Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Band 9:
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.
Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.
1. Kapitel.
Die sechs Vaqueros.
In einer dunklen, windigen Sommernacht lagerten in einer hügeligen Prärie dicht am Nordufer eines kleinen Baches, der in den nahen Rio Grande del Norte, den heutigen Grenzfluß zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, einige Meilen –– weiter westlich mündete, fünf Männer, die sämtlich die farbenprächtigen und phantastischen Anzüge der Vaqueros, der mexikanischen Rinderhirten, trugen.
Sie lagen auf dem Bauche um ein kleines Feuer herum, über dem ein großer Blechkessel stand, dessen dampfender Inhalt würzig nach Tee duftete. Neben den fünf sehnigen, sonngebräunten Männern lehnten an starken Zweigen des Buschwerks, das diesen Platz umgab, ihre kurzen Büchsen. Im Hintergrunde der Lichtung aber weideten sechs Pferde, denen die Vorderfüße gefesselt waren, so daß sie sich nur langsam bewegen konnten.
„Es hat wirklich keinen Zweck, den verdammten Rothäuten noch länger nachzuspüren, die unserem Herrn die hundert Rinder fortgetrieben haben,“ sagte der älteste der Männer, ein sehr großer, hagerer Mexikaner, indem er seinen Blechbecher aus dem Kessel füllte und von einer vorhin gebratenen Rehkeule ein Stück herunterschnitt. „Drei Tage suchen wir nun schon umsonst diese Gegend ab. Der letzte Regen hat alle Spuren ausgetilgt. Die Apachen – denn fraglos waren es wieder diese diebischen Schufte – sind langst über den Rio Grande hinüber. Morgen früh kehren wir um. Sennor Alvaro wird wohl einsehen, daß wir unsere Schuldigkeit getan haben. Wäre der Regen nicht gekommen, hätten wir die Indsmen (Indianer) ganz sicher abgefaßt.“
„Hast recht, Benito,“ meinte ein andere Vaquero. „Wir reiten morgen nach der Hazienda (Viehfarm) zurück. „Diese Gegend hier ist ohnedies nicht recht geheuer. Die verwischte Fährte, die wir heute nachmittag dort weiter nördlich fanden, rührt bestimmt von einem größeren Indianertrupp her. Wenn die Rothäute so sorgfältig ihre Spuren auslöschen, dann führen sie stets etwas im Schilde.“
„Du mußt es ja wissen, Sancho,“ nickte ein dritter der Männer mit einer gewissen Hochachtung. „Du hast ja jahrelang als Gambusino (Goldsucher) die Gebiete der Apachen und der nördlicheren Stämme durchstreift. Und Deinen Namen „Indsmenfresser“ wirst Du wohl nicht ohne Grund erhalten haben.“
Sancho, ein kleiner, starkknochiger Mann mit schwarzem Bart und lebhaften, dunklen Augen, lachte grimmig und schob seinen breitrandigen Filzhut so weit ins Genick, daß seine Gefährten den kahlen, blutroten Fleck auf der Mitte des sonst dicht behaarten Schädels sehen konnten.
„Dort saßen einst Haut und Haare, Amigos (Freunde)!“ meinte er. „Der große Bär, der Oberhäuptling der Apachen, trägt meinen Skalp noch heute am Gürtel. Fünf Jahre sind’s her, daß ich ihn verlor. War eine wilde Sache damals. Kam mit knapper Not lebend davon. Seitdem habe ich das Gambusino-Handwerk aufgegeben. Kriegen mich die Apachen nochmals dann ist’s vorbei mit dem Indsmenfresser! Doch – reden wir nicht mehr davon!“
„Weshalb erzählst Du Dein damaliges Abenteuer eigentlich nicht, Sancho?“ fragte der alte Benito nun, der bei dem Besitzer der Hazienda „Lago del Parral“ eine Art Vertrauensposten bekleidete.
Der Indsmenfresser machte eine abwehrende Bewegung. „Laß die alten Geschichten ruhen, Benito,“ sagte er schroff und schob noch ein Stück der Rehkeule zwischen die tadellosen Zähne. „Ich werde jetzt unseren Jüngsten als Wache ablösen. Mitternacht ist nahe, und in einer so windigen Nacht schleichen zu leicht ein paar skalplüsterne Rothäute so nahe heran, daß sie uns –“
Er schwieg plötzlich und griff nach seiner Büchse, starrte dabei scharf in das Dunkel hinein, wo im Hintergrunde sich die Leiber der sechs Pferde undeutlich abzeichneten.
Benito hatte ebenso schnell und geistesgegenwärtig eine Hand voll trockener Reiser in die Glut geworfen, da auch er nun eine hohe Gestalt wahrgenommen hatte, die auf eine Büchse gelehnt neben den Pferden kaum vier Schritt entfernt stand.
Die Flammen leckten knisternd höher und beleuchtete den Fremden, der regungslos nach den Männern hinblickte und nun unvermittelt mit einer hellen durchdringenden Stimme sagte:
„Ihr würdet besser tun, das Feuer auszulöschen. Der Apachen listige Schlangenbrut windet sich unhörbar durch das rauschende Präriegras. Die Ohren und Augen Eures jungen Wächters waren für diese Nacht zu ungeübt, und das Messer eines Indsmen ist schneller als der Warungsruf eines Vaquero, der mit den Schrecken der Wildnis nicht vertraut ist.“
Sancho war aufgesprungen und näher an den schlanken Mann im ledernen Jagdwams herangetreten.
„Heißt das etwa, daß die Apachen unseren Freund Juan ausgelöscht haben?“ fragte der Indsmenfresser hastig.
„Das heißt, daß sie es tun wollten,“ erklärte der Fremde gelassen.
„Also habt Ihr es verhindert, Fremder?“
Der blondbärtige Mann, der um den Hals ein rotseidenes Tuch mit einer Koralle als Busennadel trug und in dessen Ledergürtel außer einem Messer mit Scheide noch ein Tomahawk steckte, nickte nur und wiederholte:
„Löscht das Feuer aus! Dann nehmt Eure Pferde und folgt mir!“
„Wer seid Ihr denn?“ fragte jetzt der alte Benito mißtrauisch, der ebenfalls aufgestanden war.
„Ein Trapper,“ meinte der Blondbärtige schlicht.
„Oho!“ rief Sancho da. „Ein Trapper! Das besagt gar nichts! Es treibt sich jetzt genug weißes Gesindel in den Prärien herum, dem der Boden in den Städten zu heiß geworden! Fremder, wir sind keine Greenhorns (Grünhörner, Neulinge), – nein, im Gegenteil! Gewöhnlich ist es Sitte, daß man seinen Namen nennt, wenn man hier in der Wildnis –“
Der Blonde hatte die Achseln gezuckt und sich umgedreht, wollte wieder in den Büschen untertauchen.
Doch Sancho, von Natur hitzig und voreilig, faßte ihn rasch beim Arm und rief:
„Halt, Mann, Euer Benehmen erscheint mir verdächtig!“
Der hochgewachsene Trapper hatte halb den Kopf zurückgewandt.
„Laßt mich los,“ meinte er ruhig. „Wenn ich Euch gesagt habe, daß ich Euren Freund Juan vor dem Messerstich einer Rothaut bewährte, so hättet Ihr –“
In demselben Moment ertönte außerhalb der Büsche in der Prärie das klägliche Heulen des Coyoten, des Präriefuchses.
Der Trapper hatte mitten im Satz seine Rede unterbrochen und schien angestrengt zu lauschen.
Die Büsche raschelten fortgesetzt im Winde, so daß schwächere Geräusche anderer Art kaum zu horchen waren.
Abermals heulte draußen ein Coyote.
Da war der Trapper auch schon, Sancho bei Seite schleudernd, mit beiden Füßen in die Flammen gesprungen, trat das Feuer aus und rief befehlend:
„Rasch – mit den Pferden über den Bach hinüber und dort auf den Hügel mit den drei Buchen hinauf! Mein roter Bruder Chokariga, der schwarze Panther, warnt uns durch die Stimme des Präriefuchses!“
Der Name Chokariga veranlaßte den alten Benito zu der überstürzten Frage:
„Mann – Ihr seid Felsenherz, der Trapper, nicht wahr? – Ihr müßt es sein! Euer Äußeres –“
„Nehmt die Pferde!“ befahl der Blonde ärgerlich.
Das Feuer war erloschen. Nur einzelne Äste glimmten noch. Tiefes Dunkel herrschte jetzt auf der Lichtung.
Die Vaqueros gehorchten eiligst. Im Nu hatten sie ihren Pferden die Fußfesseln. abgenommen und führten sie aus dem Buschwerk heraus und durch den kaum anderthalb Meter tiefen Bach ans Südufer und weiter ein Stück durch die Prärie bis zu dem von drei alten Buchen gekrönten Hügel. Ihre Augen hatten sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt, Als Benito als erster den Hügel erreicht und erklommen hatte, fand er hier zu seinem Erstaunen den jüngsten Vaquero Juan bereits vor.
Da – jenseits des Baches jetzt ein gellendes Wutgebrüll ein so durchdringendes Geheul aus zahlreichen Indianerkehlen, daß Sancho, der Indsmenfresser, Benito ganz heiser vor Erregung zuraunte:
„Apachen sind’s! Das Gebrüll kenne ich! Wenn Euch Euer Leben lieb ist, Amigos, so verhaltet Euch ganz still“
Der Vaquero Juan erklärte jetzt hastig:
„Wo sind denn Felsenherz und sein roter Freund der Komanchenhäuptling, die mir vor einer knappen Viertelstunde das Leben retteten? Zwei Apachenspäher hatten mich bereits zu Boden gerissen, und das Messer des einen fuhr schon nach meiner Kehle, als Felsenherz die roten Schufte mit der Faust niederschlug. Er schickte mich dann über den Bach hierher und befahl mir, trockene Buchenäste zu sammeln für den Fall, daß die Apachen uns hier angreifen sollten. Da liegen schon drei Haufen für drei Feuer, deren Schein den Indsmen das Anschleichen erschweren und uns das Zielen erleichtern wird.“
Der alte Benito zeigte jetzt die meiste Entschlossenheit und Klugheit. „Verteilen wir uns hier auf der Spitze des Hügels,“ sagte er. „Nur Juan mag bei den Pferden in der Mitte unter den Bäumen bleiben. Und sperrt die Augen auf, Amigos! Es geht um unsere Skalpe! Felsenherz und Chokariga werden sich schon einfinden. So berühmte Präriemänner wie die beiden lassen sich von den Apachen nicht abfassen! Da können wir ganz außer Sorge sein!“
Die fünf Vaqueros legten sich nun in nicht allzu weiten Zwischenräumen in das Gras und starrten aufmerksam in die dunkle Prärie hinab.
Das Gebrüll der Apachen war längst wieder verstummt. Nichts war mehr zu hören als das Rauschen der Buchen und das Wispern des Präriegrases.
Der ziemlich steile Hügel, der von den Vaquervos jetzt besetzt war, erhob sich etwa dreihundert Meter vom Bache entfernt aus der hier recht ebenen Grassteppe. – Sancho, der Indsmenfresser, hatte sich seinen Platz an der dem Bache zugekehrten Seite gewählt. In der Seele dieses Mannes, der viele Jahre einen unerbittlichen Vertilgungskrieg gegen die Apachen geführt hatte und der nun seinen alten Feinden hier wieder begegnet war, regte sich sehr bald die Angst um seine und seiner Freunde Sicherheit immer stärker. Nach kaum drei Minuten kroch er dann zu Benito hinüber und flüsterte ihm zu:
„Alter Ben, es ist ein Unsinn, daß wir Felsenherz Befehl befolgt haben! Weshalb bleiben wir auf diesem Hügel?! Wir wollen schleunigst zu Pferde uns nach Süden davonmachen. Unsere Gäule sind ausgeruht und –“
„Sancho!“ unterbrach der bejahrte Vaquero ihn, „ein Trapper wie Felsenherz rät nie etwas Dummes! Das solltest Du Dir selbst sagen. Wenn eine Flucht nach Süden möglich wäre, hätte –“ – Er schwieg. Denn von der Südseite des Hügels war der scharfe Knall eines, Büchsenschusses herübergedrungen und fast gleichzeitig brüllte Juan: „Ich werde die Zweighaufen anzünden!“
Abermals ein Schuß, und dann die Stimme des an der Südseite postierten Mannes: „Sie sind da! Benito – Achtung!“
Juan hatte sein Präriefeuerzeug bereit gehalten.
Die Flammen lohten auf. Die drei Reisighaufen gaben genug Licht, um die Abhänge des Hügels übersehen zu können, die nur schwachen Graswuchs hatten.
Merkwürdigerweise erfolgte jedoch kein Angriff von Seiten der Apachen. Keine Rothaut ließ sich blicken. Sancho war an seinen Platz zurückgekehrt, suchte nun mit den Augen das Dunkel dort unten zu durchdringen und entdeckte doch keine Spur von den gefürchteten Feinden.
„Wer weiß, worauf der Alfonso geschossen hat!“ brummte er jetzt ärgerlich. „Wir hätten fliehen sollen! Das wäre das richtige gewesen!“
Juan war indessen auf eine der Buchen geklettert und schlug hier mit einem Handbeil ein paar, starke trockene Äste ab.
Als er nun wieder herabturnte und sich von dem untersten Ast zu Boden fallen lassen wollte, krachte in der Prärie dicht vor Sanchos Beobachtungsplatz ein Schuß.
Juans Filzhut flog ein Stück davon und fiel in eins der Feuer. Die Kugel hatte den Hut getroffen und noch des Vaqueros Kopfhaut leicht gestreift.
„Ah – so ist’s gemeint, verdammtes Gesindel!“ fluchte der Indsmenfresser, zielte kurz und feuerte auf die Stelle, wo er soeben den Schuß dort am Fuße des Hügels hatte aufblitzen sehen.
Sancho hatte nicht umsonst so viele Jahre in der Wildnis sich mit den Rothäuten herumgeschlagen.
Auf seinen Schuß hin schnellte aus dem Grase ein Apache hoch und sank dann wieder rücklings zu Boden.
„Der fünfundvierzigste!“ brummte Sancho, und seine Augen leuchteten in unauslöschlichem Haß. „Das halbe Hundert wird diesmal noch voll werden! Dann habe ich meinen Schwur erfüllt – endlich!“
Er lud schnell.den abgeschossenen: Lauf seiner Doppelbüchse und stieß die Kugel mit dem Ladestocke fest.
Juan, trotz seiner erst 20 Jahre doch nicht ganz unerfahren, nahm sich den Schuß und den verbrannten Hut zur Warnung und erstieg jetzt die andere Buche von der Innenseite, so daß er von der Prärie aus nicht beschossen werden konnte. Er mußte für neues Feuerungsmaterial sorgen, da die Flammen bereits bedenklich zusammensanken und die Nacht noch lang war.
Gerade als er diesen zweiten Baum glücklich erklettert hatte, knatterten aus dem Dunkel heraus einige zwanzig Schüsse die sämtlich den armen Pferden gegolten hatten.
Die sechs Tiere, die nur mit den Zügeln zusammengebunden und nun von mehreren Kugeln getroffen waren keilten erst wild aus, rissen sich voneinander los und jagten dann den Hügel nach verschiedenen Seiten hinab.
Benito blickte ihnen beklommen nach. Ein Vaquero ohne Pferd ist nur noch ein halber Mensch. Diese Leute, von Jugend an im Sattel, von Jugend an gewohnt, kaum ein paar Schritt zu Fuß zu gehen, sind ohne ihr Pferd fast wie ein Lahmer, dem man die Krücken weggenommen hat. Kein Wunder, daß der alte Vaquero es jetzt fast bereute, so ohne weiteres den Rat des Trappers Felsenherz befolgt zu haben, zumal die Apachen, die unten in der Prärie im hohen Grase lagen, das Davonstürmen der sechs Tiere mit einem gellenden Hohngeschrei begleitet hatten.
Und weiter verging den auf dem Hügel Umzingelten die Nacht in derselben Weise unter steter Wachsamkeit und steter Sorge, daß die Rothäute jeden Augenblick einen allgemeinen Angriff wagen könnten.
Dann begann der Morgen zu grauen. Das dunkle Gewölk, das bisher den Himmel bedeckt hatte, lichtete sich gleichzeitig und mit den ersten Sonnenstrahlen spannte sich ein blauer, wolkenloser Äther über die endlose Prärie aus, in der eine trügerische, verderbendrohende Ruhe herrschte, denn – von den Apachen war weit und breit nichts zu bemerken. Selbst der durch Sancho erschossene Indianer war verschwunden.
Die sechs Vaqueros wußten trotzdem, daß zahlreiche Augenpaare dauernd den Hügel beobachteten und daß jeder Buschstreifen, jeder Strauch ringsum einige der roten Feinde verbarg.
2. Kapitel.
Die List des blonden Trappers.
In derselben kleinen Lichtung, wo in der verflossenen Nacht die Vaqueros gelagert hatten, saßen jetzt am Morgen acht Apachen mit untergeschlagenen Beinen in einem Halbkreise um den Eingang eines ledernen Jagdzeltes herum, das hier für den großen Bär, den Oberhäuptling der Apachenstämme, errichtet worden war.
Die acht Rothäute waren die ältesten und erfahrensten Leute der fünfhundert Mann starken Abteilung, mit der der große Bär vor zwei Wochen die Dörfer der Apachen verlassen hatte, um durch einen kühnen Raubzug nach den texanischen Ansiedlungen seinen Kriegern Pulver, Blei und die am meisten begehrten Büchsen zu verschaffen.
Damals waren die westlichen Indianerstämme Nordamerikas zumeist noch mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Die Schußwaffen, die sie besaßen, waren schlechte Steinschloßflinten. Nur wenige hatten neuere Gewehre mit Zündhütchen, die ja weit sicherer schossen als die sogenannten „Indianerflinten“, die den Rothäuten von gewinnsüchtigen Händlern angeboten wurden –
Vor dem Zelte saß auch der große Bär, ein riesiger, wirklich bärenstarker Indianer, dessen narbenreicher Oberleib und mit den Kriegsfarben bemaltes Gesicht ihn noch wilder und furchtbarer erscheinen ließen.
„Meine roten Brüder haben abermals erkannt,“ sagte er jetzt mit unheilverkündender Ruhe, „daß Felsenherz und Chokariga wie der Wind sind, der uns durch die Finger streicht und der sich nicht fassen läßt. Droben in den Gila-Bergen sind sie uns bereits einmal entkommen. Ihre Pferde und Chokarigas Waffen mußten sie zurücklassen. Meine jungen Krieger haben ihre Fährte gesucht und hatten sie auch gefunden. Ein Bote meldete mir vor drei Tagen, gerade als wir die den Bleichgesichtern geraubte Rinderherde auf Flößen über den Rio Grande schafften, daß die beiden zu Fuß gen Westen wanderten, ihre Spuren aber stets sorgfältig verwischten. Wir haben dann schnell das für den Kriegszug gegen die Ansiedlungen nötige Fleisch gewonnen, das uns die Rinderherde bequemer gab als eine Büffeljagd, zu der uns Pulver und Blei fehlte. Hier gelang es uns, Felsenherz und Chokariga einzukreisen, nachdem noch der fliegende Pfeil mit zweihundert Kriegern wieder zu uns gestoßen war. Wir wußten, daß der Hund von einem Komanchen und der blonde Trapper dort nördlich lagerten, und wir hatten unsere Krieger so verteilt, daß die beiden uns nicht entrinnen konnten. Wir waren hinter ihnen, als sie, durch den Schein des Lagerfeuers der sechs Vaqueros angelockt, hierher schlichen. Wir haben die Vaqueros bis zum Hügel dort drüben flüchten lassen, um Chokariga und Felsenherz desto sicherer zu fangen, denn auch der Hügel war bereits umstellt. Und trotz alledem sind sie jetzt verschwunden, Nur Felsenherz’ Büchse fiel uns in die Hände. – Der große Bär hat selbst in der Nacht den Hügel umschlichen. Dort befinden die beiden sich nicht. Meine roten Brüder, denen bereits der Schnee des Alters die Skalplocke gefärbt hat, mögen mir helfen, die Entflohenen irgendwo zu entdecken. Der große Bär gibt zu, daß er nicht begreift, wo sie sich verborgen halten können. Sie haben diese Büsche nicht verlassen, und doch sind sie verschwunden wie die feigen Krähen die vor dem Adler in die Wolken flüchten.“
Der älteste Krieger erklärte nun:
„Der große Bär hat nichts versäumt, um den beiden jeden Fluchtweg abzuschneiden. Selbst der Bach war oberhalb und unterhalb dieser Büsche durch zwei Ketten unserer jungen Männer abgesperrt, so daß jene selbst schwimmend und tauchend nicht fliehen konnten. Den großen Bär trifft keine Schuld, wenn die beiden schlimmsten Feinde der Apachen abermals entwichen sind. Sie müssen sich durch die Linie unserer Krieger in der Prärie hindurchgewunden haben wie die Klapperschlange, die blitzschnell zwischen den Steinen durchschlüpft, wenn sie sich bedrängt sieht. Der große Bär möge die ganze Umgegend sofort nach Spuren zweier Fußgänger absuchen lassen. Felsenherz und Chokariga können in der Nacht ihre Fährte nur schlecht verwischt haben.“
Auch die anderen Stammesältesten gaben denselben Rat.
So geschah es denn, daß die sechs Vaqueros auf ihrem Hügel nun Zeugen wurden, wie die sämtlichen Apachenkrieger die ganze Umgegend bis zum Abend unermüdlich nach allen Richtungen hin durchstreiften und wie nach Sonnenuntergang die einzelnen Trupps teilweise aus weiter Ferne zurückkehrten und den Hügel wieder einkreisten.
„Sie haben Felsenherz und den Komanchenhäuptling gesucht,“ sagte Sancho, der Indsmenfresser, zu Benito der jetzt dicht neben ihm lag. –
Der alte Vaquero schüttelte wie verwundert den Kopf. „Ich verstehe nicht, wohin sie geflüchtet sein können, Die Rothäute sind ja in solcher Zahl hier auf dem Kriegspfade, daß sie doch fraglos uns in der Nacht schon völlig eingekreist hatten. Felsenherz muß dies gewußt haben. Daher befahl er uns auch so energisch, hier auf diesem Hügel uns zu verteidigen. Ich glaube fast, daß die beiden berühmten Westläufer irgend etwas Besonderes planen –“
„Benito, da sprichst Du ganz meine Gedanken aus,“ meinte der breitschultrige Sancho eifrig. „Man hat von Felsenherz und seinem roten Freunde schon so vielerlei gehört, daß man ihnen alles mögliche zutrauen kann, selbst das, dieser Teufelsbrut von Apachen ein Schnippchen zu schlagen. – Ah – da nähert sich ja unserem Hügel ein einzelner Roter der ohne Waffen ist und einen Zweig schwingt. Ein Unterhändler also!“
Der Apache, kein anderer als der Unterhäuptling, der fliegende Pfeil, blieb am Fuße des Hügels stehen und rief Benito und Sancho, die sich furchtlos erhoben hatten, mit lauter Stimme zu:
„Die sechs Bleichgesichter mögen uns Felsenherz und Chokariga ausliefern. Dann sollen sie freien Abzug gewährt erhalten.“
Sancho lachte grimmig. „Du erkennst mich wohl von früher her wieder, fliegender Pfeil, so gut wie ich Dich kenne! Deine Zunge ist gespalten, Dein Mund trieft von Lügen! Ihr wißt nicht genau, ob Felsenherz und der Komanchenhäuptling sich hier befinden. Aus unserer Antwort wollt Ihr dies nun entnehmen. Unsere Antwort ist: hier befinden sich sechs Männer mit je einer Doppelbüchse und je zwei doppelläufigen Pistolen! Weiter seht Ihr selbst, daß wir den Tag über nicht untätig gewesen, sondern aus Buchenästen einen Verhau um die Bäume errichtet haben, der den Hügel zur Festung macht. Versucht’s, diese Festung zu erobern! – Das ist unsere Antwort! So spricht Sancho, der Indsmenfresser!“
Der fliegende Pfeil hatte den früheren Gambusino mit einem Blick tödlichen Hasses gemustert.
„Die sechs Vaqueros werden am Marterpfahle sterben!“ rief er zurück.
„Das sollte ich schon einige Male, roter Halunke!“ brüllte Sancho, dem die schnell auflodernde Wut schon wieder die ruhige Überlegung trübte. „Glaubst Du, wir haben Angst vor Euch, weil Ihr Euch da in der Prärie zu hunderten umhertreibt?! – Ihr irrt Euch! Felsenherz und Chokariga werden Euch schon einen Denkzettel geben! Sie sind ja frei! Und wenn Du jetzt nicht sofort verschwindest, puste ich Dir ein rundes Stück Blei durch Dein rotes Fell.“
Der fliegende Pfeil machte darauf schweigend kehrt und schritt nach dem Bache zurück, durchwatete ihn und meldete dem Oberhäuptling, daß Sancho, der alte Todfeind der Apachen, sich mit auf dem Hügel befinde und daß der einstige Goldsucher sich soeben insofern verraten habe, als er zugab, Felsenherz und Chokariga seien dort nicht mit umzingelt, sondern frei.
Der große Bär, der wieder vor seinem Zelte saß und dumpf vor sich hin gebrütet hatte, sprang jetzt auf.
„Dann haben unsere Krieger heute wie triefäugige Weiber gesucht!“ stieß er wütend hervor. „Sie hätten die Fährte finden müssen! Die beiden können nicht lautlos wie Nachteulen durch die Luft entflohen sein. Nur hundert Mann bleiben jetzt zur Bewachung des Hügels hier! Die anderen verteilen sich in Trupps zu zwanzig und suchen weiter nach den Flüchtlingen! Wer sie fängt „ob tot oder lebendig, erhält von mir einen Beutel mit Pulver und Blei!!“
Gleich darauf brach die Hauptmasse der Apachen abermals zur Verfolgung auf.
„Aha!“ lachte Sancho, der beim Lichte des scheidenden Tages zusammen mit den Gefährten die sich in die Ferne zerstreuenden Reitertrupps beobachtete, „aha – die roten Banditen beginnen die Jagd von neuem! Viel Vergnügen! Ihr werdet jetzt genau so wenig Erfolg haben wie am Tage, selbst wenn heute nacht der Himmel klar bleiben und der Vollmond scheinen sollte!“ –
Es wurde jetzt rasch dunkel. Die Vaqueros brannten vor ihrem Astverhau vier mächtige Feuer an. Dann legten sich vier von Ihnen zum Schlafe nieder. – Für den heutigen Tag hatten sie noch Lebensmittel und Trinkwasser gehabt. Aber morgen würden dann für sie die furchtbaren Qualen des Hungers und des Durstes beginnen, würden sich immer mehr steigern. Und – was dann geschehen würde, wenn sie kraftlos und matt zu jeder Verteidigung unfähig waren, das wußten sie nur zu genau. Und doch: alle sechs waren keineswegs bedrückt oder sorgenvoll Sie rechneten ebenso bestimmt auf Felsenherz und des Komanchenhäuptlings Hilfe wie auf eine ruhige Nacht ohne feindlichen Angriff, da sie ja sehr wohl feststellen konnten, daß von den Apachen nur etwa hundert Krieger hier zurückgeblieben waren. –
Juan und Sancho hatten beim Auslosen Die erste Wache von 10 bis 1 Uhr morgens erhalten. Sie waren wieder auf eine Buche hinaufgestiegen, von wo sie ja die Prärie weithin übersehen konnten. Die Rothäute hatten im Kreise um den Hügel ebenfalls zahlreiche Feuer angezündet, Dieser Kranz von flackernden Flammen berührte an zwei Stellen den Bach und zwar dort, wo jenseits des etwa zwanzig Meter breiten, an den Ufern verkrauteten und mit Wasserpflanzen teilweise dicht bedeckten Gewässers in der Buschlichtung vor dem Zelte des großen Bären gleichfalls ein Feuer brannte.
Hier saßen jetzt der Oberhäuptling, der fliegende Pfeil und die acht ältesten Krieger wieder beisammen und rauchten schweigend ihre Pfeifen. Diese stillen, fast regungslosen Rothäute, deren bemalte Gesichter der flackernde Feuerschein hin und wieder greller beleuchtete, machten in ihrer ehernen Ruhe einen fast unheimlichen Eindruck.
Dann kam ein junger Apache über den Bach und brachte ihnen zwei frisch gebratene Rehkeulen als Nachtessen.
Nachdem er das Gewässer wieder durchwatet hatte, ereignete sich an einer steilen Uferstelle dicht bei den Büschen etwas sehr Seltsames.
Ein Teil der Wasserpflanzen hob sich von der Oberfläche des Baches langsam empor, und Felsenherz Kopf wurde sichtbar. Im Munde hielt der blonde Trapper noch das hohle, dicke Stück Schilfrohr, mit dessen Hilfe ihm ebenso wie auch Chokariga unter Wasser das Atmen ermöglicht worden war.
Die beiden Westmänner, deren Taten von dem Felsengebirge im Norden bis hinab zu den Sandebenen Mexikos an allen Lagerfeuern stets neuen Stoff zur Unterhaltung gaben, hatten in der verflossenen Nacht nach einem wohlüberlegten Plane gehandelt, als sie, um wieder in den Besitz ihrer wertvollen, treuen Pferde und Chokarigas Waffen zu kommen, sogar noch Felsenherz Büchse preisgaben und sich in der unterwaschenen Uferbuschung hinter dem Vorhang von Wurzeln und herabhängenden Grashalmen verbargen. Die Apachen hatten natürlich auch hier schon in der Nacht nach ihnen gesucht. Die beiden Freunde waren jedoch rechtzeitig untergetaucht, tiefer in den Bach hineingekrocken und hatten hier so lange unter Wasser durch die Schilfröhrchen geatmet, bis die Gefahr vorüber war und sie wieder ihr erstes Versteck aufsuchen konnten, wo sie dann unbelästigt blieben. Jetzt hatte Felsenherz sich wieder hervorgewagt. Mit äußerster Vorsicht musterte er die beiden Bachufer, ahmte dann das Zirpen einer Grille nach und rief so den Komanchenhäuptling zu sich, der nun gleichfalls nur mit dem Kopfe über den Schlingpflanzen aufmerksam umherspähte.
Das nächste Wachtfeuer der Apachen brannte etwa achtzig Schritt entfernt am Bachufer. Sein Schein reichte nicht bis hierher. Lautlos bewegten die beiden sich nun dem Nordufer zu, krochen auf allen Vieren, Felsenherz ein Stück voraus, in die Prärie hinein und näherten sich so den in einem Tale weidenden Pferden der beiden Häuptlinge und der acht ältesten Krieger. Die Tiere wurden hier von zwei jungen Apachen bewacht, während ein dritter das Buschwerk als Posten umschritt.
Felsenherz und der Häuptling stellten zu ihrer Freude fest, daß auch ihre beiden. Pferde, ein Brauner und ein Rappe, dicht neben den Indianergäulen angepflockt waren.
„Mein Bruder Harry hat wieder einmal den richtigen Weg gefunden, unser Eigentum zurückzuerlangen,“ flüsterte der Komanche jetzt. „Die meisten Apachen sind, wie mein Bruder dies voraussah, auch jetzt nachts in der Prärie verteilt, um uns zu suchen, Wir werden sehr bald unsere Pferde und Büchsen wiederhaben.“ _
Nach kurzer leiser Zwiesprache bewegten sie sich jetzt auf die Büsche zu, wichen dem Posten, der unaufmerksam auf und ab schlenderte, aus und schoben Zentimeter für Zentimeter näher an das Zelt heran.
Der große Bär sagte gerade, ohne seine Stimme irgendwie zu dämpfen, da er sich hier völlig sicher wähnte:
„In der Hazienda Lago del Parral werden wir gute Beute machen. Der Besitzer ist reich. Die beiden Späher, die ich vorausgeschickt hatte und die nachmittags zurückgekehrt sind, meldeten, daß dort noch zehn Vaqueros weilen, die als Verteidiger der Hazienda in Betracht kommen, außerdem das reiche Bleichgesicht Sennor Alvaro und fünf Diener. Die nächste Hazienda aber ist zwölf Tagesritte entfernt, so daß wir dort leichtes Spiel haben werden und niemand dem Sennor zu Hilfe kommen kann.“
Die hier vor dem Zelte sitzenden Apachen besprachen den Überfall nun in ihrer bedächtigen Art mit allen Einzelheiten, wobei der große Bär noch erwähnte, das er gar nicht daran denke, seine Krieger durch einen offenen Angriff auf den Hügel zu opfern, sondern die Vaqueros aushungern wolle, indem er hundert Mann hier zurücklassen würde, falls bis morgen mittag der Trapper und der Komanchenhäuptling nicht gefunden seien.
Alles dies hörten Felsenherz und Chokariga, der schwarze Panther mit an. Geduldig warteten sie nun, bis die zehn Apachen gegen Mitternacht sich trennten. Hier in der Lichtung blieben nur der große Bär, der fliegende Pfeil, und die beiden ältesten Krieger zurück, die mit dem Oberhäuptling das Zelt teilten.
Das Feuer brannte nun immer mehr herab. Nur der große Bär war noch im Freien geblieben. Die drei anderen schliefen bereits. Der hünenhafte, herkulische Häuptling schritt jetzt durch die Büsche dem Bachufer zu und schaute nach dem Hügel hinüber. Seine Gedanken waren dort drüben, wo unter den Bäumen vor dem Verhau die Feuer der Vaquereos flackerten. Dort also befand sich der Gambusino Sancho, der Indsmenfresser, – der Mann, den der große Bär neben Felsenherz und dem schwarzen Panther am meisten haßte.
Diese Todfeindschaft war gegenseitig. Als der riesige Apachenhäuptling jetzt an all die Krieger dachte, die des Gambusinos sichere Büchse nacheinander ausgelöscht hatte, zuckte seine Hand unwillkürlich nach dem Gürtel, der mit den Skalpen erschlagener Feinde geschmückt war. Nur ein einziger Skalp war darunter, der einem noch Lebenden, dem Gambusino, gehörte.
Dann reckte der große Bär den muskelstrotzenden Arm zu einer drohenden Gebärde gegen den Hügel hoch.
„Ihr werdet am Marterpfahle sterben, Ihr sechs!“ sagte er halblaut. „Und auch der Hund von Komanche und der blondbärtige Jäger –“
Da – eine Hand hatte sich leicht auf seine Schulter gelegt.
Er fuhr herum.
Das Licht des soeben aufgegangenen Mondes beschien das edle, ernste Gesicht des Trappers Felsenherz.
Der große Bär war geistesgegenwärtig genug, sofort mit beiden Händen nach des verhaßten Feindes Kehle zu greifen.
Doch – dieser Aufwärtsbewegung seiner Arme kam der Jagdhieb des Trappers zuvor, dessen rechte Faust den Apachen blitzschnell gegen die Herzgrube traf, während die Linke gleichzeitig fast dessen Hals umspannte.
Der halbe Aufschrei des bewußtlos Umsinkenden erstickte in einem dumpfen Gurgeln.
Felsenherz hatte den Apachen aufgefangen, legte ihn in das Gras und band ihn schnell mit den bereitgehaltenen Riemen, zwängte ihm auch einen Knebel in den Mund.
Dann schleppte er den schweren Körper mühelos seitwärts nach einem einzelnen Busch und schlüpfte nach der Lichtung zurück, wo inzwischen auch der Posten, der bisher nach der Prärie zu das Buschwerk umrundet hatte, von Chokariga überwältigt und gefesselt worden war.
Die beiden Freunde nahmen mit Bestimmtheit an, daß ihre Büchsen und des Komanchen sonstige Waffen sich in dem Zelte befänden. Es galt nun, auch den Unterhäuptling und die beiden alten Apachenkrieger unschädlich zu machen. Das Feuer glimmte nur noch. Das Mondlicht aber wurde durch die hohen Büsche abgesperrt, so daß es auf der Lichtung recht dunkel war.
Felsenherz schob sich jetzt allmählich in das Zelt hinein. Die tiefen Atemzüge darin bewiesen, daß die drei fest schliefen. Und trotzdem war es ein äußerst gefährliches Unterfangen hier in dem stockfinstern Zeltinnern nach den Waffen den Boden abzutasten.
Der blonde Trapper befühlte behutsam jeden Gegenstand jeden der lang ausgestreckt ruhenden Körper. Links war ein Platz für den Oberhäuptling frei gelassen werden. Und hier lagen wirklich die beiden Büchsen, lagen Chokarigas Tomahawk, Jagdmesser, Pulverhorn und Kugelbeutel.
Felsenherz reichte die Waffen nachdem er das Zelt ein Stück an dieser Seite aufgeschnitten hatte, seinem roten Freunde hinaus.
Alles schien gut zu gehen. Da – ein unglücklicher Zufall wollte es, daß gerade jetzt ein Apache, über den Bach gekommen war, um den bereits von Chokariga überwältigten Posten abzulösen. Als dieser Krieger den Wächter nirgends fand, drang er in die Büsche ein, erkannte sofort den Komanchen an dem langen Haar und den Adlerfedern im Haarschopf, zog das Messer und sprang Chokariga von hinten lautlos an.
Doch –des Komanchen feines Gehör hatte sehr wohl das leise Knacken eines unter dem flüchtigen Fuße des Feindes brechenden Astes vernommen.
Er schnellte sich zur Seite, und der ihm zugedachte Messerstich traf nur noch das rechte Schultergelenk, lähmte aber immerhin den rechten Arm derart, daß der schwarze Panther mit der Linken nun den neuen Angriff abwehren mußte.
Der Apache, ein noch sehr junge Krieger, stieß jetzt einen schrillen Schrei aus, um seine Stammesgenossen zu alarmieren. Im selben Moment hatte Chokariga schon sein Handgelenk gepackt und versetzte ihm mit dem rechten Knie, indem er ihn zu sich heranriß, einen solchen Stoß gegen die Magengrube, daß der Apache stöhnend umsank und sich vor Schmerzen am Boden wälzte.
Felsenherz war auf den gellenden Ruf des Feindes rasch aus dem Zelte hervorgekrochen. Mit einem Blick überschaute er die Lage. Der schwarze Panther hob soeben seine Waffen auf, wobei er sich nur des linken Armes bedienen konnte.
„Zu den Pferden!“ brüllte Felsenberg und faste schon nach den Zeltstangen, brachte das schwere Vorderzelt zu Fall und begrub so den fliegenden Pfeil und die beiden alten Krieger unter der Last der faltenreichen Hirschhäute.
Dann bückte er sich, raffte seine doppelläufige Flinte auf und sprang hinter dem Komanchen drein.
Die beiden Wächter bei den Pferden in dem nahen Tale sahen im Mondlicht den schwarzen Panther herbeistürmen. Sie waren nur mit Bogen und Pfeilen bewaffnen erkannten gleichfalls des berühmten Häuptlings schlanke Gestalt und wenige Schritte zurück den gefürchteten Trapper. Auch dies waren noch recht junge Leute, die jetzt ihren ersten größeren Kriegszug mitmachten. In ihrer Brust stritten für Sekunden die Liebe zum Leben mit dem Pflichtgefühl des Kriegers. Dann spannten sie fast gleichzeitig ihre Bogen. Und beide Pfeile verließen im gleichen Augenblick die Sehnen. Auf diese kurze Entfernung mußte der Komanche getroffen werden. Aber – er wich nur kaum merklich zur Seite aus schwang mit der Linken, die anderen Waffen fallen lassend den Tomahawk.
Das nie fehlende Schlachtbeil schwirrte durch die Luft. Der eine der Apachen floh jetzt. Der andere wollte dem Wurfe entgehen, duckte sich, sprang nach links. Um den Bruchteil einer Sekunde zu spät! Die Schneide des Tomahawk schmetterte Ihm gegen die Stirn. Er breitete die Arme aus und schlug rücklings in das Gras.
Gleich darauf saßen Felsenherz und Chokariga auf ihren Pferden die ihre Herren mit freudigem Wiehern nach so langer Trennung begrüßt hatten.
Auch die zehn Indianergäule nahmen sie mit, sprengten nun in Karriere nach Norden zu, wo ein dünner Waldstreifen sich im Bogen bis an den Bach hinzog.
Hinter dieser Baumkulisse änderten sie die Richtung, bogen nach Südwest ab und erreichten den Bach zu derselben Zeit, als ein Apachenschwarm von etwa vierzig Reitern im Mondlicht ihre Fährte aufgenommen hatte und ihnen ebenfalls in gestrecktem Galopp folgte.
Die Stelle, wo die beiden Freunde nun den Bach überschritten, lag etwa tausend Meter westlich von dem Hügel mit den drei Buchen. Da sich inzwischen der auf der Lichtung von Chokariga niedergeworfene Apache soweit erholt gehabt hatte, daß er den anderen, die auf seinen schrillen Schrei hin über das Gewässer gekommen waren, mitteilen konnte, Felsenherz und der schwarze Panther seien soeben erst nach Norden zu entwichen war diese Kunde wie ein Lauffeuer bis zu den Wachen gedrungen, die den von den Vaqueros besetzten Hügel einkreisten.
Sancho, der Indsmenfresser, und der junge Juan beobachteten nun zu ihrem Erstaunen, daß die meisten Apachen in wilder Hast ihre Pferde bestiegen und dem Bache zu jagten.
„Ah – da haben fraglos Felsenherz und der Komanche der Satansbrut etwas zu raten aufgegeben!“ lachte Sancho „Wußt ich’s doch, daß die beiden noch irgendwo in der Nähe steckten! – Juan, wecke mal schnell die übrigen. Ich muß mit Benito schleunigst beraten, ob wir diese gute Gelegenheit nicht benutzen sollen –“
3. Kapitel.
Nach der Hazienda Lago del Patral.
Als der alte Benito durch den schmalen Eingang des Verhaus ins Freie gekrochen war und Sancho ihm alles Nötige erklärt hatte, sagte jener bedächtig:
„Nein, Sancho, warten wir besser ab, was weiter geschieht. Zu Fuß zu fliehen ist eine mißliche Sache! Bedenke, daß gegen vierhundert von den roten Halunken dort in der Ferne in der Prärie umherschwärmen. Vielleicht –“
Er packte da plötzlich Sanchos Arm und deutete nach links.
„Siehst Du dort am Bachufer im trüben Mondlicht den beweglichen dunklen Fleck? Das sind mehrere Pferde und nur zwei Reiter dabei! Das sind die beiden Retter! Amigos – jetzt, gilt’s! Vorwärts – kriechen wir den Hügel hinab den beiden entgegen!“
Die Aufmerksamkeit der zurückgebliebenen Wachen war jetzt mehr auf die Vorgänge jenseits des Baches als auf die sechs Vaqueros und den Hügel gerichtet.
Sancho voran gelangten die Vaqueros denn auch glücklich im hohen Präriegrase zwischen zwei Feuern hindurch und begannen, als sie eine flache Talmulde erreicht hatten zu laufen.
Gerade als Felsenherz und der schwarze Panther nun im Galopp auf den Hügel zusprengten, erschienen links von ihnen die sechs, die sie hatten befreien und mit Pferden versehen wollen.
Kein unnützes Wort wurde gewechselt. Die überflüssigen vier Indianergäule ließ man laufen. Dann jagte der Trupp nach Südwest weiter.
Aber auch die Verfolger hatten den Bach bereits hinter sich und gewahrten die Flüchtlinge, als diese notgedrungen die Bodensenkung, in der sie bisher entlanggeritten waren, verlassen und eine Anhöhe passieren mußten.
Das wilde Kriegsgeschrei der Apachen belehrte die acht Männer, daß sie entdeckt waren. Zu allem Unheil war ihr Vorsprung sehr gering, betrug kaum fünfhundert Meter.
„Wir müssen ihnen aus Sichtweite!“ brüllte Sancho, der soeben zurückgeblickt hatte. „Das verdammte Mondlicht könnte gerade heute getrost trüber sein! Es ist ja fast taghell!“
Felsenherz auf seinem Braunen und Chokariga auf seinem nicht minder schnellfüßigen Rappen hätten allein die Apachen sehr bald hinter sich gelassen. Aber die Indianermustangs, kleine, struppige Gäule, die wohl zäh und abgehärtet, aber nicht eben Rassepferde waren, konnten mit den Tieren der beiden berühmten Westmänner nicht mithalten.
So blieb denn der Zwischenraum zwischen Verfolgern und Verfolgten wohl zehn Minuten derselbe.
Dann bog Felsenherz jedoch scharf nach Osten ab, wo ein dunkler langer Strich einen nahen Wald anzeigte.
Abermals zehn Minuten später war dieser Wald erreicht. Der blonde Trapper sprang ab und nahm seinen Braunen wortlos beim Zügel. Die anderen taten dasselbe. So schritten die acht Männer nun mit ihren Tieren eine Berglehne hinan, gelangten in ein kahles Tal, durchquerten es, betraten wieder den Wald und stiegen dann in die Prärie hinab.
Hier am östlichen Waldrande berieten Felsenherz und der schwarze Panther die Fortsetzung der Flucht. Sancho erklärte, als der Trapper ihn fragte, ob er es sich zutraue, in gerader Richtung die Hazienda Lago del Parral zu erreichen, dies sei weiter kein Kunststück.
So erfuhren die sechs Vaqueros jetzt auch, daß die Apachen es auf die Hazienda abgesehen hatten, was Benito veranlaßte, zu höchster Eile zu mahnen. –
Der frühere Gambusino übernahm nun die Führung. Da man die Verfolger jetzt für gut eine Stunde losgeworden war, wurden die Pferde geschont. Aber jeder der acht Männer hielt auch bei dem kurzen Trab seine Büchse schußbereit über dem Sattel, selbst Chokariga, dessen rechter Arm noch immer infolge des Messerstiches wie gelähmt war. –
Die Prärie änderte hier nach Osten zu ihre Beschaffenheit. Einzelne Felspartien, kahle, zerklüftete Hügel, gaben der Grassteppe mehr Wüstencharakter.
Felsenherz ritt neben Sancho und ließ seine Augen unermüdlich über die mondhelle Landschaft hinschweifen. Mußte man hier doch jeden Moment damit rechnen, einem der Apachentrupps zu begegnen, die der große Bär am Spätnachmittag ausgeschickt hatte.
Doch – es mochte ein Zufall sein! – der Morgen begann bereits zu grauen, ohne daß man auf einen dieser Trupps gestoßen wäre.
Plötzlich trat jetzt ein Zwischenfall ein, der die schnelle Fortsetzung der Flucht unmöglich machte: der schwarze Panther, durch den Blutverlust und Schmerzen völlig ermattet, sank bewußtlos vom Pferde.
Dies verursachte einen Aufenthalt von über einer Stunde. Dann erst erlangte Chokariga durch die Bemühungen seines weißen Bruders Harry die Besinnung wieder.
Benito, der alte Vaquero, schlug unter diesen Umständen vor, daß er mit Juan vorausreiten und die Bewohner der Hazienda warnen wolle.
Felsenherz erkannte selbst, wie sehr nun die Flucht und die Verwundung des Komanchenhäuptlings verzögert werden würde, bei dem sich fraglos nach ein paar Stunden schweres Wundfieber einstellen mußte.
So verließen denn Benito und Juan die Gefährten und jagten weiter, während die Zurückbleibenden für den schwarzen Panther in einem Gehölz eine Art Sessellehne herstellten, die an dem Sattel des Rappen befestigt wurde und es dem Häuptling ermöglichte, sich hinten anzulehnen.
Der blonde Trapper verhehlte sich nicht, daß man recht geringe Aussichten hätte, den Apachen zu entgehen. Bis zur Hazienda waren es noch gut zwei und ein halber Tagesritt. Während dieser Zeit mußten die Feinde den kleinen Trupp, der nur noch kurze Strecken in Rücksicht auf den Komanchen im Galopp zurücklegen konnte, längst eingeholt haben.
Als man jetzt nach anderhalbstündiger Rast aufbrach, erklärte Felsenherz dem früheren Goldsucher, daß er versuchen wolle, die Verfolger irrezuführen.
Man ritt daher mehr nach Südost auf einen langen flachen Höhenzug zu, dessen steiniger Boden, nachdem man den Pferden die Hufe mit Decken umwickelt kaum eine Fährte annahm.
In diesen Felsenhügeln bog der Trupp wieder nach Osten ab und erreichte drei Stunden später das Ufer eines jener hier nicht seltenen salzhaltigen Seen, wo der Trapper seinen Braunen in das Wasser trieb und so den See halb umrundete, wodurch nun jede Spur vermieden wurde.
Da man an dem See des Komanchen Verband mehrmals hatte erneuern können und da hier auch Kräuter wuchsen, die zerquetscht ein gutes Fiebermittel abgaben, so besserte sich des Verwundeten Befinden so weit, daß man jetzt zwei Stunden im Galopp weiterreiten konnte. Bis zum Abend hatte man noch immer nichts von den Verfolgern bemerkt, und Felsenherz äußerte mit Recht, daß man die Apachen nicht weiter zu fürchten hätte.
Die beiden nächsten Tage verliefen dann ebenfalls ohne jeden Zwischenfall. –Gegen sieben Uhr abends war man der Hazienda bis auf drei Meilen nahe gekommen. Sancho wollte nun vorauseilen und Sennor Alvaro die bevorstehende Ankunft der Flüchtlinge melden. Hiermit war Felsenherz einverstanden.
So blieben denn bei dem Verwundeten und dessen weißem Bruder nur noch drei Vaqueros zurück. Dem schwarzen Panther ging es seit gestern jedoch leider wieder schlechter. Die Wunde eiterte, da der Verband nicht genügend hatte gewechselt werden können. Der kleine Trupp konnte sich also nur im Schritt vorwärts bewegen, was trotzdem für den Komanchen fast unerträgliche Qualen schuf.
Die Sonne war soeben unter den Horizont getaucht. Eine wundervolle Abendröte färbte den westlichen Himmel und übergoß die weite, hügelige Prärie mit rosigem Schein.
Überall lagerten hier in dem saftigen Grase kleinere und größere Rinderherden, die zum Viehbestande der Hazienda gehörten. Der Boden war zerstampft von den tausenden von Tieren, die den Reichtum Sennor Alvaros ausmachten, dessen Grundbesitz sich fast bis an den Rio Grande hinzog und dessen Herden zum Teil bis zu dreißig Meilen von der Hazienda entfernt die Prärie bevölkerten.
Einer der Vaqueros namens Estevan ritt neben Felsenherz her. Ein zweiter führte des Komanchen wundervollen Rappen am Zügel, denn Chokariga war nicht mehr imstande, selbst die Zügel zu halten. Der dritte Vaquero bildete die Nachhut des kleinen Zuges.
„Sennor Felsenherz,“ meinte Estevan jetzt fröhlich, „was sinnt Ihr so trübe vor Euch hin?! Wir sind doch bald in Sicherheit!“
Der Trapper blickte weiter starr in die Ferne, wo hinter einem Hügelrücken und einem Walde die Hazienda liegen mußte
„Ich denke daran, daß wir den gefährlichsten Teil der Flucht vielleicht noch vor uns haben Estevan!“ erklärte ex ernst. „Wenn der große Bär klug gehandelt hat, dann hat er die Hälfte seiner Krieger auf dem kürzesten Wege nach der Hazienda vorausgeschickt und uns so einen Hinterhalt dicht vor dem Ziele legen lassen –“
„Ah!“ rief Estevan erschrocken, „da mögt Ihr wohl recht haben, Sennor! Wenn dem so ist, werden auch Benito und Juan vielleicht –“
Er schwieg.
Der Abendwind, der aus Osten herüberwehte, hatte den Reitern den schwachen Knall zweier Schüsse zugetragen.
„Das war Sanchos Büchse!“ flüsterte Estevan erregt. – „Sennor, wir –“
Felsenherz war zurückgesprengt, faßte den Zügel des Rappen und jagte nun ohne jede Rücksicht auf den verwundeten Freund, den man schon morgens im Sattel festgebunden hatte, nach Süden zu ein ausgetrocknetes Flußbett entlang.
Die drei Vaqueros folgten. Die Prärie stieg hier allmählich an. Der Graswuchs wurde dürftiger. Dafür tauchten Baumgruppen und Sträucher auf, einzelne Felspartien und weite gelbliche Kakteenfelder.
Die Abendröte verglomm immer mehr. Die Dunkelheit kam. Felsenherz war jetzt überzeugt, daß der große Bär, den seine Krieger wohl sehr bald dort am fernen Bache aufgefunden und von den Fesseln befreit hatten, mit der Hauptmacht der Apachen die Hazienda längst erreicht und völlig umzingelt hatte. – Er fragte daher den Vaquero Estevan, ob es hier in der Nähe nicht ein sicheres Versteck gäbe, wo man den Häuptling zunächst zurücklassen könnte.
Estevan bejahte und deutete auf einen einzelnen zerklüfteten Berg. „Dort befindet sich eine Höhle, die sich mit vielen Nebengrotten tief ins Erdinnere hineinzieht. Ihr Eingang liegt in einer Schlucht, die schwer zugänglich ist.“ –
Es war bereits völlig finster, als man sich dem Berge näherte. Einige Felskolosse die am Fuße des Berges aus der Prärie herausragten, mußte man jetzt umgehen, da sie von stachligem Dornengestrüpp umwuchert waren.
Estevan, der den Führer spielte, war etwa zehn Schritt voraus. Da – mit einem Male erhob sich ringsum das gellende Kriegsgeheul der Apachen. Vor wenigen Minuten erst hatte die Mondscheibe ihre ersten milchigen Strahlen über die stille Landschaft geworfen, die nun wie mit einem Schlage von Rothäuten wimmelte.
Schüsse knallten. Der Kreis der Apachen, die hier den Flüchtlingen einen klug berechneten Hinterhalt bereitet hatten, schloß sich enger und enger.
Felsenherz erkannte, daß er jetzt im Interesse seines roten Bruders nur eins tun könne: sich durchschlagen und nachher dann versuchen, ihn, der wehrlos hier in die Hände der Apachen fiel zu befreien!
Er drückte seinem Braunen die Hacken in die Weichen, sprengte gerade auf die daherstürmende Linie der Rothäute zu.
Wieder eine unregelmäßige Salve aus den miserablen Indianerflinten, die dem Pferde des Trappers galt, um es zu töten, damit sein Herr lebend den Apachen gehörte.
Die Kugeln gingen fehl. Drei ältere Krieger sprangen Felsenherz an. Der Braune stieg vorn hoch, und der Tomahawk des blonden Hünen mähte die Angreifer hin.
Noch zwei Sätze tat der Braune.
Nun ein furchtbarer Ruck. Ein Lasso war durch die Luft geschwirrt, hatte des edlen Tieres Hals umschlungen, und der Arm des fliegenden Pfeiles, des großen schlanken Unterhäuptlings, hatte die Schlinge mit so kräftigem Ruck zugezogen, daß das Tier zitternd nach hinten einknickte.
Diesen Moment benutzte ein anderer Apache dazu, sich hinter Felsenherz auf die Kruppe des Pferdes zu schwingen und dem Trapper die Hände wie Eisenklammern um den Hals zu legen.
Doch auch diese Angreifer sollten sich verrechnet haben.
Der blonde Westmann hieb dem Braunen die Hacken in die Weichen.
Das Tier schnellte vorwärts. Der Unterhäuptling, der das Ende des Lassos bereits um die Zacke eines Felsblockes gewunden hatte, brüllte vor Schmerz jäh auf. Die Schlingen des Lederriemens hatten ihm die Finger gegen den Stein gepreßt, rissen ihm ganze Fetzen Haut herunter. Der Lasso glitt ab, und das halb erwürgte Tier raste den Lasso nachschleifend von dannen. –
Der Rote, der hinter Felsenherz saß und ihn aus dem Sattel zu zerren suchte, erhielt plötzlich von der nach rückwärts fahrenden rechten Faust des Trappers einen solchen Stoß ins Gesicht, daß er den Hals des weißen Feindes freigeben mußte und mit eingeschlagenen Zähnen vom Pferde glitt.
Dann trennte auch schon die scharfe Messerklinge die würgenden Riemen auseinander. Keuchend holte das brave Tier Atem, raste weiter, bis nach etwa einer Viertelstunde plötzlich vor dem glücklich Entronnenen die im Mondlicht silbern schimmernde Fläche eines großen Sees auftauchte.
Es war der Lago del Parral, der Parral-See, nach dem die Hazienda Sennor Alvaros ihren Namen erhalten hatte.
Felsenherz wusste durch Benitos Schilderung, daß die Gebäude der Viehfarm sich auf einer Halbinsel erhoben, die sich am Westufer in den See hineinerstreckte. Ein kurzer Blick, und er hatte sich genügend orientiert. Dort links, etwa dreihundert Meter ab, leuchteten die weiß getünchten Gebäude. Aber – dort, wo die Halbinsel sich mit dem Festland vereinigte, leuchteten auch zahlreiche Feuer, an denen sich dunkle Gestalten bewegten: die Wachtfeuer der Belagerer, der Apachen!
Nicht genug damit: die Apachen mußten auch die Boote des Haziendenbesitzers in ihre Gewalt bekommen haben, denn dort vor der Halbinsel schillerten bewegliche Flammen, die nur von Feuern herrühren konnten, die die Rothäute auf einer Steinunterlage in den Booten zur Bewachung der Wasserseite der Hazienda angezündet hatten.
Noch war Felsenherz von den Wächtern der Apachen nicht bemerkt worden. Er stieg schnell ab und führte seinen Braunen zum Ufer hinab in ein Gebüsch, wo er und sein Tier vorerst geborgen waren.
Hier ließ er es wohl zehn Minuten verschnaufen. Dann schnitt er aus den Büschen Zweige ab und befestigte sie am Zaumzeug des Braunen, damit der Pferdekopf bei der beabsichtigten Schwimmtour den Eindruck eines treibenden Strauches hervorriefe.
Nun nahte die Entscheidung; nun würde es sich zeigen, ob es glückte, die Wassertreppe der Baulichkeiten an der Spitze der Halbinsel zu erreichen.
Felsenherz nahm den Braunen wieder am Zügel und geleitete ihn langsam in den sehr bald recht tief werdenden See hinein. Als das Tier zu schwimmen begann, schlang er sich die Zügel so um den linken Oberarm, daß der Braune ich mit über Wasser hielt. In der Rechten hatte er die gespannte Doppelbüchse.
Vorsichtig drängte er durch kurze Schwimmstöße mit den Beinen sein Pferd in die gewünschte Richtung. Das kluge Tier schnaubte nicht. So ging es denn allmählich der Spitze der Halbinsel entgegen, zugleich aber auch immer näher an das eine Boot heran, in dem acht Apachen, durch den Feuerschein der vorn im Bug brennenden Scheite grell beleuchtet, etwa achtzig Meter vor der Wassertreppe langsam auf und ab ruderten. Die beiden anderen Boote waren so weit ab, daß der Trapper sie kaum zu fürchten brauchte.
Er lenkte den Braunen jetzt mehr nach links, um dem Boote auszuweichen.
Da war es einer der am Ufer stehenden Posten der, auf das treibende Strauchwerk aufmerksam geworden, das Boot anrief.
Felsenherz packte seine Büchse fester. Es hatte jetzt keinen Zweck mehr, das Boot zu vermeiden und einen Umweg zu machen. Hier mußte er sich mit Gewalt freie Bahn erkämpfen.
Die acht Apachen waren jetzt aufgestanden. Zwei ruderten, Die übrigen sechs hatten Flinten im Arm. Sie starrten mißtrauisch nach dem schwimmenden Busche hinüber, sprachen erregt miteinander und spannten ihre einläufigen Gewehre.
Felsenherz, dieser seltene Mann, der in kurzer Zeit im wilden Westen es zu so großer Berühmtheit gebracht hatte, vergoß ungern Menschenblut. Wo es nur irgend anging, schonte er seine Feinde. Jetzt durfte er es nicht. Sein eigenes Leben stand ja auf dem Spiele, dazu noch die Freiheit seines besten und einzigen Freundes, des schwarzen Panthers.
Bisher hatte auch er sich in den grünen Zweigen mit verborgen gehalten. Nun mußte er mehr Bewegungsmöglichkeit haben, tauchte hervor aus dem schützenden Laube, legte an, zielte kurz.
Zweimal drückte er ab. Zwei Schüsse dröhnten über das Wasser hin.
In dem Boote sanken zwei Apachen, durch die Stirn getroffen, halb über Bord und brachten es so sehr aus dem Gleichgewicht, daß es Wasser schöpfte und die überlebenden Rothäute nicht zum Schusse kamen. Zischend löschte das eingedrungene Wasser die lodernden Brände.
Die vier Apachen feuerten jetzt, trafen nicht.
Und Felsenherz drängte den Braunen hastig näher an das schwankende Boot heran. Er wußte, wie stark sein Name schon allein auf die Rothäute wirkte, wie leicht sie sich verblüffen ließen.
„Hier ist Felsenherz und der schwarze Panther!“ brüllte er. „Die Apachen mögen aus dem Boote springen, oder unsere Kugeln werden sie schnell hinwegraffen!“
Mit schrillen Rufen stürzten sich drüben die sechs Krieger wirklich ins Wasser und schwammen dem nächsten Boote zu. –
Felsenherz erreichte drei Minuten später die Wassertreppe.
Über ihm von der Mauer herab blitzten jetzt Schüsse auf. Sie galten dem zweiten Boote, das sich heran gewagt hatte.
Dann wurde die Mauerpforte geöffnet. Schnaubend und prustend arbeitete sich der Braune aus dem Wasser und faßte auf der Treppe festen Fuß.
Felsenherz und das wackre Tier verschwanden hinter der starken Balkenpforte.
4. Kapitel.
Der kleine Nachen.
Die Hazienda Lago del Parral war damals die am weitesten in die südlichen Indianergebiete vorgeschobene Ansiedlung. Der Besitzer Sennor Alvaro, ein geborener Spanier von außergewöhnlicher Energie und Umsicht, hatte den riesigen Landkomplex vor sechs Jahren für einen Spottpreis von der texanischen Regierung erworben. Es war von ihm ein Wagnis ohnegleichen gewesen, hier mitten in den Prärien, die mit zu den Jagdgefilden der nordwestlich wohnenden Apachen und der im Norden ansässigen Komanchen gehörten, eine Hazienda zu gründen. Er hatte jedoch insofern Glück gehabt, als die Rothäute nur selten in größerer Zahl so weit nach Süden ihre Streifen ausdehnten, da es für sie hier nichts gab, was ihre Habgier hätte reizen können. So war es ihm denn möglich gewesen, mit Hilfe seiner Vaqueros ungestört auf der Halbinsel einen festungsartigen Gebäudekomplex zu errichten, der nach der Fertigstellung von einer Indianerhorde kaum zu erobern war.
Um die drei Gebäude – Wohnhaus und zwei Ställe zog sich eine fünf Meter hohe Steinmauer herum, die außerordentlich stark und auf der Innenseite mit einem breiten Vorsprung derart versehen war, daß dieser es den Männern ermöglichte, auch über die Mauerkrone hinwegzufeuern. Die Tore waren außen mit Eisenblech benagelt und ebenso hoch wie die Mauer, trugen ebenfalls noch spitze, lange, nach außen gebogene Eisenzacken, die ein Erklettern sehr erschwerten. Kurz: Sennor Alvaro hatte nichts versäumt, seine Besitzung gegen jeden Überfall zu sichern.
In den sechs Jahren seit Gründung dieser ausgedehnten Viehfarm waren nur zweimal kleinere Apachenabteilungen in friedlicher Absicht in der Nähe der Hazienda erschienen und hatten um Überlassung von Pulver und Blei gebeten. Sennor Alvaro war aus Klugheit ihren Wünschen nicht abgeneigt gewesen, wenn er auch nicht gerade das beste Pulver ihnen überließ. Andererseits hatte er sie aber, um ihnen einen Begriff von der Verteidigungsmöglichkeit seiner Besitzung zu geben, einen Blick in die Waffenkammer tun lassen, wo in Gestellen gegen vierzig Gewehre aller Art standen.
Gerade diese Büchsen und Karabiner waren es dann, die den Oberhäuptling der Apachen zu dem Raubzuge gegen die Hazienda bestimmt hatten. –
Als Felsenherz jetzt den im hellen Mondschein daliegenden Hof der Hazienda betrat, streckten ihm Benito und Juan erfreut die Hände entgegen.
„Karamba!“ meinte der alte Vaquero, „da seid Ihr mit knapper Not den roten Schuften entschlüpft, Sennor Felsenherz! – Willkommen hier in unserer Festung! Unser Herr hat sich vor zwei Stunden zum Schlafe niedergelegt, sonst hätte er Euch hier begrüßt. Wir, der Juan und ich, sind von den Apachen ebenfalls wie toll gehetzt worden. Die Bande war bereits in der Nähe der Hazienda angelangt, hat sich also offenbar gar nicht um unsere Fährten gekümmert, sondern ist in der Annahme, daß auch Ihr, Sennor, und Chokariga hierher eilen würdet, auf dem kürzesten Wege bis zum Lago del Perral geritten.“
Im Laufe des Gesprächs erfuhr Felsenherz dann auch, daß Sancho, der Gambusino, nicht auf der Hazienda eingetroffen, also den Apachen in die Hände gefallen war. Dasselbe mußte man von dem schwarzen Panther und den drei Vaqueros mit aller Bestimmtheit vermuten.
Als der Trapper den alten Benito fragte, ob in der Hazienda genügend Leute zu einer erfolgreichen Verteidigung vorhanden seien, erwidere der Vaquero mit recht bedenklicher Miene:
„Mit Euch sind wir jetzt neun Männer und fünf Weiber, die ebenfalls mit einer Büchse umzugehen verstehen. Die Anzahl genügt also, zumal wir über reichlich Schußwaffen und Munition verfügen Nur – mit dem Proviant sieht es schlecht aus, Sennor, sehr schlecht! Für unseren Herrn kam das Auftauchen der ersten Apachenspäher, die zum Glück sofort bemerkt wurden, so überraschend, daß wir nur zwei Rinder hier im Hofe haben, die geschlachtet werden können. Sennor Alvaro hatte vor etwa zwei Wochen unseren Majordomo (Hausmeister, Oberinspektor) mit zwei Lastwagen und drei Vaqueros nach dem zwölf Tagereisen nach Süden zu gelegenen Städtchen San Antonio geschickt, damit Wispara – das ist der Majordomo – dort Reis und andere Hülsenfrüchte sowie verschiedenes andere einkaufe. Man kann etwa übermorgen mit Wisparas Rückkehr rechnen. Aber – die Wagen werden jetzt natürlich von den Apachen aufgehalten werden und sind für uns verloren. Wie gesagt acht bis zehn Tage werden wir hier keinen Mangel leiden! Dann jedoch –“ Und Benito machte eine Handbewegung, als wollte er sich den Hals durchschneiden – „dann jedoch beginnen für uns die Schrecken der Belagerung: der Hunger!“
Während Dieser Unterhaltung standen Felsenherz, Benito und Juan mitten in dem ein langgestrecktes Viereck bildenden Hofe. Das Mondlicht ließ hier alle Einzelheiten erkennen. Auf dem Mauervorsprung schritten vier Vaqueros als Wachen auf und ab und beobachteten den See und die Landseite. Ein fünfter war auf dem flachen Dache des Wohnhauses postiert, von wo er mit Hilfe eines Fernrohres eine sehr weite Fernsicht hatte. An der Mauer lehnten überall in kurzen Abständen geladene Büchsen und Karabiner, während in dem nach innen zu sich stark erweiternden Schießscharten der dicken Mauer doppelläufige Pistolen griffbereit lagen. Die Karabiner waren sogar mit Bajonetten versehen und konnten somit auch als Stoßwaffen benutzt werden.
Der alte Benito bemerkte, daß der erfahrene Trapper jetzt die Verteidigungsmaßregeln mit ernsten Blicken prüfte.
„Seid Ihr mit alledem zufrieden, Sennor Felsenherz?“ fragte er gespannt.
Der blonde Hüne nickte. „Das wohl, Benito! Aber – was will dieses Waffenarsenal gegenüber fünfhundert blutgierigen Rothäuten besagen?! Ein einziger Angriff, der zugleich von der Land- und von der Wasserseite erfolgt, bringt zum mindesten den Hof und die Stallungen in den Besitz der Apachen, wenn diese auch dabei arge Verluste haben mögen. Wir müßten uns dann in das Wohnhaus zurückziehen, und das eignet sich mit seinen vielen ungeschützten Fenstern keineswegs zur Verteidigung.“
„Siehst Du Juan!“ rief Benito jetzt leise, „dasselbe habe auch ich schon Sennor Alvaro vorgehalten! Er aber glaubte mir nicht. Er rechnet damit, daß die Apachen größere Verluste scheuen und nicht offen angreifen werden!“
„Nun – zunächst werden sie es auch kaum tun,“ meinte Felsenherz beruhigend. „Juan, bringt bitte meinen Braunen irgendwo unter. An den Stall ist er nicht gewöhnt. Bindet ihn draußen an.“
Juan entfernte sich mit dem braven Pferde, das seinen Herrn schon so manches Mal durch seine Schnelligkeit und Ausdauer gerettet hatte.
Benito und Felsenherz waren jetzt allein. „Hört, Benito,“ meinte der Trapper sehr ernst, „ich habe nur vor Juan so getan, als wäre ich fürs erste um unser aller Sicherheit nicht allzu besorgt. In Wahrheit denk ich anders. Der große Bär schont seine Krieger nicht, wenn es gilt, gerade mich in seine Gewalt zu bekommen. Ich schütze Euch hier also nicht nur nicht, sondern schade Euch insofern, als ich für den Oberhäuptling der Ansporn sein werde, recht bald sich der Hazienda zu bemächtigen. Er weiß ja, daß ich hier bin –“ – Felsenherz blickte jetzt zum Nachthimmel empor, wo gerade ein dünner Wolkenfetzen den Vollmond etwas verhüllte. „Nach einer Stunde bekommen wir Regen und Finsternis, Benito,“ fügte er sinnend hinzu, indem er sich leicht auf seine lange Doppelbüchse lehnte. „Habt Ihr auch Regen und Dunkelheit bei Euren Verteidigungsmaßnahmen berücksichtigt?! Gewiß – ich sehe da über der Mauer in eisernen Bügeln Eisenkörbe gefüllt mit Holz, hängen. Ein starker Regen wird diese Beleuchtung aber schnell wieder auslöschen.“
Benito zeigte auf den nächsten der Eisenkörbe. „Da stehen doch große Blechkannen auf dem Mauervorsprung, Sennor Felsenherz. Petroleum ist darin – Petroleum aus der Erdölquelle, die wir vor einem halben Jahre dort drüben bei der Suche nach Trinkwasser erbohrten. Mit dem Petroleum ist das Brennholz in den Körben getränkt. Daher dürfte es kaum so rasch durch einen Regenguß, wenn es erst mal brennt, wieder ausgehen, zumal wir in der Lage sind, stets frisches Petroleum in die Körbe zu gießen.“
Felsenherz nickte abermals nachdenklich. „Wo liegt die Petroleumquelle?“ meinte er dann lebhaft. „Sprudelt sie dauernd hervor? Und – wohin fließt das Erdöl, das nicht aufgefangen wird?“
„Die Quelle liegt dort nach Nordwest zu zwischen Dornendickichten. Die Entfernung bis dahin. beträgt kaum zweihundert Meter. Der Strahl der Quelle ist von uns durch ein Balkendach und durch Holzrinnen so geleitet worden, daß das Erdöl sich in ein felsiges Tal unweit des Nordufers des Sees ergießt. Das Tal ist bereits so weit gefüllt, daß wir den Südrand durch eine Mauer und einen Damm haben erhöhen müssen.“
Felsenherz stand jetzt wie eine Statue regungslos da und hielt den Kopf wie gedankenschwer tief gesenkt.
Benito blickte ihn forschend an und hob dann die Augen zum nächtlichen Firmament empor, wo schon wieder eine leichte Wolke als Vorläuferin einer schwarzen, den ganzen westlichen Horizont bedeckenden Wand den Mond verhüllte. Über diese finstere Wolkenmasse lief nun ein fahler Schein – Wetterleuchten – hin, und gleichzeitig vernahm der alte Vaquero auch ein fernes, dumpfes Grollen. als zweites Anzeichen eines nahenden Gewitters.
In demselben Moment jetzt noch die Stimme eines der beiden Vaqueros, die die Landseite bewachten:
„Es naht ein Roter, der einen grünen Zweig schwingt.“
„Ah – ein Unterhändler,“ meinte Benito nicht ohne ernste Sorge im Ton seiner Stimme. „Dort zieht ein Gewitter auf, Sennor Felsenherz. Und dieses ist hier je stets von einem längeren oder kürzeren Wolkenbruch begleitet, der allerdings die Leuchtkraft der Petroleumkörbe –“
„Empfangen wir zunächst mal den Apachen.“ unterbrach der Trapper ihn. „Ich ahne, welche Botschaft er bringt –“–
Das große Tor wurde dann ein wenig geöffnet und der Apache, kein anderer als der fliegende Pfeil, der Unterhäuptling, eingelassen. – Inzwischen war auch Sennor Alvaro, ein kleiner, magerer, schwarzbärtiger Herr, geholt worden, der den Trapper etwas von oben herab begrüßt hatte da er für dessen Berühmtheit als Westmann wenig Verständnis besaß.
Der fliegende Pfeil trat hier sehr selbstbewußt auf.
„Das Bleichgesicht, sagte er zu Alvaro, „wird uns sofort den blonden Jäger ausliefern.“ Dabei deutete er auf Felsenherz, der bescheiden als stiller Beobachter abseits stand. „Außerdem verlangt der große Bär dreißig Gewehre, drei Fäßchen Pulver und so viel Blei, wie ein Mann wiegt. Gehorchst Du nicht, dann werden die Apachen, sobald das Gewitter heraufgezogen ist, die Hazienda stürmen.“
Sennor Alvaro war durchaus kein Feigling. Als Spanier von edler Abkunft besaß er sogar neben hervorragendem Mut jenen Stolz, der ihm auch jetzt zornsprühend antworten ließ:
„Felsenherz ist mein Gast, – elender roter Halunke! Ein Spanier liefert keinen Gast aus! Scher’ Dich zum Teufel Bursche! Holt Euch doch die dreißig Gewehre! Auch Blei sollt Ihr haben – aber Blei in Euer rotes Fell hinein und in Eure diebischen Schädel!!“
Der fliegende Pfeil lächelte höhnisch. „Das Bleichgesicht wird nach zwei Stunden um sein Leben winseln!“ sagte er nur, wandte sich um und verließ den Hof der Hazienda.
Kaum war er hinaus, als schon aus der schwarzen Wetterwolke der erste Blitz aufzuckte.
Der Mond hatte sich ebenfalls hinter Gewölk versteckt. Die Vaqueros zündeten jetzt ganz von selbst das Holz in den Eisenkörben an, das auch infolge der Durchtränkung mit Erdöl sogleich hoch aufloderte und sowohl den Hof als auch den See und die Ufer weithin in ein rötliches Licht tauchte.
„Nun – ist die Beleuchtung nicht vorzüglich?! meinte Alvaro stolz zu Felsenherz.
„Jetzt noch genügt sie,“ erklärte der blonde Trapper bedächtig. „Ein wolkenbruchartiger Regen aber wird einen Teil der Körbe fraglos ersticken, und – dann werden fünfhundert Apachen den Sturm beginnen, Sennor!“ Das klang so ernst und so warnend, daß Alvaro in Gedanken an seine Frau und seine beiden erwachsenen Töchter, die dort im Wohnhause ahnungslos schlummerten, etwas erbleichte.
„Ihr haltet unsere Lage für bedrohlich?“ fragte er Felsenherz dann hastig.
„Ja, Sennor. Immerhin will ich versuchen, die Hazienda zu retten,“ erklärte der Trapper in seiner kurz angebundenen Art. „Mag Benito mir ein kleines Fäßchen Pulver herschaffen und eine Zündschnur – aber schnell! – Dort an der Wasserpforte liegt noch innerhalb der Mauer ein kleiner Nachen. Laßt ihn sofort zu Wasser bringen. Ich werde die Hazienda verlassen – über den See!“
„Was habt Ihr denn vor, Felsenherz?“ forschte Sennor Alvaro zweifelnd. „Retten wollt Ihr die Hazienda? Ihr als einzelner – mit einem Fäßchen Pulver?“
„Eilt – holt das Pulver!“ sagte der Trapper zu Benito. Und zu Alvaro: „Sennor, ich mache nie viel Worte. Wartet ab! Ihr werdet sehr bald nur noch die Landseite zu verteidigen haben. Und das wird Euch gelingen hoffe ich.“
Alvaro schwieg. Die ganze, so selbstbewußte ruhige Art des Trappers flößte ihm Vertrauen ein.
Als der kleine Nachen dann über die Wassertreppe hinweg ins Wasser gebracht wurde, ruderten sofort zwei der mit Apachen besetzten Boote herbei, wurden jedoch durch Schüsse ferngehalten.
Felsenherz bestieg den Nachen. Seine Büchse hatte er Benito in Verwahrung gegeben. Das Fäßchen Pulver, um das er einen langen Strick gebunden hatte, lag vorn in dem winzigen Kahne. Die Zündschnur hatte er unter den Hut geschoben, den er sich ganz fest auf den Kopf drückte.
Nun griff er zu den beiden Rudern und trieb den Nachen mit mächtigen Schlägen nach dem Ostufer hin.
Der Kahn schoß nur so durch das Wasser, und das eine Boot der Apachen hatte alle Mühe, dem Insassen den Weg abzuschneiden.
Da – ganz plötzlich änderte Felsenherz dann die Richtung, – so, als ob er eingesehen hätte, nach Osten nicht durchbrechen zu können.
Er hielt jetzt auf das Nordufer zu. Doch auch hier lag bereits das zweite Boot als gefährliches Hindernis.
Schüsse blitzten auf diesem Boote auf. In den Knall der Indianerbüchsen mischte sich der lautere Donner der Batterien des Himmels, des Gewitters, das immer näher kam.
Mit atemloser Spannung verfolgten Alvaro und Benito, über die Mauer hinwegspähend, die Vorgänge aus dem See.
Felsenherz schien jetzt verloren, da die drei Boote ihn bereits eingekreist hatten,
Aber dort auf dem See, wohin der Feuerschein der Eisenkörbe nicht mehr reichte, wurde es nun auch von Sekunde zu Sekunde dunkler.
Felsenherz hatte abermals die Richtung gewechselt und schien nach der gut 150 Meter entfernten Wasserpforte zurückrudern zu wollen, nachdem er sich dem Nordufer bereits bis auf dreißig Schritt genähert hatte. Doch an diesem Ufer waren ja schon zahlreiche Apachen zu Pferde erschienen.
Er mußte umkehren – mußte! So glaubten die Rothäute; so glaubten Benito und Alvaro.
Ohne Unterlaß feuerten jetzt die Apachen aus den drei immer näher rückenden Booten auf den einzelnen Mann im Nachen.
Plötzlich schnellte Felsenherz von der Ruderbank empor, breitete die Arme aus und fiel nach rückwärts ins Wasser, wobei der Nachen umkippte und nun kieloben weitertrieb.
Die Rothäute in den Booten hatten unterdeß Fackeln angezündet. Als der Trapper, offenbar tödlich getroffen, versank, stießen sie ein wildes Geschrei aus.
„Der Verwegene hat sein Lehen, umsonst geopfert!“ sagte Sennor Alvaro traurig zu Benito. „Vorwärts – rüsten wir uns zur Verteidigung! Denn Felsenherz wird wohl recht haben: die Apachen werden im Gewitterregen einen Sturm versuchen!“
5. Kapitel.
Der Retter der Hazienda.
Die drei Boote der Apachen wurden jetzt durch Befehle, die ihnen der große Bär vom Ufer zurief, wieder näher an die Halbinsel geschickt und kümmerten sich um den umgeschlagenen Nachen nicht weiter, der dann langsam, von niemand beachtet, dem Nordufer zutrieb, wo die berittenen Krieger längst wieder verschwunden waren.
Hier am nördlichen Ufer reichten die Büsche und einzelne Felsen bis dicht an das Wasser heran. Der Nachen stieß jetzt auf den Ufersand, lag still.
Doch nur ein paar Minuten blieb der kleine Kahn so regungslos. Dann wurde er vorsichtig gelüftet, und in dem hier herrschenden Dunkel konnte man nun eine Gestalt undeutlich erkennen, die sich lautlos in die Büsche schob und hinter sich an einem Strick das Fäßchen Pulver nachzog.
Es war Felsenherz, der kühne, listige Trapper, dessen Vorhaben bisher ganz nach Wunsch geglückt war.
Nachdem er sich überzeugt hatte, daß sich hier jetzt keine Feinde befanden, nahm er das Fäßchen Pulver auf und schlich tief gebückt die Uferböschung höher hinan.
Über ihm durchzuckten jetzt wie feurige Schlangen häufige Blitze das tiefschwarze Firmament. Jedem Blitz folgte ein ohrenbetäubender Donnerschlag. Noch regnete es nicht. Aber die völlige Windstille deutete auf das baldige Losbrechen einer wahren Sintflut hin. –
Felsenherz beeilte sich, den Ort zu finden, den er sich als Ziel bestimmt hatte. Dieses Ziel war jenes Tal hier nahe am Seeufer, wo das Erdöl angesammelt und durch Mauer und Damm aufgestaut worden war.
Leider verstrichen gut fünf Minuten, bevor er, hauptsächlich durch den scharfen Petroleumgeruch geleitet, das Tal entdeckt hatte, das etwa fünfzig Meter von dem Rande der Uferböschung entfernt lag. Es zog sich nach Norden zu hin und war bedeutend höher als der See gelegen. Der Staudamm aber befand sich auf der Südseite des Tales, so wie Benito dies angegeben hatte.
Gerade als der junge Trapper nun den Damm untersuchte begann der Regen mit voller Gewalt herabzustürzen
Und – kaum hatte dieser Wolkenbruch eingesetzt als auch schon von der Halbinsel die ersten Schüsse erklangen, dem ein wildes Gebrüll der angreifenden Apachen folgte.
Felsenherz grub schon mit Hilfe seines Jagdmessers in den Damm ein tiefes Loch, schob dann das Fäßchen Pulver hinein, das bis an die Mauer reichte, die der Trapper so freigelegt hatte.
Sein Tomahawk schlug den Deckel in Stücke. Das Pulver rieselte heraus. Kein Regentropfen traf bis in diese Aushöhlung des Staudammes hinein. – Bald sprühte auch die Zündschnur auf, von der Felsenherz nur ein kaum handlanges Stück benutzte. Er wußte, daß dieses Stück in fünf Minuten verbrannt sein würde. Dann mußte das Pulver explodieren, dann –
Da –– wie er so vor dem Loche noch kniete und die Zündschnur zurechtlegte, – da fühlte er sich plötzlich von hinten gepackt, wurde niedergerissen.
Nicht weniger als acht Apachen, eine Streifwache, die der große Bär um den See geschickt hatte, rangen jetzt den bärenstarken Mann nieder, hingen an ihm wie die Meute Hunde, die einen Keiler gefaßt hat und sich an ihm festbeißt.
Ein furchtbares Ringen entstand. Der Trapper wehrte sich mit verzweifelter Kraft. Dieser wirre Knäuel von menschlichen Leibern, in steter Bewegung gehalten durch die ungeheure Stärke des weißen Mannes und seine körperliche Gewandtheit, – diese Lawine von keuchenden, ringenden Körpern glitt jetzt den Damm abwärts und kollerte fast bis zur Uferböschung hin.
Lebend wollten die Apachen ihren Feind haben – lebend wollten sie ihn vor ihren Häuptling schleppen; Ruhm wollten sie ernten für die Überwältigung des gefürchteten Gegners, Ruhm und die Belohnung, die ihnen sicher war, wenn es ihnen gelang, Felsenherz gesund an den Marterpfahl zu bringen, der drüben im Lager bereits für Chokariga, den schwarzen Panther, und für die Vaqueros errichtet war.
Doch – der Trapper machte es Ihnen wahrlich nicht leicht, ihn auch nur einen Moment festzuhalten, damit man ihm die Schlingen um Füße und Hände werfen könne. Nein – noch nie hatte er so nachdrücklich von seiner Riesenkraft Gebrauch gemacht. Bald schleuderte er gleichzeitig drei, vier Rothäute von sich, teilte mit der Faust blitzschnelle Hiebe aus.
Dann rutschte der Knäuel haßerfüllter Leiber abermals tiefer.
Und Felsenherz schlug jetzt so unglücklich mit dem Hinterkopf auf einen Stein, daß er für Sekunden kraftlos dalag.
Ein förmliches Bündel von Blitzen erhellte jetzt trotz des Regengusses die Umgebung der Trapper sah über sich die verzerrten Gesichter dreier Apachen, spürte die Riemen, die seine Handgelenke zu umschnüren begannen.
Da war er bereits wieder Herr seiner Sinne, riß die Arme empor.
Ein neuer Blitz.
Und eine um seinen Hals gelegte Lassoschlinge wurde nun mit einem Ruck zugezogen, während er sich umsonst bemühte, die Hände wieder frei zu bekommen.
Er sah sich verloren. Vier Apachen knieten auf seiner Brust, drückten ihm fast die Rippen ein.
Und – flogen mit einem Male wie weggefegt ins Weite, in den See.
Das Pulverfaß war explodiert. Die Kraft des Luftstoßes der Explosion schleuderte die vier von ihrem Opfer über die Böschung in das aufklatschende Wasser; dieselbe Kraft zerriß auch Damm und Mauer des Erdölbeckens, schuf dem Petroleum einen freien Auslauf nach dem See zu.
Felsenherz war aufgesprungen, war mit drei Sätzen in den nächsten Büschen, warf die Lederriemen ab.
Eine hohe Woge des frei gewordenen Erdöls wälzte sich abwärts, wälzte sich in den See. Dicht an dem Trapper vorüber schoß das so leicht brennbare Gemenge wie ein Wasserfall. –
Der alte Vaquero, der die Seeseite der Mauer verteidigen half, hatte soeben mit einem Bajonettstoß abermals einen Apachen von der Mauer herabgeholt.
Von den achtzehn Eisenkörben brannten nur noch fünf.
Dreimal hatte man den Ansturm der Apachen abgeschlagen. Alle Büchsen und Karabiner waren bereits abgefeuert. Zum Laden war keine Zeit. Man konnte die Rothäute nur noch mit den Bajonetten abwehren.
Da – wieder erlosch bei dem starken Regen einer der Körbe.
Schon schwangen sich drei – vier der blutgierigen Feinde an der Landseite über das Eingangstor.
„Ins Wohnhaus hinein!“ rief Sennor Alvaro, der bereits alles verloren gab.
Plötzlich jedoch verstummte mit einem Schlage das wilde Kriegsgeschrei der Angreifer.
Ein seltsames Licht zuckte dort im Norden auf – eine ungeheure Flamme, die blitzschnell wie ein lebendes Wesen weiter hinab zum See lief, sich auch hier auf dem Wasser ausbreitete. –
Felsenherz hatte das Erdölbecken angezündet – hatte so im letzten Augenblick den Verteidigern Hilfe gebracht.
Die Apachen stutzten.
Turmhoch schlugen die Flammen tanzten über den See hin.
Taghell war es geworden. Und immer weiter kroch das Feuer, über den See – immer weiter, verscheuchte die Boote, die eilends dem Südufer zuruderten um dieser flammenden Glut zu entgehen.
Ungeheure Qualmmassen sammelten sich an. Der Wind drückte die erstickenden Dämpfe zur Erde nieder. Sie hüllten die Hazienda ein, drangen weiter an Land, vertrieben auch hier die Apachen.
Sennor Alvaro und die Seinen mußten in das Wohnhaus flüchten, wenn sie nicht ersticken wollten. Der Vaquero Juan vergaß des Trappers Braunen nicht, nahm ihn mit in das Haus.
Bald bildete der See nur noch ein einziges Feuermeer. Die Hitze drang schnell in die oberen Luftschichten, glich hier die elektrische Spannung aus und brachte das Gewitter zum Schweigen, erzeugte eine andere Naturerscheinung, die man nach Präriebränden im Südwesten Nordamerikas sehr häufig beobachten kann: Wirbelstürme, Tornados, von deren verheerender Gewalt man sich in Europa keine Vorstellung machen kann.
Bevor diese Tornados einsetzten, hatte der Wind etwas nach Süden gedreht und legte nun Qualm und Hitze nur noch teilweise über die Hazienda hinweg. –
Als die Flammen des Erdölbeckens zuerst wie feurige Zungen zum schwarzen Nachthimmel emporleckten, als urplötzlich die Finsternis, dieser beste Verbündete der Angreifer, sich in eine unheimliche, gelbrote Helle verwandelte, hatte der große Bär gerade die 200 Mann starke Abteilung des Unterhäuptlings, die bisher nach Osten zu die anderen Apachen gegen etwa unerwartet auftauchende texanische Kavallerie sicherte, herangezogen und einen neuen allgemeinen Angriff befohlen. Dieser letzte Sturm, der unweigerlich die Hazienda in Besitz der Rothäute gebracht hätte, unterblieb nun.
Von panischem Schrecken erfaßt, flüchteten die gesamten Apachen nach Westen auf ihr Zeltlager zu, das sich in einem vierhundert Meter entfernten weiten Tale befand.
Umsonst bemühten sich der große Bär, der fliegende Pfeil und andere Unterhäuptlinge, die Masse ihrer Krieger zum Stehen zu bringen. Den Apachen war das Petroleum etwas völlig Unbekanntes. Sie konnten sich die Entstehung dieses Feuermeers, das sich blitzschnell selbst über den See hinzog, nicht erklären. Unaufhaltsam stürmten sie weiter. Dann spürten sie noch die erstickenden Dünste des brennenden Erdöls, die der Gewittersturm als schrecklichsten Verfolger hinter ihnen drein hetzte. Die allgemeine Flucht wurde zur Panik. Noch nie war eine so zahlreiche Indianerhorde wie jetzt in sinnloser Angst davongerast; noch nie hatte der große Bär es erlebt, daß seine Krieger die Waffen wegwarfen, nur um ungehinderter die jenseits des Lagers weidenden Pferde erreichen zu können.
Diese wurden auf einem besonders grasreichen Teile der Prärie von dreißig Apachen bewacht. Gegen 530 Mustangs waren hier beisammen.
Als dort im Osten die Flammen hochschossen, als die unheimliche Helle selbst bis hierher drang, als dann die ersten Qualmschwaden, diese scharf riechenden Dünste, den Tieren die Nasen füllen, wurde auch die jetzt dicht gedrängt mit hochgereckten Köpfen dastehende Masse der Mustangs unruhig. Die Wächter, die wohl eine plötzliche Flucht der Pferde befürchten mochten, umkreisten sie dauernd, hatten kein Auge für das, was in ihrer Nähe vorging.
Abseits von den Mustangs waren die Tiere der drei gefangenen Vaqueros, ebenso das des Gambusino Sancho und der Rappe Chokarigas angepflockt worden.
Mit einem Male erhob sich unmittelbar vor diesen fünf Pferden eine schlanke Gestalt, griff nach den Zügeln der Pferde und schwang sich auf den Rappen des schwarzen Panthers.
Felsenherz war’s, der nun in gestrecktem Galopp mit den Tieren dem Indianerlager zusprengte. Seine Brust rang nach Atem. Hatte er doch vom Seeufer an bis hierher in schnellstem Laufe die ganze Entfernung zurückgelegt.
Einzelne Trupps der flüchtenden Apachen kamen ihm entgegen. Niemand hielt ihn auf; niemand ließ sich die Zeit, mit dem gefürchteten Trapper gerade jetzt anzubinden, wo die Qualmwolken immer dichter und dichter wurden.
Der Rappe des Komanchenhäuptlings und die übrigen vier Pferde gehorchten nur widerwillig, drängten zur Seite. Ihr Instinkt sagte ihnen, daß sie dem Verderben in die Arme getrieben wurden.
Felsenherz zwang sie zum Gehorsam. Er hatte eine lange Apachenlanze im vollen Jagen aufgerafft und schlug erbarmungslos auf die Tiere ein.
Nun waren die ersten Zelte des Lagers erreicht; nun galoppierte er der Mitte der ausgedehnten Zeltstadt zu.
Ein Windstoß zerteilte die trüben Qualmschleier.
Und – der blonde Trapper erblickte dort vor sich fünf in die Erde gerammte Pfähle, erblickte die daran festgebundenen Gefangenen und vor diesen den großen Bär und den fliegenden Pfeil, die offenbar die wehrlos Gefesselten, deren Wächter ebenfalls längst davongestürmt waren, morden wollen, da sie sie nicht mehr mitnehmen konnten.
Der fliegende Pfeil sprang mit geschwungenem Tomahawk auf den früheren Gambusino zu.
Ein anderer Tomahawk war schneller.
Felsenherz hatte das Schlachtbeil aus dem Gürtel gerissen, schleuderte es vom Sattel aus.
Es beschrieb einen kurzen Bogen, vergrub sich dumpf krachend im Hinterkopf des Apachen.
Der große Bär, das Messer in der Rechten, sah den fliegenden Pfeil zusammenbrechen schnellte herum, gewahrte den Trapper, ließ das Messer fallen, hob die Büchse.
Keine zehn Schritt war Felsenherz entfernt. Und das gelbrote Licht der brennenden Erdölmengen umstrahlte ihn so hell, daß ein Fehlschuß unmöglich schien.
Der große Bär wollte abdrücken.
Da – der Sattel des Rappen war plötzlich leer.
Aber weiter rasten die halb besinnungslosen Tiere auf den Oberhäuptling zu. Er mußte zur Seite springen. Er hatte wohl gesehen, daß der Trapper aus dem Sattel geglitten war; er fand keine Zeit mehr, nochmals anzulegen.
Felsenherz hatte sich am langen Schweif des Rappen festgehalten schwang sich nun vollends zu Boden, tat noch zwei Sprünge, tauchte vor dem riesigen Apachen auf, schmetterte ihm die Faust unter das Kinn, gab ihm gleichzeitig mit der Linken einen Stoß gegen die Herzgrube.
Der große Bär wankte, sank um.
Und Felsenherz war schon bei den Gefangenen, ließ sein Messer durch die Riemen gleiten, warf das Messer Sancho zu, hetzte nach links, um die fünf Pferde, die jetzt kehrt gemacht hatten, wieder einzufangen.
Er bekam die Zügel des Rappen und zweier Vaquerogäule zu packen.
Sancho hatte indessen den Komanchen losgeschnitten, den der Trapper nun in den Sattel hob.
Zwei Mann mußte jedes Pferd tragen. So sprengten sie der Hazienda zu – hinein in den schwarzen Qualm, den gerade jetzt der nach Süden herumgegangene Wind mehr und mehr lichtete.
6. Kapitel.
Der besiegte Feind.
Bald war die Luft völlig rein; bald hatte man das Tor der hohen Mauer erreicht.
„Sancho, Ihr sorgt für Chokariga!“ rief der Trapper hier und ließ den verwundeten Freund zu Boden gleiten. Ihr anderen drei folgt mir. Wir müssen den großen Bär haben, müssen Flinten der Apachen auflesen, bevor die Rothäute zur Besinnung kommen und zurückkehren!“
Die drei Vaqueros zauderten nicht, diesem Befehle zu gehorchen. Sie sahen sehr wohl ein, daß Felsenherz hier abermals das einzig Richtige beabsichtigte. –
Sancho aber wurde schon nach wenigen Minuten durch das geöffnete Tor eingelassen. Andere Vaqueros eilten nun gleichfalls hinaus, halfen die Büchsen der Apachen aufsammeln. Was sie nicht bergen konnten, zerschlugen sie.
Inzwischen aber hatte die Rothäute ein noch ärgeres Mißgeschick getroffen: die Mustangs waren in geschlossener Masse, scheu gemacht durch den Qualm, durchgebrochen, rasten über die Prärie dahin, zerstreuten sich allmählich.
So fand denn die aufgehende Sonne nur noch tote und schwer verwundete Apachen in der Nähe der Hazienda. Nur ein lebender weilte als Gefangener innerhalb der Mauern: der große Bär! –
Nördlich der Hazienda brannte das gefüllte Erdölbecken weiter, Schickte dicke Qualmwolken in die jetzt windstille Luft empor. Das in den See geflossene Petroleum war bereits aufgezehrt. Der See lag wieder still und düster da, bedeckt mit einer Schicht von Ruß, die ihm ein seltsames Aussehen gab.
Rauchgeschwärzt waren die einst weißgetünchten Mauern der Hazienda und ihrer Gebäude; schwarz und versengt war Gras, Baum und Strauch auf weite Entfernung, in den Ställen der Hazienda waren acht Pferde und die beiden Rinder erstickt.
Was bedeutete das alles gegenüber der Tatsache, daß die Apachen jetzt kaum, noch Schußwaffen besaßen, daß sie erst ihre Mustangs mühsam einfangen mußten und ihre Anführer verloren hatten! –
Zwei Stunden nach Sonnenaufgang trafen dann zur allgemeinen Freude wohlbehalten der Majordomo mit den beiden Wagen und den drei Vaqueros ein.
Mittags nahte, sehr demütig und bescheiden, eine Abordnung der Rothäute, bestehend aus den fünf ältesten Kriegern, nachdem Felsenherz einen nur verwundeten Apachen ausgeschickt hatte, damit dieser den anderen die Gefangennahme des Oberhäuptlings melde.
Chokariga, dessen Wunde nun sachgemäß verbunden worden war, empfing zusammen mit Felsenherz und Sennor Alvaro diese fünf Unterhändler.
Die Apachen hatten bei dem Angriff auf die Hazienda gegen fünfzig Tote und Verwundete verloren und an hundertzwanzig Gewehre eingebüßt. Die Unterhändler wußten sehr gut, daß ein neuer Sturm gegen die Hazienda jetzt aussichtslos war und daß sie auf die Bedingungen, die Felsenherz ihnen stellte, eingehen mußten.
Diese Bedingungen für die Freilassung des Oberhäuptlings waren derart, daß Sennor Alvaro vorläufig vor den Apachen sicher war. Der große Bär hatte sich damit einverstanden erklärt, mit den Bleichgesichtern und Chokariga feierlich die, Friedenspfeife zu rauchen und für mindestens ein halbes Jahr eine Waffenruhe zu vereinbaren, wenn die eingesammelten Gewehre den Kriegern zurückgegeben würden. Dies sollte jedoch erst geschehen, nachdem die Hauptmasse der Apachen über den Rio Grande in ihre eigentlichen Jagdgebiete abgezogen war. Nur fünfzig sollten in der Nähe der Hazienda zurückbleiben.
So geschah es denn auch. Am dritten Tage nach jenem nächtlichen Angriff und dem ungeheuren Brande des Petroleumbeckens, das übrigens erst nach Wochen gelöscht werden konnte, durfte der große Bär mit den fünf alten Kriegern die Hazienda verlassen. Als er als letzter langsam davonritt, wandte er sich nochmals um und warf den vor dem Tore stehenden Weißen und dem Komanchen einen Blick wildesten Hasses zu. Insbesondere war es Sancho, der Indsmenfresser, auf dem die glühenden Augen des stolzen, jetzt so tief gedemütigten Apachen längere Zeit ruhten.
Sancho lachte hinter ihm drein.
„Leicht begreiflich, daß er mich noch mehr haßt als Euch und Euren Freund Chokariga, Sennor Felsenherz,“ meinte der kleine, sehnige Sancho dann. „Das, was wir beide miteinander abzumachen haben, ahnt niemand! Ich rede nicht gern über meine Angelegenheiten. Aber Euch, Sennor, will ich’s gelegentlich erzählen. Vielleicht könnt Ihr mir einen Rat geben; vielleicht helft Ihr mir, das zu finden, was – Doch – davon ein andermal!“ –
Eine Woche blieben Felsenherz und sein roter Bruder noch als Gäste bei Sennor Alvaro. Chokarigas Wunde heilte rasch. Dann brachen die Freunde zusammen mit dem früheren Gambusino nach Norden auf. –
Das, was sie von Sancho gehört hatten, erschien ihnen wert, aufs genaueste nachgeprüft zu werden.
Im nächsten Band findet der Leser näheres hierüber.
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