmals bis an die Hauptschlucht zurückschleichen und dort warten, bis es völlig dunkel geworden ist,“ sagte der blonde Trapper.
„Felsenherz tut recht daran!“ nickte der schwarze Panther ernst. „Die Wildnis redet zu uns in ihrer besonderen Sprache. Als wir aus der Prärie in die Berge vor einer halben Stunde einbogen, setzte sich die eine Büffelherde nach Süden zu in Trab. Es müssen mehrere Reiter gewesen sein, vor denen der Leitstier der Herde entfloh. Die Büffel sind hier scheuer als anderswo. El Paso liegt nach Südwest, keinen Tagesritt entfernt. Mein Bruder Felsenherz mag vorsichtig sein –!
Der junge Trapper verließ das Versteck und ging tiefgebückt, stets durch Bäume und Büsche gedeckt, der Hauptschlucht zu.
Nach einer halben Stunde machte er kehrt. Es war jetzt ganz finster geworden.
Der Komanchenhäuptling hatte in dem Versteck bereits ein Feuer angezündet. Der Duft einer am Spieße bratenden Hirschkeule stieg Felsenherz angenehm in die Nase.
„Wir sind hier für diese Nacht sicher,“ sagte der Trapper zu seinem roten Freunde. „Das einzige, was ich sah, war ein Steinmarder, „und gehört habe ich nur den, schrillen Ruf des Nachtfalken.“
Der Häuptling, der neben dem Feuer saß, blickte auf.
„Der Nachtfalke jagt nie vor Mitternacht,“ meinte der schwarze Panther bedächtig.
„Es war ein Falke, Chokariga!“ beruhigte ihn, Felsenherz. „Ob eine Tierstimme nachgeahmt wird, höre ich schon heraus –!“
Chokariga, der schwarze Panther, erhob sich. „Mein Bruder mag die Hirschkeule drehen,“ sagte er. „Ich werde den Falken suchen, der noch vor Sternenschein sein Felsloch verläßt.“
Er nahm seine Büchse und huschte in die Dunkelheit hinaus, hatte bald den Schluchtausgang erreicht und kroch nun auf die Hauptschlucht zu.
So lautlos er sich auch vorwärtsbewegte, – für des krummen Walker geübte Ohren verursachte er doch Geräusche, die dieser sehr wohl zu deuten wußte.
Er stand noch jetzt hinter derselben dicken Tanne, deren Stamm von wildem Hopfen völlig umsponnen war.
Und – jetzt sah er auch undeutlich die über den Boden sich windende Gestalt des Komanchenhäuptlings.
Walker packte seine Büchse fester –
Dann beugte er sich vor –
Ein Sprung – ein Kolbenhieb, und der Komanche sank wie vom Blitz gefällt auf das moosbewachsene Gestein.
„Siehst Du, roter Schuft, nun habe ich Dich!“ brummte Walker rachsüchtig. „Der Klaps auf den Schädel hat Dich für Stunden stumm gemacht!“
Er hob den Bewußtlosen auf, warf ihn über den Rücken, nahm auch dessen Büchse mit und schritt eiligst davon.
Mach zehn Minuten war er in dem Tale angelangt, wo er sein Pferd zurückgelassen hatte.
Hier fand er jetzt die ganze Abteilung der Mexikaner vor.
Die ersten Sterne waren am Himmel erschienen, und die Finsternis hatte sich in eine verschwommene Dämmerung verwandelt.
„Kapitano – hier – ein feiner Fang!“ lachte Walker und ließ den Komanchen auf die Erde gleiten.
„Es ist der schwarze Panther, der Häuptling der Komanchen und drüben lagert auch sein Freund Felsenherz!“
Kapitän Durango drückte Walker die Hand.
„Mann – das habt Ihr gut gemacht! Dieser Felsenherz hat vor sechs Wochen, wie uns gemeldet wurde, auf Seiten der Texaner Kundschafterdienste geleistet! Er ist jetzt fraglos ebenfalls als Spion hier! – Walker, wir müssen auch ihn fangen! Und – haben wir ihn, dann ist er geliefert! Der Strick, um ihn aufzuhängen, ist bereits fertig!“
„He – ihn zu fangen, dazu genügen wir drei Trapper!“ erklärte der krumme Walker. „Knox, Tillartz, – folgt mir! Nach ‘ner Stunde haben wir ihn –!“
Die drei Kundschafter schritten davon.
Zweites Kapitel.
Die beiden Sonntagsjäger.
Felsenherz stach mit dem Jagdmesser in die Hirschkeule. Sie war weich. Er nahm sie vom Feuer.
Dann trat er hinter den Steinblöcken hervor und ahmte dreimal den klagenden Ruf des Käuzchens nach.
Keine Antwort – Er ging daher bis zum Ausgang der Schlucht und wiederholte das Signal –
Wieder nichts – Da wurde er besorgt schlich in die Hauptschlucht hinein –
Sein Fuß stieß gegen etwas, das wie Metall klang. Er bückte sich und hielt des Komanchen Messer in, der Hand, das diesem entfallen war, als er von dem Kolbenhiebe betäubt umsank –
Felsenherz war schon mit ein paar Sprüngen wieder im Dickicht der Seitenschlucht. Er wußte jetzt, daß der schwarze Panther doch recht gehabt hatte: der Falkenschrei war nur eine List gewesen!
Der junge Trapper eilte in das Versteck zurück, löschte das Feuer aus, sattelte die Pferde und führte sie im Hintergrunde der Schlucht durch einen schmalen Kanon, den er vorher schon ein Stück entlanggegangen war, bevor sie hier lagerten, in ein zweites Tal, das sich nach Westen zu in die Prärie öffnete.
Die Tiere hatten die Hufschuhe noch umgeschnallt. Felsenherz trabte nun das Tal hinab und machte erst in der Prärie in einem Waldstreifen halt, band hier die Pferde fest und umging dann im Bogen die Nordausläufer des Höhenzuges.
Er war überzeugt, daß der schwarze Panther irgend welchen Feinden, vielleicht ein paar Apachenspähern, in die Hände gefallen war. Und diese Apachen konnten die Schlucht nur gefunden haben, indem sie auf der Fährte der beiden Reiter in die Berge eingedrungen waren.
Nach einer Viertelstunde lag er hinter ein paar Büschen und beobachtete das Treiben der mexikanischen Soldaten, die jetzt Feuer angezündet und für die beiden Kapitanos ein Zelt errichtet hatten.
Vor dem Zelt war an einem einzelnen, säulenartigen Steinblock, der schwarze. Panther sitzend festgebunden.
Nach der Prärie zu waren zwei Wachen aufgestellt, an denen Felsenherz jedoch leicht vorübergeschlichen war. Er schob sich jetzt dicht an der Talwand dem Zelte zu, bis er hinter diesem in einem Gestrüpp ein neues Versteck gefunden hatte.
Dann tauchten die drei Kundschafter auf und schritten nach dem Zelte hin.
Die beiden Kapitanos sprangen empor, und Durango rief:
„Ah – er ist Euch entschlüpft –“
„Pest!“ fluchte Walker. „Der Kerl muß Unrat gewittert haben. Den Lagerplatz fanden wir. Aber er war leer!“
„Und Ihr habt Euch damit zufrieden gegeben?!“ brauste Durango auf. „Habt Ihr nicht wenigstens –“
„Gemach, gemach, Kapitano!“ fiel Walker ihm ins Wort. „Ihr braucht uns nicht so anzuschreien! Jetzt in der Nacht mögt Ihr eine Fährte suchen, wenn Ihr’s könnt! – Aber wir werden ihn schon abfassen! Er wird ja ohne Zweifel hier unser Lager beschleichen wollen. Wir drei Trapper werden deshalb jetzt dort nach der Prärie zu die Wache übernehmen. – Im Übrigen, Kapitano, sei’s Euch gesagt, daß wir drei nicht Eure Untergebenen sind! Behandelt uns höflicher!“
Er machte kurz kehrt und ging dem Nordausgange des Tales zu. Knox und. Tillartz folgten ihm.
Die beiden Kapitanos setzten sich wieder. Durango schimpfte laut auf die eingebildeten Trapper, die sich gut bezahlen ließen und doch gerade dann nichts leisteten, wenn es darauf ankäme.
„Diesen Felsenherz aufzuknüpfen, wird mir ein besonderes Vergnügen sein!“ fügte er hinzu. „Ihr besinnt Euch, Sacarro, daß wir gestern fünf Weißen begegneten, die uns erzählten wie Übel ihnen der Komanche und dieser Felsenherz mitgespielt hätten! Mit der so viel gerühmten anständigen Gesinnung dieses Felsenherz wird es wohl nicht weit her sein! Wer sich so eine elende Rothaut zum Freunde aussucht, muß selbst ein Halunke sein!“
Felsenherz verstand jedes Wort.
Eine Stunde verging. Die beiden Kapitanos wollten sich gerade in das Zelt zum Schlafen zurückziehen, als man von der Prärie her lautes Rufen vernahm
Dann kam einer der Soldaten und meldete, ein großer Trupp Apachen unter Führung des großen Bären sei im Anmarsch. Die Späher hätten die Wachen bereits begrüßt.
Die ganzen Mexikaner eilten nun den Apachen entgegen, auch Durango und Sacarro.
Kaum hatten sie sich entfernt, als Felsenherz wie eine Schlange heranglitt, den Komanchen losschnitt und ihn leise fragte: „Wird mein Bruder fähig sein, allein zu gehen oder muß ich ihn stützen?“
„Der schwarze Panther wird allein gehen!“ erwiderte der Komanche und lief ins Zelt, wo seine Waffen lagen.
Gleich darauf verschwanden die beiden im Hintergrunde des Thales und waren eine halbe Stunde später in der Prärie bei ihren Pferden –
Die Wut Kapitän Durangos kannte keine Grenzen, als er jetzt sehr stolz dem Apachenhäuptling seinen, Gefangenen zeigen wollte und – der Komanche in zwischen befreit worden war.
Die durchschnittenen Lederriemen, besagten genug.
Der riesige Apachenhäuptling, der seinen Namen großer Bär mit Recht trug, hatte mit einer kurzen Handbewegung den Kapitano unterbrochen.
„Das Blaßgesicht wird sehr bald Felsenherz’ Skalp an meinem Gürtel sehen!“ sagte er mit dem ganzem Stolze eines Mannes, der – über dreihundert gut berittene Krieger. verfügt. „Die Apachen werden mit Fackeln den Fährten der Flüchtlinge folgen. Bevor der Morgen graut, sind meine Krieger hinter dem Komanchenhunde und dem großen Jäger her!“
Er erteilte den Seinen einige Befehle, und schon zehn Minuten später machten sich fünfzig Apachen unter seiner Führung auf und drangen in die Berge ein. Der Rest der Apachen aber mußte in kleinen Trupps zu zehn Mann die Prärie zu beiden Seiten des Höhenzuges absuchen.
Inzwischen hatten Felsenherz und der schwarze Panther ihren Weg nach Westen fortgesetzt, um so schnell wie, möglich aus der Nähe ihres alten, unversöhnlichen Feindes wegzukommen.
Zunächst ritten sie nur im Trab tränkten ihre Tiere dann in einem Nebenflusse des Rio Grande del Norte, nahmen ihnen die Hufschuhe ab und bogen nun nach Norden ein, wo sie in der Ferne im Lichte des jetzt aufgegangenen Vollmondes die südlichsten Anhöhen der St. Andreas-Berge vor sich sahen.
Der schwarze Panther hatte diese Änderung der Marschrichtung vorgeschlagen, da er in den Andreas-Bergen Bescheid wußte und dort die Verfolger irrezuführen hoffte.
Im Galopp ging es nun über die wellige Prärie hinweg. Nach einer halben Stunde erreichte man steinigen Boden. Wieder wurden die Hufschuhe untergeschnallt, und der Komanche wandte sich jetzt nach rechts – immer an den Ostausläufern entlang, immer auf hartem Boden, der den Apachen notwendig das Auffinden der Fährte sehr erschweren müßte.
Als die beiden Reiter dann bei Morgengrauen an einen Bach gelangten, wollten sie für eine Stunde Rast machen.
Der Kopf des Komanchen war an der linken Schädelseite dick aufgeschwollen. Er kühlte die Schwellung, während Felsenherz oben am Bachufer die Pferde weiden ließ und die Umgebung beobachtete.
Des jungen Trappers scharfe Augen hatten sehr bald nach Osten zu in der Prärie zwei bewegliche Punkte bemerkt, die er als Reiter feststellte.
Er brachte die Pferde daher an den in einer tiefen Bodenwelle dahinfließenden Bach zurück und teilte dem Häuptling das Beobachtete mit.
Als sie dann gemeinsam von einem nahen, buschbewachsenen Hügel aus sich nach den Reitern umsahen, deutete der schwarze Panther nach Süden.
„Die Apachen!“ sagte er nur.
Felsenherz erkannte nun ebenfalls in der Ferne etwas wie eine dunkle Schlangenlinie, die sich ununterbrochen nach Norden weiter bewegte: die Apachen, die im Gänsemarsch ritten! –
Die beiden Reiter, die von Osten nahten, trabten sehr gemächlich dahin und schienen die Apachen noch nicht wahrgenommen zu haben.
„Zwei Blaßgesichter,“ meinte der schwarze Panther.
„Ja – und keine Westmänner!“ ergänzte Felsenherz. „Sie sehen wie die Sonntagsjäger aus! Wenn sie ihre Skalpe nicht verlieren sollen, werden wir sie mitnehmen müssen.“
Er trat hinter den Büschen hervor und rief den beiden, die nur noch dreihundert Meter entfernt sein mochten zu:
„Hallo! Hierher! Reitet Galopp! Dort im Süden: – Apachen!“
Die beiden hatten ihre Pferde mit einem Ruck zum Stehen gebracht. Sie flüsterten miteinander, blickten nach den Apachen aus und kamen dann wirklich im Galopp herbei.
Der schwarze Panther hatte inzwischen den Rappen und den Braunen geholt.
„Vorwärts!“ befahl Felsenherz kurz. „Es ist für uns die höchste Zeit, von hier zu verschwinden!“ Er hatte den Gruß der beiden neuen Ankömmlinge nur durch Kopfnicken erwidert, und auch ein leises Lächeln war dabei über sein Gesicht gehuscht.
Dieses Lächeln war gegenüber der Erscheinung dieser „Sonntagsjäger“ durchaus berechtigt. Auch der ernste Komanchenhäuptling hatte einen halb belustigten Blick auf diese merkwürdigen Gestalten geworfen.
Zunächst waren sie fraglos noch sehr jung. Felsenherz schätzte auf höchstens achtzehn Jahre. Dann aber besaßen sie eine Körperlänge, die geradezu einzig genannt werden mußte. Obwohl sie schon sehr große Pferde, und zwar Füchse ritten, reichten ihre Füße an den Steigbügeln unglaublich tief hinab. Ihre länglichen, bartlosen und abschreckend mageren Gesichter wurden von gewaltigen Strohhüten, sogenannten Sombreros, beschattet. Um die, dürren Leiber schmiegten sich braune Tuchröcke mit sehr langen Schößen, wie sie damals Mode waren. Dann folgten gelblederne Reithosen und hohe Reitstiefel mit riesigen Sporen. Um den Hals hatten sie hellblaue Tücher geknotet, in denen Nadeln mit blitzenden, unechten Steinen steckten. Ihre Bewaffnung bestand aus je einer einläufigen Flinte, je zwei doppelläufigen Pistolen und je einem Jagdmesser. Diese und die Pistolen waren an breiten Ledergürteln befestigt, die sie über die zugeknöpften kaffeebraunen Röcke geschnallt hatten.
Die beiden Sonntagsjäger besaßen außerdem noch etwas, das vielleicht am allermeisten auffiel: sie sahen sich so ähnlich wie ein Ei dem anderen! Es war tatsächlich bei ihrer völlig gleichen Tracht unmöglich, sie auseinanderzuhalten. – Es mußten also wohl Zwillinge sein, denn nur bei diesen konnte eine so vollkommene Übereinstimmung von Größe, Gesichtszügen, Haarfarbe und Bewegungen vorgefunden werden –
Der Komanchenhäuptling ritt jetzt wieder voran. Dann kam Felsenherz, und hinter diesem die beiden Sonntagsjäger.
Bisher hatte der Trapper sich mit ihnen. nicht weiter beschäftigen können. Erst, nach einer Stunde, als die vier längst mitten in den Andreas-Bergen waren und nun im Schritt einen endlosen tiefen Kanon nach Westen zu entlangeritten, hielt Felsenherz seinen Braunen zurück und drängte sich zwischen die Zwillinge, fragte nun in seiner wortkargen Art:
„Wohin wolltet Ihr? – Ihr scheint hier im wilden Westen fremd zu sein? – Damit Ihr wißt, mit wem Ihr es zu tun habt: Ich bin Trapper und nenne mich Felsenherz, und der Häuptling dort ist Chokariga, der schwarze Panther der Komanchen.“
„Ah – zwei so berühmte Jäger!“ rief der eine der kaffeebraunen Jünglinge. „Ihr gestattet, Master Felsenherz,“ fügte er in beschämendem Tone hinzu, „daß ich Euch unsere Namen nenne. Wir heißen Nicky und Micky Colnlin. Ich bin der ältere. Das heißt, nur um zwei Stunden älter, denn wir sind Zwillinge wie Ihr wohl schon gemerkt habt. Unsere Vaterstadt ist Washington, wo der Präsident der Vereinigten Staaten seinen Wohnsitz hat. Von Beruf sind wir Künstler – Zirkuskünstler. Aber vor einem Vierteljahr faßten wir den Entschluß, Trapper zu werden. Wir reisten bis Springfield im Staate Missouri, rüsteten uns dort aus und sind dann von Springfield immer nach Westen geritten, zuletzt durch die Llano Estacado, die texanische Wüste und über den Pecos-Fluß bis hierher –“
„Und da ist Euch nichts zugestoßen, Master Colnlin?“ meinte Felsenherz erstaunt. „Habt Ihr denn keine Rothäute unterwegs getroffen?!“
„Ja – am Rio Pecos zwölf Apachen. Die sind aber vor uns ausgerissen!“
„Ausgerissen?! Vor Euch?! – He, Master, –das kann ich wirklich schwer glauben!“
„Und doch ist es die Wahrheit. Sie haben uns überfallen, und einer hatte schon den Tomahawk über meinem Kopfe geschwungen, als er plötzlich schreiend davonrannte. Das ist Tatsache!“
„He!“ sagte Felsenherz etwas ärgerlich. „Solche Geschichten müßt Ihr mir nicht erzählen –!“
Das Gespräch hatte hiermit ein Ende, da der schwarze Panther dem Trapper zurief:
„Mein Bruder mag die Hufschuhe bereithalten und eine Wolldecke der beiden Blaßgesichter zerschneiden, damit auch die Hufe der beiden anderen Pferde umwickelt werden können. Wir werden hier den Kanon verlassen.“
Nicky und Micky mußten ebenfalls absteigen. Jetzt merkte man erst so recht, wie dürr und lang sie waren.
Voller Interesse schauten sie zu, als Felsenherz und der Komanche nun die Hufe der Pferde für die weitere Flucht mit Umhüllungen versahen. Dann sagte der Häuptling zu ihnen:
„Die beiden Blaßgesichter müssen jetzt einer hinter dem anderen reiten und uns ganz genau folgen. Ihre Pferde dürfen keinen Stein verschieben und auf kein Steinchen treten.“
Er schwang sich wieder in den Sattel und lenkte seinen Rappen in den hier etwa fünfzig Meter breiten Kanon nach links auf eine Kluft zu, die steil emporstieg und deren Steinboden durch Regenwasser wie poliert war.
Die Kluft führte auf eine Bergterrasse, und diese zog sich wieder im Halbkreis um einen zerklüfteten Berg nach Osten zu herum. Man ritt jetzt also den Apachen direkt entgegen.
Die Terrasse endete in einem Quertale. Rechts von diesem lag jenseits einer Kette von kahlen Hügeln der Kanon, den man soeben passiert hatte.
Der Häuptling ritt das Tal hinab, dann in ein zweites hinein, vermied alle steinigen Stellen und suchte stets glatten Felsboden aus, wo nicht einmal das kleinste durch die Hufschuhe etwa verschobene Steinchen den Apachen als Fährte dienen konnte.
So gelangte man nach einer Stunde wieder an die Ostabhänge der Andreas-Berge, und zwar an eine Stelle, die etwa eine Meile südlich jenes Baches lag, wo die beiden seltsamen Zwillinge sich mit Felsenherz und dem Häuptling vereinigt hatten.
Der Komanche ritt jetzt zunächst allein in die Prärie hinaus und wollte sich überzeugen, ob auch sämtliche Apachen verschwunden seien.
Die Prärie war leer. Im Süden graste jetzt friedlich eine Büffelherde.
Der schwarze Panther winkte den drei Gefährten, und man hielt sich nun genau auf der Spur der Apachen. Diese tief aufgewühlte Fährte der Roten, die im Gänsemarsch nach Norden geritten waren, mußte die neue, nach Süden führende Spur der vier Reiter, deren Tiere zudem noch immer die Hufumhüllungen trugen, völlig unkenntlich machen.
Felsenherz erklärte den Colnlins nun den Zweck dieser einfachen List des Komanchen, indem er zum Schluß noch bemerkte:
„Die Apachen werden, falls sie wirklich herausfinden, wo wir geblieben sind, viele Stunden brauchen, um bis hierher zu gelangen. Wir haben jetzt einen guten Vorsprung. – Wohin wolltet Ihr beide eigentlich? Reitet Ihr ohne bestimmtes Ziel in die Welt hinaus?“
Die Brüder wurden bei dieser Frage merkwürdig verlegen. Dann erwiderte der ältere hastig:
„Nach der sogenannten Sonora, Master Felsenherz. Dort soll es ja nicht nur Wild in Menge, sondern auch Gold geben, die Sonora ist jetzt im aller Munde.“
Felsenherz hatte das Gefühl, daß die Colnlins ihm irgend etwas verschweigen wollten –
Der Häuptling, der sich zweihundert Meter vor ihnen befand, kam jetzt im Galopp zurück und rief Felsenherz zu: „Der schwarze Panther hält es doch für sicherer, daß einer von uns als Späher recht weit vorausreitet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Mexikaner den Apachen langsam folgen, um sich wieder mit ihnen zu vereinen. Und die Mexikaner haben die drei Trapper als Kundschafter bei sich, die alle Listen und Schliche unter Westmänner kennen. Der schwarze Panther wird also eine Meile vor Euch bleiben. Wartet hier eine halbe Stunde, erst dann reitet weiter.
Der Komanche sprengte von dannen. Die drei anderen machten kehrt. Die Fährte der Apachen durchlief dieses von Ost nach West sich hinziehende Tal nur von der einen Talwand zur anderen. Der Boden war stellenweise wie mit Steinen besät. Vielfach trat auch nackter Fels zu Tage.
Der junge Trapper sprang aus dem Sattel.
„Tut dasselbe!“ sagte er zu den Brüdern. „Haltet meinen Braunen. Ich werde dort jenen Hügel neben der Talböschung erklettern.“
Er schritt schnell zu Fuß dem Hügel zu, der mit Gestrüpp bewachsen war und auf dem einige, Bäume standen.
Drittes Kapitel.
Nickys und Mickys erster Kampf.
Gerade in diesem Tale, wo eine von der Hauptfährte abzweigende Spur nicht so leicht zu erkennen war, hatte der große Bär bei der Verfolgung der beiden Freunde in der verflossenen Nacht zehn Apachen unter Führung Okapis, des schnellen Fuchses, als Beobachtungsposten nach Osten zu in die Vorberge geschickt, da er mit irgendeiner List der Flüchtlinge rechnete.
Die zehn Apachen hatten etwa tausend Meter weiter westlich auf einer der ersten Bergkuppen gelagert und von dort aus auch das Nahen der vier Reiter beobachtet.
Die zehn Apachen hatten die Bergkuppe, sobald die vier Reiter vorüber waren, verlassen und hatten auch unbemerkt jenes Tal erreicht, das sich bis in die Nähe ihres bisherigen Lagers hinzog. Dann wurden sie gewahr, daß Felsenherz mit den beiden anderen Weißen kehrt machte. Sie verbargen sich rasch hinter einer Krümmung des Tales, und der schnelle Fuchs schlich jetzt allein weiter, um festzustellen, was die drei Blaßgesichter vorhätten.
Er sah, wie Felsenherz sich von den beiden anderen trennte und jenen gut vierhundert Meter entfernten Hügel erklomm.
Daß die beiden so völlig gleich gekleideten Weißen keine Westmänner sein konnten, davon war der schnelle Fuchs sehr bald überzeugt. Es mußte ein Leichtes sein, sie ohne Lärm zu überwältigen.
Okapi schlich zu seinen Kriegern zurück. Zwei mußten bei den Pferden bleiben. Mit den anderen sieben wollte er erst die beiden Weißen im Tale und dann auch Felsenherz unschädlich machen. –
Der blonde Trapper hatte von der Spitze des Hügels aus eine weite Fernsicht. Er sah nach Süden zu in der Prärie jetzt mehrere Büffelherden friedlich grasen. Dies war das beste Zeichen, daß dort die Savanne menschenleer war.
Er wollte den Hügel bereits wieder hinabsteigen, als er noch einen Blick nach rechts auf die nahen Andreas-Berge warf. Er konnte auch das Tal eine Strecke weit überschauen. Plötzlich kniff er die Augen halb zu –
Hatte er sich getäuscht! War das nicht soeben ein Büchsenlauf gewesen, der dort über jene von Dornen umwucherten Steine auf der Talsohle hinwegragte?
Seine Augen bohrten sich jetzt förmlich in jenes Gestrüpp ein. Und er gewahrte auch eine ganz geringe Bewegung des Gestrüpps. – Es war heute völlig windstill. Die Zweige dort drüben waren als von Menschenhand verschoben worden.
Felsenherz kroch sofort rückwärts und dann den Hügel an der Nordostseite herab, wo er nicht bemerkt werden konnte. Hinter einer Bodenwelle lief er dann im Bogen auf die Stelle zu, an der die Brüder Colnlin sich unten im Tale befanden.
Felsenherz spähte durch die Büsche. Ein Blick genügte ihm.
Acht Apachen hatten sich bereits, durch die Steinblöcke und Gestrüpp gedeckt, bis auf vier Meter an die völlig ahnungslosen Colnlins herangeschlichen. Der vorderste war ein Roter, dessen mit den Kriegsfarben bemaltes Gesicht vor Mordgier förmlich verzerrt war. Er hatte in der Rechten den Tomahawk und in der Linken das lange Messer.
Da – jetzt hatte Felsenherz Brauner, dessen indianische Dressur sich hier wieder einmal bewährte, Die Apachen gewittert Er schnaubte, riß sich los – Und – riß den jüngeren Colnlin, der den Zügel hielt, mit hoch – Das weitere spielte sich so blitzschnell ab, daß Felsenherz vor Erstaunen minutenlang untätig blieb –
Micky Colnlin, der Jüngere, bemerkte jetzt die Apachen, brüllte –:
„Vorsicht –! Rothäute –!“
Der Ältere sprang wie ein Blitz auf und schnellte sich gleichzeitig vorwärts –
Der Unterhäuptling Okapi und die beiden nächsten Apachen waren jedoch schon mit ein paar Sätzen dicht vor ihnen, schwangen die Tomahawks –
Und nun ereignete sich das, was dem jungen Trapper erst begreiflich machte, weshalb die Brüder so wenig Angst vor den Roten hatten –
Mit einem Male klappten nämlich die Oberkörper Der beiden Zirkuskünstler nach hinten, um, und die Köpfe erschienen zwischen den gespreizten Beinen –
Von Schlangenmenschen hatten die Apachen noch nie etwas gehört –
Diese unglaubliche Gliederverrenkung erfüllte sie mit jähem Schrecken –
Die drohend erhobenen Tomahawks blieben erhoben, und die acht Apachen starrten mit aufgerissenen Augen den beiden unheimlichen Weißen in die zwischen den Beinen hervor angrinsenden Gesichter –
So völlig gelähmt vor abergläubischem Entsetzen waren sie, daß sie gar nicht bemerkten, wie die Colnlins mit beiden Händen ihre Pistolen spannten –
Dann raffte der schnelle Fuchs sich doch zum Angriff auf, holte mit dem Tomahawk aufs neue aus –
Der ältere Colnlin schoß – Die Kugel fuhr dem Apachen in den Schädel –
Auch der jüngere feuerte – Und trotz der sonderbaren Körperhaltung fand jede Kugel ihr Ziel –
Vier Apachen stürzten zwischen die Steine. Die anderen wollten entweichen –
Das durfte nicht sein –! Felsenherz ahnte, daß diese Apachen nur eine kleine Beobachtungsabteilung sein könnten. Wenn auch nur einer entrann, mußte der große Bär mit dem Haupttrupp den Flüchtlingen sehr bald wieder auf den Fersen sein.
Zweimal knallte des jungen Trappers Büchse, und zwei weitere Apachen sanken mit Knieschüssen zu Boden.
Dann sprang er die Böschung hinab, rief den Brüdern zu:
„Vorwärts – wir müssen sie sämtlich fangen!“
Er schwang sich auf seinen Braunen. Und die Zwillinge waren nicht minder flink – Im Galopp ging es das Tal hinab –
Die beiden wie gehetzt davoneilenden Apachen suchten die Talwand zu erklimmen. Die Brüder schossen vom Sattel aus, und die Rothäute kollerten schwerfällig die Böschung wieder herab –
Die Pferdewächter hatten die Schüsse gehört, sahen jetzt Felsenherz heranjagen, rissen ihre einläufigen Flinten hoch, zielten –
Der Trapper ließ den Braunen einen Sprung zur Seite tun –
Die Schüsse knallten – Die Kugeln gingen vorbei –
Der eine Apache schleuderte sein Wurfbeil Felsenherz war schon aus dem Sattel, bückte sich, und sein eigener Tomahawk wirbelte durch die Luft, zerschmetterte dem Roten das rechte Knie –
Der andere hatte sich auf ein Pferd geworfen. Doch die Colnlins waren schon heran. Der ältere schlug mit dem Büchsenkolben zu, und der Apache sank aus dem Sattel –
Gleich darauf wurden die vier überlebenden Apachen ebenso wie die Leichen auf die Pferde gebunden und eine Strecke in die Berge hineingeschafft, wo man sie dann in einer Schlucht zurückließ. Die zehn Indianergäule nahm man wieder mit. Bevor die Weißen die Schlucht verließen, sagte Felsenherz noch zu dem ältesten Apachen, einem grauhaarigen Krieger:
„Du weißt, daß ich nie unnötig Blut vergieße. Auch jetzt habe ich Euch geschont. Daß sechs von Euch diesen Überfall mit dem Leben bezahlen mußten, ist lediglich die Schuld Eures Häuptlings, des großen Bären, der mir seit Wochen mit unversöhnlichem Hasse nachstellt. Du wirst dem großen Bären von mir ausrichten, wenn Du ihn wiedersiehst, daß Felsenherz gern mit den roten Kindern Manitous, des großen Geistes, in Frieden leben möchte. Ich werde die Jagdgründe der Apachen vorläufig nicht mehr betreten. Der große Bär mag inzwischen seinen Haß vergessen. – Ihr vier habt hier Wasser und könnt Eure Wunden verbinden. Auch Eure Waffen lasse ich Euch. Begrabt die sechs Toten. Wir haben keine Zeit dazu.“
Felsenherz ritt wortlos davon. Als die drei dann das Tal wieder erreicht hatten, suchte Felsenherz die Spuren des Kampfes und die entstandenen Fährten möglichst zu verwischen, wobei die Colnlins ihm recht geschickt halfen.
Man hatte jetzt anderthalb Stunden Zeit eingebüßt. Im Galopp, ging es nun nach Süden zu. Die zehn Apachenpferde trieb man erst in die Prärie hinein, als man den schwarzen Panther gegen Mittag eingeholt hatte.
Drei Stunden später gelangten die vier Reiter an den Rio Grande del Norte. Hier riet Felsenherz den Brüdern dringend, in zivilisierte Gegenden zurückzukehren, da sie jetzt doch erkannt haben müßten, daß der Beruf eines Trappers ein fortwährendes Spielen mit ernstesten Gefahren darstelle. Sie brauchten jetzt ja nur dem Laufe des Rio Grande del Norte zu folgen und würden dann am nächsten Morgen, falls sie die Nacht über den Weg fortsetzten, das Städtchen El Paso erreichen, von wo aus sie mit einem Boote weiter flußabwärts reisen könnten.
Die beiden Colnlins tauschten jetzt heimlich einen besonderen Blick aus. Dann erklärte Nicky, der Ältere, daß sie den gutgemeinten Vorschlag annähmen. Sie verabschiedeten sich, von Felsenherz und dem Häuptling mit herzlichem Dank und waren auch bald unter den Bäumen des Uferwaldes verschwunden.
Viertes Kapitel.
Ein unerwartetes Wiedersehen.
Während der Häuptling nun auf einem nahen Hügel Wache hielt, stellte Felsenherz aus fünf angeschwemmten Baumstämmen, die er mit Ranken von Schlingpflanzen zusammenband, ein primitives Floß her.
Die beiden Freunde wollten auch hier am Rio Grande del Norte wieder alles tun, um die Apachen irrezuführen, brachten jetzt ihre Pferde auf das Floß und trieben mit der Strömung langsam abwärts.
Der Rio Grande war hier durchschnittlich hundertfünfzig Meter breit, verengte sich jedoch stellenweise bis auf achtzig Meter und glitt häufig zwischen haushohen Steilufern dahin –
Das Floß besaß vorn und hinten je ein aus einem dünneren Baume verfertigtes Steuer. – Nachdem die Freunde so fast eine Stunde den Rio Grande abwärts gefahren waren, wurde das rechte Ufer niedriger und sandig. Eine weite Prärie zog sich hier bis zu den Südausläufern der Gila-Berge hin. Als ein breiter Bach sich aus dieser Prärie in den Rio Grande ergoß, lenkten die Freunde ihr plumpes Fahrzeug in den von Buschwerk und Bäumen dicht umgebenen Bach hinein, stiegen ins Wasser und zogen mit Hilfe ihrer Lassos das Floß in dem Bache noch eine halbe Meile aufwärts. Hier erst führten sie ihre Pferde auf das linke Bachufer, zerstörten das Floß und überließen die Baumstämme einzeln der Strömung.
Sie waren nun überzeugt die Apachen ebenso wie die Mexikaner endgültig losgeworden zu sein. Bei beiden stellte sich jetzt auch nach den letzten Strapazen die Müdigkeit ein. Selbst ihre abgehärteten und an Anstrengungen gewöhnten Körper verlangten nach Ruhe, und ihre wackeren Pferde nicht minder.
Die Sonne war bereits hinter den fernen Gila-Bergen untergegangen. – In einer kleinen Lichtung der Uferbüsche wollten die beiden die Nacht zubringen. Während Felsenherz trockenes Holz für ein Feuer sammelte, umging der schwarze Panther in großem Bogen das Lager, watete dann auch noch durch den Bach und suchte auch auf dem jenseitigen Ufer die Prärie nach irgend welchen Fährten ab. Erst als er zu Felsenherz zurückgekehrt war und gemeldet hatte, daß man hier sicher sei, zündete der junge Trapper ein Feuer an –
Die Abteilung der Mexikaner befand sich an demselben Nachmittag noch immer in jenem Tale, wo Felsenherz seinen roten Bruder auf so leichte Art hatte befreien können. Kapitän Durango wollte hier die Rückkehr der Apachen erwarten, da er den Oberhäuptling, den großen Bär, durch neue Versprechungen dazu bewogen hatte, daß dieser mit seinen Kriegern sich an einem Vorstoß gegen die Texaner beteiligen würde, sobald er Felsenherz und den schwarzen Panther gefangen genommen hätte.
Die drei Kundschafter Walker, Knox und Tillartz waren gegen zwei Uhr nachmittags nach Westen zu in die Prärie geritten, um einen Büffel zu erlegen. Die Büffelherden hatten sich jedoch infolge des Auftauchens der Apachen mehr nach dem Rio Grande del Norte zurückgezogen, so daß Walker und seine Begleiter notgedrungen sich immer weiter von dem Lager der Mexikaner entfernen mußten. Nach zweistündigem Ritt näherten sie sich dem Rio Grande und gedachten nun erst einmal ihre Pferde zu tränken.
Die drei Trapper versäumten auch jetzt nicht all jene Vorsichtsmaßregeln, die dem erprobten Westmann sehr bald selbstverständlich sind.
So schlich denn Walker zunächst allein durch den Uferwald zum Flusse hinab. – Sein Pferd hatte er bei seinen Gefährten zurückgelassen. – Große Steinblöcke, moos- und, gestrüppbewachsen, lagen hier halb im Wasser. Der Fluß war nach Nordwest hin eine weite Strecke zu überblicken.
Der krumme Walker hatte einen der Blöcke erklettert. Er wollte bereits wieder kehrt machen, nachdem er nichts Lebendes weit und breit wahrgenommen hatte, als er in der Ferne ein Floß hinter einer Biegung auftauchen sah. Es war jedoch noch zu weit entfernt, um zu unterscheiden, wer sich darauf befand. Jedenfalls standen Pferde auf dem Flosse, wie der alte Trapper sofort feststellte. Ob außerdem noch mehrere, Leute mit dem schwerfälligen Fahrzeug flußabwärts schwammen und ob es sich um Rothäute handelte, ließ sich noch nicht erkennen.
Gerade diese Gegend südöstlich der Gila-Berge war nun seit jeher, wie Walker sehr wohl wußte, das heißumstrittene Jagdgebiet der benachbarten Indianerstämme. Hier war stets viel Blut geflossen. Apachen, Waccos, Navajos, Yumas dehnten ihre Streifzüge gern bis in die Prärien westlich des Rio Grande del Norte aus, lebten stets in Feindschaft miteinander und vereinigten sich nur dann, wenn es galt, die verhaßten Blaßgesichter zu bekämpfen, insbesondere die Pelzjäger, Fallensteller und Goldsucher, die sie als ihre schlimmsten Gegner betrachteten –
Das Floß kam langsam näher. Walker hatte sich lang auf den Steinblock gelegt. Plötzlich lachte er leise vor sich –
„Verdammt – das heißt Glück haben! Felsenherz und der Komanche sind’s! – Ah – sie biegen dort in den Bach ein! Aus der Büffeljagd wird eine Menschenjagd werden!“ –
Als das Floß verschwunden war, begab er sich zu Knox und Tillartz zurück.
„Boys, – wir haben sie!“ rief er frohlockend. „Felsenherz und der schwarze Panther sind soeben mit einem Flosse in einen Bach drüben eingebogen. Wir werden –“
Er schwieg plötzlich. Sein feines Ohr hatte Pferdegetrappel vernommen.
Auf seinen Wink hin zogen sich die drei Kundschafter tiefer in den Wald zurück.
Gleich darauf erschienen von Norden her die beiden kaffeebraunen Sonntagsjäger. Sie ritten am Waldrande entlang und machten nun vor der deutlich sichtbaren Fährte der drei Trapper halt.
„Micky,“ meinte der Ältere, „das ist eine Spur!“
„Ja, Nicky, eine Pferdespur,“ bestätigte der Jüngere.
„Vielleicht sind es Apachen, Micky. Wir wollen lieber schleunigst umkehren und weiter oberhalb über den Strom setzen –!“
Er riß seinen Fuchs herum und jagte, von seinem Bruder gefolgt, wieder am Waldrande zurück –
„Verdammt, Boys,“ brummte Walker. „Was waren das für’n paar Vögel?! Hab’ mein Lebtag noch nicht so lange, dürre Burschen gesehen! – Na – uns müssen sie jetzt gleichgültig sein! – Los, Boys, schwimmen wir mit den Gäulen hinüber. Drüben im Walde wartet Ihr, bis ich festgestellt habe, wo Felsenherz und der Komanche geblieben. sind. Kapitän Durango wollte uns gestern nacht ja eine nette Summe auszahlen, wenn wir die beiden festnehmen könnten. Das Geld müssen wir uns heute verdienen –!“
Als sie das andere Ufer erreicht hatten, schlich Walker dem Bache zu. Er bewegte sich mit größter Vorsicht weiter. Er hatte es hier ja mit Gegnern zu tun, – die ihm an Schlauheit und Erfahrung völlig gewachsen waren.
Nach einer Stunde sah er dann, daß ein Baumstamm den Bach hinabgeschwommen kam. Ein zweiter, dritter folgte.
„Das sind die Stämme des Flosses!“ dachte Walker, der am rechten Bachufer in den Büschen sich vorwärts schob „Die Kerle stecken also noch weiter oberhalb!“
Wieder eine halbe Stunde drauf hatte er eine einzeln stehende, sehr hohe Tanne erklettert und konnte nun die ganze Umgegend bequem überblicken.
Da – vor ihm am linken Bachufer verließ jetzt gerade der schwarze Panther die Büsche und umkreiste den Lagerplatz, wobei er sich so tief bückte, daß nur jemand, der von solcher Höhe wie Walker ausspähte, ihn in dem Präriegrase bemerken konnte.
Als der Komanche dann in den Büschen wieder verschwunden war, lachte der alte Trapper leise auf. „So nun weiß ich Bescheid!“ brummte er. „Die beiden wollen dort lagern. Na – diesmal sollen sie uns nicht entgehen, so wahr ich der krumme Walker genannt werde!“
Er kletterte von dem Baum wieder herab und eilte zu Knox und Tillartz zurück.
Walker täuschte sich jedoch, wenn er annahm, daß er nicht bemerkt worden sei. Die Brüder Colnlin hatten nämlich den Rio Grande kurz vor den drei Trappern nur etwa fünfhundert Meter oberhalb durchschwömmen und waren dann, da sie nun weiter nach Westen in die Prärie hineinritten, nach einer halben Stunde an denselben Bach gelangt, hatten am linken Ufer halt gemacht und wollten gleichfalls die Nacht hier zubringen.
Als sie kaum abgestiegen waren, sahen sie durch die Uferbüsche, wie Felsenherz und der Häuptling das Floß vorüberzogen. Sie verhielten sich völlig still, und das Floß glitt denn auch vorbei, ohne daß die Colnlins entdeckt worden wären.
„Micky,“ flüsterte der Ältere nun, „es waren Felsenherz und der Komanche! Ein Glück, daß sie uns nicht bemerkten! Wie hätten wir uns herausreden sollen, wenn sie gefragt hätten, weshalb wir nicht nach El Paso geritten sind! – Wir wollen ruhig hierbleiben. Die beiden werden wohl zu Pferde bald, ihren Weg fortsetzen!“
Eine Stunde darauf hatte der Jüngere gerade aus dem Bache Wasser geholt, als er am anderen Ufer die Gestalt eines Mannes erkannte, der vorsichtig durch die Büsche schlich. Er warf sich sofort hinter einen Strauch und wurde so Zeuge, wie der Mann drüben auf die Tanne kletterte und nachher wieder am Ufer zurückeilte.
Er erzählte dem Älteren das Beobachtete.
Nicky Colnlin meinte dann: „Da, der Graubart hatte es fraglos auf Felsenherz und den Häuptling abgesehen! Ich werde mal eine Strecke bachaufwärts gehen und feststellen, ob die beiden etwa hier in der Nähe gleichfalls lagern –“ –
Inzwischen hatte Felsenherz die bereits am Abend vorher gar gebratene Hirschkeule abermals auf einen Spieß gesteckt und drehte sie nun über dem Feuer, um eine warme Mahlzeit zu erhalten.
Der Komanche lag neben ihm. Sie sprachen leise über die beiden Colnlins. Der schwarze Panther hatte soeben geäußert, daß die Zwillinge fraglos zu einem ganz bestimmten Zweck ihr friedliches Leben aufgegeben und hier nach dem wilden Westen gekommen seien.
Felsenherz nickte. „Mein roter Bruder hat recht Ich habe genau gesehen, wie die beiden sich auf besondere Weise anschauten, als ich ihnen riet, wieder in bewohnte Gegenden zurückzukehren. Ich behaupte, sie hatten gar nicht die Absicht, nach El Paso zu reiten, sondern wollten sich von uns nur trennen –“
Der schwarze Panther hatte plötzlich die Augen mit besonderem Ausdruck auf den Boden gerichtet, tat so als ob er mit der Hand in das Gras deutete und sagte:
„Sieht Felsenherz hier die kleine Schlange, die sich durch die Halme windet? Sie raschelt nur wenig. Aber das Ohr Chokarigas ist stets wach.“
Er nahm einen Ast und schlug in das Gras hinein.
Felsenherz hatte, sofort verstanden. Sein Blick suchte den des Komanchen.
Und des Häuptlings Augen glitten jetzt über die Büsche hin und blieben einen Moment auf einer bestimmten Stelle haften.
Dann erhob er sich und sagte: „Der schwarze Panther wird noch frisches Gras aus der Prärie holen. Mein Bruder Felsenherz mag das Feuer löschen. Die Hirschkeule ist warm genug.“
Er schritt nach Westen zu in die Prärie hinaus.
Die Abenddämmerung war bereits angebrochen. Der Komanche hatte kaum die erste Buschinsel erreicht, als er auch schon die Richtung änderte und sehr rasch nach Osten weiterkroch. Dann näherte er sich dem Bache und den Büschen, die das Lager umgaben, glitt jetzt ohne jedes Geräusch in die Sträucher hinein und gelangte so hinter den älteren Colnlin, der bereits eine, Strecke sich rückwärts aus den Büschen wieder herausgeschoben hatte.
„Der, lange junge Jäger ist ein Lügner!“ sagte der Komanche nun halblaut.
Niky Colnlin fuhr entsetzt empor und stierte, den Häuptling halb angstvoll, halb beschämt in das edelgeschnittene Gesicht.
„Weshalb schleichst Du hier herum?“ fügte der schwarze Panther hinzu.
Felsenherz trat jetzt gleichfalls heran.
„Wie, Ihr seid’s, Master Colnlin?!“ meinte er. „Wir haben uns gleich gedacht, daß Ihr gar nicht noch El Paso wolltet! Ihr scheint mir Böses im Schilde zu führen! Wer, wie Ihr es jetzt getan habt, seinen Rettern, die ihn vor den Apachen beschützten, so nahe ist und sich nicht meldet, hat kein gutes Gewissen!?“
Der junge Mensch wurde, noch verlegener.
„Haltet mich nicht für undankbar!“ sagte er schnell. „Nein – wir hatten wirklich nichts Arges im Sinn. Wir lagern dort weiter unten am Bache. Mein Bruder sah einen graubärtigen, etwas buckligen Trapper, der von einer Tanne nach Euch ausspähte. Ihr wart an uns mit dem Flosse vorübergekommen, und da wollte ich feststellen, ob Ihr hier ebenfalls lagertet.“
„Ein buckliger Trapper?!“ rief Felsenherz. „Mein Bruder mag unsere Pferde satteln. Das kann nur Walker gewesen sein, der den schwarzen Panther mit dem Kolben niedergeschlagen hat.“
Der Häuptling: schlüpfte schon durch, die Büsche dem Lagerplatz zu. – Felsenherz, wandte sich wieder an Nicky Colnlin:
„Junger Mann,“ meinte er ernst. „Weshalb wollt Ihr vor uns verheimlichen, daß Euch, beide ein besonderer Zweck hier nach dem Westen geführt hat?! – Ich dränge mich nicht in Eure Geheimnisse ein! Ich warne Euch nur! Diese, Prärien hier heißen bei uns Trappern die ‚blutigen Gründe’, weil hier seit Jahrzehnten Rothaut und Rothaut und Trapper und Rothaut sich bis aufs Messer bekämpfen! Junger Mann, Ihr werdet sehr bald an meine Warnung, denken!“
Der ältere Colnlin überlegte kurz.
„Master Felsenherz, nehmt uns mit,“ bat er dann. „Falls Ihr kein bestimmtes Marschziel habt, dann tut uns den Gefallen und begleitet uns nach den Gila-Bergen. Was wir beide dort vorhaben, darf ich Euch leider nicht mitteilen. Aber ich habe Vertrauen zu Euch! Vielleicht darf ich Euch später –“
„Schon gut!“ unterbrach Felsenherz ihn. „Holt schnell Euren Bruder. Wir bleiben zusammen. Ihr habt etwas Ehrliches im Blick. Ich verstehe in Gesichtern zu lesen!“
Colnlin lief eiligst von dannen, nachdem er noch ein paar Worte des Dankes gestammelt hatte –
Der Trapper fand die Pferde schon gesattelt vor.
„Mein roter Bruder wird die beiden Brüder sofort hier wiedersehen,“ sagte er leise zu dem Komanchen. „Die Colnlins wollen gleichfalls nach den Gila-Bergen. Ich habe versprochen, sie zu begleiten. Wir wollen ihnen…“
Der Häuptling erwiderte kurz: „„Felsenherz und Chokariga haben stets dieselben Gedanken. Die beiden jungen Blaßgesichter sind ohne Hinterlist. Was sie verheimlichen, geht nur sie etwa an. Ihre Augen sind gut.“ –
Der Komanche. ritt dann voran in den Bach hinein. Die Pferde mußten eine halbe Stunde bachaufwärts waten. Dann erst bog der Häuptling nach Süden zu in die Prärie ab. Mittlerweile war es dunkel geworden. Nach abermals einer Stunde änderte der schwarze Panther. erneut die Richtung und wandte sich nach Nordwest. Erst gegen Mitternacht wurde in einem Waldstreifen haltgemacht. Man lagerte hier, ohne ein Feuer anzuzünden. Felsenherz übernahm die erste Wache bis vier Uhr morgens. Dann löste ihm der Häuptling ab. Zwei Stunden nach Sonnenaufgang brach man auf. – Abends kamen die Gila-Berge in Sicht. Von irgendwelchen Verfolgern hatten die vier Gefährten bisher nichts wahrgenommen.
Fünftes Kapitel.
Das Skelett unter dem Menschenhauptfelsen.
Der Rio Gila, der südlichste linke Nebenfluß des kalifornischen Kolorado gehört mit zu den romantischsten Strömen Nordamerikas. Besonders sein Quellgebiet inmitten der düstern Bergwildnis der Gila-Höhenzüge mit ihren ungeheuren Abgründen, finsteren Schluchten, phantastischen Berggipfeln, brausenden Sturzbächen, zahlreichen Wasserfällen und undurchdringlichen Wäldern war damals das Ziel zahlloser Abenteurer, da große Goldfunde nur zu sehr die Habgier wagemutiger Männer aufstachelten und diese verleiteten, dem Phantom, leicht zu erwerbender Reichtümer unter Preisgabe der eigenen Sicherheit nachzujagen.
Der Pelztierreichtum dieser Gila-Berge lockte außerdem auch viele Trapper an. Und Goldsucher – und Trapper lagen dann hier in beständigem Kampf mit ihren unerbittlichsten Feinden, den Rothäuten, die gerade diese Gebiete, mit zähester Hartnäckigkeit gegen die Weißen verteidigten.
Der üble Ruf der „blutigen Gründe“ wurde noch von dieser Bergwildnis übertroffen. Ein einzelner Trapper oder Goldsucher wagte sich selten hierher. Meist vereinigten sie sich zu Trupps von acht Mann, waren bis an die Zähne bewaffnet und knallten jede Rothaut nieder, die ihnen vor die Büchse kam –
An demselben Abend, als Felsenherz, der Komanche und die beiden Colnlins sich von Süden her den Vorbergen der Gila-Wildnis näherten, lagerten weiter nach. Nordwesten zu in einer kleinen Schlucht fünf Weiße, deren Gesichter nicht gerade vertrauenerweckend waren.
Sie hatten in einer Aushöhlung der Schluchtwand, in der sie für sich und ihre Pferde Platz hatten, ein Feuer angezündet und vor dieser Grotte einen hohen Wall von Steinblöcken errichtet, der von außen noch mit großen Dornbüschen gespickt war. Diese kleine Festung hatte außerdem den Vorteil, daß kaum zwei Schritt seitwärts ein Bächlein entlangrieselte und in der Schlucht auf der Sonnenseite recht üppiges Gras in einzelnen Büscheln gedieh.
Einer der fünf stand dicht hinter der Barrikade und beobachtete die Schlucht, die nur einen einzigen Zugang vom nahen Rio Gila hatte.
„Boys,“ meinte der eine der Männer jetzt, „hier in dieser Schlucht bleiben wir, bis der Azteken-Schatz gefunden ist. Wir haben heute nachmittag bereits die ganze Umgegend abgesucht, ohne irgendwo auf verdächtige Spuren gestoßen zu sein. Wenn wir vorsichtig sind, werden unsere Skalpe nicht in Gefahr geraten.“ – Er lachte kurz auf. „Es müßte ja auch schon eine ganze Masse Rothäute sein, die uns anzugreifen wagen würden! Möchte niemandem raten, mir hier zu nahe zu kommen! Der Fred Tucker hat noch nie im Leben vorbeigeschossen!“
„Mag sein, Fred!“ brummte der älteste der fünf, ein bereits weißbärtiger Mensch mit einer blauroten, dicken Nase. „Würde mich freuen, wenn Du auch den Berg mit dem Menschenkopf ebenso sicher fändest, wie Du Deine Kugel ins Ziel jagst. Denn darüber sind wir uns ja längst einig, daß der Schatz auf einem einzeln stehenden Felskegel oder dergleichen liegen muß, dessen Spike Ähnlichkeit mit einem Menschenhaupte hat. Ebenso muß nach der Zeichnung auf der Mumienbrust dieser einzelne Felsen oder Berg hier in der Nähe zu suchen sein. Es wird uns daher nichts übrig bleiben, als hier am linken Gila-Ufer geduldig jede Schlucht und jedes Seitental genau daraufhin in Augenschein zu nehmen, ob, nicht irgendwo der Menschenkopf zu entdecken ist.“
Fred Tucker, dessen blonder wirrer Bart einen breiten Mund mit wahren Raubtierzähnen verdeckte, stieß den Alten jetzt lachend in die Seite und meinte:
„Old Brex, was sollen Dir eigentlich die Schätze nützen?! Du mit Deinen fünfundsiebzig Jahren hast ja doch nicht mehr lange zu leben! Du säufst Dich höchstens tot, wenn Du so viel Gold in die Finger kriegst!“
Der Alte zuckte die Achseln. „Fünfundsiebzig Jahre – was will das sagen! Ich kannte einen Trapper der war neunzig alt und ritt und schoß noch wie ein Jüngling!“
Old Brex begann von diesem Trapper zu erzählen. Die anderen lauschten gespannt.
„Zuletzt war jener Jimmy Skalpjäger,“ beschloß Brex gähnend seine blutigen Geschichten. „Das war damals, als man noch für jeden Skalp von der Regierung ein schönes Stück Geld bekam! Ist ‘ne Weile her – leider! Wär’ auch heute noch ein Geschäft damit zu machen, meiner Seel’! Schätze, daß ich in den letzten zwanzig Jahren gut meine dreihundert Rothäute in die ewigen Jagdgründe geschickt habe –! – Na, der Jimmy fiel dann schließlich den Komanchen in die Hände und wurde son bißchen zu Tode gemartert! Mit mir würden’s die Komanchen genau so machen! Ein Glück, daß wir fünf ihnen vor vier Wochen in der Llano Estacado. entwischten, nachdem der verdammte Felsenherz unsere Buschklepperbande halb aufgerieben hatte.“
Die Gesichter der am Feuer Lagernden waren plötzlich sehr ernst geworden, und Fred Tucker meinte leise und haßerfüllt: „Den Schuft möchte ich mal vor meine Büchse kriegen! Dann soll es ihm gut gehen –!“
Die anderen schwiegen. Der Name Felsenherz hätte in ihnen recht unangenehme Erinnerungen geweckt.
Nach einer Weile hüllten sie sich in ihre Decken und streckten sich zum Schlafe aus.
Fred Tucker schloß nur zum Schein die Augen. Er hatte seinen Platz so gewählt, daß, er der Barrikade am nächsten lag. Nach zehn Minuten schnarchten die drei anderen so laut, daß er sich leise erheben und neben den fünften Buschklepper treten konnte, der Mitternacht die Wache hatte.
„Glyn,“ flüsterte er, „wir beide waren stets gute Kameraden! Ich will Dir etwas anvertrauen. Ich habe den Felsen bereits gefunden!“
Glyn war ein langer, hagerer Bursche, dem der linke Nasenflügel und ein Teil der Oberlippe durch einen Tomahawkhieb vor Jahren weggeschlagen worden waren. Sein Gesicht wirkte deshalb auch äußerst abschreckend, und sein Charakter glich genau seinem entstellten Aussehen.
„Fred – Tatsache?!“ flüsterte er zweifelnd zurück.
„Es ist so, Halbnas’!“ bestätigte Tucker triumphierend. „Morgen früh soll die Suche nach dem Schatz beginnen. Da bleiben wir beide zusammen – verstanden! Ich will mich jetzt wieder niederlegen, damit die anderen nicht argwöhnisch werden. Jedenfalls wird der Schatz nur zwischen, uns beiden geteilt, Halbnas! Fünf sind zu viel!“ Er grinste und zeigte seine Raubtierzähne. „Drei müssen verunglücken! Wir werden das schon irgendwie einrichten!“
Glyn nickte. „Soll geschehen, Fred! – Also morgen früh –!“ –
So machte sich auch hier wieder der verderbliche Einfluß der Goldgier geltend. Und hier bei diesen moralisch verkommenen Banditen noch weit schlimmer als anderswo –
Der Morgen brach an.
Nachdem die fünf gefrühstückt hatten, verließen vier von ihnen die, Barrikade. Der alte Brex sollte zurückbleiben und das Lager bewachen. –
Zwei der Buschklepper wandten sich dann am Ufer des Gila nach links, Fred und Glyn nach rechts.
Diese Beiden schritten sofort hastig davon und näherten sich nach einer halben Stunde einer scharfen Krümmung des Flusses. Ein dichter Tannenwald, düster und infolge des starken Unterholzes fast undurchdringlich, zog sich hier die Uferböschung hinan.
Fred Tucker drang an einer bestimmten Stelle gerade gegenüber der Flußkrümmung in den Wald ein. Eine Schutthalde, die durch einen Bergsturz hervorgerufen, war, hatte hier in den Wald eine schmale Bresche gelegt.
Die beiden Buschklepper mußten von Steinblock zu Steinblock klettern, um vorwärtszukommen. Als sie dann den Rand der Uferböschung erreicht hatten, öffnete sich in der anschließenden, gut vierzig Meter hohen Steilwand eine kanonartige Schlucht von etwa zwanzig Meter Breite.
Nach fünf Minuten jedoch wurde dieser Abgrund breiter und breiter, bis die Sohle der Schlucht etwa fünfzig Meter von Nord nach Süd maß.
Kein Halm, kein Strauch wuchs hier. Das grauschwarze Gestein, die hohen Wände, die nur einen schmalen Strich des Himmels sehen ließen und nach oben zu wieder näher aneinanderrückten, ferner die hier herrschende Dämmerung und fast eisige Luft machten selbst Glyn leise erschauern.
„Ein unheimlicher Ort!“ meinte er leise und packte seine Büchse fester.
Fred Tucker lachte. „Ein feiner Ort, Halbnas’! Da – schau mal geradeaus! So – und nun in die Höhe! Siehst Du dort den mächtigen Felsen, der da aus der recht herausragt und dann – ein seltsames Werk der Naturgewalten – sich senkrecht nach oben biegt –! Siehst Du, daß dieser Wandleuchter aus Fels, denn eine bessere Bezeichnung findet man nicht dafür, an der Spitze sich zu einem Halse verengert, auf dem dann deutlich erkennbar der Kopf eines Menschen sitzt –!“
„Verdammt, Fred, – Du hast recht!“ rief Halbnas’ keuchend. „Das – das muß der Felsen sein! Vorwärts, sehen wir ihn uns näher an! – Warst Du gestern bereits weiter in diese Schlucht eingedrungen?“
„Ein Narr wär’ ich gewesen, hätt’ ich’s getan! Old Brex war doch bei mir! Zum Glück war er nicht bis hierher mitgekommen! Ich habe schleunigst kehrtgemacht und habe ihm gegenüber so getan, als hätte es keinen Zweck, dieses finstere Loch zu untersuchen. – Komm’, – heute werden wir beide feststellen, wie man am besten an den Schatz herankann!“
Sie gingen weiter. Als sie nach hundert Metern nun unter dem Felsenleuchter standen und emporblickten, bemerkten sie sofort, daß dieser mit seiner Menschenhauptspitze mitten zwischen den Schluchtwänden hochragte und daß die Spitze wieder mindestens zehn Meter tiefer als die oberen Ränder des ungeheuren Abgrundes lag.
„Wird schwer sein, dort hinaufzugelangen,“ meinte Halbnas’. „Ein verdammt feines Versteck für Schätze! Wenn –“
Ein leiser Aufschrei Tuckers ließ ihn schweigen.
Tucker hatte Halbnas’ Arm mit der Linken gepackt und deutete mit der Rechten zur Seite zwischen die Felstrümmer, die hier den Boden bedeckten –
Auch Halbnas’ prallte etwas zurück –
„Ein Skelett!“ stieß er hervor. „Und dort – dort eine zertrümmerte Büchse –!“
Tucker bückte sich und hob den Kolben der Büchse hoch.
„Ah – hier ist ein Name eingeschnitten, Halbnas!!“ rief er. „Hier – das heißt Lincoln –! Und Lincoln war, wie Du weißt, der erste der das Geheimnis der Mumienzeichnung ergründen wollte! – Na – Jetzt können wir also ganz beruhigt sein! Lincoln ist tot! Der Schatz ist noch vorhanden!“
Er bückte sich abermals und – hielt nun einen mattfunkelnden Gegenstand in der Hand –
„Halbnas’ – das ist eine goldene Speerspitze!“ flüsterte er heiser vor Erregung. „Da prüfe maß das Gewicht! So schwer ist nur Gold!“
Er suchte dann weiter, zwischen den Steinen, fand auch noch eine Kette aus plumpen Goldmünzen und drei weitere Speerspitzen und fünf dicke Armspangen.
„Reines Gold, Halbnas’, – alles reines Gold!“ rief er, zitternd vor Gier. „Schon diese Gegenstände sind Tausende wert! Was mag erst –“
Er fuhr herum –
Hinter den beiden stand Old Brex, die Büchse im Arm –
„Tag, Boys!“ meinte der Alte „Hab’ geahnt, daß hier was Besonderes los ist! Du wolltest mich gestern zu rasch von hier wegbringen, Tucker! Das kam mir verdächtig vor! – Da oben ist ja der Menschenkopf! Und hier unten liegt, wie Ihr schon rausgefunden habt, der wahre Entdecker dieses Schatzortes, der Lincoln –! – Boys, wir drei werden redlich teilen. Der Wilkins und der Hicks scheiden aus – Ihr versteht!“
Tucker und Halbnas’ hätten den Alten gern schon hier erledigt, Aber Brex hatte beide Hähne seinen Büchse gespannt, und in seinen Augen lauerte deutlich das Mißtrauen.
„„Gut, Old Brex, – also wir drei!“ nickte Tucker. „Nun aber vorwärts! Sehen wir. zu, wie wir nach oben an den Rand der Schlucht gelangen können. Denn nur von da wird man das Menschenhaupt erreichen!“
Sie gingen weiter. Die Schlucht verengerte sich bald und führte nun steil aufwärts. Nach einer halben Stunde standen die drei auf der Ostseite oben auf der Schluchtwand und spähten vorsichtig nach unten. Die Goldgier trieb ihnen das Blut zu Kopfe –
„Zu sehen ist nichts von einem Schatz!“ – keuchte Tucker. „Aber er wird natürlich, unter dem Geröll verborgen sein. „Wir müssen unsere drei Lassos zusammenbinden, und dann muß der Leichteste von uns von jenem Vorsprung hinabgelassen werden. Wenn er die Lassos in Schwingung versetzt, wird er wohl drüben sich festklammern können. Die Felswand ist hier ja nach innen stark gewölbt, so daß Platz, genug vorhanden ist, an den Lassos hin und her zu schwingen. – „Brex, Du hast kein Lot Fleisch auf den Knochen! Du mußt es versuchen!“
Der Alte war einverstanden. Er hatte sich für sein Alter noch große Gelenkigkeit bewahrt. – Tucker und Glyn hielten die Lassos fest, die Brex sich unter den Armen um die Brust geknüpft hatte.
Nach einigen vergeblichen Versuchen konnte der Alte dann eine Felszacke des Menschenhauptes ergreifen. Gleich darauf war er oben auf der Schädelabplattung, wühlte in dem Steingeröll, brüllte dann:
„Hier – ein Loch! Eine Steinplatte bedeckt es!“
Tucker und Glyn sahen, wie er nun diesen Stein lüftete, wie er sich lang hinwarf und dann einen blinkenden runden Goldschild hochhob –
„Millionen – Millionen!“ kreischte der Alte, „Aber wir müssen noch ein paar Lassos haben, sonst dauert es zu lange, bis wir alles emporschaffen können!“
Tucker und Halbnas’ flüsterten hastig miteinander.
„Hast recht, Old Brex!“ rief Tucker nun. „Komm, wieder nach oben! Wilkins’ und Hicks’ Lassos werden genügen! Nachmittags heben wir drei den Schatz und verschwinden dann von hier!“
Brex stand auf –
In demselben Moment zogen die beiden Schurken oben die Lassos an. Der Alte taumelte, rutschte, fiel –
Und sein Körper schwang nun mit voller Kraft zurück gegen die Schluchtwand –
Ein gellender Schrei –
Der Lasso wurde plötzlich ganz leicht – Und als die beiden Buschklepper ihn hochholten war die Schlinge samt dem Alten verschwunden –
Tucker besichtigte das Lassoende.
„Durchgeschnitten!“ meinte er leise. „Was bedeutet das?!“
Halbnas’ legte sich bereits lang hin und schob den Kopf über den Rand des Abgrundes hinweg, blickte in die Tiefe.
„Er ist nirgends zu sehen!“ meldete er. „Abgestürzt ist er nicht! – Du – das haben wir verdammt dumm angefangen! Verdammt dumm!“
„Schnell – hinüber nach der anderen Seite der Schlucht!“ sagte Tucker zähneknirschend. „Wir brennen von dort aus Brex eins auf den Pelz! Er hat sich ohne Zweifel an einem Vorsprung der Wand angeklammert!“
Sie liefen eiligst davon. Doch als sie nun drüben waren, konnten sie von Brex nichts mehr entdecken. Nur eins stellten sie fest: falls er etwa in eine der Spalten der Schluchtwand hineingeklettert war, konnte er von dort aus niemals ohne fremde Hilfe den Boden des Abgrundes erreichen!
„Mag er dort verhungern!“ brummte Tucker, „Jedenfalls wird er uns nicht mehr in die Quere, kommen!“ –
Sie kehrten dann zum Lagerplatz – zurück, – wo sich mittags auch Wilkins und Hicks einfanden.
Sechstes Kapitel.
Vergeltung.
Nachdem die vier Ihr einfaches Mittagsmahl eingenommen hatten, schickte Tucker Wilkins und Hicks zum Gila hinab, damit sie dort frisches Gras, für die Pferde holten. – Die beiden schulterten ihre Büchsen und schritten die Schlucht abwärts.
„Wo nur Old Brex geblieben sein mag?!“ meinte der kleine, dicke Hicks nachdenklich. „Wenn er etwa auf eigene Faust den Menschenkopffelsen hätte suchen wollen, dann würde er doch fraglos seinen Lasso mitgenommen haben. Aber der Lasso lag in einer Ecke der Grotte halb unter Tuckers Jacke. Überhaupt, Wilkins, – kamen Dir Tucker und Glyn nicht auch so merkwürdig aufgeregt vor?“
Wilkins, der ebenso klein wie Hicks, aber dürr wie ein Stock war, erwiderte bedächtig:
„Hicks, jetzt, wo Du von Lassos sprichst, fällt mir ein, daß von Halbnas’ Lasso die Schlinge samt der Gleitöse fehlte. Ich hab’ Das vorhin beim Mittag nicht weiter beachtet. Aber sonderbar ist es! Die Schlinge war glatt abgeschnitten. Fragen mochte ich Halbnas’ deswegen nicht. Er ist ja so grob und maulfaul.“
„Ja – und daß Tucker uns beide jetzt nach Gras schickt, wo doch noch ein guter Vorrat vorhanden ist, hm, das sieht beinahe so aus, als ob –“
„– als ob sie uns entfernen wollten! Trauen konnte man dem Tucker ja nie!“ vollendete Wilkins noch leiser. „Weißt Du, die beiden haben irgend welche Heimlichkeiten vor uns! Die Lassogeschichte gefällt mir nicht. Weißt Du, ich werde mal links an der Schluchtwand zurückschleichen. Vielleicht kann man sie belauschen.“
Er gab Hicks seine Büchse und kroch auf allen Vieren in die Schlucht zurück.
Wilkins war ein Meister im Anschleichen. So gelangte er denn auch jetzt völlig geräuschlos an die Barrikade heran.
Er hörte, wie Tucker und Halbnas’ miteinander flüsterten, konnte jedoch nichts verstehen.
Dann ein etwas lauterer Ausruf Fred Tuckers:
„Alles gediegenes Gold Halbnas’, – alles! Diese Lanzenspitze allein wiegt drei Pfund!“ –
Wilkins machte wieder kehrt. Als er Hicks das Erlauschte berichtete, sagte der kleine Dicke sofort:
„Du – die haben den Brex umgebracht – ganz sicher! Und mit uns werden sie’s genau so machen! Gegen eine Heimtückische Kugel kann man sich schwer schützen!“
Sie berieten eine Weile. Sie waren inzwischen nach links in eine andere, größere Schlucht eingebogen.
„Vielleicht wollen die beiden uns niederknallen, wenn wir mit dem Gras zurückkehren,“ sagte Hicks jetzt. „Am besten ist, wir –“
Er schwieg. Wilkins hatte ihn plötzlich mit aller Kraft hinter einen von Dornen überwucherten Steinblock gerissen.
„Was gibt’s, Wilkins?“ fragte der Dicke erschrocken.
„Leise – verdammt! – leise –!“ hauchte der andere. „Ich kann mich nicht getäuscht haben! Da vor uns am Südausgang der Schlucht sah ich soeben den Kopf einer Rothaut –! Einer von unseren Freunden, den Apachen war es nicht! Der Rote dort trug das Haar lang und hatte Federn im Haarschopf. Es kann ein Navajo gewesen sein.“
„Nette Bescherung!“ brummte Hicks. „Auch noch Indianer!“
Da – über ihnen eine Stimme;:
„Die Blaßgesichter werden die Büchsen auf den Boden legen und die Arme hochrecken! Hier ist der schwarze Panther, der Häuptling der Komanchen.“
Hicks hatte den ersten Schreck schnell überwunden. Er nickte und meinte: „Ich gehorche, Häuptling! Hab’ keine Lust, mir ein Stück Blei ins Hirn pusten zu lassen –!“
Auch Wilkins ließ seine Büchse zu Boden gleiten. Dann erhoben sie die Arme. Der Komanche warf ihnen zwei Schlingen seines Lassos über die Handgelenke. Sie waren nun wehrlos –
„Geht voran!“ befahl er wieder. „Nach Süden zu –!“
Er nahm ihre Gewehre mit.
Nachdem der Südausgang der Schlucht erreicht war, mußten die beiden nach rechts abbiegen. Ein schmaler Höhenkamm führte, hier nach einem einzeln stehenden Berge, dessen Abhänge von dunklen Tannenwäldern bedeckt waren.
Nach einer halben Stunde erreichte der Komanche Lagerplatz, den er für Felsenherz die beiden Colnlins und sich erst vor zwei Stunden ausgesucht hatte, nachdem sie die halbe Nacht bereits und heute den ganzen Vormittag in schärfstem Tempo geritten waren.
Dieser Lagerplatz befand sich auf einer kleinen Lichtung im Walde zwischen hoch aufgetürmten Steinen. Am Fuße dieses Steinhügels wuchsen Dornen und mexikanische Riesendisteln –
Felsenherz und die beiden Brüder hatten gerade den Rest einer Hirschkeule verzehrt, als der Komanche mit den Gefangenen erschien.
Der junge Trapper erkannte diese sofort wieder.
„Was treibt Ihr hier?“ fragte er kurz.
Hicks zögerte mit der Antwort. Aber Wilkins hoffte, man würde mit ihnen glimpflicher verfahren, wenn er die volle Wahrheit sagte.
„Master Felsenherz,“ meinte er kleinlaut, „es hat keinen Zweck zu lügen. Wir fünf, die Ihr damals am Kolorado-Spring lebend abfaßtet, wollten hier einen Schatz suchen. In den Jicarilla-Bergen erfuhren wir, daß –“
„Schon gut! Ich sehe, Ihr wollt ehrlich sein. Wo, lagert Ihr?“
Wilkins berichtete alles, erwähnte auch das Verschwinden Old Brex’ und den Verdacht, den er und Hicks gegen Tucker und Halbnas’ hegten, ebenso, daß diese beiden offenbar schon den Schatz gefunden und einige goldene Gegenstände mit nach dem Lager gebracht hätten –
Die Brüder Colnlin hatten mit atemloser Spannung zugehört. Wilkins hatte verschiedentlich den Felsen mit dem Menschenkopf genannt, und jedes Mal waren dann die Blicke der Colnlins mit besonderem Ausdruck wie zu geheimer Zwiesprache ineinander getaucht –
Der junge Trapper erhob sich jetzt und winkte den Brüdern. Sie verließen den gut geschützten Lagerplatz. Am Fuße des Hügels blieb Felsenherz stehen.
„Ich habe Euch beide soeben beobachtet,“ sagte er leise. „Ich glaube Euer Geheimnis jetzt zu kennen. Die Blicke, die Ihr wechseltet, sobald jener ‚Menschenkopf‘ von den Buschkleppern erwähnt wurde, verrieten mir genug. Jetzt habe ich auch erkannt, daß Euer Name Colnlin nur eine Umstellung der Silben des Namens Lincoln ist. Und Lincoln war der erste, der die Mumie des Aztekenkönigs Matazuma fand und die Zeichnung auf deren Brust enträtselte. – Ihr beide sucht Euren Vater, nicht wahr?“
Nicky Colnlin, oder besser Micky Lincoln bejahte, „Ich werde Euch nun alles mitteilen, Felsenherz,“ meinte er mit offenem Blick. „Unser Vater war eine Abenteurernatur. Vor sechs Jahren verließ er uns. Er wollte sein Glück als Goldgräber versuchen. Er war bis dahin in einem großen Zirkus mit uns zusammen aufgetreten, wir als die Schlangenmenschen Nicky und Micky, er als Kunstreiter und Kunstschütze. „Vor zweieinhalb Jahren erhielten wir dann ein Schreiben von ihm, in dem er uns davon benachrichtigte, daß er jetzt bald am Ziele seiner Wünsche zu sein hoffe. Er schilderte uns sein Leben in jenem Tale der Jicarilla-Berge, wo er die Mumie entdeckt hatte, und seinen Plan, allein in die Gila-Wildnis einzudringen und den Schatz der Azteken zu heben. Falls er nach zwei Jahren nicht wieder bei uns sei, schrieb er weiter, sollten wir beide den Schatz uns aneignen, denn dann wäre er verunglückt. – So, das ist unser Geheimnis, Felsenherz! Ihr und der Komanche seid redliche Männer. Wir haben Vertrauen zu Euch. Wir beide sind nicht goldgierig. Nein – uns liegt mehr daran, Aufschluß über das Ende unseres Vaters zu erhalten, als die Schätze mitzunehmen. Wir verdienen als Zirkuskünstler recht viel. Wir sind das, was man eine Zugnummer nennt.“
Felsenherz reichte ihnen die Hand. „Das war verständig gesprochen!“. erklärte er freundlich. „Ihr müßt nämlich wissen, daß der schwarze Panther sich als Nachkomme der Azteken betrachtet und daher nicht dulden wird, daß der Schatz von Weißen entführt wird. Fraglos wird mein roter Bruder Euch jedoch einige von den goldenen Gegenständen überlassen. – So, nun kehrt wieder auf die Spitze des Hügels zurück und bestellt dem Häuptling, daß ich das Lager der fünf Buschklepper beschleichen will.“
Er verschwand im Dickicht des Waldes. Sehr bald hatte er das Ufer des Gila-Flusses erreicht. Mit äußerster Vorsicht kroch er nun weiter. Wilkins hatte ihm die Schlucht so genau beschrieben, daß er deren Eingang nicht verfehlen konnte.
Als er nun zwischen den dichten Ranken des wilden Hopfens unter einer kleinen Tanne unweit des Einganges lag, hörte er nach einer Weile Stimmen. – Es waren Tucker und Halbnas’. Sie blieben kaum fünf Schritt entfernt stehen und schauten sich um. Der Gila floß hier eine, weite Strecke ohne jede Krümmung dahin, so daß man die Ufer bequem überblicken konnte.
„Wo die beiden nur stecken mögen?“ meinte Halbnas’.
Fred Tucker schien mißtrauisch geworden zu sein.
„Du – wenn sie ebenfalls vielleicht jenen Abgrund und den Felsen gefunden hätten!“ rief er hastig. „Sie kamen heute mittag später als wir zum Lager zurück –! – Am besten ist, wir nehmen die fünf Pferde sofort dorthin mit. Stoßen wir auf Hicks und Wilkins, so – na – Du weißt ja Bescheid! Ich den Dicken, und Du den Dürren! Aber nicht schießen, Halbnas’! Ein Messerstich genügt!“
Sie eilten wieder in die Schlucht, holten die Pferde und waren eine halbe Stunde später unterhalb des Leuchterfelsens –
Der junge Trapper war ihrer Fährte sofort gefolgt und lag jetzt hundert Meter zurück hinter Steingeröll.
Staunend lugte er empor zu dem seltsam geformten Auswuchs der Schluchtwand. Dann widmete er seine ganze Aufmerksamkeit wieder den beiden Buschkleppern, die jetzt die Pferde weiter in den Abgrund hinein- und dann auf die Höhe der Schluchtwand führten, wo sie dieselben abseits in einem kleinen Gehölz verbargen.
Der Trapper war beständig hinter ihnen geblieben. Tucker und Halbnas’ fühlten sich jetzt hier ganz sicher, denn von dem alten Brex hatten sie nichts zu fürchten, wie sie sich einbildeten; der steckte ja ohne Zweifel in einer Spalte der Schluchtwand, und von dort wollten sie ihn jetzt schon herausholen –! –
Als Tucker und Glyn nun ihre Pferde verborgen hatten und dann am Rande des Abgrundes die drei Lassos zusammenknoteten, wobei sie als alte Westmänner dauernd argwöhnisch in die Runde spähten, als sie weiter aus den fünf Zügeln der Pferde noch einen Lederstrick herstellten, da wurde es Felsenherz jedoch klar, daß er zu spät käme, wenn er jetzt noch nach dem Lager eilen würde, und daß die Buschklepper inzwischen mit ihrem Raube das Weite gesucht haben könnten.
Er war jetzt etwa hundertfünfzig Meter von dem Rande der Schlucht entfernt, auf eine Tanne geklettert, die ihm ein vorzügliches Versteck bot. Die Äste der Tanne waren bis zur halben Höhe mit Rankenpflanzen durchzogen. Der Baum selbst ragte zwischen wirren Felsmassen hervor, die ebenfalls mit Gestrüpp durchzogen waren –
Jetzt band sich Tucker drüben den Lasso um die Brust, dessen anderes Ende die beiden Banditen vorher an einem Steinblock befestigt hatten. Tucker war der leichtere und geschicktere der beiden, kletterte nun über den Rand des Abgrundes hinweg und nahm auch das aus dem Zügel hergestellte Seil mit.
Halbnas’ hatte die Lassos fest gepackt und ließ Tucker nun vorsichtig in die Tiefe gleiten.
Der junge Trapper überlegte blitzschnell –
Eine bessere Gelegenheit, die beiden in seine Hand zu bekommen, gab es kaum. Tucker hing an den Lassos, und Glyn wieder hatte seine Büchse abseits gestellt und hatte mit Tucker genug zu tun, konnte sich nicht einmal umdrehen.
Felsenherz wollte die Tanne verlassen. Doch er hatte noch nicht einmal den rechten Fuß, auf den tieferen Ast gesetzt, als er zum Glück aus alter vorsichtiger Gewohnheit nochmals zwischen den Zweigen hindurchlugte.
Was er da gewahr wurde, bewies ihm wieder, daß man hier im wilden Westen stets mit besonderen Zwischenfällen rechnen müsse.
Schräg unter ihm schob sich gerade aus einer schmalen, von Dornen halb verdeckten Spalte ein Mann hervor – ein Mann mit weißem Bart und wildem, kühnem Gesicht.
Es war der alte Brex –
Und Old Brex richtete sich jetzt auf und warf einen schnellen Blick nach Halbnas’ hin, duckte sich dann wieder, kroch weiter und, näherte sich lautlos dem Abgrunde.
Felsenherz beobachtete mit atemloser Spannung diese Vorgänge.
Hatte doch Wilkins ihm gegenüber den Verdacht geäußert, daß Tucker und Halbnas’ den Alten beiseite geschafft haben könnten. Und – vielleicht hatten sie es wirklich versucht; vielleicht war Old Brex ihnen jedoch entwischt, und wußte, was die beiden geplant hatten –
Da – der nächste Akt dieses Dramas begann schon –
Brex stand fünfzig Meter hinter Halbnas’, hatte die Büchse im Anschlag und brüllte nun:
„Schurken – jetzt habe ich Euch! Heute vormittag, sollte ich mir den Schädel an der Felswand einschlagen! Beinahe wär’s so geworden! Jetzt werde ich den Spieß umdrehen!“
Halbnas’ war herumgefahren, hatte vor Schreck den Lasso losgelassen –
Tucker sauste noch fünf Mieter abwärts. Dann ein Ruck – Aber die Lassos hielten –
Halbnas’ sah den sicheren Tod vor Augen, Er verlegte sich aufs Bitten –
„Brex, wir beide werden die Beute teilen!“ rief er dem Alten zu. „Mag Tucker in die Hölle fahren! Ich schwöre dir, Brex, daß ich es jetzt ehrlich meine.“
Brex lachte schrill auf. „Beweise es! Du hast ja Dein Messer in der Hand! Schneide den jetzt straff gespannten Lasso, der dort an jenem Block verankert ist, durch!“
Halbnas’ besann sich nicht einen Augenblick –
Felsenherz stockte das Blut in den Adern, als das Messer jetzt durch den Lasso fuhr –
Aus dem Abgrund herauf ein gellender Schrei –
Dann – dann, der Donner eines Schusses, den das Echo – der Berge vielfach verstärkte –
Halbnas’ hatte die Arme, hochgeworfen, taumelte, glitt über den Rand der Schluchtwand hinweg, verschwand in der Tiefe –
Old Brex ging langsam bis zum Rande hin, beugte sich vor und schaute hinab –
Dort unten lagen nun die beiden Verräter – dort unter dem Leuchterfelsen – regungslos. –
Er lud den abgeschossenen Lauf seiner Doppelbüchse, wollte gerade das Zündhütchen auf das Piston, stecken, als jemand von hinten seine Arme packte –
„Old Brex,“ sagte Felsenherz ernst, „über das, was hier geschehen, werfe ich mich nicht zum Richter auf. Das ungeschriebene Gesetz, der Wildnis lautet: Auge um Auge, Zahn um Zahn!! – Ihr habt zwei Schurken bestraft! Auch Wilkins und Hicks sollten von den beiden ausgelöscht werden. – Ich werde Euch fesseln und dann mitnehmen.“
Siebentes Kapitel.
Drei, die der Aztekenschatz besserte.
Brex ließ sich ruhig die Arme zusammenbinden, meinte nur:
„Man sieht wieder, daß das verfluchte Gold nur Unheil bringt! Ich bin ein alter Mann. Ich hätte längst vernünftig werden sollen! Nun werde ich wohl genau so enden, wie der neunzigjährige Jimmy – eben am Marterpfahle der Komanchen, die mit mir so manche alte Rechnung glattzumachen haben –!“
Als er gebunden war, trat er nochmals dicht an den Abgrund heran –
Ebenso schnell prallte er jedoch zurück –
„Die Apachen!“ rief er leise. – Seine Augen suchten des jungen Trappers Gesicht. „Der Abgrund steckt voller Apachen, Master Felsenherz!“ fügte er hinzu. „Und – sie haben drei Gefangene bei sich –! Und zwar den Komanchen und zwei Weiße!“
Felsenherz erschrak. Gleichzeitig erwachte aber auch sein Mißtrauen.
„Ihr wollt mich nur an den Abgrund locken Old Brex!“, meinte er. „Vorwärts – nach jener Lichtung hin!“
Brex blieb stehen und sagte eindringlichen Tones. „Felsenherz, Ihr seid noch jung! Dort unten befindet sich Euer grimmigster Feind, der große Bär, der Oberhäuptling der Apachen. Ich lüge nicht! Außerdem sind noch mexikanische Soldaten bei ihm und drei Trapper, die die Mexikaner als Kundschafter angeworben haben. Eure Gefährten aber sind gefangen. – Ich lüge nicht, Felsenherz!“ betonte er nochmals. „Ich habe viel gelogen und viel gesündigt in meinem Leben! An meinen Händen klebt mehr Blut, als für mein Gewissen gut ist! Und – eines Tages wird dieses Gewissen erwachen. Die Stunde kommt für jeden! Vielleicht ist es bei mir schon erwacht – vorhin, als Halbnas’ mit, meiner Kugel im Schädel in die Schlucht taumelte und als ich dann dort in der dämmerigen Tiefe die beiden leblosen Gestalten meiner bisherigen Verbündeten erkannte! – Da quoll der Ekel gegen dieses verbrecherische Dasein in mir hoch – Felsenherz, man erzählt überall so viel von Eurem menschlichen Empfinden! Hier steht nun einer vor Euch, der am Ende seines Lebens umkehren möchte – besser werden, einer, der sich nach einem Fleckchen Erde sehnt, wo er in Ruhe als ein Reuiger den Tod erwarten möchte. Felsenherz, Ihr werdet diesen Verfolgern da unten schwer entgehen. Gewiß – dort stehen fünf Pferde, auch das meinige! Aber von diesem Plateau gibt es nur einen Ausgang, und der führt durch die Schlucht. Ihr könnt keins der Tiere mitnehmen. Wenn Ihr mir nun versprecht, mich freizugeben, sobald wir beide Eure Freunde und uns selbst in Sicherheit gebracht haben, will ich Euch getreulich helfen und Euch hier ein Versteck verraten, das niemand finden kann.“
Felsenherz war bereits mit seinem Entschluß fertig. Er nahm Old Brex wortlos die Fesseln ab. Der Alte griff nach seiner Hand. Die helle Freude leuchtete aus den Augen des Weißbarts, – „Ich danke Euch!“ sagte er gerührt. „Ihr sollt es nicht bereuen, einem Buschklepper Vertrauen geschenkt zu haben! – Folgt mir! Aber verwischt jede Spur sehr sorgfältig hinter Euch! Wir haben noch Zeit! Ehe die Apachen hier oben sein können, vergeht noch eine Viertelstunde.“
Ex holte dann noch aus den Satteltaschen der fünf Pferde, was sich darin an Lebensmitteln befand. Hierbei stieß er auch auf die goldenen Gegenstände, die neben dem Skelett Lincolns gelegen hatten und die von Tucker und Halbnas’ in einen Ledersack getan worden waren. Er nahm sie gleichfalls mit. Dann schritt er auf die einzeln stehende Tanne inmitten des Steinhaufens zu. Felsenherz bemühte sich, ihre Spuren auszulöschen, was ihm bei seiner Erfahrung auch gut gelang. – Old Brex kroch nun voran in dieselbe enge Spalte hinein, aus der er vorhin aufgetaucht war. Diese Spalte führte schräg abwärts und erweiterte sich schnell zu einer geräumigen Höhle. Hier machte der Alte kehrt.
„Ich muß nochmals zurück,“ flüsterte er hastig. „Wir hätten den Lasso, der noch an den Block geknotet ist, an uns nehmen sollen!“ – Er streifte rasch die Stiefel. ab. „Wilkins, und Hicks, die jetzt wieder frei sind, werden nichts von dem Schatz verraten,“ fügte er hinzu. „Aber durch die Lassos könnte der große Bär leicht auf die Vermutung kommen, daß wir fünf auf den Leuchterfelsen wollten!“
Er huschte davon, ließ seine Büchse zurück und war nach wenigen Minuten wieder bei Felsenherz.
„So,“ meinte er, „das wäre, erledigt! Nun helft mir, den Eingang dort verrammeln! Hier liegt ein Stein, der ziemlich genau in die Spalte hineinpassen wird. Wenn wir ihn von innen abstützen, wird niemand auf den Gedanken kommen, daß es hier eine Höhle gibt.“
Die Arbeit war schnell beendet. – Dann zündete Old Brex sein Feuerzeug und damit einen dicken, harzigen Kiefernast an, sagte dabei: „Diese Höhle mündet als enge Kluft in der Steilwand des Abgrundes. Ein Zufall rettete mich, als Tucker und Halbnas’ mich von der Spitze des Menschenhauptes herabrissen. Ich glaubte schon, ich müßte mir als lebendes Pendel an der Granitwand alle Knochen zerschmettern, als ich gerade in diese enge Kluft hineinschwang. Rasch schnitt ich den Lasso durch und kroch in die Kluft tief hinein.“
Die Höhle war etwa hundert Meter lang und hatte zahlreiche Krümmungen. – Brex schaute als erster in den Abgrund hinunter. Dann machte er für Felsenherz Platz. „Leer – keine Seele! Nur die beiden Toten liegen noch an derselben Stelle!“ meldete er.
Der junge Trapper verzichtete darauf, sich in die Kluft hineinzuzwängen. „Vielleicht werden die Apachen oben auf dem Plateau lagern,“ meinte er. „Das wäre für uns sehr günstig, Brex. Kehren wir an den Eingang zurück. Man muß dort wenigstens einige Geräusche vernehmen können.“
So. war es auch. Felsenherz und Brex hörten sogar ganz in der Nähe Beilhiebe und das Splittern von Ästen.
„Ich wette, die Apachen hauen die untersten Äste der Tanne ab!“ flüsterte der Alte. Sie Werden die Gefangenen dort anbinden wollen. Jedenfalls lagern sie dort oben. Noch zwei, Stunden, dann ist es dunkel: dann dürfen wir den Verschlußstein getrost entfernen.
Drei Stunden später. – Auf dem Plateau loderten einige dreißig Feuer, waren etwa ebenso viel Lederzelte errichtet. – Vor dem Zelte des großen Bären saßen der riesige Oberhäuptling der Apachen, Kapitän Durango, die drei Trapper Walker, Knox und Tillartz und etwas abseits Wilkins und Hicks,
Der große Bär, dem Felsenherz abermals entschlüpft war, hatte soeben die Meldung einer der Streifabteilungen entgegengenommen die er ausgeschickt hatte, um den Trapper suchen zu lassen. Man hatte bisher keine Spur von Felsenherz entdeckt. – Der große Bär starrte düster in die Flammen des Feuers. Kapitän Durango aber verhöhnte abermals die drei Kundschafter, die er dafür verantwortlich machte, daß man hier nur den Komanchen und die beiden jungen, langen Burschen abgefaßt hätte.
Walker erwiderte nach einer Weile sehr ruhig: „Kapitano, Ihr sollt keinen Grund mehr haben, uns wie alte blinde Weiber zu behandeln! Wir drei werden Felsenherz jetzt sofort suchen. Der Mond geht bald auf. Kommt, Knox und Tillartz, Wir werden beweisen, wer wir sind!“
Gleich darauf führten sie ihre Pferde in die Schlucht hinab, wo Walker nun lachend meinte: „Ja, – wir werden beweisen, daß wir uns von diesem Durango nicht länger beleidigen lassen! Er sieht uns nicht wieder, Freunde! Mag er selbst Felsenherz irgendwo aufstöbern! Wird ihm schwer werden! Ich habe das Kundschafter-Spielen satt!“ – Sie ritten die ganze Nacht hindurch nach Norden. Kapitän Durango merkte zu spät, daß sie ihn genarrt hatten.
An der dicken Tanne inmitten des Steinhaufens standen aufrecht gefesselt der schwarze Panther und die beiden Lincolns. Vor ihnen brannte an zwei verschiedenen Seiten des Baumes je ein Feuer. An jedem Feuer hockten zwei Wächter.
Das nächste Zelt, war das des großen Bären. Der Mond hatte jetzt längst die Randberge des Plateaus und das ganze Lager in ein weiches Licht getaucht, Die meisten Feuer waren erloschen. Durango hatte sich zu den zehn Soldaten begeben, die er hierher mitgebracht hatte, und lag zwischen ihnen und schlief. Auch Wilkins und Hicks Hatten sich in ihre Decken gewickelt und im Schatten eines Gestrüpps in der Nähe des Steinhaufens niedergelegt. Nur der große Bär saß noch an seinem Feuer und regte sich nicht. Seine Augen glitten immer wieder rachgierig zu den drei Gefangenen hinüber.
Er wollte gleichfalls die Nacht über wachen, denn er hoffte bestimmt, daß Felsenherz einen Versuch zu deren Befreiung wagen würde.
Wilkins und Hicks taten nur, als ob sie schliefen. Sie flüsterten miteinander. Sie hätten unten im Abgrund die Leichen Tuckers und Glyns gesehen. Sie wußten nun, daß nur Brex die beiden getötet haben konnte, und zwar nur deshalb, weil jene ihm selbst nach dem Leben getrachtet hatten. – Hicks hauchte jetzt Wilkins ins Ohr: „Du, wenn der große Bär den Felsenherz nicht fängt, gebe ich keinen Pfifferling, für unsere Skalpe! Der große Bär war gut Freund mit Tucker und er glaubt, wir hätten die beiden beseitigt! Wenn wir nur fliehen könnten –! Aber wie – wie?! Der große Bär beobachtet auch uns! Der ganze Schatz der Azteken mag meinetwegen für ewig dort auf dem Leuchterfelsen liegen! Wenn ich nur hier mit heiler Haut, wegkäme!“
Wilkins richtete sich plötzlich etwas auf, – ganz wenig nur – Aus dem Innern des Zeltes dort drüben hatte sich eine Gestalt auf den großen Bär zugeschoben – Dann holte der Mann mit der Faust aus – Der große Bär sank langsam um, wurde in das Zelt hineingezerrt –
„Hicks, das war Felsenherz!“ flüsterte Wilkins. „Nur er bringt so etwas fertig! Was tun wir? Schlagen wir Lärm?“
Die Antwort erteilte ihm ein anderer: der alte Brex! – Er hatte sich am Fuße des Steinhaufens entlanggeschlichen. Er kannte Wilkins und Hicks und wußte, daß auch sie noch zu bessern waren. – Hastig teilte er ihnen mit, was er in diesem Falle für angemessen hielt. Die beiden waren sofort einverstanden. Inzwischen hatte Felsenherz den großen Bär im Zelte gefesselt und kroch nun wieder im Bogen auf den Steinhaufen zu. – Alles war mit Old Brex genau vereinbart. –
Und – alles glückte auch. – Wilkins erhob sich und stieg über die Steine zu der Tanne empor, sagte zu den Wächtern, die ihm finster entgegenschauten:
„Zwei von Euch sollen sofort in das Zelt des Häuptlings kommen! Der große Bär hat mich geschickt.“
Die Apachen ahnten nichts. – Kaum hatten zwei den Steinhügel verlassen, als sich hinter den beiden anderen Felsenherz aufrichtete. Zwei Fausthiebe, und die Apachen knickten betäubt um –
Aus dem Zelte des großen Bären stürmten jetzt brüllend die beiden Wächter heraus, Sie hatten den Häuptling gefesselt und bewußtlos aufgefunden. Das Lager wurde lebendig. Das Wutgebrüll wurde nur gellender, als das Verschwinden der Gefangenen und Hicks und Wilkins bemerkt wurde –
Die Apachen blieben noch drei Tage auf dem Plateau. Dann zogen sie samt den Mexikanern ab. Alles Suchen nach den Entflohenen war vergeblich gewesen. Daß diese so dicht in der Nähe verborgen waren, konnten die Apachen nicht vermuten. – Am folgenden Abend verließen die beiden Lincolns und auch die drei Buschklepper, die jetzt in Mexiko als Farmer ehrlich ihr Brot verdienen wollten, ebenfalls die Gila-Berge. Der Komanchenhäuptling hatte jedem von ihnen so viel Gold aus dem Aztekenschatz mitgegeben, daß sie als reich gelten konnten. Mit herzlichen Dankesworten nahmen sie von Felsenherz und dem schwarzen Panter Abschied, die nun allein den Rest des Schatzes anderswo unterbrachten – wo niemand ihn finden konnte: im Flußbett des Gila! – Dort ruht er noch heute; dort liegt noch heute Matazumas wertvolles Geheimnis begraben –
Felsenherz und der Komanche machten sich dann hinter den Apachen drein, um des schwarzen Panthers Rappen und Waffen, ebenso Felsenherz Braunen sich zurückzuholen.
Ob ihnen dies gelang, wird der Leser im nächsten, Bande erfahren –
Der nächste Band: