Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Band 11:
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.
Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
Erstes Kapitel
Tom Pick und die beiden Kojoten.
Durch die weiten Prärien, die sich nördlich der Guadalupe-Berge bis zu den Südausläufern der Jikarilla-Höhenzüge hinziehen, trabte an einem schwülen Sommerabend ein einzelner Reiter, der einen Falben ritt und so tief herabgebeugt im Sattel saß, dass man sofort vermuten musste, er wolle eine bei der zunehmenden Dunkelheit nur noch undeutlich sichtbare Fährte nicht aus den Augen verlieren.
Der Reiter war mittelgroß, kräftig und hatte ein offenes, von einem dunkelblonden Bart umrahmtes, stark gebräuntes Gesicht. Seine Kleidung war einfach und praktisch: ein Jagdrock aus gegerbtem Hirschleder, darunter ein graublaues Wollhemd, Hosen aus sehr derbem Leinenstoff, lange Stiefel mit weichen Schäften und ein zerknitterter und verwitterter dunkler Filzhut von unbestimmter Farbe.
In dem breiten Ledergurt steckte außer Messer und kleinem Handbeil eine doppelläufige Pistole. Quer über den Sattel aber hielt der Reiter eine sehr schwere, einläufige Büchse von jener Art, die unter dem Namen Kentuckybüchsen berühmt waren.
Der Falbe war bereits recht abgetrieben. Sein Herr spornte ihn jedoch durch leise Zurufe immer wieder an. Als das Pferd aber mehrmals vorn einknickte, mochte der Reiter wohl einsehen, dass das brave Tier wirklich vollkommen erschöpft war, stieg ab und schritt zu Fuß weiter. Der Falbe folgte ihm ganz von selbst und rupfte nun hier und dort im Gehen ein paar Grashalme ab.
An einer Stelle, wo kahler Sand zutage trat, machte der Einsame halt, kniete nieder und prüfte die Fährte, die er nun seit fast anderthalb Wochen unermüdlich stets aufs Neue trotz aller Kniffe derjenigen, von denen sie herrührte, wiedergefunden hatte, mit größter Sorgfalt.
Es war die Spur zweier Reiter, deren Pferde Hufeisen trugen.
„Hm — keine zehn Minuten ist die Fährte alt“, murmelte der Mann. „Und die beiden Gäule sind noch abgehetzter als mein Falbe! Schade, dass die Nacht mir wieder einen Strich durch die Rechnung macht! Sonst hätte ich die Burschen heute eingeholt, so wahr ich Tom Pick heiße!“
Er schritt mit langen, gleichmäßigen Schritten weiter, den Kopf und Oberleib vorgebeugt. Seine scharfen Augen konnten die Spur noch leidlich erkennen, und er wollte auf jeden Fall versuchen, den beiden Leuten nahe zu bleiben.
Nach einer Stunde aber zog ein Gewitter auf. Bald prasselte ein starker Regen herab. Der Einsame fluchte leise, schnallte vom Sattel einen langen Ölmantel ab, zog ihn über und bedeckte seinen Falben gleichfalls mit einem Stück Öltuch. Dann legte er sich unweit der Fährte in ein Gebüsch und wartete das Ende des Gewitters ab.
Zur gleichen Stunde lagerten etwa eine Meile weiter nördlich am Ufer eines Baches unter ein paar breitästigen Buchen, die von einem dichten Kranz von Büschen umgeben waren, zwei Weiße und ein schlanker Indianer mit edel geschnittenem Gesicht, der in dem Haarschopf vier Adlerfedern und um den Hals eine dreifache Kette von weißgrauen Krallen des gefürchteten Graubären trug.
Der Indianer war Chokariga, der Schwarze Panther, der berühmte Comanchenhäuptling. Dicht neben ihm an dem kleinen Feuer saß der blonde Trapper Felsenherz, der Freund und Halbbruder des Comanchen, in dessen Adern nicht rein indianisches Blut floss. Der Dritte war ein Gambusino, ein Goldsucher, namens Sancho, ein kleiner, breitschultriger, schwarzbärtiger Mann, der von den Rothäuten zumeist der Indsmenfresser genannt wurde, weil er vor Jahren einen unerbittlichen Vernichtungskrieg gegen die Apachen, seine grimmigsten Feinde, geführt hatte.
Sancho erhob sich und erklärte, er wolle die erste Wache bis Mitternacht übernehmen, nahm seine Büchse und schlenderte durch die Büsche in die Prärie hinaus.
Kaum war er verschwunden, als der Schwarze Panther leise zu dem blonden Trapper sagte: „Mein Bruder Harry (Felsenherz hieß mit seinem richtigen Namen Harry Felsen) soll nun erfahren, dass die Felsspalte im Regental hinter dem Wasserfall doch eine Bonanza (Fundstelle reinen Goldes in Kieselform) enthielt. Aber der Gambusino hätte beim Anblick all der Schätze wohl den Verstand verloren!“
Das, was der Häuptling hier soeben erwähnte, bezog sich auf das letzte Abenteuer der drei hier lagernden Männer. Felsenherz und Chokariga hatten nämlich den Gambusino nach den südlich von hier gelegenen Guadalupe-Bergen begleitet, um hier festzustellen, ob es mit einem Geheimnis, das eine Apachin einst dem Gambusino anvertraut hatte, wirklich etwas Besonderes auf sich habe. Nur Chokariga war dann mithilfe eines Taus in jene Felsspalte, die hinter einem zwanzig Meter tief abstürzenden Wasserfall lag, hinabgeklettert und hatte für Sancho nur zehn Goldkiesel mitgenommen, um dessen Habgier nicht unnötig zu wecken. Dann hatten die drei Gefährten schleunigst vor den Apachen fliehen müssen, die ihnen dicht auf den Fersen waren.
Felsenherz und der Häuptling ahnten nicht, dass bereits eine Viertelstunde lang in den Büschen hinter ihnen ein Mann lag, der sich vom Bach her so behutsam in das Gesträuch geschoben hatte, dass er dabei auch nicht das geringste Geräusch verursachte.
Jetzt trat dieser Mann mit derselben Gewandtheit den Rückweg an, begünstigt durch die ersten Windstöße des nahenden Gewitters, unter deren Wucht die Buchenkronen und die Büsche rauschend hin und her geworfen wurden und so viel Lärm verursachten, dass der heimliche Lauscher sich nicht einmal allzu sehr in acht zu nehmen brauchte, nachdem er erst aus der Nähe der beiden am Feuer sitzenden Prärieläufer sich etwas entfernt hatte.
Der Mann schlug, stets am Bachufer im hohen Gras entlangkriechend, östliche Richtung ein, bis er an einen steinigen Hügel gelangte, wo einige Eichen wuchsen. Hier traf er mit seinem Gefährten zusammen, der, die gespannte Büchse im Arm, neben zwei gesattelten Pferden stand.
Diese beiden Männer, die nun eifrig miteinander flüsterten, machten keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck.
Nein – wäre es noch heller Tag gewesen, so hätte ihnen wohl jeder auf den ersten Blick die Desperados, die Wegelagerer und Strauchdiebe angesehen.
Beide waren groß und kräftig, hatten schwarze Bärte, starke Hakennasen und listige, lebhafte, schwarze Augen. Die Ähnlichkeit zwischen ihnen war unverkennbar. Ihre Jagdanzüge aus derbem Stoff, ebenso die Stiefel und die Filzhüte waren zerrissen und beschmutzt. Ihre Waffen dagegen, Doppelbüchsen und je zwei Pistolen, bewiesen, dass sie stets sorgfältig gesäubert wurden.
„Bill“, meinte der eine, der unter dem linken Atme eine breite, blutrote Narbe hatte, „was du da erlauscht hast, ist fraglos verteufelt wertvoll. Aber – was nützt es uns? Wir haben ja keine Ahnung, wo jenes Regental liegt!“
„Stimmt, Will!“, bestätigte der andere mit einem Nicken. „Du vergisst aber, dass Sancho, der Indsmenfresser, Bescheid weiß. Und den werden wir beide schon entwickeln!“
Der Gambusino nahm es mit seiner Pflicht als Wache sehr ernst. Unaufhörlich umkreiste er die Büsche. Das Gewitter traf hier zum Glück nicht. Nur ein paar Minuten lang fiel ein leichter Regen.
Sancho war soeben über den Bach hinübergewatet, um auch dort einmal nach irgendetwas Verdächtigem Ausschau zu halten. Der kleine, stiernackige Gambusino war ja kein Neuling hier im Wilden Westen. Ihn focht es nicht weiter an, dass er hier so allein in der dunklen, noch immer schwülen Nacht den Schlaf seiner beiden Gefährten beschützen musste und dass jeden Augenblick irgendwo eine Rothaut auftauchen konnte, denn gerade diese Prärien lagen nur zwei Tagesritte von den Dörfern der Mescalero-Apachen, eines Unterstammes dieser großen Indianernation, entfernt.
Und doch. So aufmerksam wie sonst war er heute nicht! Nein – die zehn Goldkiesel, die er da in der Satteltasche seines Pferdes verwahrt hatte, kamen ihm nicht aus dem Sinn. Erst hatte er nur mit stiller Freude ausgerechnet, wie viel Bargeld er dafür erhalten würde und was er sich dafür kaufen könnte – zum Beispiel unten an der mexikanischen Grenze einen hübschen Rancho (kleinere Vieh– und Ackerfarm). Dann würde er als friedlicher Ranchero seine Tage beschließen. Oh – das müsste sehr schön sein! Und fraglos würde er es bei seiner Arbeitsfreudigkeit auch zu Wohlstand bringen!
Das waren seine Gedanken, die er mit allen Einzelheiten auspann. Bald aber dachte er an anderes – dass es doch eigentlich sehr merkwürdig sei, dass dort in der Felsspalte im Regental gerade nur zehn Goldkiesel gelegen haben sollten!
Hm – an den Worten des Comanchen war ja nicht zu zweifeln! Und doch – sonderbar blieb es, dass es gerade nur zehn Goldkiesel gewesen sein sollen!
Sancho war unwillkürlich stehen geblieben. Das Misstrauen regte sich immer stärker in ihm.
Wenn es dort im Regental nun doch eine Bonanza gab und wenn Chokariga ihm dies nur aus jenem allen Rothäuten eigentümlichen Bestreben verschwiegen hatte, den Bleichgesichtern die Schätze der von Indianern von jeher bewohnten Gebiete vorzuenthalten?
Hinter dem Gambusino richtete sich lautlos eine Gestalt auf.
„‘n Abend, Kamerad“, sagte Bill leise.
Und Sancho fuhr blitzschnell herum, riss das Messer aus der Scheide.
„Lasst den Knife nur stecken, Sancho!“, meinte Bill gemütlich. „Wir, mein Bruder und ich dürften Euch vom Namen nach bekannt sein. Man nennt uns „die beiden Kojoten“, weil wir schlau, schnell und unternehmungslustig wie die stets hungrigen Präriefüchse sind. Es gibt ja Leute, die behaupten, wir wären auch freche Pferdediebe. Na – es wird viel in den Ansiedlungen geredet. Jedenfalls, Sancho, ich wollte Euch nur sagen, dass der rote Schlingel, der Chokariga, Euch belogen hat. Ich war da vorhin, als Ihr drei noch am Feuer gesessen habt, hinter Euch in die Büsche geschlichen. Kaum hattet Ihr dann Eure Wache begonnen, als der Häuptling dem blonden Deutschen, der sich ja verdammt viel auf seinem Namen Felsenherz einbildet, höhnisch zuflüsterte, dass er doch im Regental eine Bonanza gefunden habe und dass er sie mit Felsenherz später in aller Stille ausräumen wolle —“
„Ah – also doch!“, stieß der Gambusino hervor, der ja nicht ahnen konnte, dass Bill das, was er erlauscht hatte, hier ganz entstellt wiedergab. „Also doch! Vermutet habe ich’s schon!“, fügte er erregt hinzu. „Caramba – diese Gemeinheit hätte ich dem Comanchen nicht zugetraut. Aber man sieht: Rothaut bleibt Rothaut! Alle sind sie falsch und hinterlistig!“
„Stimmt, Sancho! Und wer wie dieser Felsenherz so eng befreundet mit einem roten Schuft ist, dürfte keinen Deut besser sein! Wie wär’s, Mann, wenn wir drei den beiden Halunken zuvorkämen? Ihr braucht ja nur leise Euer Pferd zu holen, und dann reiten wir sofort von dannen! Dass wir es ehrlich mit Euch meinen, erkennt Ihr ja schon daraus, dass Will und ich genau so gut allein zum Regental hätten eilen können, ohne Euch mitzunehmen.“
Der Gambusino sah dies ein. Freilich, dass Bill ihm nur deshalb das vorhin Erlauschte mitgeteilt hatte, um sich durch ihn in jenes Goldtal führen zu lassen, dessen Lage den beiden Kojoten ganz unbekannt war, auf diese Vermutung kam der als Weltmann wohl recht erfahrene, aber im Übrigen geistig etwas schwerfällige Gambusino nicht.
So geschah es denn, dass Sancho tatsächlich kaum eine Viertelstunde später seinen Fuchs leise aus den Büschen holte und mit einem wütenden Blick von den beiden Schläfern stummen Abschied nahm.
Sein Pferd am Zügel schritt er rasch am Bach hin auf die Eichen zu, wo die beiden Brüder ihn schon ungeduldig erwarteten.
„So“, meinte Bill, „dann also vorwärts, Sancho!“
Und der ahnungslose Goldsucher erwiderte harmlos: „Wir tun gut, im Bogen zu den Guadalupe-Bergen zurückzukehren, da der Große Bär, der Oberhäuptling der Apachen, uns auf den Fersen war. Biegen wir nach Osten aus. Dann kommen wir bei Tagesanbruch an den Pecos, wo wir unsere Fährte selbst für Felsenherz und des Schwarzen Panthers scharfe Augen völlig verwischen können, wenn wir auf einem Baumfloß stromabwärts fahren und vorsichtig nachher an Land gehen.“
Bill und Will lächelten befriedigt. Nun wussten sie ja: In den Guadalupe-Bergen lag das Goldtal.
Die drei neuen Verbündeten trabten nach Südwest in die dunkle Prärie hinein.
Zweites Kapitel
Umzingelt.
Dies ereignete sich etwa eine halbe Stunde vor Mitternacht.
Felsenherz und der Comanche schliefen, in ihre Decken gehüllt, neben dem längst erloschenen Feuer, schliefen fest, und in dem beruhigenden Bewusstsein, durch Sancho gegen jeden geführten Zwischenfall geschützt zu sein.
Der Große Bär, der Oberhäuptling der Apachennation, dem die beiden berühmten Westmänner zwei Tage vorher am Pecos einige Krieger erschossen hatten, da sie sonst ihren alten Feinden, den Apachen, in die Hände gefallen wären, dieser riesige, wirklich bärenstarke Oberhäuptling hatte nach der Flucht der beiden Weißen und Chokarigas aus den Guadalupe-Bergen die Verfolgung sofort mit allem Eifer aufgenommen. Nachdem durch die besten Fährtensucher seiner etwa zweihundert Mann starken Abteilung festgestellt worden war, dass die drei sich nach Norden zu in die Prärien gewandt hatten, ließ er die Hälfte seiner Krieger zu je zweien in einer meilenbreiten Linie vorausreiten, um so aufs Schnellste festzustellen, ob und wo die Flüchtlinge von der bisherigen Richtung abgebogen waren. Er selbst mit dem Rest der Apachen blieb auf der recht schwer erkennbaren und oft ganz verschwindenden Spur der drei Reiter, die ja jede List, durch die man den Gegner irreführen kann, hier angewandt und so den Verfolgern ein sehr langsames Marschtempo aufgezwungen hatten.
Nur infolge dieser großzügigen Anordnungen des Apachenhäuptlings wurde der Lagerplatz der drei an dem Präriebach schon bei anbrechender Dunkelheit und kaum eine halbe Stunde nach dem Eintreffen der Flüchtlinge an dem kleinen Gewässer durch einige der Apachenkundschafter entdeckt, die, durch den Feuerschein angelockt, sich nur so weit herangewagt hatten, um mit Gewissheit feststellen zu können, dass wirklich die Gesuchten hier lagerten.
Die Kundschafter kehrten dann auf dem kürzesten Weg zur Hauptabteilung zurück, und drei Stunden später waren die Büsche am Präriebach bereits von den Apachen umzingelt.
Dies geschah, als Sancho und die beiden Kojoten kaum erst zehn Minuten unterwegs waren.
Inzwischen hatte aber auch jener Tom Pick, dessen Bekanntschaft wir zu Anfang unserer Erzählung gemacht haben, nach Aufhören des Gewitterregens dort weiter südöstlich sein Pferd wieder bestiegen und wollte auf gut Glück weiterreiten, indem er hoffte, die beiden Männer, hinter denen er her war, würden wohl irgendwo nach Norden zu haltgemacht und ein Feuer angezündet haben, dessen Schein er möglicherweise mithilfe des Fernrohrs, das er in der Satteltasche mit sich führte, entdecken könnte. Gewiss – es war dies ein sehr unsicherer Versuch, die durch den Regenguss nun völlig verwischte Fährte der beiden nicht weiter zu beachten, sondern sich mehr auf einen glücklichen Zufall zu verlassen.
Der Reiter hielt dann auf jedem Hügel, von dem aus er einen guten Rundblick hatte, an und musterte mit dem Fernrohr jeden Busch, jede Baumgruppe, die sich als schwarzer Fleck im grauen, einfarbigen Bild der nächtlichen Steppe hervorhoben.
Als er so abermals eine Kuppe erreicht hatte, als er abermals sein Fernrohr einstellte und die jetzt etwas lichtere Prärie, über der ein nur noch schwach bewölkter Himmel sich ausspannte, sorgfältig absuchte, gewahrte er acht Reiter, die in einer Linie nach Nordost dahinritten, wobei sie den Abstand voneinander immer mehr vergrößerten.
„Hm – ich will einen lebenden Laubfrosch verschlingen, wenn das nicht Apachen sind!“, murmelte Tom Pick. „Natürlich haben die roten Spitzbuben hier etwas Besonderes vor. Es wäre ein feiner Spaß, wenn sie es etwa auf meine beiden Freunde Bill und Will abgesehen hätten!“
Er beobachtete die Rothäute weiter, folgte ihnen dann vorsichtig und bemerkte so, dass von links her noch mehr Apachen erschienen, die jetzt eine Gebüschgruppe an einem kleinen Bach einkreisten.
Gerade jetzt lichtete sich das Gewölk am Himmel immer mehr, und die volle Mondscheibe sandte ihr mattes Silberlicht friedlich auf die nächtliche Erde hinab. Diese ziemlich unvermittelte Helle, die auch das Gesicht des schlafenden Comanchenhäuptlings traf, genügt für die feinen Sinnesorgane des Sohnes der Wildnis, ihm den Schlummer von den Lidern zu verscheuchen.
Er erwachte und war auch im Moment vollkommen munter.
Dem Stand des Mondes nach musste es, wie der Schwarze Panther sich sagte, etwa Mitternacht sein.
Es war also Zeit, den Gambusino als Wache abzulösen.
Leise erhob Chokariga sich, so leise, dass nicht einmal Felsenherz erwachte.
Er nahm seine Büchse auf und glitt genau so lautlos durch Büsche, blieb jedoch noch innerhalb des Gesträuchs stehen und warf einen prüfenden Blick über die jetzt mondbeschienene Prärie.
Umsonst schaute er jedoch nach dem Goldsucher aus.
Und dann dort, kaum hundert Meter nach Süden zu, ging jetzt ein kleines Rudel Hirsche flüchtig davon, kam gerade auf den Bach zu.
Das nimmermüde Misstrauen des Comanchen argwöhnte sofort, die Hirsche könnten durch irgendjemand aufgescheucht worden sein.
Er beobachtete die Tiere weiter. Sie kamen kaum fünfzig Schritt entfernt an den Büschen vorüber, stutzten jedoch kurz vor dem Bach, warfen sich herum und jagten in noch wilderer Eile nach Westen, hasteten ganz dicht an ihm vorbei und prallten wiederum ohne sichtbaren Grund zurück.
Chokarigas stolzen Mund umspielte ein schwaches Lächeln. Er schlüpfte zurück zu dem erloschenen Feuer, legte Felsenherz die Hand leicht auf die Schulter.
Der Trapper richtete sich sofort auf und fragte: „Was gibt es, Chokariga?“
„Mein Bruder möge mir folgen. Die stinkenden Kröten der Apachen haben einen Ring um uns geschlossen. Dreimal sah Chokariga die Hirsche in anderer Richtung davoneilen.“
Felsenherz hatte schon seine Büchse in der Hand. „Wie gedenkt der Schwarze Panther den Apachen zu entgehen?“, meinte er. „Offenbar ist es doch der Große Bär mit seiner Abteilung. Dann haben wir einige zweihundert Krieger gegen uns. Durchbrechen können wir nicht! Wir würden abgeschossen werden. Sancho scheint von den Apachen schon überwältigt worden zu sein. Vielleicht stecken ein paar von ihnen schon ganz nahe in den Büschen.“
„Suchen wir!“, erklärte der Häuptling kurz.
In wenigen Minuten hatten sie festgestellt, dass die Büsche leer waren.
Der Trapper flüsterte nun eindringlich auf den Comanchen ein. „Besser, wir opfern unsere Decken, meinen Hut und deinen Federschmuck, als dass wir uns der Gefahr aussetzen, durch die Kugeln der Apachen unsere Pferde oder gar unser Leben zu verlieren“, meinte er zum Schluss.
Der Häuptling war mit Felsenherz’ Plan sofort einverstanden.
Der große Bär sowie acht seiner im Anschleichen geübtesten Krieger schoben sich wie die Schlangen durch das hohe Präriegras der Buschgruppe zu, drangen dann mit äußerster Behutsamkeit in die Büsche ein und gewahrten nun dort links im Schatten eines von wildem Hopfen völlig überzogenen Dornengestrüpps zwei Gestalten, die, in Decken gehüllt, regungslos am Boden lagen. Weiter rechts, mehr nach dem Bach zu, standen der Braune und der Rappe der beiden Schläfer, die nur Chokariga und Felsenherz sein konnten, da der Trapper sich seinen Filzhut über das Gesicht gedeckt hatte und unter dem Filzhut noch ein Stück des rotseidenen Halstuches, das Felsenherz stets trug, hervorkam, während bei der anderen ruhenden Gestalt über die Wolldecke die Adlerfedern des Comanchen hinausragten.
Der Große Bär vermisste hier zwar den Gambusino, sagte sich aber, dieser könnte sich bereits von den beiden getrennt haben.
Auf seinen Wink hin musste nun einer seiner Krieger die draußen um die Büsche Postierten herbeiholen.
Über des Oberhäuptlings grimmen, rachgierigem Gesicht lief ein triumphierendes Aufleuchten hin.
Diesmal sollten ihm die beiden nicht entgehen! Diesmal würde er sie durch einen Zuruf wecken, und dann würden sie nicht einmal mehr Zeit finden, nach ihren Waffen zu greifen!
Die Apachen wanden sich durch das Gesträuch, bildeten einen engen Ring um die Schläfer.
Der Große Bär wunderte sich, dass sich die beiden Pferde dort so ruhig verhielten. Aber die Tiere mochten vielleicht zu abgetrieben und ermattet sein. Deshalb verrieten sie die Nähe der Feinde nicht wie sonst durch Schnauben und Stampfen. So fand der Oberhäuptling auch hierfür eine Erklärung.
Die Pferde wurden absichtlich nicht mit eingeschlossen. Sie hätten nur hinderlich sein können.
Jetzt trat der Große Bär vollends auf die Lichtung hinaus und gab den seinen ein Zeichen.
Dreißig Flinten und fast ebenso viele Pfeile richteten sich auf die im Mondschatten liegende Stelle, wo die beiden Westmänner ruhten.
Dann des Oberhäuptlings gellender Ruf: „Die Krieger der Apachen sind da!“
Gleichzeitig riss er den Tomahawk aus dem Gürtel und wollte sich auf den Comanchen stürzen.
Doch die Schläfer rührten sich nicht.
Aber etwas anderes geschah: Die beiden Pferde waren in den Sträuchern nach dem Bach zu verschwunden.
Jetzt hörte man sie plätschernd den Bach durchschreiten, jetzt hatte auch der Große Bär mit einem Satz die Decke von der Gestalt des Comanchen gerissen.
Nichts als ein kunstgerecht geformter Mooshaufen lag darunter!
Der Oberhäuptling stieß ein geradezu tierisches Wutgebrüll aus.
Und dann – dann auch von jenseits des Baches Geschrei, ein paar Schüsse.
Dort hatten noch ein paar Apachen den Durchbruch der Eingekreisten für alle Fälle verhindern sollen; dort waren Felsenherz und Chokariga so überraschend hoch zu Ross erschienen, dass die ihnen zugedachten Kugeln sämtlich fehlgingen.
Der Große Bär war schon über den Bach gestürmt, sah dort in der Ferne die beiden Jäger im Galopp nach Norden davonsprengen!
Die Pferde der Apachen standen weit zurück in einem Tal. Bevor sie geholt wurden, waren die Flüchtlinge längst außer Sicht.
Aber der Große Bär wollte sie fangen, wollte sie um jeden Preis in seine Gewalt bringen.
Die ganze Apachenabteilung zerstreute sich wieder zur langen Linie. Die Indianermustangs waren ausgeruht, während die Tiere der beiden Westmänner, wie der Oberhäuptling sehr wohl wusste, seit drei Tagen fast ununterbrochen in Bewegung gewesen waren. So hoffte er denn, sie würden ihm nicht entkommen, obwohl sie einen Vorsprung von etwa einer Viertelstunde hatten.
Ihre Fährte zog sich als im Mondlicht erkennbarer Strich durch das Präriegras.
Der Große Bär und sechs Apachen jagten auf dieser Spur dahin. Sehr bald jedoch tauchte vor ihnen ein dunkler Streifen auf: ein Wald!
Hier unter den Bäumen mussten die Apachen haltmachen, mussten erst trockenes Reisig zu Fackeln suchen und anzünden. Denn hier war es unmöglich, ohne Beleuchtung eine Fährte zu unterscheiden. Eine volle Stunde verloren die Verfolger hier, bevor sie festgestellt hatten, dass Felsenherz und der Schwarze Panther nach Osten zum jenseitigen Waldrand entlanggeritten waren.
Zu dieser Stunde waren die beiden Westmänner längst über die weit auseinandergezogene Linie der übrigen Apachen hinausgelangt, waren wieder nach Südost eingeschwenkt und trabten an demselben Bach hin, an dem sie vorher gelagert hatten.
„Es müsste merkwürdig sein, wenn wir dort in den Büschen nicht meines Bruders Adlerfedern, meinen Hut und unsere Decken noch vorfinden sollten“, sagte der blonde Trapper, als sie sich der Stelle des missglückten Überfalles näherten. „Die Apachen werden sich keine Zeit gelassen haben, die Sachen aufzuheben. Wo nur Sancho geblieben sein mag? Ich begreife nicht recht, dass ein so kundiger Gambusino wie er die Roten hat so nahe herankommen lassen, dass sie ihn lautlos stumm machen konnten —“
Chokariga zügelte plötzlich seinen Rappen. „Dort steht ein Mann, ein Bleichgesicht, vor den Büschen und winkt“, rief er leise.
„Ah – das ist ein Fremder! Das ist Sancho nicht! Warten wir. Der Mann nähert sich uns, führt seinen Falben am Zügel —“
„Halt, Master“, sagte der blonde Trapper dann, als der Fremde noch dreißig Schritt entfernt war. „Wer seid Ihr? Die Prärien sind oft der Schlupfwinkel für weiße Verbrecher, die aus den Ansiedlungen fliehen mussten.“
„Da habt Ihr den Nagel sozusagen auf den Kopf getroffen!“, erwiderte Tom Piek, denn er war dieser Fremde. „Hinter zwei solchen Gaunern bin ich seit Wochen wie ein zäher Schweißhund her. Mein Name ist Tom Pick, damit Ihr wisst, und Ihr beide seid ohne Zweifel Felsenherz, der Trapper, und der berühmte Häuptling der Comanchen! Habe genug über Euch gehört. Und ich habe gute Augen im Kopf. Bin nämlich drüben jenseits des Missouri in der Stadt Trenton als Polizeimeister angestellt. War selbst früher Fallensteller und kenne mich in der Wildnis aus. Jetzt möchte ich mit den Brüdern Bill und Will Samter, stets die beiden Kojoten genannt, hier ein ernstes Wörtchen reden. Sind üble Burschen, die beiden, haben in Trenton einen Postbeamten ermordet und etwa 80000 Dollar geraubt.“
Felsenherz und der Comanche ritten nun auf Tom Pick zu, reichten ihm die Hand und ließen sich erzählen, was er in dieser Nacht hier erlebt hatte.
„Oh – die Hauptsache ist, dass ich vorhin die Fährte der beiden Kojoten dort bei jenen Eichen wiedergefunden habe“, meinte Tom Pick gut gelaunt. „Die zweite Hauptsache sind hier Eure Adlerfedern, Häuptling, und Master Felsenherz’ Hut und die Wolldecken. Da – bitte! Ich hob sie dort in den Büschen auf, nachdem die ganze Apachenbande wie toll hinter Euch drein gejagt war.“
Der blonde Trapper schaute den stattlichen Polizeimeister von Trenton nachdenklich an, nachdem er mit Dank seinen Hut und seine Decke entgegengenommen hatte.
„Master Pick“, fragte er darauf. „Habt Ihr drüben bei den Eichen noch die Spur eines dritten Reiters bemerkt?“
„Ja, das stimmt! Die beiden Samter müssen sich hier mit einem Mann zusammengetan haben, der einen Fuchs ritt. Ich fand an einem Dornenstrauch bei den Eichen drei Schwanzhaare eines Fuchses, der hinten den Drehtritt hat.“
„Das ist Sanchos Pferd“, rief Felsenherz. „Chokariga, das Verschwinden des Pferdes des Gambusino von unserem Lagerplatz hat mich gleich so etwas misstrauisch gemacht. Nun wissen wir Bescheid. Er hat uns verlassen!“
„Der Goldsucher wird die Bonanza besuchen“, sagte der Schwarze Panther ernst. „Er mag ahnen, dass ich ihm die Wahrheit vorenthielt!“
Felsenherz klärte Tom Pick kurz über die Bonanza auf. „Wir müssen nun schleunigst den dreien folgen“, fügte er hinzu. „Sancho ist ein Narr, dass er den Brüdern Samter mehr Vertrauen schenkt als uns.“ „Sie werden ihn ermorden, wenn sie erst das Gold sicher haben!“, meinte der Polizeimeister nicht minder erregt. „Ja – nach den Guadalupe–Bergen also! Retten wir diesen Leichtgläubigen vor den Verbrechern!“
Gleich darauf sprengten die drei nach Süden davon, indem sie sich auf der breiten Fährte der Apachen hielten, die so ebenfalls von Süden her gekommen waren.
Auf diese Weile erreichten sie, dass ihre Spuren nur schwer in der Menge der Mustangfährten zu erkennen waren.
Drittes Kapitel
Zwei Verräter.
Mit donnerndem Geräusch stürzte ein breiter Bach, nachdem er eine kleine Hochebene in den nördlichen Guadalupe-Bergen überquert hatte, eine wohl zwanzig Meter hohe Talwand hinab, zerstäubte auf dem Felsboden unten zu feinster Wassertropfen, bildete einen neuen Bach, der dieses von einem dauernden Sprühregen angefüllte Tal entlangschoss und dann in einen NebenFluß des Pecos mündete.
Diese Steilwand war nach innen gewölbt, sodass der Wasserfall sie nicht berührte. Zwischen ihr und dem breiten, abwärts schießendem blinkenden Streifen des Falles befand sich vielmehr in halber Höhe des Abhangs ein freier Raum von gut fünf Meter Breite.
Gerade hier hinter dem Vorhang des Wasserfalles zog sich in den dunklen Felsen eine sehr bald zu einer Höhle sich erweiternde Spalte hinein, die man nur mithilfe eines langen Taus oder Lassos, das in Schwingungen versetzt werden musste, erreichen konnte.
Am Nachmittag des folgenden Tages waren die Brüder Samter und der Gambusino nach mehreren missglückten Versuchen endlich mithilfe ihrer Lassos einer nach dem anderen in die Felsspalte hinabgelangt.
Zuerst war Sancho hinabgeklettert, hatte das Lasso zum Pendeln gebracht und sich dann in den finsteren Schlund hineingearbeitet.
Als er hier auf ebenem Boden stand, zündete er die harzigen Kiefernäste an, die er sich als Fackeln auf dem Rücken festgebunden hatte.
Die Äste flammten auf, und bei dieser unsicheren Beleuchtung schritt der Gambusino nun, fast zitternd vor Ungeduld und Spannung, immer tiefer in die Höhle hinein, bis er vor sich ein feines Rauschen vernahm, das infolge des bis hierher dringenden Lärmes des Wasserfalles nur recht schwach klang.
Dann enthüllte ihm der zuckende Schein der qualmenden Fackeln ein seltsames Naturschauspiel. Durch die Deckenwölbung der etwa vier Meter hohen Höhle kam ein dicker Wasserstrahl wie aus dem Strahlrohr einer Spritze schräg heraus und traf den nach der einen Seite etwas geneigten Felsboden dieser Wundergrotte.
Und dieser Wasserstrahl hatte hier nun in vielleicht tausendjähriger Arbeit das Gestein zermürbt und eine breite Rinne ausgewaschen, hatte aber auch eine in dem Fels enthaltene Goldader nicht nur freigelegt, sondern das Gold in Stücke herausgespült, hatte diese Stücke allmählich rund geschliffen und an den Rändern dieses unterirdischen Bächleins abgelagert.
All diese Goldkiesel glänzten und gleißten im Fackellicht wie ein wundervolles Pflaster, mit dem die Ränder des Bächleins eingerahmt waren.
Sie glänzten und gleißten so sinnverwirrend, dass der Gambusino leichenblass vor Erregung wurde, dass ihm die Augen förmlich aus dem Kopf quollen.
Ein wilder Schrei entrang sich seinen bebenden Lippen. „Mein – mein ist es!“
Das Goldfieber hatte ihn gepackt.
Und – was hat dieses unselige Goldfieber nicht schon alles in den Seelen der Menschen angerichtet. Wieviel Blut ist nicht schon aus Goldgier vergossen worden, wie viele bis dahin lautere Charaktere hat nicht schon das Goldfieber zu Verbrechern werden lassen!
So erging es jetzt auch dem Gambusino.
Ein einziger Gedanke nur beherrschte ihn plötzlich: Mit niemandem wollte er diese Schätze teilen! Ihm allein sollten sie gehören! Ihm hatte einst eine Apachin, die ihn liebte, das Geheimnis des Regentales anvertraut. Er war mithin der alleinige, rechtmäßige Besitzer dieser ungeheuren Schätze!
Wie richtig hatte also der Comanchenhäuptling den verderblichen EinFluß dieser Bonanza eingeschätzt, als er ihr Vorhandensein dem Gambusino verschwieg! Wie richtig hatte er auch den Wankelmut der Menschenseele beurteilt, die gegenüber so unermesslichen Reichtümern nur zu leicht jedes Gefühl für Recht und Unrecht verliert! In der Brust des Gambusino wogten bereits finstere, tückische Pläne wie hässliche Nebel umher. Weshalb sollte er diese Schätze mit den Brüdern Samter teilen? Und – würden diese verwegenen Burschen nicht vielleicht im Stillen bereits mit der Absicht umgehen, ihn später zu ermorden? Dann waren sie die einzigen Eigentümer dieser ungezählten Goldkiesel, dann würden sie mithilfe dieses Goldes in Üppigkeit und Reichtum bis ans Ende ihrer Tage dahinleben können! Der Gambusino nahm plötzlich die Büchse von der Schulter.
Er wollte rasch an den Ausgang der Felsspalte zurückkehren, wollte aus Goldgier zum Doppelmörder werden!
Schon hatte er sich halb umgewandt.
Da traf ein furchtbarer Kolbenhieb seinen Hinterkopf. Lautlos brach er auf der Stelle zusammen.
Bill Samters höhnisches Auflachen schrillte durch die Höhle.
Auch er war leichenfahl vor Erregung, auch er stierte nun wie gebannt auf die schillernden Ränder des Bächleins.
Dann erschien auch schon sein Bruder, der als Letzter an dem Lasso hinabgeklettert war.
Will Samter ließ vor freudigem Schreck die Fackel fallen.
„Gold!“, keuchte er. „Gold! Die Bonanza! Das sind Millionen und Abermillionen!“
Will aber raffte sich auf, holte aus der Jagdtasche eine Blechflasche mit Brandy hervor und hielt sie dem Bruder hin.
„Trink!“, sagte er dumpf. „Wir müssen unsere fünf Sinne beieinander behalten! Vergiss nicht, dass es nun zu leicht möglich ist, dass Felsenherz und Chokariga mit dem verdammten Tom Pick, dem Polizeimeister, dort in der Prärie Zusammentreffen und dann sich selbst fragen, wo der Gambusino geblieben ist! Sie werden ohne Zweifel hierher kommen, falls Tom Pick ihnen begegnet! Wir haben also allen Grund, schleunigst die Schätze in Sicherheit zu bringen!“
Will trank, und auch der ältere Samter goss ein paar Schluck des scharfen Branntweins hinab und fügte dann hinzu: „Am besten ist, wir werfen den Gambusino in den Wasserfall! Dann mag man ihn suchen. Was erst da unten im Sprühregen des Falles gelandet ist, kommt nicht wieder zum Vorschein!“
Will schüttelte jedoch den Kopf. „Keinen Mord mehr“, meinte er leicht zusammenschaudernd. „Binden wir ihn! Wenn es ihm gelingt, sich zu befreien, wenn er wieder das Bewusstsein zurückerlangt hat, dann — dann kann er uns nur dann etwas schaden, wenn Felsenherz wirklich hier die Bonanza aussuchen sollte, weil er ja ohne fremde Hilfe nicht wieder die Höhe der Talwand erklimmen kann!“
Bill lachte grausam. „Gut – mag er leben bleiben! Binde ihn, Will! Ich werde die Goldkiesel in die Felle packen.“
Der Abend nahte. Soeben hatte Bill, auf der Höhe der Felswand neben dem Wasserfall stehend, das letzte prallgefüllte Fell hinaufgezogen, als er zufällig einen Blick auf die gegenüberliegenden Anhöhen warf, die das Regental umgaben.
Dort war soeben ein Indianer aufgetaucht, ein Apache, der nur, ohne Bill Samter zu bemerken, über eine Felsterrasse schlich und dabei sein Blick stets suchend auf dem Boden umherschweifen ließ.
Bill hatte sich sofort hinter ein Gestrüpp am Rand des Abgrundes geworfen.
„Pest!“, fluchte er. „Was tut die rote Bestie hier? Sancho sagte doch, der Große Bär sei mit der ganzen Bande hinter ihm und seinen Begleitern her. Dann konnte sich doch keiner der rothäutigen Schufte hier noch herumdrücken?“
Der Apache suchte drüben offenbar nach Spuren.
Während Bill ihn noch beobachtete, tauchte ein zweiter Krieger auf. Beide sprachen nun miteinander, machten allerlei Handbewegungen und verschwanden wieder hinter ein paar Tannen.
Dann kletterte auch schon der jüngere Samter am Lasso empor.
„Die Apachen streichen hier herum“, flüsterte Bill hastig, als er dem Bruder auf festen Boden half. „Binde die Lassos von der Eiche los. Ich hole die Pferde. Jetzt gilt’s, den roten Halunken zu entwischen!“
Die Fellbündel wurden dann den drei Pferden aufgeladen. Auch Sanchos Fuchs musste so über einen Zentner Goldkiesel schleppen.
Es wurde schnell dunkel, was den beiden Desperados nur angenehm sein konnte.
Bill schritt voran. Der Jüngere folgte mit den zu einer Reihe aneinander gebundenen Pferden.
Kaum hatten sie das Felsplateau verlassen, als aus einem nahen Dickicht fünf Indianer hervorkrochen, alles nur mittelgroße, schmächtige Gestalten, alle nur mit Messer und Tomahawk bewaffnet.
Es waren Navajo, und zwar die Überlebenden eines Trupps, der hier in den Guadalupe-Bergen vor drei Tagen von den Apachen fast völlig aufgerieben worden war, wie dem Leser noch aus dem vorherigen Band bekannt sein dürfte.
Diese fünf Navajo waren vor einem Tag hierher geflüchtet, weil der Große Bär durch zwölf seiner Krieger alle Schluchten und Täler nach versprengten Feinden absuchen ließ und weil diese zwölf Apachen die Navajo bereits einmal fast erwischt hätten.
Einer der fünf trug im schwarzen, straffen Haar drei Adlerfedern und um den Hals eine Kette von Bärenkrallen. Es war Saßtaluma, der Heulende Wolf, der Häuptling der Navajo.
Auch er hatte vorhin die beiden Apachen bemerkt. Er wusste jetzt, dass die Apachen ihm und den seinen wieder dicht auf den Fersen waren.
Rasch verteilte er seine vier Krieger hinter Felsblocken und Gestrüpp. Nur einen schickte er den Brüdern Samter als Späher nach.
Die beiden Apachen erschienen tatsächlich sehr bald hier auf dem Plateau. Sie bewegten sich sehr vorsichtig, hielten ihre einläufigen Flinten schussbereit im Arm und schritten, immer wieder nach Spuren suchend, tief gebückt dahin.
Saßtaluma, von Rachgier gegen die Apachen erfüllt, ließ die Späher ganz nahe herankommen.
Ohne jeden Laut schnellte er sich dann vorwärts.
Und zweimal traf seine blinkende Streitaxt die bis mit die Skalplocke kahlgeschorenen Köpfe der Apachen.
Sie brachen zusammen. Saßtalumas Rechte schwang gleich darauf zwei blutige Skalpe in der Luft.
Die Leichen wurden in eine Felsspalte geworfen, und die Blutspuren sorgfältig ausgetilgt. Dann folgten die vier Navajo den Desperados, die inzwischen bereits den NebenFluß des Pecos erreicht hatten und dort bei anbrechender Nacht eiligst sechs Baumstämme, die entwurzelt im Wasser lagen, zu einem Floß zusammenbanden.
Der einzelne Navajo, den Saßtaluma den Brüdern Samter nachgeschickt hatte, war nun, während die Desperados noch an dem Floß arbeiteten, in der Nähe im Ufergestrüpp verborgen.
Das Floß stieß dann vom Land ab. Die drei Pferde wurden von Will Samter gehalten. Bill, der Ältere, handhabte einen zur Stoßstange zugehauenen dünnen Stamm.
Die rasche Strömung entführte das Floß schnell dem Pecos zu. Doch dieselbe Strömung nahm auch einen einzelnen Urwaldriesen mit, in dessen halb aus dem Wasser ragender Krone die fünf Navajo steckten.
Viertes Kapitel
In der Goldhöhle eingeschlossen.
Zu derselben Zeit näherten sich dem Regental drei Reiter, die sich vorläufig hier vor den Apachen ganz sicher wähnten. Es waren Felsenherz, der Schwarze Panther und der Polizeimeister Tom Pick.
Bald hatten sie die Höhe der Talwand erreicht, von der aus man in die Bonanza hinabgelangen konnte, wenn man den stürzenden Wassermassen des Falles auszuweichen verstand.
Chokariga war als Späher vorausgeeilt, hatte sehr bald festgestellt, dass die Eiche am Rand des Abgrundes frische Spuren von Lassoschlingen zeigte, und wusste so, dass die Desperados und der verblendete Sancho bereits hier gewesen und die Bonanza fraglos schon geplündert hatten.
Felsenherz erklärte nun, dass er allein in die Felsspalte hinabsteigen würde, um zu sehen, ob die Bonanza wirtlich bereits ausgeplündert sei.
Die Dunkelheit hatte mittlerweile die Täler und Schluchten in finstere Schatten gehüllt. Das Donnern des Wasserfalles übertönte jedes andere Geräusch.
So kam es denn, dass die Apachen, die hier in den Guadalupe-Bergen nach den Navajo suchen sollten, sich unbemerkt nähern konnten. Sie waren den beiden Spähern gefolgt, die der Heulende Wolf, der Navajo-Häuptling, keine hundert Meter weiter vorhin niedergeschlagen hatte. Felsenherz hing gerade an den zusammengeknüpften Lassos, die der Comanche an die Eiche gebunden hatte, und wollte an den Lederriemen abwärts klettern, als er noch wie Gespenster die zehn Apachen aus dem nahen Dickicht hervorbrechen sah.
Sechs stürzten sich auf Chokariga, die anderen auf Tom Pick.
Der blonde Trapper wollte sich zuerst wieder auf die Felswand zurückschwingen, erkannte dann jedoch rechtzeitig, dass er den beiden Gefährten kaum mehr Hilfe bringen könnte. Er hielt es für richtiger, schnell in der Felsspalte zu verschwinden, indem er hoffte, dass den Apachen die an die Eiche gebundenen Lassos entgehen würden. Der Rand des Abgrundes war ja dicht mit Gestrüpp bewachsen, und daher konnten die Apachen kaum gesehen haben, was der Trapper vorhatte und wo er geblieben war.
So versetzte er die Lassos denn in Schwingungen, achtete darauf, dass sie die gefährliche Nähe des Wasserfalles vermieden und sein Körper in immer stärkeren Pendelbewegungen hinter den Fall gelangte.
Da – als die Lassos nun abermals dicht an den stürzenden Wassern vorbei den blonden Jäger in die tiefe Finsternis hinter den schäumenden Vorhang führten, da spürte Felsenherz ein paar ruckartige Erschütterungen der Lederriemen.
Er bog den Kopf zurück, blickte nach oben und bemerkte so zwei Apachen, die sich über den Abhang beugten.
Felsenherz ahnte, was diese Rucke an den Lassos bedeuteten. Die Apachen schnitten das aus acht dünnen Riemen geflochtene Lasso durch, wollten ihren Todfeind also in das Tal hinab in den sicheren Tod befördern, da sie ihm anders nicht mehr beikommen konnten.
Ein Eiseshauch lief ihm da über den Rücken hin.
Er glaubte sich verloren.
Aber nur ein paar Sekunden währte diese halbe Erstarrung des furchtbarsten Entsetzens.
Dann gab er seinem Körper schon einen Schwung auf die Steinwand zu, streckte den rechten Arm aus, bekam den dünnen Stamm einer verkrüppelten Kiefer, die hier auf einem winzigen Vorsprung Wurzel geschlagen hatte, zu packen, ließ das Lasso los und hing nun nur noch an dem kleinen Bäumchen, dessen Wurzelwerk unter der Last des kräftigen Mannes sich schnell zu lockern begann.
Felsenherz’ Linke tastete schon nach einem besseren Halt das zackige Gestein ab.
Hinter ihm fiel jetzt das Lasso leer in die Tiefe.
Neben ihm sauste auch die kleine Kiefer abwärts in den Staubregen der aufprallenden Wasser.
Und seine beiden Hände umkrallten nun eine hornartig geformte Felszacke.
Sie hielt. Sie hatte Erbarmen mit dem blonden Jäger.
Und wieder hing er über dem Abgrund.
Wieder vertraute er sein volles Körpergewicht nur einer Hand an, befühlte mit der anderen die schroffe Wand.
Ah – da rechts über ihm ein zweiter Vorsprung!
Er rechnete auf seine Kraft, umfasste ihn, lockerte die Linke.
Und gelangte so allmählich bis an die Felsspalte, die den Zugang zur Bonanza bildete.
Als er endlich festen Boden unter den Füßen hatte, brach er völlig erschöpft zusammen. Wohl eine Viertelstunde lag er so, bis sein Herzschlag und seine Lunge sich beruhigt hatten.
Dann tastete er hier in der tiefen Dunkelheit nach einer Fackel umher. Chokariga hatte ihm ja gesagt, dass dicht am Eingang Harzfackeln lagen. Er fand auch eine, setzte sein Präriefeuerzeug in Brand und zündete die Fackel an.
So fand er den gefesselten, aber nicht mehr bewusstlosen Sancho.
Als der Gambusino seinen Retter erkannte, senkte er beschämt den Kopf.
„Sancho“, sagte der blonde Trapper ernst, nachdem er dem Verwundeten die Riemen abgenommen hatte, „Ihr habt nun am eigenen Leib erfahren, dass die Goldgier das Verderblichste ist, was es an Leidenschaften gibt! Ihr wäret hier umgekommen, wenn ich Euch nicht aufgefunden hätte! Und Euretwegen sind nun Chokariga und ein wackerer Mann, der den beiden Desperados, den beiden Kojoten nachspürte, in die Gewalt der Apachen geraten. Wir aber sind hier ebenfalls Gefangene in dieser Höhle, aus der es kein Entrinnen gibt! Wie sollen wir wohl wieder nach oben auf die Höhe der Felswand gelangen, die jetzt von den Apachen belebt ist und wo sehr bald auch der Große Bär sich mit seinen Kriegern einstellen wird?“
Der Gambusino griff reuevoll nach des Trappers Hand.
„Ich tat unrecht!“, sagte er leise. „Ich bin jetzt von dem Goldhunger geheilt. Verzeiht mir, Felsenherz!“ Dann sank er aufstöhnend wieder auf das kahle Gestein zurück, da seine Wunde am Hinterkopf ihm plötzlich die fürchterlichsten Schmerzen bereitete.
Felsenherz verband ihm die schwere Verletzung und bereitete ihm auch ein weiches Lager in einer Ecke dieser ausgedehnten Höhle.
Der Gambusino verfiel sehr bald in einen unruhigen Schlummer. Felsenherz erneuerte den kühlenden Verband wiederholt und durchsuchte in der Zwischenzeit die Höhle nach einem zweiten Ausgang, konnte einen solchen jedoch nicht finden. Außerdem begab er sich auch mehrmals nach vorn an die Mündung der Felsspalte, um zu sehen, ob die Apachen etwa mithilfe von Lassos hier einzudringen beabsichtigten. Wenn der Trapper in der niedrigen Felsspalte stand, die den Zugang zu der Bonanza-Höhle bildete, hatte er den Wasserfall etwa drei Meter vor sich. In der sternenklaren Sommernacht schillerten die herabstürzenden Wassermassen wie helles Glas, wirkten wie ein fester Glaskörper, der von der Höhe der Felswand in den Staubregen der Tiefe hinabreichte.
Doch von den Apachen war nichts zu bemerken.
Als der blonde Jäger dann wieder einmal hier Ausschau hielt, wurde er sich plötzlich seiner verzweifelten Lage mit aller Eindringlichkeit bewusst.
Denn wie sollte er wohl die Höhle wieder verlassen können? Wie sollte er es möglich machen, seinen Bruder Chokariga und Tom Pick aus den Händen der Apachin zu befreien, wo er doch selbst hier ein Gefangener war?
An Waffen besaß er ja nur seinen Tomahawk und sein Messer. Auch Sancho verfügte über keine Büchse mehr. Mithin würde es recht schwer sein, die Höhle gegen Apachen zu verteidigen. Wenn nur zwei oder drei von ihnen sich mit Flinten an Lassos herabließen, konnten sie Felsenherz erschießen.
Je mehr der Trapper sich all dies vergegenwärtigte, desto bedrückter und besorgter wurde er. Nicht um seine eigene Person, nicht um seine eigene Sicherheit handelte es sich hier. Nein – er wusste ja nur zu gut, dass der Schwarze Panther und der wackere Polizeimeister von dem Oberhäuptling der Apachen qualvoll am Marterpfahl hingemordet werden würden, wenn er die beiden nicht rettete.
Außerdem aber mussten auch den beiden Samter die Schätze der Bonanza wieder abgenommen werden. Sollten diese Schurken etwa mit dem Gold wirklich die Ansiedlungen im Osten erreichen und hier spurlos verschwinden? Das durfte nicht sein!
Felsenherz beugte sich weit aus der Felsspalte heraus und betastete ringsum das Gestein. Er hoffte, er würde vielleicht genug Vorsprünge finden, um in das
Tal hinabklettern zu können. Doch auch diese Absicht ließ sich nicht verwirklichen, wie er nur zu bald feststellte.
Da kehrte er denn in die Höhle zurück, wo neben Sanchos Lagerstatt in einer Ritze des Gesteins eine der Harzfackeln brannte.
Der Gambusino lag mit offenen Augen da.
„Felsenherz“, flüsterte er matt, „mir geht es bereits besser. Die Schmerzen haben nachgelassen. Erzählt mir, was inzwischen geschehen ist!“
Als der Trapper nun erwähnte, dass sie beide hier so gut wie gefangen seien und dass die Apachen hier sehr leicht eindringen könnten, da sie zur Verteidigung der Felsspalte keine Gewehre besaßen, erwiderte Sancho nach kurzem Nachdenken: „Felsenherz, bei den Apachen heißt der Bach, der AbFluß des Wasserfalles, seit vielen Jahren Juan-Fluß, und zwar nach einem Mexikaner namens Juan, der sich in den Apachenstamm hatte aufnehmen lassen und ein berühmter Krieger, ja sogar Häuptling wurde. Dieser Juan fiel dann an dem Bach hier im Kampf mit weißen Goldsuchern. Die Apachin, der ich die Kenntnis dieser Höhle verdanke, deutete mir gegenüber an, dass der weiße Häuptling Juan hier in der Nähe begraben worden sei. Vielleicht befindet sich seine Grabstätte gar in dieser Höhle. Sucht danach, Felsenherz, denn die Rothäute begraben ihre berühmten Krieger ja sitzend mit all ihren Waffen. Möglich, dass wir auf diese Weise in den Besitz einer Büchse gelangen.“
Der Trapper hatte nicht viel Hoffnung und meinte, er dürfe es nicht wagen, sich allzu lange vom Eingang der Felsspalte zu entfernen, er könne deshalb nicht alle Nebengrotten genau durchforschen.
Sancho erklärte jedoch, Felsenherz solle ihm nur aufhelfen und ihn bis an den Eingang geleiten. Dann würde er dort schon achtgeben, ob die Apachen irgendetwas unternehmen wollten.
Gleich darauf lag der Gambusino in unmittelbarer Nähe des Zuganges und brauchte hier nur den Kopf etwas vorzurecken, um zu sehen, was draußen vorging.
Felsenherz zündete zwei frische Fackeln an und durchsuchte die ganze Höhle nochmals auf das Genaueste.
So gelangte er denn auch in eine recht geräumige Nebengrotte, die wie ein großes, von Menschenhand angelegtes Gewölbe aussah.
In der Mitte erhob sich ein bienenkorbförmiger Hügel von Felsstücken und Steinen, der nur zu einem bestimmten Zweck aufgeschichtet sein konnte.
Mit erwartungsvoller Erregung machte sich der Trapper an die Arbeit und häufte die Steine und Felsbrocken an anderer Stelle auf. Sehr bald merkte er, dass der Hügel im Inneren hohl war.
Als er eine genügend große Öffnung geschaffen hatte, leuchtete er mit einer Fackel hinein.
Da saß aufrecht auf einem sesselähnlichen Stein die zur Mumie zusammengetrocknete Leiche eines Indianers im vollen Kriegsschmuck. Ob der Tote ein Europäer gewesen war, ließ sich nicht mehr erkennen. Doch zweifelte der Trapper keinen Augenblick, hier die Leiche des berühmten weißen Häuptlings vor sich zu haben.
Der Tote war an dem Stein festgebunden. Im rechten Arm hielt er eine lange Doppelbüchse. Um die Schulter hingen ihm Pulverhorn, Jagdtasche und Kugelbeutel. Im Gürtel steckten Tomahawk und Messer. Felsenherz kroch jetzt in das Grabmal hinein, nachdem er die beiden Fackeln draußen befestigt hatte.
Es widerstrebte ihm zwar, die Ruhe des Toten zu stören. Aber in dieser Notlage musste er solche Gedanken zurückdrängen.
Er nahm die Büchse an sich und besichtigte sie. Es war eine sehr gute Waffe englischen Fabrikats mit Zündhütchen, also keine Steinschlossflinte. In der Jagdtasche fand er Zündhütchen. Das Pulverhorn war gleichfalls gefüllt, und das Pulver war trocken. Der Kugelbeutel enthielt zwanzig Kugeln.
Der blonde Jäger lud die Waffe sehr sorgfältig.
Als er sie dann zur Probe anlegte und ihre reiche Schaftverzierung, die auf jeder Seite in goldenen Plättchen das Bild eines springenden Jaguars zeigte, nachher besichtigte, als er feststellte, dass die Waffe sehr schwer war, aber für ihn fast noch besser paßte als seine eigene, da ahnte er noch nicht, dass die „Jaguarbüchse“ einst im ganzen Wilden Westen gerade durch ihn berühmt werden sollte.
Jetzt, wo er wieder eine Schusswaffe besaß, war plötzlich alle Sorge von ihm genommen. Er wusste, dass er nicht lange mehr hier in der Bonanza-Höhle ein Gefangener sein würde. Denn außer den Waffen hatte man der Leiche des weißen Häuptlings auch ein Lasso mitgegeben, ein Lasso von fast zehn Meter Länge und feinster indianischer Arbeit. Mithilfe dieses Lassos konnte er sich jederzeit in das Tal hinablassen. Mochten ihn dort auch die Sprühwogen des Falles einhüllen, mochte er dort auch vielleicht für Minuten dem Ersticken nahe sein. Er würde sich schon herausarbeiten aus den weißen Gischtmassen!
Es war kurz nach Mitternacht. Felsenherz kehrte schnell zu Sancho zurück.
„Ich muss sofort aus der Felsspalte in das Tal hinab“, erklärte er dem Gambusino. „Damit Ihr nun nicht in meiner Abwesenheit von oben her durch die Apachen überfallen werden könnt, werde ich Euch die Büchse hierlassen. Sobald ein Roter sich an einem Lasso hinter den Fall schwingt, sobald Ihr seht, dass Euch ernstlich Gefahr droht, schießt Ihr! Lebt wohl, Sancho! Ich habe einen schweren Gang vor mir. Sollte ich etwa unten im Tal in den schäumenden Wassermassen ertrinken, so tut Eurerseits alles, um Chokariga und Tom Pick zu befreien.“
Noch ein fester Händedruck, dann schlang der Trapper das eine Ende des Lassos um einen Vorsprung des Gesteins und schwang sich in die dunkle Tiefe.
„Sobald ich unten dreimal an dem Lasso ziehe, werft es mir herab, Sancho!“, rief er dem Gambusino noch zu.
Sancho war so völlig sprachlos über das tollkühne Wagnis des Trappers, dass er erst durch diesen letzten Befehl seines Gefährten, dessen Stimme selbst das Toben der zerstäubenden Wasser übertönte, gleichsam wieder zu sich kam.
Er kroch schnell bis an den Rand des Abhanges und brüllte Felsenherz nach: „Holla, Ihr werdet doch nicht Euer Leben auf diese Weise aufs Spiel setzen! Mann, da unten erwartet Euch der sichere Tod! Hört auf mich, der über fünfzehn Jahre älter ist!“
Doch Felsenherz vernahm von dieser Warnung nichts mehr. Er war bereits an dem Lasso etwa ein Meter tiefer gerutscht, und diese Entfernung genügte hier bei dem donnernden Lärmen des Falles, jedes Wort aus menschlicher Kehle vollständig zu verwehen.
Sancho war kein schlechter Charakter. Nein, er war nur durch das Leben in der Wildnis rau und etwas selbstsüchtig geworden. Jetzt aber, wo er Felsenherz sich für den Comanchenhäuptling und den Polizeimeister opfern sah, flüsterte er unwillkürlich: „Santa Virgo – stehe ihm bei!“
Und nochmals beugte er sich über den Rand der Felsspalte und warf einen Blick in die Tiefe.
Aber von dem blonden Trapper war bei der hier herrschenden Finsternis nichts mehr zu sehen.
Fünftes Kapitel
Die Rettung der Gefährten.
Nun wartete der Gambusino mit wachsender Unruhe auf die drei Lassorucke. Er hatte die rechte Hand um das straff gespannte Lasso gelegt. Er musste merken, sobald das Gewicht des tollkühnen Mannes nicht mehr an dem geschmeidigen Lederriemen hing.
Da – jetzt wurde das Lasso schlaff. Jetzt mussten die drei Rucke folgen.
Folgten sie nicht, dann war Felsenherz von den Strudeln mit fortgerissen worden!
Sanchos Herz schlich vor Anregung immer schneller. Er wartete und wartete.
Nichts — nichts —
Da zog er das Lasso sacht ein wenig empor.
Und – unten kein Widerstand mehr, keine Hand hatte da unten das Lasso umkrallt.
Der Gambusino seufzte tief und schmerzlich, murmelte: „Armer wackerer Bursche! Noch so jung und schon sterben! Kaum dreißig Jahre mag er alt gewesen sein.“
Dann lehnte er sich wieder an die Felswand und dachte nun über sein eigenes trübes Geschick nach. Auch er war jetzt ja verloren. Darüber gab er sich keiner Täuschung hin. Er konnte die Höhle nicht verlassen. Die Apachen würden ihn hier aushungern. Und wenn er vor Hunger völlig erschöpft war, würden sie ihn gefangen nehmen, wieder leidlich gesund pflegen und dann an den Marterpfahl stellen. Und – wie würden sie gerade ihn, den Indsmenfresser, peinigen!
Ihn überlief es kalt bei diesen Gedanken.
Und so saß er still da und grübelte und grübelte, ob es denn keinen Ausweg mehr für ihn gäbe, diesem entsetzlichen Tod zu entrinnen.
Felsenherz war sehr bald von dem Staubregen des Falles völlig eingehüllt worden.
Da die Felswand, über die der Bach von oben hinwegstürzte, nach innen gewölbt war und da der Wasserfall etwa zwei Meter von dem unteren Rand des Abhangs auf den Steinboden des Tals aufprallte, hatte der Trapper immerhin geringe Hoffnung, nicht gerade zu in die mit furchtbarer Gewalt niedersausenden Wassermassen zu geraten.
Er rutschte ganz allmählich abwärts, damit das Lasso nicht etwa in Schwingungen geriet. Er hatte die Augen geschlossen, er fühlte, wie er im Moment völlig durchnässt war. Da er etwa zehn Meter in dieser Weise zurückzulegen hatte, berechnete er ungefähr, wie tief er sich nach jedem neuen Kletterschluss befand.
Als er so vielleicht sieben Meter nach abwärts gekommen war, als das Atmen ihm in dem neuartigen Sprühregen schon schwerer wurde, da stießen seine Füße plötzlich auf festen Boden.
Überrascht hing er nun ein paar Sekunden reglos, indem er nur die Stiefelspitzen ganz leicht auf den festen Halt aufstemmte. Dann hielt er sich nur mit den Händen fest, fühlte mit den Füßen den Umfang dieses Vorsprungs der Wand ab.
Dann hatte er zu seiner Freude festgestellt, dass dieser Vorsprung ein etwa ein Meter breiter Felsgrat war, der sich nach rechts hin, allmählich sich senkend, an dem Abhang entlangzog.
Er überlegte blitzschnell.
Dieser Weg konnte ihn um den Fall im Sprühregen der zerstäubenden Wasser herumführen, konnte von ihm vielleicht auch, wenn nötig, zur Rückkehr benutzt werden.
Jedenfalls wollte er jetzt nicht dreimal am Lasso rucken, damit Sancho dessen oberes Ende nicht etwa losband. Aber andererseits wollte er dem Gambusino auch ein Zeichen geben, dass er noch lebe.
So zog er denn nur einmal scharf an dem starken Lederriemen.
Sancho spürte den Ruck.
Es waren nicht drei Rucke, wie verabredet. „Was bedeutet das nun?“, fragte sich der Gambusino.
Und — so zog er denn selbst einmal an dem Lasso.
Doch – das war schon wieder schlaff. Sancho dachte nach und kam von selbst auf den richtigen Gedanken, dass er das Lederseil an der Felszacke festgebunden lassen solle!
Jedenfalls: Der Trapper lebte noch! Und das war Sancho die Hauptsache.
Der blonde Jäger aber schritt jetzt Fuß für Fuß auf dem schlüpfrigen Felsgrat abwärts. Nun hatte er wirklich die Talsohle rechts vom Wasserfall erreicht. Nun wurde ihm das Atmen nicht mehr so schwer.
Die Steilwand stets dicht zur Rechten, tastete er sich weiter und weiter.
Der feuchte Nebel der Milliarden von Wassertröpfchen wurde bald schwächer und schwächer.
Dann stand Felsenherz unter den ersten Erlen und Birken, die hier in der Osthälfte des Regentales einzelne Baumgruppen bildeten.
Über sich sah er den Sternenhimmel. Und als er sich umwandte, erblickte er links vom Wasserfall am Rand des Abhangs den roten Schein vieler Feuer.
Dort also lagerten die Apachen, dort befanden sich Chokariga und Tom Pick. Dort musste nun auch er hinauf und versuchen, die Gefährten noch in dieser Nacht zu befreien.
Er brauchte nicht zu fürchten, hier gesehen zu werden. Er eilte also schnell dem Ostausgang des Tales zu. Wie er am bequemsten dort auf die Höhe der Steilwand gelangen könne, wusste er, denn er hatte ja vor vier Tagen denselben Weg schon einmal zurückgelegt. Nach etwa zwanzig Minuten lag er bereits unweit des Apachenlagers im Schatten einiger Felsblöcke versteckt, richtete sich zuweilen auf und spähte umher.
Das Plateau hier war etwa dreihundert Meter breit und wurde nach Süden zu von steilen Bergen begrenzt. Es war mit kleinen und größeren Steinblöcken und mehreren Gruppen von Eichen und Tannen bedeckt.
Außerdem gab es zahlreiche Gestrüppstreifen, die sich von Steinblock zu Steinblock zogen.
Felsenherz wagte sich jetzt näher heran, nachdem er bemerkt hatte, dass kaum zehn Schritte vor ihm ein Apache auf und ab schlenderte.
Der Apache war wenig aufmerksam. Er rechnete wohl kaum mit der Anwesenheit von Feinden. Dass Felsenherz die Bonanzahöhle verlassen könnte, das glaubte niemand im ganzen Lager.
Der Trapper umging den Posten, schob sich lautlos an einer Gestrüppreihe entlang und hatte bald das erste der Apachenzelte dicht vor sich.
Im Lager herrschte bereits volle Ruhe. Nur die Feuer wurden in der Mitte des Zeltkranzes vom vier Apachen dauernd unterhalten, während vier andere Krieger unter einer mächtigen Eiche hockten, an deren tiefstem Ast zwei Gestalten hingen: die beiden Gefangenen!
Als der Große Bär gegen elf Uhr abends mit seiner Abteilung hier eingetroffen war und als die zehn Krieger ihm stolz die beiden gefesselt am Boden liegenden Gefangenen gezeigt hatten, da hatte der Oberhäuptling dem Comanchen einen Fußtritt versetzt und gebrüllt: „Hund von Athabaska (die Comanchen gehören zur Nation der Athabasken), diesmal sollst du mir nicht wieder entfliehen! Dein weißer Bruder Felsenherz ist dort unten in der Grabhöhle des großen Häuptlings Juan eingesperrt. Er kann dort nicht heraus! Er wird dir keine Hilfe bringen! Er wird dort vor Hunger sehr bald zum schwachen Weib werden! Und dann werden wir ihn holen, dann wird er mit euch beiden am Marterpfahl sterben!“
Dass auch Sancho in der Bonanzagrotte mit eingeschlossen war, wussten die Apachen nicht.
Chokariga hatte dem Großen Bär nicht den Triumph gegönnt, irgendetwas zu erwidern.
Der Oberhäuptling ließ ihn und Tom Pick dann mit Lassos, die den Gefesselten unter den Armen durchgezogen wurden, an den Eichenast hängen, sodass ihre Füße ein Meter über dem Boden sich befanden. Er glaubte, dass die Gefangenen sich in dieser Lage niemals selbst befreien könnten, zumal ja vier Wächter schräg unter ihnen an einem großen Feuer saßen.
Felsenherz war mit seinem Plan, wie die Gefangenen einzig und allein gerettet werden könnten, in Kurzem fertig.
Die Hauptschwierigkeit bestand darin, bis an jene Eiche und dann in deren Krone zu gelangen.
Hier nun kam ihm das vor den vier Wächtern brennende Riesenfeuer sehr zustatten, denn die Eiche warf einen breiten Schatten bis über einen Felsblock hinaus, der hoch genug war, um von seiner Spitze aus einen anderen Ast der Eiche zu erklimmen.
Felsenherz nahm jetzt das Jagdmesser zwischen die Zähne und kroch in ein Gebüsch hinein, wo er einen etwa drei Meter langen Ast behutsam abschnitt und ihn von Zweigen völlig säuberte.
An das eine Ende dieses Astes band er dann sein Jagdmesser fest.
Nun erst schob er sich auf den Steinblock zu, erkletterte ihn auf der Schattenseite und richtete sich oben behutsam auf.
Ebenso behutsam schwang er sich auf den mannsdicken Ast der Eiche, verschwand in dem dunklen Blätterdach und arbeitete sich vollständig geräuschlos bis zu dem anderen Ast hin, an dem die Gefangenen hingen, deren Lassos etwa vier Meter lang waren, sodass die Gesamtentfernung bis zur Erde etwa sechseinhalb Meter betrug: vier Meter Lasso, anderthalb Meter Körperlänge, von den Schultern gerechnet, und ein Meter Zwischenraum bis zum Boden.
Die vier Wächter saßen und würfelten. Nur selten schaute einer von ihnen auf und sah flüchtig nach den beiden regungslos da hängenden Gestalten.
Die Apachen als leidenschaftliche Würfelspieler (als Würfel dienen behauene Schieferstücke, in deren Flächen Zeichen eingeritzt und mit Farbe ausgefüllt sind) gaben sich dem Spiel mit vollem Eifer hin. Sie wussten ja, dass die Gefangenen dort an dem Ast sicher aufgehoben waren.
Felsenherz begann jetzt mit größter Vorsicht seinen speerähnlichen Stock zu senken. Er rechnete damit, dass die durch den Feuerschein geblendeten Wächter den etwa drei Finger dicken Ast kaum bemerken würden.
Chokariga und Tom Pick waren die Hände auf dem Rücken gefesselt und noch durch besondere Riemen im Kreuz festgebunden.
Da ihre Gesichter nach den Wächtern und dem Feuer zu gerichtet waren, konnte es nicht allzu schwer sein, die Riemen mit der Messerklinge durchzuschneiden.
Felsenherz versuchte es zunächst bei dem Comanchen. Zweimal blickte einer der Wächter wirklich auf, während der Messerstock noch die Riemen bearbeitete. Nur ein Mann von den vielfachen Erfahrungen und der Geschicklichkeit des Trappers konnte diese Arbeit glücklich vollenden. Als der Comanche spürte, dass er die Hände frei bewegen konnte, blieb er trotzdem ohne jede Bewegung hängen, obwohl er sich doch, trotz der noch gefesselten Füße, an dem Lasso hätte emporziehen können. Er wusste, dass er dies mit Tom Pick gleichzeitig tun müsse, wenn ihre Flucht gelingen sollte. Verschwand einer von ihnen früher, so musste der andere, wenn das Fehlen des einen bemerkt würde, der Rache der Apachen zum Opfer fallen, die ja fraglos in ihrer sinnlosen Wut über den Verlust gerade ihres rothäutigen Feindes Chokariga sofort ihre Waffen gegen den Wehrlosen gebrauchen würden.
Chokariga gab also genau acht, wann auch Tom Picks Hände der Fesseln ledig wären. Unauffällig wandte er den Kopf und beobachtete den Polizeimeister, indem er die Lider dabei halb schloss.
Felsenherz’ Speerstock schnitt jetzt an Tom Picks Riemen herum.
Der Polizeimeister rührte sich nicht. Geduldig wartete er, bis seine Hände frei waren.
Einer der Wächter schaute gerade auf, als Felsenherz den dünnen Ast wieder hochzog. Aber der durch den Feuerschein tatsächlich stark geblendete Krieger begnügte sich damit, festzustellen, dass die beiden gefesselten Beinpaare noch genau so über dem Boden schwebten.
Die vier Würfelspieler kamen immer mehr in Eifer. Sie stritten sich, ob der eine Wurf gültig sei.
Diesen Augenblick benutzte der Comanche. Und auch Tom Pick zog sich rasch empor, bis er auf dem Ast saß.
Felsenherz’ Messer wanderte aus Chokarigas Hand in die des Polizeimeisters.
Nun waren sie ihre Fesseln völlig los, folgten dem Trapper, hatten schon den anderen dicken Ast über dem Steinblock erreicht, als der eine Wächter mit einem leisen Schrei emporfuhr.
Er hatte das Verschwinden der Gefangenen entdeckt, wollte bereits einen Alarmruf ausstoßen, als links von der Eiche ein Schuss knallte. Einer der Außenposten des Lagers hatte Felsenherz bemerkt, wie er sich von dem Ast auf den Steinblock herabließ, hatte auf ihn gefeuert, jedoch nicht getroffen.
Der Apache hatte den blonden Jäger jedoch erkannt, floh und stürmte in den Zeltkreis hinein, indem er mit schriller Stimme wiederholt Felsenherz’ Kriegsnamen brüllte.
Im Moment war jetzt das ganze Lager lebendig. Doch die drei Flüchtlinge hatten längst ein schützendes Dickicht gewonnen, eilten weiter, liefen dann aufrecht davon, dem Eingang des Regentales zu.
Felsenherz verständigte die beiden Befreiten rasch von der Notwendigkeit, in der Bonanza-Grotte Zuflucht zu suchen.
Furchtlos folgten der Comanche und Tom Pick ihm in den Staubregen des Wasserfalles. Die drei Männer fassten sich bei den Händen und gelangten so langsam bis an den Felsgrat, weiter bis an das Lasso, das Felsenherz nach einigem Umhertasten glücklich fand und nun Tom Pick in die Hand drückte.
So klomm dieser als Erster empor.
Ihm folgte der Comanche. Dann erst kletterte auch der Trapper hoch.
Sancho hatte seinen Augen nicht recht getraut, als sich plötzlich eine Gestalt über den Rand der Felsspalte auf flachen Boden hinaufzog.
Tom Pick rief ihm seinen Namen zu, und der Gambusino half dann dem Polizeimeister tiefer in die Spalte hinein.
Nun waren in der Grabhöhle des weißen Häuptlings Juan vier Männer vereint, waren jedoch noch immer halb und halb Gefangene.
Bei der dann folgenden Beratung der vier erklärte Chokariga, dass die Apachen fraglos annehmen würden, die beiden Befreiten und ihr Retter hatten sich tiefer in die Guadalupe-Berge geflüchtet. Dass sie hier in der Grotte seien, würde der Große Bär nie vermuten können. Es wäre also am besten, hier ruhig zwei bis drei Tage zu bleiben.
Felsenherz stimmte dem zu.
Man beschloss, vorn an der Felsspalte abwechselnd zu wachen, damit man jederzeit die Apachen durch Schüsse verscheuchen könnte, falls sich ein paar von ihnen an Lassos von der Steilwand herabließen, um in die Höhle einzudringen.
Der blonde Jäger übernahm die erste Wache, da er sich körperlich am frischsten fühlte. Die anderen drei legten sich zum Schlaf nieder.
So saß denn Felsenherz nun, die lange Jaguarbüchse im Arm, vorn am Eingang und beobachtete, wie das Dunkel der Nacht immer mehr schwand, wie der neue Tag heraufzog und die Finsternis hinter dem Wasserfall einer trüben Dämmerung wich.
Als es noch heller wurde, zog er sich mehr in die Felsspalte zurück, damit er von der Höhe des Abhangs aus nicht bemerkt werden könne.
Es mochte so neun Uhr vormittags geworden sein, da schob Felsenherz wieder einmal den Kopf vorsichtig ein Stück über den Seitenrand der Spalte hinaus, zog ihn aber sogleich wieder zurück.
Er hatte einen Apachen bemerkt, der bereits an einem Lasso hin und her pendelte.
Er griff schon nach der Büchse, ließ sie aber wieder sinken und schlüpfte noch tiefer in die Spalte hinein, kauerte hier nieder und erwartete den Apachen, der denn auch sehr bald mit großer Gewandtheit sich am Rand des Eingangs festklammerte, festen Fuß fasste, das Lasso von der Brust losknotete und um einen Stein schlang, damit der starke Riemen nicht zurückglitt.
Dieser Apache war kein anderer als Tatwiru, das schnelle Elentier (eine Hirschart), einer der bekanntesten Unterhäuptlinge der Apachen.
Schon dreimal war Felsenherz mit diesem schnellfüßigen Roten bei anderen Gelegenheiten zusammengetroffen. Tatwiru hasste den Trapper nicht minder als der Große Bär.
Der Apache war jedoch nicht nur flüchtig wie ein Elentier, sondern auch ein erfahrener und schlauer Krieger.
Kaum hatte er auf dem stets feuchten Boden der Felsspalte, bis zu der ja stetig einige Spritzer des Falles hinaufsprühten, die frischen Spuren Felsenherz’ wahrgenommen, die in der Nässe wie blankere Stellen blinkten, als er schon mit einem Satz wieder am Rand des Eingangs war und das um den Stein geschlungene Lasso ergreifen wollte, um sich in Sicherheit zu bringen.
Doch – hier sollte nun die Jaguarbüchse die erste Probe ihrer Treffsicherheit ablegen.
Felsenherz wollte Tatwiru nicht entkommen lassen. Er feuerte auf das Lasso.
Die Kugel zerschnitt den Riemen gerade dort, wo dieser von dem Stein im Bogen in den Sprühregen hinabhing, sodass er nun nach rechts infolge der eigenen Schwere pendelte und für den Apachen verloren war.
Sechstes Kapitel
Überlistet.
Das Schnelle Elentier hatte mit der Linken das Jagdmesser und mit der Rechten den Tomahawk aus dem Gürtel gerissen. Er wusste nicht, wen er hier als Gegner vor sich hatte, denn in der Dämmerung der Felsenspalte erkannte er nur die Umrisse einer Gestalt. Dass es ein Weißer war, sah er freilich, aber dass gerade der berühmte Trapper mit seinen Gefährten hierher geflüchtet sein sollte, erschien ihm unmöglich. So glaubte er, irgend ein anderes Bleichgesicht vor sich zu haben. Hätte er die Wahrheit geahnt, wäre er wohl weniger übereilt zum Angriff übergegangen.
Mit zwei wahren Panthersätzen sprang er nun den Feind an. Das Schlachtbeil zum Schlag erhoben, hoffte er schon auf einen leichten Sieg über den scheinbar ängstlich Zurückweichenden.
Felsenherz hatte die schwere Büchse ganz kurz gefasst, benutzte sie als Keule, ließ sie einen Bogen in der Luft beschreiben.
Der Kolben traf Tatwirus rechtes Handgelenk von unten mit solcher Kraft, dass der Apache den Tomahawk aus den halb gelähmten Fingern gleiten ließ.
Im selben Moment fühlte er auch schon den zweiten Kolbenschlag. Sein linker Arm, am Ellenbogen getroffen, sank herab. Ein neuer Hieb der Hammerfaust des Trappers gegen die rechte Schläfe ließ den Apachen besinnungslos zu Boden sinken.
Felsenherz fesselte ihn und trug ihn tiefer in die Grotte hinein.
Dass der Schuss oben auf der Höhe der Steilwand von den Apachen gehört worden sei, brauchte er nicht zu fürchten. Das Tosen des Wasserfalles musste auch den Knall der Büchse übertönt haben.
Die Apachen oben würden auch nicht ahnen, dass das Lasso durch äußere Einwirkung absichtlich zerschnitten worden war. Ein Messer hätte allerdings den Riemen so durchtrennt, dass dies sofort erkennbar gewesen wäre. Aber die Kugel hatte die einzelnen Riemen, aus denen das Lasso geflochten war, mehr zerfasert, und die Bruchstelle wirkte daher wie ein zufälliger Riss. Mithin würden die Apachen annehmen, das Lasso wäre aus irgendeinem Grund, vielleicht durch zu starke Belastung zerrissen.
So durfte Felsenherz denn hoffen, dass ihre Anwesenheit hier in der Grabhöhle des weißen Häuptlings den Rothäuten verborgen bleiben würde. Sollten die Apachen einen zweiten Krieger hinabsenden, um feststellen zu lassen, was aus Tatwiru geworden war, dann würde er auch diesen neuen Späher unschädlich machen. Inzwischen würde wohl wieder die Nacht herbeigekommen sein, die man zur Fortsetzung der Flucht benutzen konnte.
Der blonde Jäger hatte sich wieder an den Eingang der Felsspalte begeben.
Gleich darauf erschien Chokariga bei ihm und sagte kurz: „Mein Bruder Harry hat einen guten Fang gemacht. Tatwiru hat uns über die Pläne des Großen Bären alles verraten. Er ist bereits wieder bei Bewusstsein. Das schnelle Elentier ist flüchtig wie der Präriehase, aber auch ebenso dumm. Als er mich soeben erkannte, wie ich ihm mit der Fackel ins Gesicht leuchtete, zischte er mich rachgierig an und rief: „Wenn der Große Bär mit den hundertfünfzig Kriegern von der Verfolgung der Navajohunde zurückgekehrt ist, wird er euch gefangen nehmen. Der Skalp des Schwarzen Panthers wird bald im Rauch des Feuers unserer Zelte trocknen. –
Mein Bruder Harry weiß, dass die Apachen oben im Lager etwa hundertsiebzig Krieger zählten. Es können jetzt nur gegen zwanzig oben auf dem Felsplateau sein.“
Felsenherz nickte nur. Dann winkte er dem Comanchen und beide begaben sich zu dem Gefangenen, neben dem eine Fackel an der Steinwand brannte.
„Das schnelle Elentier mag auf des Trappers Worte achten“, begann Felsenherz, indem er den Apachen aufrichtete und sitzend an einen Steinblock lehnte. „Der Große Bär glaubt, wir wären hinter den Navajo her, die wieder den beiden Bleichgesichtern folgen, von denen das Gold der Bonanza gestohlen wurde. Tatwiru soll frei sein, wenn er uns heimlich zur Flucht verhilft und uns unsere Pferde und Waffen zurückgibt.“
Felsenherz wusste genau, dass der Unterhäuptling nur zum Schein auf diesem Vorschlag eingehen würde. Er hatte seine Worte klug berechnet. Es kam ihm nur darauf an, dass der Apache ihm durch seine Antwort das bestätigte, was er über den Grund der Abwesenheit des Großen Bären mit hundertfünfzig Kriegern vermutete. Und Tatwirus Erwiderung, die wirklich wenig Schlauheit verriet, genügte ihm denn auch vollständig.
„Der berühmte weiße Jäger mag das Schnelle Elentier sofort freilassen, damit Felsenherz und die anderen Männer rasch von hier fliehen können, bevor der Große Bär zurückkehrt, der durch einen unserer Späher, von dem die beiden Bleichgesichter mit den Goldsäcken und auch die Navajo beobachtet worden sind, alles erfuhr, was sich gestern eben hier ereignet hat. Tatwiru wird die Waffen und Pferde der vier Männer an einen Ort schaffen, den wir vereinbaren können.“
Da mischte sich der Comanche ein. „Das Schnelle Elentier hat das Hirn eines Säuglings, der von der Mutter noch bei der Arbeit auf dem Rücken getragen wird“, sagte er verächtlich. „Wir werden auch ohne ihn die volle Freiheit wiedererlangen. Tatwiru würde uns nur betrügen.“
Der Apache stieß einen heiseren Wutschrei aus. Erst jetzt erkannte er, dass er sich hatte überlisten lassen.
Felsenherz und Chokariga beachteten ihn nicht weiter, gingen wieder zum Eingang der Felsspalte zurück und berieten, was nun geschehen solle. Da sich oben auf dem Plateau im Apachenlager nur noch gegen zwanzig Krieger aufhielten, die noch nicht ahnten, dass die beiden Westmänner und die beiden anderen Weißen in der Bonanzagrotte Schutz gefunden hatten, musste es nicht schwer sein, nachts die Pferde und Waffen aus dem Lager zu holen. Sie beschlossen denn auch, sofort nach Dunkelwerden die Höhle zu verlassen. Tatwiru sollte hier zurückbleiben, da die Apachen ihn nachher schon finden würden. Gegen Mittag ließ sich dann ein zweiter Apache von der Steilwand herab und gelangte in die Felsspalte. Er zeigte sich sehr misstrauisch und rief erst wiederholt Tatwirus Namen in den dunklen Schlund hinein, bevor er, die gespannte Flinte in der Hand, vorsichtig die Grotte betrat, wo die vier Gefährten sich so verteilt hatten, dass sie ihn leicht abfangen konnten.
Er wagte sich jedoch nur so weit vor, wie der Lichtschein von draußen eine trübe Dämmerung verbreitete. Dann blieb er stehen und wiederholte seine Rufe nach dem Unterhäuptling. Als sich auch jetzt niemand meldete, wurde er offenbar noch argwöhnischer, kehre plötzlich um und ergriff schnell das Ende des Lassos, das er unter einem Stein festgeklemmt hatte.
Chokariga wollte aus dem Versteck hervorspringen und den Apachen durch ein Felsstück in den Wasserfall hinabbefördern.
Aber der Trapper hielt ihn zurück und flüsterte: „Mag er wieder hinaufklettern. Er wird fraglos mit mehreren anderen und mit Fackeln zurückkehren. Diese Krieger jedoch sollen uns dann nicht entkommen.“
Der Apache hatte sich bereits an dem Lasso aus der Felsspalte herabpendeln lassen und befand sich sehr bald oben auf dem Plateau, wo ihn zwölf seiner Stammesgenossen neugierig auszufragen begannen. Der Älteste der Krieger befahl dann, dass harzige Äste zu Fackeln zurechtgehauen werden und dass acht Apachen nacheinander sich hinab in die Felsspalte schwingen und die Grabhöhle durchsuchen sollten.
„Tatwiru ist nicht in den Wasserfall hinabgestürzt“, erklärte er zum Schluss. „Ich lag dort rechts am Rand des Abhangs und habe hinter den Wasserfall geschaut. Ich hätte Tatwiru sehen müssen, wenn er in den Wassernden Tod gefunden hätte.“
Gegen vier Uhr nachmittags ließen sich dann die acht Krieger einzeln hinab und gelangten auch sämtlich wohlbehalten auf festen Boden. Hier musste dann einer von ihnen zurückbleiben und die oben festgebundenen Lassos bewachen.
Die sieben anderen setzten ihre Fackeln in Brand und drangen nun langsam in die Grotte ein. Vorsichtig suchten sie nach irgendwelchen Spuren, entdeckten jedoch nicht das geringste Anzeichen dafür, dass sich hier noch Menschen aufhielten.
Dass Felsenherz und seine Gefährten sich in einer kleinen Nebenhöhle verborgen und den Zugang durch große Felsstücke, die wie eine zufällige Anhäufung von Steintrümmern aussahen, verrammelt hatten, konnten sie nicht ahnen.
So kamen sie schließlich auch in die einem riesigen Gewölbe gleichende Hauptgrotte, wo sich das Grabmal des weißen Häuptlings befand.
Als sie bemerkten, dass dieses geöffnet worden war, als sie nun hineinleuchteten und neben dem zur Mumie ausgetrockneten Toten ihren Unterhäuptling Tatwiru gefesselt sitzen sahen, als sie zu gleicher Zeit den donnernden Knall zweier Schüsse und die Schmerzensrufe zweier durch den Arm getroffener Krieger vernahmen, stießen sie ein gellendes Wutgeheul aus, das jedoch sehr bald von Felsenherz’ Stimme übertönt wurde.
„Die Krieger der Apachen mögen auf des Trappers Worte hören! Wer von euch dieses Grabgewölbe zu verlassen wagt, erhält eine Kugel durch den Kopf.“
Die Apachen starrten zu dem schmalen Zugang des Gewölbes hinüber. Dort stand Felsenherz, befestigte vier Fackeln rasch in den Rissen des Gesteins und verschwand wieder.
Inzwischen hatte Chokariga vorn am Eingang der Felsspalte den dort zurückgebliebenen Wächter, einen jüngeren Krieger, mühelos überwältigt.
Drei Stunden später war es dann im Regental bereits so dunkel, dass die vier Gefährten es wagen konnten, die Bonanzahöhle für immer zu verlassen. Die Apachen in dem Grabgewölbe hatten bisher sich nicht herausgetraut, da Felsenherz den schmalen Zugang durch stets neue Fackeln erleuchtet hatte. Sancho, der Gambusino, fühlte sich jetzt schon so frisch und kräftig, dass er den Abstieg durch die Staubwasser des Falles nicht weiter zu fürchten brauchte.
Wohlbehalten kamen die Flüchtlinge aus dem Tal heraus auf das Plateau, wo das Apachenlager nur noch durch neun Krieger bewacht wurde. Da diese in ihrer Unruhe über das Schicksal der in die Grabhöhle Hinabgestiegenen jede Vorsicht außer Acht ließen und sich zumeist am Rand des Abhangs aufhielten, konnten Felsenherz und Chokariga unbemerkt aus dem Zelt des Großen Bären ihre Waffen holen und ebenso die des Polizeimeisters aus Tatwirus Zelt mitnehmen. Nicht viel schwieriger war es, den die Pferde bewachenden Krieger lautlos unschädlich zu machen.
Gegen elf Uhr abends konnten die vier Gefährten daher mit ihren Reittieren, ohne dass die am Abhang versammelten Apachen dies gewahr geworden waren, von dem Plateau durch eine nordwärts verlaufende Schlucht zunächst im Schritt sich entfernen. Nachher bestiegen sie ihre Pferde und erreichten am Morgen die letzten nördlichen Anhöhen der Guadalupe-Berge.
Siebentes Kapitel
Der Fluch des Goldes.
Hier lagerten sie den Tag über in einem steinigen Tal. Da sie darauf bedacht gewesen waren, eine möglichst undeutliche und schwer auffindbare Fährte zurückzulassen und da sie außerdem mehrmals all jene im wilden Westen üblichen Irreführungen eines Verfolgers angewandt hatten, um jeden über ihre Marschrichtung zu täuschen, durften sie hoffen, dass sie vorläufig vor den Apachen sicher waren.
Während Sancho und Tom Pick an diesem Lagerplatz sich sofort zum Schlafen niederlegten, während der Comanche freiwillig die erste Wache übernahm, ritt Felsenherz noch weiter nach Norden in die Prärie hinaus, da er feststellen wollte, ob seine Vermutung, dass die beiden Kojoten, die Brüder Samter, zunächst nach Norden geflüchtet waren, um dann erst nach Osten abzubiegen und den fernen Ansiedlungen zuzustreben, sich als richtig erweisen würde. Nach Süden durften sie sich nicht wenden, weil dort jetzt gerade die Apachen in den Prärien am Pecos ihre regelmäßigen Büffeljagden abhielten, was so gewieften Desperados ja fraglos bekannt war. Es blieb ihnen also nur der Weg nach Norden offen, wenn sie ebenso klug gewesen waren, nicht direkt sich dorthin zu wenden, wo man sie vermuten konnte. Jenseits des Pecos nach Osten zu!
Felsenherz ritt in einem lehmigen, ausgetrockneten Flußtal dahin, dessen Boden durch die Sonne in eine braungelbe, steinharte Tenne verwandelt worden war. Er hatte seinem edlen, schnellfüßigen Braunen die Hufschuhe angelegt, damit diese Lederüberzüge auch nicht die geringsten Eindrücke zurückließen.
Das Flußtal erstreckte sich meilenweit bis an den Pecos heran und verlief zumeist in östlicher Richtung. Die Örtlichkeit hier war dem Trapper nicht fremd. Schon einmal hatte er in dieser Gegend mit seinem roten Bruder Chokariga mit den Apachen einen harten Strauß ausgefochten.
An einzelnen Stellen reichten die Büsche und Baumgruppen, die die Ränder des Flußtales in freundlichem Grün leuchten ließen, bis in das ausgetrocknete Bett des nur im Herbst und Frühjahr mit Wasser gefüllten Geländeeinschnittes hinab. Sobald Felsenherz sich diesen grünen Gebüschzungen näherte, verdoppelte er seine Vorsicht.
Seine eigene Büchse hing geladen am Sattelknopf. Die bedeutend schwerere und auch bessere Jaguar-Büchse des weißen Häuptlings Juan aber hielt er schussbereit in der Rechten. Sie passte für seine Körperstärke weit mehr, trug auch weiter und hatte sich als vorzügliche Waffe in seiner Hand bisher trefflich bewährt. Deshalb beabsichtigte er auch, dieses Beutestück aus dem Grabhügel des weißen Häuptlings für immer zu behalten.
Nachdem er dem Flußtal so etwa anderthalb Stunden lang nach Osten zu gefolgt war, fand er an einer Stelle, wo der Lehmboden noch einige Feuchtigkeit besaß, eine breite Fährte eines größeren Reitertrupps, der von rechts, von Süden her, in das Tal hinab und gen Osten weitergeritten war.
Trotz der nur schwer zu lesenden Spuren fand der blonde Trapper doch sehr bald heraus, dass hier ohne Zweifel der Große Bar mit seinen Kriegern vor etwa zwölf Stunden auf der Verfolgung der den Brüdern Samter nachsetzenden Navajo vorübergekommen war.
Er nahm dem Braunen jetzt die Hufschuhe ab, ließ ihn oben am Talrand eine Stunde grasen, um ihm etwas Ruhe zu gönnen, und jagte dann im Galopp den Apachen nach. Kaum eine halbe Stunde später wurde das Flußtal bedeutend flacher und breiter. Hier drängte sich hoher Mischwald bis an das trockene Bett des PrärieFlußes heran. Hier gab es auch ein seeartiges Wasserbecken, in dessen Mitte eine flache, bewaldete Insel von etwa fünfzig Meter Durchmesser lag.
Der Wind strich von Osten herüber. Des blonden Jägers feine Nase spürte plötzlich den Geruch eines Holzfeuers. Sofort sprang er ab und führte den Braunen in ein dichtes Gebüsch hinein, band ihn fest und kroch dann am linken Talrand weiter. Er hatte für alle Fälle beide Büchsen mitgenommen. Eine dunkle Ahnung sagte ihm, dass er sie vielleicht beide würde brauchen können.
Dann trug der Wind ihm ein paar gellende Hilferufe zu. Nein – nicht Hilferufe waren es! Das war das Angstgebrüll von Menschen, die sich in höchster Todesnot befanden.
Felsenherz vernahm nun auch mehrere Schüsse, die kurz hintereinander abgegeben wurden. Er beeilte sich daher, näher an den Schauplatz dieses anscheinend recht erbitterten Kampfes heranzukommen.
Nach weiteren zehn Minuten hatte er das Ufer des langgestreckten Gewässers erreicht, lag jetzt in einem Gestrüpp und hatte die Insel hier fünfzig Meter vor sich. Kaum warf er nun einen prüfenden Blick zu der Insel hinüber, als ihm vor Grauen alles Blut zu Kopfe schoss.
Dort in einer Lichtung der bewaldeten Insel waren an sechs einzelnen, dünnen Erlen die Brüder Samter und vier Navajos festgebunden. Dort tanzten die Apachen wie wahnsinnig in ihrem Blutrausch um die Gefangenen herum. Dort feuerten jetzt ein paar junge Krieger abermals ihre Flinten auf die am Marterpfahl Stehenden ab.
Der eine Samter musste getroffen worden sein, stieß abermals ein furchtbares Angstgebrüll aus und sank dann matt in seinen Fesseln zusammen. Der Kopf fiel ihm auf die Brust. Er war ohnmächtig geworden.
Einer der Apachen schwang schon mit geschwungenem Tomahawk zu, wollte dem Bewusstlosen den Schädel spalten.
Gewiss – die beiden Samter waren nur Desperados, waren nichts als weißes Gesindel! Und doch konnte Felsenherz hier nicht ruhig mit ansehen, wie sie von den Apachen abgeschlachtet wurden, zumal jetzt auch vier andere Apachen die offenbar schon durch Schüsse, Messerwürfe und Tomahawkhiebe schwer verletzten Navajo ebenfalls vollends abtun wollten.
Der Trapper hob die lange Jaguar-Büchse.
Gerade als der Apache dem älteren Samter so den Rest geben wollte, knallte ein Schuss.
Der Rote warf die Arme in die Luft und stürzte zu Boden.
Da – des anderen Samter Fesseln mussten sich wohl schon vorher gelockert haben. Er sprang plötzlich mit wilden Sätzen dem Ufer der Insel zu, wo ein aus zwei Baumstämmen hergestelltes Floß lag.
Die Apachen waren durch den Schuss im ersten Augenblick so überrascht, dass sie den Flüchtling nicht früher gewahr wurden, bis dieser schon mit der Stoßstange das Floß dem Land zutrieb.
Der Große Bär hatte dann seine Büchse ergriffen, hatte auf Will Samter angelegt.
Felsenherz erkannte seinen alten Feind sofort. Die riesige Gestalt des Oberhäuptlings wurde ihm jedoch durch mehrere Apachen verdeckt, die sich jetzt in den See warfen, um dem Floß nachzuschwimmen.
So konnte er nur auf den Lauf der Flinte des Großen Bären zielen, so konnte er um den Bruchteil einer Sekunde zu spät abdrücken.
Beide Schüsse dröhnten fast gleichzeitig über das Wasser hin. Die Kugel des Apachenhäuptlings ging Will Samter durch die Brust. Die des Trappers aber zerschmetterte den Lauf der Flinte des Großen Bären.
Was dann geschah, spielte sich so blitzschnell ab, dass Felsenherz die einzelnen Vorgänge kaum richtig erfassen konnte.
Will Samter war auf dem Floß zusemmengesunken – gerade über die mit den Goldkieseln angefüllten Felle, die auf dem Floß gelegen hatten.
Plötzlich raffte er sich mit letzter Kraft nochmals auf, wälzte die vier Goldsäcke einen nach dem anderen von dem Floß herab in den See.
Als er den Letzten in die Tiefe beförderte, schoss ihn ein Blutstrom aus dem Mund. Er verlor den Halt, glitt gleichfalls ins Wasser, folgte so dem Gold, das ihn von Verbrechen zu Verbrechen und schließlich in den Tod getrieben hatte.
Inzwischen hatten auf der Insel die fünf übrigen Gefangenen unter den Tomahawks der Apachen ein rasches Ende gefunden. Ihre blutigen Leichen hingen nur noch zusammengekrümmt in den Lederriemen. Felsenherz sah jetzt immer mehr der grimmen Rothäute seinem Versteck zuschwimmen. Wollte er seinen Braunen noch erreichen, musste er sie für einige Zeit zurückschrecken.
Er nahm seine andere Büchse. Wieder zwei Schüsse. Zwei der Apachen hatten mit Kugeln in der Schulter schleunigst kehrt gemacht.
Der blonde Trapper beobachtete noch, dass auch die übrigen Schwimmer umkehrten. Schleunigst kroch er durch die Büsche davon, richtete sich dann auf, lief zu seinem Pferd und galoppierte davon. Nachmittags gegen sechs Uhr hatten die vier Gefährten den Großen Bär und seine Krieger glücklich von ihrer Spur abgelenkt und wandten sich wieder der Insel zu, wo das Gold der Bonanza nun auf dem Grund des Sees ruhte.
Die fünf Leichen hingen noch in den Riemen an den Erlen. Tom Pick fand in Bill Samters Jagdrock eingenäht das von den Brüdern in Trenton geraubte Geld. Man begrub schnell die fünf Toten. Von den Navajo war allein der Heulende Wolf entkommen. Will Samters Leiche konnten die Gefährten nicht mehr suchen. Sie stellten nur fest, dass der See dort, wo die Goldsäcke versunken waren, dieser tiefer als das längste Lasso war und dass die ungeheuren Schätze mithin vorläufig von niemand heraufgeschafft werden konnten.
Bei anbrechender Dunkelheit ritten sie dann dem Pecos zu. Hier trennten sich Felsenherz und Chokariga von Sancho und Tom Pick. Der Gambusino wollte mit dem Polizeimeister zusammen in die Ansiedlungen zurückkehren. Die zehn Goldkiesel in seiner Tasche ermöglichten es ihm später, sich eine kleine Farm zu kaufen, wo er als strebsamer und fleißiger Viehzüchter die blutige Zeit seiner Abenteuer als „Indsmenfresser“ bald vergaß.
Der Trapper und der Comanche aber sollten sehr bald nochmals mit dem Großen Bären und den Apachen zusammengeraten. Hierüber im nächsten Band.
Nächster Band: