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Das Vermächtnis des Buschkleppers

 

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.

 

Band 13:

Das Vermächtnis des Buschkleppers.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.

Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.

 

 

Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

 

 

Erstes Kapitel

Der Tod des früheren Buschkleppers.

Die Sonne war soeben hinter den schroffen, kahlen Bergen verschwunden, die das kleine Tal am Big Salt Bach von allen Seiten einschlossen.

In diesem Tal, dessen fruchtbarer Boden zum Anbau von Getreide benutzt worden war, hauste seit etwa acht Jahren ganz allein ein weißhaariger, verwitterter Greis als menschenscheuer Einsiedler.

Fred Summer hieß dieser Mann, der sich in diese Einsamkeit nach einem wild bewegten Leben zurückgezogen hatte. Vor vielen Jahren waren ihm Frau und Kinder, als er noch im Felsengebirge droben als Farmer und Fallensteller den harten Kampf ums Dasein gekämpft hatte, von Rothäuten erschlagen worden. Nur eine Tochter war ihm geblieben, und diese hatte jetzt den weiten Weg von San Francisco bis hier an die Ostseite der berüchtigten Llano Estacado nicht gescheut, um den Vater nochmals zu sehen, der sein Ende nahen fühlte und der Tochter noch einen letzten Brief durch zwei Trapper zugeschickt hatte, jene Brüder Trumm, die als ‚die beiden Trumms’ im Wilden Westen bekannt und berühmt waren.

Lydia Summer hatte auf ihrem verwegenen Ritt von Kalifornien bis nach Nordtexas mancherlei erlebt und verdankte ihre Rettung vor den ihr nachsetzenden Apachen nur dem langen Hilpray, einem erfahrenen Westläufer, der dann noch mit Felsenherz und dessen rotem Bruder Chokariga, dem Komanchenhäuptling, zusammengetroffen war.

Heute an diesem sonnenklaren Augusttag, der sich soeben seinem Ende entgegenneigte, hatte der alte Summer einen schweren Schwächeanfall gehabt und lag jetzt vor der Tür seiner Blockhütte auf einem einfachen Lager aus Fellen. Neben ihm saß seine Tochter und hielt die braune Hand ihres Vaters zwischen ihren schmalen, zarten Händchen, während die fünf Westmänner, die mit Lydia Summer erst vorgestern hier eingetroffen waren, auf plumpen Schemeln um das Sterbebett des Greises herum Platz genommen hatten.

Es ging mit Fred Summer zu Ende. Das sah jeder, der dieser stillen, ernsten Szene beiwohnte. Der Alte hatte die Augen geschlossen. Seine Lippen murmelten unverständliche Worte.

Dann, als das Abendrot die Spitzen der Berge zu vergolden begann, schlug er die schweren Lider nochmals auf, blickte mit klaren Augen um sich, schien jedes Antlitz der um ihn versammelten Männer ernst zu prüfen und bat nun seine Tochter mit zitternder Stimme um einen Schluck Brandy.

Der Alkohol peitschte die schwachen Lebensgeister nochmals auf.

Mit tiefer, fester Stimme sagte der Greis nun: „Ich freue mich, daß meine Augen noch die beiden berühmtesten Westläufer der Prärien, Felsenherz und den Schwarzen Panther, geschaut haben. Ich freue mich um so mehr, als nur sie fähig sind, mein Vermächtnis nach meinem Wunsch zu erfüllen. Ich bitte Euch drei, Tom Hilpray und die beiden Trumms, aus meiner Hütte meine Waffen zu holen und sie hier neben mich zu legen. Du aber, mein Kind“, wandte er sich an das junge Mädchen, das mit dem kurz geschnittenen Haar, dem leicht von der Sonne gebräunten Gesicht und dem Männeranzug aus feinstem Wildleder ganz wie ein schlanker Bursche aussah, „du, meine Lydia, führe auch meinen braven, alten Falben herbei, der mir nun bereits zwanzig Jahre als Reitpferd gedient hat —“

Die drei Trapper und das Mädchen beeilten sich, dem Wunsch des Sterbenden nachzukommen, und ließen ihn so mit Felsenherz und dem Schwarzen Panther allein. Kaum merkte der Greis, daß er jetzt nur von dem blonden, stattlichen Jäger und dem Komanchenhäuptling gehört werden könne, als er auch schon flüsterte: „Ihr beide, die Ihr dafür bekannt seid, daß Ihr die Bedrängten beschützt und die Verbrecher bestraft, achtet darauf, was ich nachher erzählen werde. In dem Lauf meiner alten Steinschlosspistole habe ich ein viereckiges Lederstück verborgen, auf dem —“

Da kehrten die drei Trapper mit Fred Summers Waffen aus der Hütte schon zurück.

Der Greis sprach lauter weiter, als führte er einen begonnenen Satz fort: „— daß ich in meiner Jugend auf Abwege geraten war und mich einer Bande von Pferdedieben und Buschkleppern angeschlossen hatte. Meine Tochter weiß dies. Sie hat mich deshalb nicht weniger geliebt, denn ich habe ja meine Verfehlungen durch ehrliche Arbeit während dreißig Jahren wieder gutzumachen gesucht — So, ich danke Euch, Hilpray, und Euch, Robb und Jobb Trumm! Gebt mir meine Büchse und die alte Pistole in die Hand. Legt das andere neben mich — Ah — da bringt auch Lydia meinen Falben —“

Der Falbe, dessen milchige Augen den Herrn wohl kaum mehr erkannt hätten, reckte den Hals lang, schnupperte, kam mit zitternden, steifen Beinen näher und beugte den Kopf dann tief zu dem Sterbendem herab.

Fred Summer streichelte seinem halb erblindeten Pferd die Nüstern, sagte wehmütig: „Falber, Falber, auch du warst damals dabei, als unsere Bande die Hazienda in Südtexas überfiel. Das sind nun 33 Jahre her. Weißt du noch, wie ich mit dem Schmuckkasten der Frau des reichen Haziendabesitzers floh und wie mir meine Gefährten nachsetzten! Das waren andere Zeiten, Falber! Damals waren wir beide noch jung! Weißt du noch, wie die Bande uns wochenlang bis hinauf zu den Quellen des Arkansas in den Kolorado-Bergen hetzte, wie mich so in der Einsamkeit der Prärie und Wälder der Ekel vor dem bisherigen Leben packte und ich den eisernen Schmuckkasten in die Schlucht warf! Ja, Falber, von da an wurde der Fred Summer ein ehrlicher Mensch! — Freunde, mein Kind“, wandte der Alte sich an die um sein Lager Versammelten. „Ich will jetzt mein Testament machen, will meinen letzten Wunsch äußern. Ich weiß, daß ich die Sonne nicht mehr sehen werde. Ich werde den Morgen nicht mehr erleben — Zunächst du, meine Tochter. In meiner Hütte unter dem Herd habe ich noch drei Beutel mit Goldstaub vergraben, ehrlich aus dem Flußsand herausgewaschenen Goldstaub. Dieses Gold wird dir, meine Lydia, die Zukunft erleichtern. Kehre nach meinem Tod nach San Francisco zurück. Werde wieder Lehrerin und gedenke zuweilen deines Vaters, dessen Gebeine hier in diesem Tal ruhen. Denn — so soll es sein. Hier will ich begraben werden, hier vor der Tür meiner Hütte! Und der Falbe, der den Gnadenschuss erhalten soll, damit er schnell und schmerzlos sterbe, soll neben mir die letzte Ruhestätte finden. Er war mein Gefährte fast 35 Jahre lang —“ Abermals streichelte der Greis sanft die Nüstern des treuen Tieres, während Lydia Summer jetzt leise schluchzte.

„So — und nun meine Waffen“, fuhr Fred Summer bereits mit schwächerer Stimme fort. „Ihr beide, Robb und Jobb Trumm, habt oft meine Einsamkeit für Wochen und Monate geteilt. Ihr seid mir lieb geworden wie Söhne. Hier, Robb, dieses Jagdmesser sei dein! Es ist feinster englischer Stahl, und die Verzierungen des Horngriffes habe ich selbst aus Goldkörnern gehämmert — Und du, Jobb, magst diesen Tomahawk zum Andenken an mich tragen. Eine bessere Waffe als dieses Schlachtbeil gibt es nicht. Lerne sie gebrauchen, Jobb, aber benutze sie nur dann, wenn du angegriffen wirst — Dann hier meine alte Büchse! Nur eine einläufige Steinschlossflinte ist es! Doch Euch, Tom Hilpray, wird sie bei der Jagd auf Pelztiere und Büffel noch gute Dienste leisten — Schließlich mein Pulverhorn! Häuptling, nehmt es als Geschenk von mir entgegen. Es ist größer und praktischer als das Eure. Und dann noch diese Pistole hier — auch nur eine veraltete Steinschlosswaffe —“

Er reichte sie dem blonden, schlanken Trapper, der in so kurzer Zeit im Wilden Westen berühmt geworden war. Er schaute ihn vielsagend an und sprach weiter: „Euch, Felsenherz, vermache ich diese Pistole. Sie steht zu jenem Überfall auf die Hazienda des Don Manuel de Racosta in Beziehung. Bewahrt sie gut! Haltet sie in Ehren und denkt daran, was ich Euch —“

Er konnte den Satz nicht beenden, da der kleine, dicke Jobb Trumm plötzlich mit dem Ruf „Achtung Apachen!“ wie ein Blitz hochgeschnellt war und nach seiner neben ihm liegenden Doppelbüchse gegriffen hatte.

Auch die vier anderen Männer fuhren empor und schauten zu dem Eingang des Tales hinüber, wo soeben drei Indianer aufgetaucht waren.

Es waren Apachen, wie jeder Kundige auf den ersten Blick wahrnahm, hohe, schlanke Gestalten mit kahl geschorenen Köpfen, auf denen nur die mit Federn verzierten Skalplocken stehen gelassen waren.

Robb, der ältere Trumm, ein mageres, bärtiges, ebenso ulkiges Männchen wie sein Bruder, sagte jetzt mit der ihm eigenen Pomadigkeit: „Jobb, du machst wieder unnötig die Pferde durch dein Gebrüll scheu! Du siehst doch, daß die Rotfelle in friedlicher Absicht kommen. Sie sind ohne Waffen und schwenken grüne Zweige in den Händen.“

„Das kann auch irgendeine Teufelei sein!“, brummte der dicke Jobb unwirsch.

Inzwischen hatte der lange Hilpray den Greis bereits schnell in die Hütte getragen.

Die drei Apachen näherten sich langsam. Einer von ihnen, ein noch langer, aber außerordentlich kräftiger Krieger, der in der Skalplocke nur vier Adlerfedern als Zeichen seiner Häuptlingswürde trug, schritt dann allein auf die vor der Hütte Stehenden zu, machte kurz vor ihnen halt und sagte mit tiefen Kehltönen, wobei seine dunklen, glühenden Augen immer wieder über Felsenherz und den Komanchen hinglitten: „In den Dörfern der Apachen haben die Weiber die Totenlieder angestimmt. Der Große Bär, der Oberhäuptling der Apachenstämme, ist in der Llano Estacado durch einen Tomahawkhieb getötet und von denen, die ihn töteten, wie ein Krieger mit all seinem Waffen sitzend bestattet worden. Die Apachen, die den blonden Trapper fangen wollten, fanden den Grabhügel und die Leiche.“

Er schaute Felsenherz jetzt fest an.

„Die Apachenkrieger haben mich, den Schnellen Büffel zum Oberhäuptling gewählt. Ich bin mit dreihundert Kriegern Eurer Fährte gefolgt, die Ihr nicht gut genug verwischt hattet. Der Schnelle Büffel hat die scharfen Augen des Nachtfalken, der auch nachts die flüchtige Präriemaus fängt. Ihr hattet zweihundert Krieger der Komanchen bei Euch, die der Schwarze Panther dann zu den Komanchendörfern droben am Kanadian zurückschickte. Der Schnelle Büffel wartete, bis die langhaarigen Hunde der Komanchen weit weg waren. Nun stehen dort draußen vor dem Taleingang dreihundert tapfere Apachen, die den Tod ihres Oberhäuptlings rächen wollen. Der Schnelle Büffel ist als Unterhändler zu Euch gekommen und fragt, wer von Euch den großen Bären tötete.“

Felsenherz trat einen Schritt vor, lehnte sich zwanglos auf seine lange, berühmte Büchse, deren Kolben beiderseits in goldenen Plättchen das Bild eines springenden Jaguars zeigte, und erwiderte: „Der Schnelle Büffel weiß, daß der Große Bär mich und meinen roten Bruder Chokariga mit seinem unversöhnlichen Haß verfolgte. Ich war es, der den Tomahawk nach dem Großen Bären schleuderte. Mein und das Leben meiner Gefährten hing von dem lautlosen Ende des Oberhäuptlings ab.“

Der Apache blickte jetzt den langen Hilpray und die beiden Trumms an, sagte befehlend: „Ihr werdet uns Felsenherz und den Schwarzen Panther ausliefern. Dann werden wir Euch schonen und wieder durch die Llano zu unseren Dörfern zurückkehren. Der Schnelle Büffel gibt Euch bis morgen früh Bedenkzeit.“

Er wollte sich wieder entfernen. Doch der dicke Jobb vertrat ihm rasch den Weg und rief wütend: „Der Schnelle Büffel hat den Verstand des Präriekäfers, der im Sand steile Löcher gräbt und sich von kleineren Käfern nährt, die in das Loch hineinfallen. Der neue Oberhäuptling denkt, hier ohne jede Gefahr Felsenherz und Chokariga in seine Gewalt zu bekommen. Er glaubt, Hilpray und die Trumms seien elende Schufte, die aus Angst Verrat an ihren Gefährten begehen werden! Er irrt sich! Dieses Tal hat nur den einen Zugang. Wir werden es verteidigen, und unsere Kugeln werden die Apachen fressen, bis die Komanchen wieder hier sind! Der Schnelle Büffel mag sich schleunigst entfernen. Sonst werden wir ihm die Skalplocke und die Adlerfedern abschneiden und —“

„Hund von einem Blaßgesicht!“, zischte der Apache da, „so wirst auch du am Marterpfahl sterben! Wir werden warten, bis der Hunger und —“

Felsenherz hatte den Arm erhoben und deutete auf den Taleingang, der in einem schmalen, zum Big Salt Bach steil abfallenden Engpass bestand, unterbrach den Schnellen Büffel und sagte ruhig und würdevoll: „Mein Bruder Chokariga und ich haben den Apachen nie Anlass gegeben, uns zu verfolgen. Der Schnelle Büffel mag zu seinen Kriegern zurückkehren. Wir werden ihn und seine beiden Begleiter dort bis an den Engpass begleiten, damit die Apachen nicht unversehens eindringen. Wenn der Schnelle Büffel vorher zu fliehen versucht, wird meine Kugel ihn niederwerfen. Er ist zwar als Unterhändler zu uns gekommen, aber er sprach zu uns wie ein Verräter. Jobb Trumm hat ihm die einzig richtige Antwort gegeben. Der neue Oberhäuptling wusste recht gut, daß ein Angriff auf uns vielen seiner Krieger das Leben gekostet hätte. So wollte er Chokariga und mich denn auf leichtere Art fangen. Ich habe gesprochen. Der Schnelle Büffel verlasse das Tal!“

Der lange Hilpray und die beiden Trumms hatten sich mittlerweile bereits den beiden anderen Apachen genähert und ihnen den Weg zum Engpass abgeschnitten.

Auch der Komanchenhäuptling eilte jetzt nach Süden zum Tal hinab und stellte sich dicht an der schmalen Felsenschlucht, die zum Big Salt Bach hinablief, hinter einem der hier zahlreich herumliegenden Felsblöcke auf. Kein Wunder, daß der Schnelle Büffel, der so seinen ganzen Plan vereitelt sah, in ohnmächtigem Grimm jetzt vor Felsenherz herschritt.

Als er den Engpass mit seinen beiden Begleitern erreicht hatte, als sich jetzt die fünf Westmänner mit schussfertigen Büchsen zur Verteidigung gegen jeden Ansturm bereithielten, als nun auch hinter dem Gestrüpp in der Schlucht zahlreiche bewaffnete Apachen auftauchten, die dort versteckt gelegen hatten, da drehte der Schnelle Büffel sich nochmals um und rief den Gegnern höhnend zu: „Die Blaßgesichter werden bald am Grab des Großen Bären heulend und klagend ihr Leben aushauchen! Und der Hund von Komanche wird von den Apachen in der Prärie zu Tode geschleift werden!“

Im selben Moment erschien nun auch vor dem Engpass der alte Summer, der sich schwer auf seine Tochter stützte. Er hielt die alte Steinschlossflinte in der Hand, und seine schneeweißen Haare wehten ihm im Abendwind flatternd um das verfallene, runzlige Gesicht. Hinter ihm her kam der treue Falbe.

„Miss Lydia — zurück! In Deckung hinter die Steine!“, brüllte Jobb warnend, der Vater und Tochter zuerst bemerkt hatte.

Die Warnung kam zu spät.

Der Schnelle Büffel und die anderen Apachen im Engpass hatten sich schon zu Boden geworfen, waren hinter Felsstücke und Gestrüpp geschlüpft.

Fünf — sechs Schüsse blitzten im Engpass auf.

Und von zwei Kugeln getroffen sank der alte Summer leblos vornüber, während der treue Falbe mit einer Kugel in der Stirn nach ein paar Sätzen ebenfalls tot zusammenbrach.

Den Schüssen folgte ein gellendes Triumphgeschrei der Apachen, die sich in ihren Verstecken wahrscheinlich ganz sicher fühlten.

Freilich — mit Kugeln war ihnen dort auch kaum beizukommen. Aber es gab ja noch ein anderes Mittel, diesen heimtückischen Mord auf der Stelle zu rächen.

Und Felsenherz, der lange Hilpray und Robb kamen fast gleichzeitig auf denselben Gedanken: Ein Hagel von kindskopfgroßen Steinen sauste im Bogen in die Schlucht hinab.

Schrille Schmerzensrufe bewiesen, daß die Geschosse zum Teil getroffen hatten.

Dann rannten noch etwa zehn Apachen in wilden Sprüngen, um diesem Steinregen zu entgehen, den Engpass hinab. Unter ihnen befand sich auch der Schnelle Büffel, der hier seinem Kriegsnamen alle Ehre machte.

Aber — vor der nie fehlenden Büchse Chokarigas halfen dem einen Apachen auch diese panthergleichen Sprünge nichts.

Der Komanche drückte zweimal, hoch auf einem Steinblock stehend, ab, und drüben sank der eine Krieger mit einer Kugel im Hinterkopf mehrmals sich überschlagend, tot nieder, während dem Schnellen Büffel das ihm zugedachte Blei nur einen Teil der Skalplocke wegriss.

 

 

Zweites Kapitel

Doch gefangen.

Lydia Summer hatte sich sofort wie schützend über die Leiche ihres Vaters geworfen.

Felsenherz richtete das weinende Mädchen jetzt liebevoll auf und sprach ihr mit herzlichen Worten Trost zu.

„Ihr müsst das Ende Eures Vaters, Miss Lydia, als eine höhere Fügung hinnehmen“, sagte er, indem er sie zum Blockhaus zurückführte und sie vor der Tür auf die plumpe Holzbank niederließ. „Ein so reich bewegtes Leben wie das Eures Vaters hat vorhin den für einen Westmann vielleicht schönsten und passendsten Abschluss gefunden. Von der Kugel eines Feindes rasch und schmerzlos hingemäht zu werden, ist besser als ein langer Todeskampf auf einem Sterbelager. Auch Eures Vaters treuen Falben hat in derselben Minute der Tod ereilt. Wir werden beide nun dort begraben, wo Euer Vater es gewünscht hat.“

Lydia drückte dem blonden Trapper dankbar die Hand und erwiderte gefasst: „Ihr habt recht, Master Felsenherz. Vielleicht wäre meinem Vater das Sterben wirklich sehr schwer geworden. Vielleicht hat er gar auf eine Apachenkugel gehofft, denn er war es ja, der durchaus zum Engpass geleitet werden wollte und der, als ich mich anfänglich dagegen sträubte, mit plötzlich neu erwachter Kraft sich erhob, seine Büchse ergriff und mir vorauseilte — Nochmals — ich danke Euch! Ich habe mich schon wieder gefasst. Ich bin ja in der Wildnis groß geworden und weiß, daß ich hier jetzt mit Hand anlegen muss, damit wir den Zugang zum Tal verrammeln.“

„Oh — das geschieht bereits“, meinte der Trapper und deutete zum Engpass hinüber, wo die Trumms, Hilpray und der Komanche eifrig beschäftigt waren, eine Steinbarrikade zu errichten.

„Dann will ich mich auf andere Weise nützlich machen“, erklärte das tapfere Mädchen energisch. „Ich werde dort von den Tannen harzige Äste abschlagen, damit wir nachts durch ein paar Feuer den Engpass beleuchten können.“

„Gut, Miss. Tut es nur. Ich werde derweil die Leiche Eures Vaters hierher bringen.“

Nach einer halben Stunde war es völlig dunkel geworden.

Hier in dem kleinen Tal brannten jedoch vier mächtige Feuer, deren zuckender Lichtschein vollauf genügte, alles überschauen zu können.

Auch auf der Barrikade vor dem Engpass prasselte ein Holzstoß und sandte seine rötlichen Lichter hinab bis an den Big Salt Bach. Neben diesem Feuer lag, geschützt durch eine Brustwehr, der lange Hilpray als Wache.

Soeben war Felsenherz neben ihm aufgetaucht.

„Nun, Hilpray, etwas Neues?“, fragte er.

„Nein, nichts, Felsenherz. Von den Roten ist nicht die Spur zu bemerken. Wie wäre es übrigens, wenn wir einmal ein paar brennende Scheite dort in das Gestrüpp im Engpass werfen, damit es aufflammt und uns noch freieren Ausblick gibt?“

„Nur zu, Hilpray! Der Gedanke ist gut, zumal es mir scheint, als ob das Gestrüpp sich um ein paar Stauden überraschend schnell vergrößert hat. Sollte mich nicht wundern, wenn einige Apachen, kleine Büsche vor sich hinschiebend, die Schlucht emporgekrochen waren und nun dort acht Meter vor uns in dem Dickicht steckten! Vorwärts, werft mal einen dicken harzigen Ast hinab. Ich will aufpassen, ob ich nicht zweien der roten Burschen das Herumschnüffeln versalzen kann.“

Der lange Trapper schleuderte denn auch einen brennenden Ast so geschickt, daß dieser gerade links an der Schlucht abprallte und oben auf das zum Teil trockene Dornengestrüpp fiel.

Es loderte denn auch knisternd auf, und als Felsenherz jetzt einen Arm gewahrte, der den Ast herabreißen wollte, legte er rasch an und feuerte.

Der Arm verschwand.

„Der Bursche wird seine Pfote nicht nochmals preisgeben!“, sprach Hilpray ingrimmig und lachte dabei.

Das Gestrüpp bildete bald ein immer stärkeres Flammenmeer.

Dann huschten zwei, drei menschliche Leiber den Engpass blitzschnell abwärts.

Hilpray und Felsenherz feuerten abermals.

„So — wieder drei von der Brut weniger!“, meinte der lange Westmann zufrieden. „Die Bande kann uns hier gar nichts anhaben. Das werden sie bald einsehen. Wir haben Lebensmittel und Trinkwasser in Hülle und Fülle, auch an Pulver, Blei und Zündhütchen ist kein Mangel.“

„Wenn das Tal nur wirklich keinen zweiten Zugang hat“, sagte jedoch Felsenherz jetzt weit weniger zuversichtlich. „Gewiss — die Wände steigen überall steil bis zu vierzig Meter Höhe mindestens auf. Aber sie haben hier und da Vorsprünge, die mir nicht gefallen. Den Apachen ist wohl zuzutrauen, daß sie bald auch dort oben auf den Bergen umherklettern und nach einer Gelegenheit ausspähen werden, uns mit Kugeln und Steinen zu bedenken oder sich an Lassos von Vorsprung zu Vorsprung herabzulassen. Ihr dürft nicht vergessen, Hilpray, daß die Apachen mit die gewandtesten aller westlichen Indianerstämme sind und daß —“

Er schwieg.

Ein gellender Aufschrei und der Knall eines Schusses waren fast gleichzeitig aus dem rückwärtigen Teil des Tales erklungen.

Felsenherz schaute scharf hinüber, erblickte einen Apachen, der oben an der nördlichen Steilwand an einem winzigen Strauch mit einer Hand hing und dann plötzlich in die Tiefe sauste.

Der Lichtschein der vier Feuer zeigte den beiden Trappern jetzt auch den Komanchenhäuptling, der vor der einzigen Baumgruppe des Tales stand und soeben seine Büchse lud.

„Ah — Chokariga hat den Roten herabgeholt!“, meinte der lange Hilpray.

„Ja — und Ihr seht, wie recht ich mit meiner Befürchtung hatte, die Apachen könnten uns von oben doch irgendwie gefährlich werden. Auch hier auf der Barrikade bieten wir ein nur zu gutes Ziel. Wir werden sogleich für zwei von uns hier höhere, seitliche Schutzwehren auftürmen. Fasst mit an, Hilpray! Die Arbeit soll bald —“

Auch dieser Satz wurde nicht vollendet.

Von der östlichen Steilwand herab knatterten mehrere Schüsse.

Felsenherz’ Hut flog ihm vom Kopf.

Und neben den blonden Trapper sank der lange Hilpray mit schwachem Ächzen hintenüber.

Als Felsenherz sich über ihn beugte, brach ein Blutstrom aus dem Mund des Todwunden hervor.

Gleich darauf war Hilpray, dem eine Kugel quer durch die Brust gegangen war, eine Leiche.

Da kam auch schon Robb Trumm angelaufen.

„Felsenherz“, rief er auf Deutsch, denn er war ja genauso wie der blonde Westmann ein geborener Deutscher. „Droben auf der Nordwand des Tales stecken etwa dreißig Apachen. Ein Teil von ihnen liegt bereits zehn Meter tiefer auf der terrassenartigen Ausbuchtung der Wand, wo die verkrüppelten Kiefern wachsen. Jobb bringt die Pferde und unsere beiden Maulesel schon ins Blockhaus in Sicherheit!“

Da — wieder von der Höhe der Ostwand herab eine Kugelsaat.

„Verdammt!“, brüllte der magere Robb, „mein linkes Ohrläppchen ist futsch! Die Geschichte wird ungemütlich.“

Felsenherz schichtete eilig Stein auf Stein, warf sich dann hinter die neue Brustwehr und erwiderte Robb, der gleichfalls Deckung genommen hatte: „Die Sache sieht wirklich böse aus. Hilpray ist tot. Nun sind wir mit dem Mädchen nur noch fünf Verteidiger.“

„Stimmt — eine üble Patsche ist es“, erklärte auch der kleine Robb recht gedrückt. „Was tun wir nur, um uns die rote Bande vom Hals zu halten, Felsenherz?“

Der blonde Trapper blieb eine Weile stumm. Dann entgegnete er: „Ich weiß kein Mittel, uns herauszuhauen, Robb. Wir müssen mit den Apachen unterhandeln. Denn am Tag ist unsere Lage hier noch gefährlicher. Ich werde mich mit Chokariga beraten. übernimm du hier derweil die Wache.“

Felsenherz eilte in langen Sprüngen der Baumgruppe zu. Als er unter die Äste der Tannen schlüpfte, stand er auch schon dem Komanchen gegenüber.

„Mein Bruder Harry hat dieselben Gedanken wie ich“, sagte der Häuptling ernst. „Wir dürfen uns hier nicht einzeln abschießen lassen. Wir werden uns gefangen geben und nur die Bedingung stellen, daß die Apachen Miss Lydia unbehelligt davonreiten lassen.“

„Chokariga und Felsenherz lesen sich das, was sie denken, von den Augen ab“, meinte der blonde Trapper darauf, indem er die Steinschlosspistole, das Geschenk Fred Summers, aus dem Gürtel zog. „Ich werde das im Lauf steckende Lederstück in meinem Stiefel verbergen, denn es ist so klar, daß das Lederstück eine Zeichnung enthält, die den Ort angibt, wo Summer einst den Schmuckkasten der Gattin des Haziendero von sich warf. Der Greis hat nichts anderes mit dem Geschenk der Pistole an mich beabsichtigt, als daß wir beide den Kasten bergen und ihn dann dem Haziendero Don Manuel wieder zurückgeben sollten. Wir werden auch versuchen, Fred Summers Vermächtnis getreulich zu erfüllen, falls wir später den Apachen wieder entfliehen können, die uns fraglos in die Llano zum Grab des Großen Bären schaffen werden und dort martern wollen.“

„Mein Bruder Harry hat abermals dieselben Gedanken wie der Schwarze Panther“, meinte der Häuptling schlicht. „Chokariga wird jetzt die Apachen dort auf der Nordwand anrufen und dem Schnellen Büffel erklären, daß er als Unterhändler wieder zu uns kommen soll.“

Eine Stunde später war mit dem neuen Oberhäuptling der Apachen alles, was die freiwillige Gefangennahme der Verteidiger des Tales betraf, in feierlicher Weise vereinbart worden. Lydia Summer sollte mit ihrem Pferd und ihren Waffen nach Osten zu den Ansiedlungen reiten dürfen, während der alte Summer, Tom Hilpray und der Falbe von den Apachen begraben werden sollten.

Als nun der Schnelle Büffel mit den drei Ältesten seiner Krieger, die den Verhandlungen beigewohnt hatten, das Tal wieder verließ, gab es zwischen Lydia und den vier Westmännern einen stummen, herzlichen Abschied.

Das junge Mädchen war jedoch im Stillen ganz anderen Sinnes, dachte gar nicht daran, die vier Jäger im Stich zu lassen.

Nochmals kniete sie neben der Leiche ihres Vaters nieder.

Dann nahm sie ihr Pferd am Zügel und schritt der Barrikade zu, die von den Apachen inzwischen schon halb weggeräumt war.

Schweigend ließen die hier postierten Krieger sie hindurch. Unten am Big Salt Bach befand sich linker Hand das Apachenlager. Wohl vierzig Lederzelte standen dort, ebenso viele Feuer brannten.

Lydia Summer war jedoch keineswegs so vertrauensselig, daß sie an die Zusage des Schnellen Büffels, unbelästigt davonreiten zu dürfen, blindlings glaubte. Sie kannte indianische Hinterlist nur zu gut. Und sie richtete sich danach.

Als sie jetzt hier vor dem Lager nur etwa ein Dutzend Apachen bemerkte, die sie erwartet zu haben schienen, lenkte sie ihren schnellen Fuchs scheinbar furchtlos auf sie zu.

Dann jedoch riss sie das Pferd plötzlich nach rechts herum, gab ihm die Sporen und setzte mit langen Sprüngen über den hier nur flachen Bach.

Hinter ihr drein knallten Schüsse, erscholl das Wutgebrüll der überlisteten Rothäute.

Bald war das kühne Mädchen in der nach Süden zu sich hinziehenden Prärie verschwunden.

 

 

Drittes Kapitel

Jobb bewährt sich.

Inzwischen hatten die vier Gefährten ihre Waffen an einem der Feuer auf den Boden gelegt und sich an demselben Feuer niedergelassen.

„Nun wird die Bande sich gleich über uns hermachen und uns fesseln!“, brummte der dicke Jobb. „Na, ein Trost ist so dabei: Die roten Halunken werden uns hier nicht sofort abtun, sondern damit fein warten, bis sie am Grab des Großen Bären das Siegesfest mit der Hauptprogrammnummer ‚Felsenherz, Chokariga und die beiden Trumms am Marterpfahl’ feiern! Aha – da schleichen die Rotfelle schon herbei. Sie trauen uns nicht. Und dabei liegen unsere Waffen —“

Der kleine, wohlbeleibte Jobb musste hier seiner Zunge vorläufig Schweigen gebieten, da die Apachen jetzt wie die Teufel mit einem geradezu wahnwitzigen Geheul herbeigestürmt kamen.

Im Nu hatten sie dann die vier aufs Brutalste mit Lederriemen gefesselt.

Nicht minder rasch war der Schnelle Büffel über die beiden Leichen Fred Summers und des langen Hilpray hergefallen und hatte sie gegen die Vereinbarung skalpiert, ließ sie nun in die Blockhütte werfen, ließ auch den toten Falben hineinzerren und schleuderte nun den ersten Feuerbrand in das niedrige Blockhaus.

Bald lohten hohe Flammen gen Himmel.

So fand der Greis in derselben Hütte, in der er viele Jahre einsam zugebracht hatte, für immer eine Ruhestätte unter dem zusammenstürzenden Gebälk.

Als Jobb diese Schändlichkeit und Wortbrüchigkeit der Apachen aus nächster Nähe mit ansehen musste, konnte er nicht länger an sich halten und rief dem Schnellen Büffel zu: „Lügnerischer Hund! Ehrst du so tapfere Krieger? Hast du nicht versprochen, die beiden unskalpiert begraben zu lassen? Elender Pimo (Schimpfname für die Apachen), du bist ein —“

Der Oberhäuptling war schon zugesprungen und hatte den kleinen Trapper mit der Faust ins Gesicht geschlagen, spie ihn nun noch an und brüllte schäumend vor Wut: „Der kleine Jäger wird als Letzter am Marterpfahl sterben, wird vorher zuschauen, wie die drei anderen jammernd um ihr Leben flehen!“

Jobbs Nase war durch den Schlag ganz in die Breite gegangen. Blut lief ihn über das Kinn hinab. Und doch sagte er jetzt, indem er ebenfalls nach dem Apachen spie: „Der Schnelle Büffel stinkt vor Feigheit! Nimm mir die Fesseln ab, dann will ich dir schon zeigen, daß ich dich nicht fürchte, ich, der Unbewaffnete! Aber — der schnelle Büffel hat nur Mut, wenn er einen Wehrlosen vor sich hat!“

Ein dichter Kreis von Apachen war Zeuge dieser Szene.

Jobbs Kühnheit schien ihnen doch zu gefallen. Ein Beifallsmurmeln durchlief den Kreis.

Der Schnelle Büffel glaubte bei der augenblicklichen Stimmung seiner Krieger sein Ansehen dadurch zu erhöhen, daß er auf des kleinen Trappers Herausforderung zum Zweikampf einging.

„Man binde das Blaßgesicht los“, sagte er verächtlich. „Gebt ihm sein Messer. Auch der Schnelle Büffel wird nur mit dem Messer kämpfen.“

Die Feuer wurden zu neuer Glut angefacht. Dann reichte ein Apache dem dicken Jobb das Jagdmesser. Aber der warf es wieder weg.

„Der schnelle Büffel wird mich leicht besiegen“, meinte er jetzt scheinbar ängstlich. „Er ist fast doppelt so groß als ich. Er möge mir erlauben, daß ich eine der Lanzen seiner Krieger als Waffe benutze.“

Der Oberhäuptling nickte nur.

Man brachte eine der gut vier Meter langen Lanzen herbei.

„Ich werde mich dort an die Felswand stellen und mich so verteidigen!“

Er tat dabei so kläglich, daß die Apachen ihn jetzt mit Schmährufen überhäuften.

Und doch war all das nur kluge Berechnung, wie es sich sofort zeigte.

Jobb lief, die Lanze mit beiden Händen dicht unter der Spitze haltend, auf die nördliche Talwand zu. Mit einem Mal aber stemmte er das untere Ende des Lanzenschafts auf die Erde, gab sich einen mächtigen Schwung, benutzte die Lanze als Sprungstock und landete glücklich oben auf einem Vorsprung, der fast zweieinhalb Meter über der Talsohle lag.

Dann ließ er den Speer fallen, griff mit den Händen nach einer Kiefer, die sich noch höher in einer Ritze eingenistet hatte, zog sich empor, kletterte am Stamm hoch und wagte von der Spitze des Baumes den neuen Sprung zu den dicken Ranken einer Hopfenstaude, deren grüner Vorhang hier das kahle Gestein bedeckte.

Jetzt erst begannen die Apachen auf den kleinen Dicken zu schießen. Doch der schwang sich schon mit einer Gewandtheit, die niemand ihm so leicht zugetraut hätte, noch weiter hinauf, erreichte abermals eine kleine Terrasse der Steilwand, fand wieder eine verkrüppelte Kiefer, die ihn ein Stück aufwärts brachte, hörte die Kugeln ringsum gegen das Gestein klatschen, entdeckte ein paar Felszacken, die den Händen und Füßen genügend Halt gaben, kletterte mit verzweifelter Tollkühnheit weiter und gelangte auch unverletzt bis auf die Höhe der Wand, warf sich hier zu Boden, holte ein paarmal tief Luft und kroch der nächsten Schlucht zu, begann zu laufen und setzte seine Flucht etwa eine halbe Stunde fort, bis er die Berge hinter sich hatte und im Bogen zum Big Salt Bach zurückkehren konnte.

Die Wut der Apachen im Tal kannte keine Grenzen.

Der Schnelle Büffel hätte jetzt die drei anderen Gefangenen am liebsten auf der Stelle getötet. Aber die ältesten seiner Krieger hielten ihn zurück, indem sie ihm erklärten, daß die ganze Apachennation das Leben der Gefangenen zu fordern hätte, die schon vorher im Rat der Alten für den Martertod am Grab des Großen Bären bestimmt worden seien.

So kam es denn, daß die mehr als waghalsige Flucht des dicken Jobb, die ja nur infolge der geringen Treffsicherheit der Indianerflinten geglückt war, für seine Gefährten keine nachteiligen Folgen hatte.

Felsenherz, der Schwarze Panther und Robb wurden dann in das Lager hinabgeschafft, wo man sie so raffiniert an drei ihrer Äste beraubte Tannen fesselte, daß eine Befreiung auch infolge der zwölf ständigen Wächter, die im Kreis um die Gefesselten herumhockten, einfach ausgeschlossen schien.

Der Schnelle Büffel hatte inzwischen hundert Krieger ausgeschickt, die den dicken Jobb wieder einfangen sollten. Fünfzig andere Apachen waren vorher zur Verfolgung Lydia Summers aufgebrochen.

Es war jetzt kurz nach Mitternacht. Im Apachenlager herrschte noch reges Leben. Keiner der Krieger dachte daran, sich zum Schlaf niederzulegen. Viele der Apachen hatten die beiden berühmtesten Weltmänner bisher nicht von Angesicht zu Angesicht geschaut und standen nun in Gruppen um die vier Feuer, die mitten im Lager bei den drei Tannen angezündet worden waren.

Das Zelt des Schnellen Büffels erhob sich dicht an dem hohen, felsigen Ufer des etwa zwölf Meter breiten Big Salt Bach, dessen Wasser hier schäumend und gurgelnd über zahlreiche in seinem Bett liegende Felsblöcke hinwegschoss.

Der Oberhäuptling hatte die erbeuteten Waffen der Gefangenen vorläufig in sein Zelt bringen lassen. Sie sollten erst später verteilt werden.

Er saß jetzt mit den drei ältesten Kriegern an einem kleinen Feuer vor dem Zelteingang und starrte in dumpfer Wut in die Flammen. Sein erstes Auftreten als Oberhäuptling war nicht gerade vom Glück begünstigt gewesen. Abgesehen davon, daß seine Krieger hier zehn Tote und Verwundete zu beklagen hatten, waren auch zwei der Blaßgesichter entkommen.

All dies trug mit dazu bei, den Grimm des Schnellen Büffels ins Unermessliche zu steigern. Er sah ein, daß irgendetwas von seiner Seite geschehen müsse, um das durch diese Misserfolge erschütterte Vertrauen seiner Krieger zurückzugewinnen.

Während er hierüber noch nachgrübelte, während kaum vier Meter hinter seinem Zelt und den Uferbüschen der Big Salt Bach rauschte und schäumte, war in dem flachen Wasser des Baches ein harmloser, offenbar losgerissener Strauch stromabwärts gekommen.

Seltsam – dieser Strauch machte plötzlich halt, und zwar gerade vor einem der Felsblöcke, die dem Lager gegenüber aus dem Bachbett emporragten.

Noch seltsamer – unter diesem Strauch kam jetzt eine zu einer unförmigen Masse geschwollene Nase zum Vorschein, über der zwei listige Äuglein funkelten.

Diese Nase konnte nur dem wohlbeleibten Jobb gehören. Und diese Kühnheit, sich so in die nächste Nähe des Lagers zu wagen, sah ja auch dem kleinen Dicken ganz ähnlich.

Nachdem unser Jobb dann vorsichtig Umschau gehalten hatte, verbarg er seinen Kopf wieder in dem Strauch und bewegte sich dem Ufer zu.

Er hatte sehr wohl die drei Apachenwachen bemerkt, die auf der anderen Seite des Baches beständig auf und ab schritten. Doch sie störten ihn nicht. Als er erst im Schutz des hohen Ufers unter dem Wurzelwerk einiger unterspülten Weiden angelangt war, als er hier eine Weile ausgeruht hatte, schob er sich behutsam in dem hier wuchernden Gestrüpp die Böschung hinauf und lag nun dicht hinter dem Zelt des Schnellen Büffels im hohen saftigen Gras.

Wenn er links an dem Spitzzelt vorübersah, konnte er die drei dort an den Bäumen festgebundenen Gefangenen beobachten. Sie standen alle drei mit dem Gesicht zum Häuptlingszelt zu.

Jobb überlegte, wie den Freunden geholfen werden könne. Er hatte erst gehofft, daß es sich vielleicht ermöglichen ließe, sie durch ein paar Messerschnitte zu befreien, nachdem man sich nahe genug herangeschlichen hätte. Diesen Gedanken musste er aufgeben.

Während er so dalag und abermals zu den drei Gefährten hinüberspähte, gewahrte er etwas, das ihn wieder von Neuem hoffen ließ.

Hm – wenn er jetzt nur eine oder zwei Büchsen zur Hand hätte! Vielleicht traf ja zu, was er vermutete und was ihn bewogen hatte, sich gerade an des Schnellen Büffels Zelt heranzupirschen, nämlich daß die erbeuteten Waffen von dem Oberhäuptling vorläufig nach alter Indianersitte in Verwahrung genommen worden waren und hier im Zelt sich befanden.

Der dicke Jobb hatte leider nicht einmal sein Jagdmesser mehr. Er war nur auf seine Hände angewiesen.

Er schob sich noch näher an das Zelt heran, hinter dem es ganz dunkel war. Hier im Zeltschatten begann er den einen Zeltpflock zu lockern. Als er die Lederhäute genügend lüften konnte, kroch er langsam darunter weg, ließ nur die Beine draußen, betastete den Boden und fühlte mit einem Mal das kühle Eisen eines Büchsenlaufes.

Vor dem Zelteingang hingen als Verschluss zwei Felle. Sie standen etwa eine Handbreit auseinander. So konnte Jobb auch die vier Apachen dort dicht vor sich ständig im Auge behalten.

Mit unendlicher Vorsicht und Geduld schaffte er zunächst zwei Büchsen und zwei Pulverhörner rückwärts ins Gebüsch.

Dann kehrte er wieder in das Zelt zurück. Der Schnelle Büffel und die drei alten Krieger hockten noch genauso stumpfsinnig da wie vorhin.

Und abermals verschwanden zwei Büchsen und zwei Pulverhörner.

Beim dritten Mal suchte Jobb mit zunehmender Keckheit den ganzen Rest der Waffenbeute zusammen und verbarg alles in den Sträuchern dicht am Ufer. Nun hatte er wieder sein Jagdmesser, hatte seinen Tomahawk, seine Büchse und die doppelläufige Pistole, die jeder der beiden Trumms außer den gewöhnlichen Trapperwaffen mit sich führte. Nun war er erst wieder richtig der dicke, freche Jobb.

Er grinste wohlgefällig, ließ die Büchse und die Pistole zurück und durchquerte den Bach, wobei er wieder den oft erprobten Trick anwandte, den Kopf unter einem Strauch zu verstecken.

Die drei Wachen am anderen Ufer waren soeben abgelöst worden, was Jobb genau beobachtet hatte. Diese drei Posten zeigten sich nicht gerade allzu aufmerksam, denn sie wussten ja, daß hundert Meter weiter zur offenen Prärie zu die Mustangs von zehn anderen Kriegern bewacht wurden.

Unser Jobb musste nun diese drei unbedingt aus dem Weg räumen, wenn er seinen Plan vollständig zu Ende führen wollte.

Für einen so alten Westläufer, wie er es war, bot die Beseitigung von drei Rothäuten in einem so gras- und buschreichen Gelände nicht viel Schwierigkeiten, zumal es noch von Vorteil war, daß die Wächter mehr Interesse für die Vorgänge im Lager drüben als für ihre nächste Umgebung hatten.

Sie schlenderten stets auf derselben Linie auf und ab. Wenn sie sich trafen, blieben sie stehen und wechselten ein paar Worte.

Jobb machte sich zuerst an den am weitesten nach Norden Postierten heran. Als dieser den äußersten Punkt seines Abschnittes erreicht hatte und hier von den beiden anderen nicht gesehen werden konnte, schlug der kleine Trapper ihn mit dem Tomahawk von hinten nieder.

Der Apache stieß zwar noch einen leisen Schrei aus, aber das Gurgeln und Brausen des Baches übertönte diesen letzten Ruf des Wächters vollkommen.

Fünf Minuten später entführte der Bach drei Leichen. Nun war für Jobb der Weg über das schmale Gewässer frei. Nun konnte er in aller Ruhe sämtliche Waffen nach Südost zu in einigen felsigen Hügeln verbergen, die sich hier wie eine Abzweigung der Big Salt-Berge in die Prärie hinausschoben.

Als er dies glücklich erledigt hatte, wandte er sich nach links dem flachen Tal zu, wo außer den Apachenmustangs auch die vier Reittiere des blonden Trappers und seiner Gefährten weideten. Felsenherz’ Brauner und Chokarigas prachtvoller Rappe, ebenso die beiden Maulesel der Trumms, die auf die Namen Minni und Finni hörten, hatten sich jedoch von den Mustangs abgesondert, da die Indianergäule kein fremdes Tier unter sich dulden. Mit gefesselten Vorderbeinen benagten sie ein paar Sträucher. Sie waren noch gesattelt und gezäumt, denn der Schnelle Büffel hatte ja ursprünglich beabsichtigt, sofort zur Llano und dem Grab des Großen Bären aufzubrechen.

Die zehn Pferdewächter kümmerten sich kaum um die Tiere. Das Tal war mit kleinen Büschen bestanden, die die Übersicht erschwerten.

Jobb hatte sehr schnell die Fesseln der Vorderbeine der vier Tiere durchschnitten, nahm den Rappen und den Braunen am Zügel, rief den Mauleseln nur einen leisen Befehl zu und machte sich wieder davon. Minni und Finni liefen von selbst hinterher. Kaum hatte er die Tiere dann in derselben kleinen Schlucht der felsigen Hügel untergebracht, wo sich auch die Waffen befanden, als er eilends mit seiner Büchse und der des blonden Trappers zum Bach zurückkehrte.

 

 

Viertes Kapitel

Die Flucht zu den Ansiedlungen.

Die zwölf Wächter, die im Apachenlager um die Gefangenen herumsaßen, sollten nun bald abgelöst werden.

Es war jetzt gegen zwei Uhr morgens. Noch drei Stunden, dann wurde es hell.

Der Schnelle Büffel, der mit den drei alten Kriegern bisher vergeblich auf die Rückkehr der Verfolger gewartet hatte, die von ihm hinter Lydia Summer und Jobb Trumm geschickt worden waren, stand jetzt unwillig auf und schritt langsam auf die Gefangenen zu.

Außerhalb des Kreises der Wächter blieb er stehen und musterte insbesondere Felsenherz mit Blicken, aus denen der ganze Haß und die wilde Rachgier, die den Oberhäuptling beseelten, hervorleuchteten. Er machte gerade den blonden Jäger dafür verantwortlich, daß er hier am Big Salt Bach mit seinen Anordnungen zur mühelosen Gefangennahme der Bleichgesichter und des Komanchen einen so schlechten und für die seinen so verlustreichen Erfolg gehabt hatte.

Dann befahl er die Ablösung der Wachen und wollte zu seinem Zelt zurückkehren.

Er hatte jedoch kaum einige Schritte getan, als vom Bach her zwei Schüsse kurz hintereinander knallten, denen nach wenigen Sekunden zwei weitere folgten.

Die zwölf Wächter, die bereits mehr zur Seite getreten waren, hatten noch das Pfeifen der Kugeln und ihren Einschlag gehört, stoben jetzt auseinander und warfen sich zu Boden.

Auch der Schnelle Büffel hatte sich blitzschnell hinter das nächste Zelt in Sicherheit gebracht.

Das Lager wurde jetzt im Moment wieder lebendig. Die Apachen glaubten, daß sie überfallen werden würden und daß die vier Schüsse nur die Einleitung eines Kampfes gegen irgendwelche neu aufgetauchten Gegner waren.

Als alles ruhig blieb, als kein weiterer Schuss fiel, hielten die Rothäute diese Stille notwendig für irgendeine besondere List.

Erst nach fünf Minuten etwa befahl der Schnelle Büffel dann einigen Kriegern, die Umgebung des Lagers abzusuchen.

Jetzt fanden sich auch zwei der Pferdewächter ein und meldeten das Verschwinden der vier Reittiere, auf deren Verlust sie erst aufmerksam geworden waren, als die vier Schüsse sie zu größerer Achtsamkeit gemahnt hatten.

Sehr bald stellte sich heraus, daß die drei Wächter jenseits des Baches offenbar beseitigt worden waren. Man fand sie nirgends. Nur ihre Flinten lagen drüben im Gras. Einige Blutspuren, die der Schnelle Büffel bei Fackellicht näher prüfte, bewiesen zur Genüge, daß hier ein erfahrener Westmann nur zu schnell den Tod des alten Summer gerächt hatte.

Die Erregung der Apachen über diese neue Schlappe machte sich in wildem Geheul Luft. Im Lager herrschte jetzt ein wildes Durcheinander. Die Wächter der Gefangenen bildeten nicht wie vorhin einen Kreis um die drei Tannen, sondern standen in Gruppen ein Stück entfernt und spähten über den Bach hinweg, wo die meisten Apachen nun bei Fackelschein nach Jobbs Fährten suchten.

Niemand der Rothäute wusste recht, wem die vier Kugeln gegolten hatten und wo sie eingeschlagen waren. Die Apachen konnten sich nicht denken, daß Jobb — denn er musste der Schütze gewesen sein — absichtlich vorbeigeschossen haben könnte. Auch um Fehlschüsse konnte es sich nicht handeln. Ein Trapper wie Jobb — die beiden Trumms waren ja als Westmänner recht berühmt — gibt nicht vier Fehlschüsse ab.

Was also halten die vier Kugeln bezweckt? Irgendetwas war mit diesen Schüssen doch beabsichtigt gewesen.

All diese Fragen wurden jetzt von den Apachen nach jeder Richtung hin erörtert. Auch die Wächter beteiligten sich daran. Auf den richtigen Gedanken kam niemand — konnte auch niemand kommen.

Nur Felsenherz und Chokariga wussten Bescheid. Des Komanchenhäuptlings feines Ohr hatte ganz deutlich herausgehört, daß die Kugeln von der rechten Seite in die Tanne eingeschlagen waren, an der Felsenherz gefesselt stand. Der Schwarze Panther ahnte auch sofort, zu welchem Zweck einzig und allein die Schüsse gerade dieser Tanne gegolten hatten.

Der blonde Trapper wandte jetzt abermals den Kopf und schaute seinen roten Bruder vielsagend an.

Sie verstanden sich. Die vier Kugeln hatten die Lederriemen durchlöchert, die Felsenherz’ Brust und Beine umschnürten, und die an der Seite der Tanne nur zwei dicke Lederstricke bildeten.

Hierauf hatte Jobb tatsächlich gezielt, diese Lederstricke hatte er durch die Kugeln zertrennen wollen!

Felsenherz merkte, daß niemand ihn beobachtete. Er dehnte die Brust, ruckte zweimal zu.

Und war frei — hatte nur noch die unteren Riemen zu lockern, versuchte es sofort.

Wie gut doch der dicke Jobb getroffen hatte! Auch diese Riemen rissen jetzt, Felsenherz stand aufrecht da. Nur die Hände waren ihm noch kreuzweis über der Brust gefesselt.

Noch ein prüfender Blick ringsum.

Dann zwei Sprünge nach hinten, dann verschwand er in den Büschen, die am Fuß der Big Salt-Berge sich hinzogen.

Aber im gleichen Moment schrillte ihm auch schon der Alarmruf einiger Apachen in die Ohren. Kaum fünfzehn Sekunden nach ihm stürmten bereits einige dreißig Apachen in die Büsche.

Felsenherz hatte sich hier sofort niedergeworfen und war nach rechts am Rand des Buschwerks weitergekrochen, hatte so eines der Lagerzelte erreicht und sich rasch unter den Fellen in das Zelt hineingezwängt. Es war dies für ihn die einzige Möglichkeit, den Verfolgern zu entgehen.

Mit den Zähnen riss er jetzt an den Knoten der Riemen, die ihm die Arme über der Brust zusammenhielten. Endlich hatte er dann auch Arme und Hände frei, knetete die abgestorbenen Handgelenke und lauschte hier im Dunkeln des Zeltes auf den Lärm der vor Wut wie sinnlos umhereilenden Rothäute.

Die Verfolger entfernten sich offenbar immer mehr. Daß der blonde Trapper noch im Lager verborgen sein könnte, daran dachte selbst der Schnelle Büttel nicht, der jetzt mit Fackeln nach der Fährte des Flüchtlings suchen ließ.

Inzwischen hatten die Apachen jedoch das Gebüsch weithin so gründlich zerstampft, daß eine einzelne Spur nicht mehr herauszufinden war.

Nicht einer der Apachen kam auf den Gedanken, die Zelte zu durchsuchen. Außer den zwölf Wächtern, die wieder die beiden noch vorhandenen Gefangenen eng umkreist hatten, waren jetzt sämtliche Krieger außerhalb des Lagers zerstreut.

Felsenherz hatte sich nun bereits überlegt, wie er am sichersten diese gute Gelegenheit zur Befreiung des Komanchen und Robbs ausnutzen könne.

Gewiss — da draußen hielten nicht weniger als ein Dutzend Krieger die Gefangenen umzingelt. Nur List konnte hier helfen.

Der blonde Trapper beherrschte die Apachensprache so fließend, daß er es schon wagen durfte, einige der Wächter, die jetzt nur Augen für die beiden Gefangenen hatten, durch einen Zuruf wegzulocken.

Das Zelt, in dem er sich befand, stand nach Norden zu den Büschen am nächsten und war von den drei Tannen etwa fünfzig Meter entfernt.

Da die anderen Apachen mittlerweile ihre Suche recht weit ausgedehnt hatten, musste diese List, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle eintraten, Erfolg haben.

Felsenherz kroch also wieder aus dem Zelt in die Büsche und rief dann den Wächtern zu: „Ischli! Tama! Tama!“

Sofort liefen auch sechs auf die Stelle zu, woher die Stimme gekommen war.

Felsenherz war jedoch schon wieder in eines der Zelte geschlüpft, das weiter nach Osten zu stand.

Die sechs übrigen Wächter starrten natürlich angestrengt zu den Büschen hin. Der Trapper konnte so lautlos und schnell von hinten an sie heranschleichen, konnte zwei mit der Faust niederschlagen, dem Dritten die Flinte entreißen und den Vierten durch einen Kolbenhieb niederstrecken.

Die beiden anderen jedoch entflohen jetzt brüllend und lockten auch die übrigen wieder herbei.

Hier handelte es sich um Sekunden, hier durfte kein Messerschnitt, der die Riemen der Gefangenen zerschneiden sollte, umsonst getan werden.

Felsenherz entriss einem der bewusstlosen Krieger das Messer.

Zuerst wurde Chokariga frei, hob schon eine Flinte auf, feuerte.

Auch Robb Trumms Riemen fielen herab.

Felsenherz griff nach dem Tomahawk eines Apachen, schleuderte die Streitaxt dem vordersten der Heranstürmenden gegen die Brust.

Dann rannten die drei Westmänner dem Bach zu, wateten hinüber.

Kugeln pfiffen um sie herum.

Hinter ihnen war die Hölle lebendig geworden.

Doch der dicke Jobb, der inzwischen zufällig auf Lydia Summer gestoßen war, die ebenfalls die felsigen Höhen im Südosten als Schlupfwinkel benutzt hatte, trieb jetzt durch Schüsse die noch übrig gebliebenen Wächter zurück.

Zwei von ihnen fielen. Die beiden Nächsten schoss das tapfere Mädchen nieder.

Dann ging es weiter — bald im Trab, bald im Schritt.

Bevor die Hauptmenge der Apachen, durch die Schüsse herbeigerufen, ihre Mustangs zur Stelle hatte, jagten die fünf Gefährten bereits nach Norden zu in die Prärie hinein.

Als der Morgen graute, erreichten sie den Wichita-Fluß, bogen hier nach Osten ab und ritten zwei Stunden lang im Flußbett des Wichita dahin, bis sie mitten in einem Urwald auf eine Treibholzbarriere stießen, aus deren Baumstämmen sie ein Floß herstellten, mit dem sie acht Tage später in den Red River gelangten, wo sich damals bereits einige Ansiedlungen und auch die ersten Anfänge der späteren Stadt Denison am Nordufer dieses rechten Nebenflußes des Mississippi befanden.

Hier in Denison, einem Ort von etwa sechzig Blockhütten, kehrten die glücklich Geretteten bei dem Farmer Halper ein, der mit den Trumms befreundet war und die Flüchtlinge herzlich willkommen hieß.

Die Kunde von dem Eintreffen zweier so berühmter Westmänner wie Felsenherz und Chokariga hatte sich in der Ansiedlung blitzschnell verbreitet und eine Menge Neugieriger nach Halpers Farm hinausgelockt, die am weitesten vom Fluß ab und ganz in der Nähe der endlosen Wälder lag, die sich vom Red River in ununterbrochenem Zug bis an die Jagdgebiete der Komanchen erstreckten.

Halper, ein knorriger Riese mit rötlichem Vollbart und dem bedächtigen, wortkargen Wesen der Hinterwäldler, wusste bald nicht mehr, wo er all die Gäste unterbringen sollte, die plötzlich das Bedürfnis fühlten, sich wie von ungefähr nach dem Befinden der Familie Halper zu erkundigen.

Neben Felsenherz und Chokariga erregte vielleicht die meiste Aufmerksamkeit die schlanke, hübsche Lydia Summer, die noch immer ihren ledernen Jagdanzug trug und der man mit allgemeiner Teilnahme begegnete, weil rasch bekannt geworden war, daß sie vor Kurzem ihren Vater drüben am Big Salt Bach verloren hatte.

Als der Abend nahte, zerstreuten sich die Gäste wieder und John Halper wollte nun für die Flüchtlinge die nötigen Lagerstätten für die Nacht herrichten.

Felsenherz und der Häuptling erklärten jedoch, daß es ihnen zu ungewohnt sei, unter einem Balkendach in einer Stube zu nächtigen, und daß sie im nahen Wald lagern würden.

Sie nahmen denn auch ihre Pferde und Waffen und schritten dem dunklen Forst zu, fanden auch nach zehn Minuten eine kleine Lichtung in einem Talkessel, sattelten ihre Tiere ab, zündeten ein Feuer an und streckten sich behaglich auf ihren Decken aus.

Der Komanche war merkwürdig schweigsam, sodaß der blonde Trapper sehr bald fragte: „Womit beschäftigen sich die Gedanken meines Bruders Chokariga?“

Der Häuptling erwiderte bedächtig: Mein Bruder Harry hat vorhin im Haus des Farmers wohl das lange Bleichgesicht mit dem schwarzen Bart gesehen. Hat Felsenherz auch dessen Namen verstanden?“

„Nein. Darauf habe ich nicht geachtet. Was ist mit diesem Namen?“

„Die anderen Farmer nannten das Bleichgesicht Don Racosta“, erklärte der Schwarze Panther mit Nachdruck. „Und dieser Don Racosta hatte nur Augen für das weiße, tapfere Mädchen, deren Vater meinem Bruder Harry das Stück Leder mit der Zeichnung gab.“

„Ah — mein Bruder Chokariga meint, daß dieser Don Racosta vielleicht gar ein Verwandter jenes Hazienderos ist, dem der alte Summer einst den Schmuckkasten raubte?“

„Vielleicht ist es so. Chokariga glaubt auch, daß das Bleichgesicht nur deshalb Lydia Summer so aufdringlich musterte, weil ihm eben der Name Fred Summer nicht fremd ist und weil er womöglich weiß, daß ein Fred Summer damals an dem Überfall auf die Hazienda beteiligt war.“

„Des Schwarzen Panthers Geist wandelt weite Wege in die Vergangenheit zurück“, sagte Felsenherz zweifelnd. „Es wäre doch ein zu merkwürdiger Zufall, wenn —“

 

 

Fünftes Kapitel

Der Sheriff von Denison.

Der Häuptling hatte plötzlich warnend die Hand erhoben und lauschte.

Auch Felsenherz vernahm jetzt das Knacken von Zweigen und bald eine Stimme.

„Sennores — hier gut Freund!“

Dann trat aus dem Waldesdunkel derselbe Mann hervor, über dem die beiden Savannenläufer soeben gesprochen hatten.

Dieser Don Racosta war besser gekleidet als die anderen Bewohner der Ansiedlung. Aber seine schwarzen, stechenden Augen und ein gewisser Zug um den brutalen Mund ließen ihn recht unsympathisch erscheinen.

Er hatte zwei Pistolen und ein Jagdmesser im Gürtel und im Arm eine noch recht neue Doppelbüchse. Mit einem kurzen „Ihr gestattet, Sennores“ nahm er am Feuer Platz, ohne eine Aufforderung dazu abzuwarten. Dann begann er sogleich.

„Ich möchte Euch um eine Auskunft bitten. Ihr habt doch sicherlich jenen Fred Summer, den die Apachen jetzt niederknallten, recht gut gekannt. Wisst Ihr etwas über seine Vergangenheit?“

Der Komanche warf Felsenherz einen besonderen Blick zu, worauf der blonde Trapper erwiderte: „Weshalb fragt Ihr, Sennor?“

„Oh — das ist meine Sache!“, entgegnete der lange Mensch patzigen Tones.

„So — dann ist es auch unsere Sache, zu schweigen“, meinte Felsenherz gelassen.

Racosta schaute den Trapper jetzt fast drohend an. „Ich glaube, Ihr wollt da einen früheren Desperado in Schutz nehmen!“, rief er. „Ein gewisser Fred Summer war vor etwa 35 Jahren Anführer einer Bande von Buschkleppern, die meines Vaters Hazienda plünderten. Mein Vater ist nachher verarmt und hat mich an seinem Sterbebett schwören lassen, jenen Desperado zu suchen und den Gerichten auszuliefern.“

„Ist denn Euer Vater infolge jenes Überfalls in Armut geraten?“, fragte Felsenherz kurz.

Racosta wurde etwas verlegen. „Nein, das gerade nicht. Aber Summer raubte damals Kleinodien im Wert von vielen Tausenden, und —“

„Der Name Summer ist recht häufig, Sennor“, unterbrach der blonde Trapper ihn da. „Wir wissen nur, daß Miss Lydias Vater ein ehrlicher Farmer war.“

Racosta lachte spöttisch.

„Ihr macht Ausflüchte, Sennor Felsenherz. Ich habe soeben an Halpers Fenstern gelauscht und hörte, wie Jobb Trumm Halber erzählte, daß jener alte Summer seine Jugendverfehlungen bitter bereut und vor seinem Tod —“

Abermals fiel der Trapper ihm ins Wort. „Sennor, dann fragt doch Jobb Trumm über den Alten aus! Lasst uns in Frieden! Wir sind müde und wollen schlafen!“

Der lange Mensch blitzte den Jäger wütend an. „Ich merke, Ihr wollt mich belügen! Aber denkt ja nicht, daß Ihr hier so leichten Kaufes davonkommt! Lydia Summer hat drei Beutel Goldstaub mitgebracht. Sie ist die Tochter jenes Banditen, und als Ersatz für die Juwelen, die dieser einst stahl, werde ich Anspruch auf das Gold erheben! Ich bin hier in Denison Sheriff, Polizeimeister! Wir sind hier nicht in der Wildnis. Wenn Ihr Euch noch weiter —“ Er hatte die eine Pistole gezogen und beide Hähne schnell gespannt. „— noch weiter weigert, mir Rede und Antwort zu stehen, verhafte ich Euch!“ Felsenherz lachte ihm ins Gesicht.

„Sennor, ob Ihr Sheriff seid, ist uns sehr gleichgültig. Steckt jedenfalls Euer Schießeisen schleunigst wieder weg!“

„Oho — Ihr glaubt wohl, ich fürchte mich vor Euch! Ihr irrt Euch! Ob Ihr zwei sogenannte berühmte Westmänner seid — das imponiert mir nicht!“ Er hob jetzt die Pistole und zielte auf Felsenherz.

„Los — raus mit der Antwort!“, befahl er. „Ist Fred Summer, den die Apachen erschossen haben, jener selbe Summer, der —“

Er kam nicht weiter.

Die Pistole flog ihm aus der Hand.

Felsenherz hatte ihm mit der linken Faust einen solchen Hieb gegen den Unterarm versetzt, daß dem Herrn Sheriff jetzt der Arm wie gelähmt im Schoß lag.

„Sennor“, meinte der Trapper dann, indem er nach seiner langen Jaguarbüchse griff, „wenn Ihr nicht in zwei Minuten verschwunden seid, dürftet Ihr morgen Euer Begräbnis als Leiche mitmachen! Mit Burschen Eures Schlages —“

Racosta hatte plötzlich einen gellenden Pfiff ausgestoßen.

In den Büschen raschelte es.

Acht Männer erschienen, jeder mit schussfertiger Flinte, alles raue, verwitterte Gestalten.

„Packt sie!“, brüllte der Sheriff schrill. „Packt sie, Boys! Ihr wisst, daß Ihr mir zu gehorchen habt! Ihr habt mich zum Sheriff gewählt, und —“

Da war der Komanche wie ein Blitz hochgeschnellt, hatte das Feuer durch einen Fußtritt auseinander geworfen und Racosta hochgerissen, setzte ihm das Jagdmesser ins Genick und rief: „Wer wagt es, sich Chokariga, dem Häuptling der großen Komanchennation, wie einem elenden Dieb zu nähern!“

Dann tat er einen Sprung rückwärts, zog Racosta mit sich und war unter den Bäumen verschwunden.

Die zerstreuten Feuerbrände beleuchteten matt die hohe Gestalt des blonden Trappers, der sich erhoben und auf seine Büchse gelehnt hatte.

„Ich weiß nicht, was Euer Sheriff Euch vorgelogen hat, Männer“, sagte er ernst zu den acht Ansiedlern. „Kehrt heim in Eure Blockhütten. Der Schwarze Panther und Felsenherz wünschen den Frieden. Sie haben nichts getan, was Euch ein Recht gäbe, uns wie Verbrecher zu behandeln. Geht! Felsenherz droht nie umsonst!“

Die Farmer standen unschlüssig da.

Dann trat einer vor und erklärte: „Master Felsenherz, wir sind hier in Denison achtzig Ansiedler. Wir wechseln uns alle zehn Tage im Polizeidienst ab. Heute sind wir acht dran und müssen dem Sheriff gehorchen. Er hat uns gesagt, Daß Ihr beide ihm Auskunft geben könntet, ob die tapfere Miss, die mit Euch heute Morgen hier eintraf, die Tochter des einst so berüchtigten Fred Summer wäre. Das ist alles, Master. Mehr wissen wir nicht.“

Felsenherz entgegnete darauf weit freundlicher: „Gut denn — wir werden dem Sennor Racosta mitteilen, was wir über Miss Lydias Vater auszusagen haben. Vielleicht hat er ein Recht darauf, von uns eine Antwort zu verlangen. Gute Nacht, Männer von Denison! Wir wollen mit Racosta allein verhandeln.“

Die acht berieten sich leise und erklärten, sie würden in der Nähe im Wald das Weitere abwarten. Darauf zogen sie sich zurück.

Felsenherz brachte das Feuer wieder in Brand, warf trockene Äste in die Glut und setzte sich.

Dann erschien auch schon der Komanche, der den Sheriff noch immer bei der linken Schulter gepackt hielt und ihn nun durch einen leichten Stoß zwang, sich neben dem Trapper niederzulassen.

Auch Chokariga nahm wieder am Feuer Platz.

Der edle Don Racosta war jetzt recht kleinlaut geworden. Aber in seinen schwarzen Augen glühten gleichzeitig auch die Hinterlist und eine feige, versteckte Rachsucht. Daß ein Indianer es gewagt hatte, ihn, den Abkömmling einer nach Südtexas ausgewanderten alten spanischen Familie mit dem Messer zu bedrohen, würde er nie — nie vergessen!

„Was habt Ihr mir zu sagen, Sennor Felsenherz?“, wandte er sich an den Trapper mit heuchlerischem Gleichmut.

„Ich habe Euch einen Vorschlag zu machen. Chokariga und ich wissen, daß ein Buschklepper einst einen eisernen Schmuckkasten in den Kolorado-Bergen unweit der Quellen des Arkansas in eine Schlucht geworfen hat —“

„Ah — ein eiserner Schmuckkasten!“, rief Racosta mit vor Habgier zitternder Stimme. „Das ist der Schmuckkasten meiner Mutter! So war es doch Miss Lydias Vater, der —“

„Nein“, unterbrach Felsenherz ihn rau. „Davon habe ich nichts getagt. Lasst das Mädchen hier aus dem Spiel! Sie trägt den Namen eines ehrlichen arbeitsamen Vaters!“

Racosta verzog höhnisch das Gesicht. „Gut, meinetwegen! Ihr wollt Miss Lydias Ruf schonen! Mir soll es recht sein! Wenn ich nur die Juwelen zurückerhalten!“

„Diese Euch zu verschaffen, werden wir versuchen, aber nur unter zwei Bedingungen. Erstens müsst Ihr hier auf der Stelle schwören, den Verdacht, Lydia könnte die Tochter jenes Banditen Summer sein, nie mehr laut werden zu lassen. Zweitens müsst Ihr uns hinauf in die Kolorado-Bergen begleiten.“

„Oh — wenn es weiter nichts ist!“, meinte Racosta hastig. „Gut, ich schwöre also! Wann wollen wir aufbrechen?“

„Morgen früh, gleich nach Sonnenaufgang.“

„Hm — so eilig? Na — auch das soll geschehen! Ich habe weder Frau noch Kind. Die wenigen Vorbereitungen zu dem Spazierritt sind bald erledigt!“

„Spazierritt?“, meinte Felsenherz kopfschüttelnd. „Sennor, wart Ihr schon einmal im Wilden Westen? Mit einem Spazierritt wird das, was wir vorhaben, sich kaum vergleichen lassen. Dort an den Quellen des Arkansas stoßen die Jagdgebiete von vier Indianerstämmen zusammen. Jene Gegend nennen wir Trapper die blutigen Gründe.“

„Ah bah — Indianer!“, rief Racosta verächtlich. „Im Wilden Westen war ich zwar noch nicht. Aber ich verstehe etwas vom Jägerleben. Noch eine Frage, Sennor Felsenherz. Wie wollt Ihr denn die Schlucht finden, in der der Schmuckkasten liegt?“

„Das ist vorläufig meine Sache! Nun lasst uns allein. Wir wollen noch ein paar Stunden schlafen.“

„Hm — eine merkwürdige Auffassung von Euch, fürwahr! Wie könnt Ihr sagen, es sei nur Eure Sache? Ich als der Letzte des Geschlechts der Racosta kann wohl Anspruch darauf erheben, daß Ihr mir alles mitteilt, was mit den Juwelen zusammenhängt!“

„Soll auch geschehen, Sennor, soll auch geschehen! Nur jetzt nicht!“

„Habt Ihr denn irgendwelche Aufzeichnungen von der Hand jenes Fred Summer, die den Ort näher bestimmen?“, fragte der Sheriff lauernd.

„So forscht man Dumme aus!“, erwiderte Felsenherz grob. Dann stand er auf, nahm seine Decke und streckte sich am Rande der Lichtung dicht neben den Pferden zum Schlafen aus.

Racosta musste sich wohl oder übel zurückziehen, erklärte noch, er würde sich kurz nach Sonnenaufgang wieder hier einfinden und verließ die Lichtung.

Dem Geräusch seiner Schritte nach entfernte er sich wirklich.

Der Häuptling jedoch traute ihm nicht, huschte gleichfalls in die Büsche und kehrte erst nach einer Stunde zurück.

Felsenherz’ feine Ohren vernahmen selbst des Komanchen lautlose Bewegungen. Er richtete sich auf.

„Mein Bruder hat das Bleichgesicht bis zu dessen Blockhaus verfolgt“, meinte er. „Chokariga ist allzu vorsichtig. Was soll dieser Mensch uns schaden?“

Der Häuptling breitete seine Wolldecke neben dem Trapper aus und setzte sich.

„Mein Bruder Harry hatte besser abstreiten sollen, daß Fred Summer Aufzeichnungen hinterlassen hat“, flüsterte er. „Dieser Racosta hat böse Augen. Chokariga wird das Misstrauen gegen ihn nie verlieren, obwohl Racosta jetzt sein Blockhaus aufsuchte und die acht Männer gleichfalls heimgingen. Mein Bruder Harry mag schlafen. Der Schwarze Panther wird bis nach Mitternacht wachen. Dann mag Felsenherz die Wache übernehmen.“

„Ich halte diese Vorsicht hier zwar für überflüssig. Aber gut, es sei!“ Er rückte sich den als Kopfpolster benutzten Sattel zurecht und war sehr bald eingeschlafen.

Die Nacht verstrich ohne jeden Zwischenfall. Beim ersten Morgengrauen begaben Felsenherz und der Komanche sich zu Halpers Farm und sagten den beiden Trumms, die noch einige Tage in der Aussiedlung bleiben wollten, lebewohl, verabschiedeten sich auch von Halper und erwähnten nur, daß sie hinauf zu den Arkansasquellen wollten und daß Racosta sie begleiten würde. Lydia Summer schlief noch, und so trugen sie Robb und Jobb viele Grüße an das tapfere Mädchen auf.

„Auf Wiedersehen!“, riefen die Trumms den Scheidenden dann noch nach.

Und der dicke Jobb fügte hinzu: „Wir folgen Euch in drei bis vier Tagen! Solltet Ihr dem Schnellen Büffel begegnen, so bestellt ihm einen schönen Gruß von mir und sagt ihm, er soll sich in Dummer Büffel umtaufen lassen! Am Big Salt Bach hat er sich nicht gerade mit Ruhm bedeckt!“

 

 

Sechstes Kapitel

Der Hinterhalt.

Don Racosta war pünktlich zur Stelle. Seine Ausrüstung und sein Pferd entlockten Felsenherz ein unmerkliches Lächeln.

„Sennor“, meinte er kopfschüttelnd, „das eine hättet Ihr als Farmer schon wissen können: Kein Westmann reitet einen Schimmel! So ein Gaul ist ja meilenweit in der Prärie zu sehen!“

„Es ist mein bestes Pferd“, erwiderte Racosta barschen Tones. „Wenn Ihr wollt, kann ich ihn ja färben!“

Felsenherz zuckte über diesen Witz nur die Achseln. Jedenfalls begann man den gemeinsamen Ritt sofort in etwas gereizter Stimmung.

Racosta, der die Umgebung von Denison gut kannte, wollte jetzt zunächst den Führer spielen und verlangte, man solle quer durch die Wälder bis zum Nord Fork, einem Quellfluß des Red River, vordringen. Das sei der kürzeste Weg in die Prärien. Er bot sich mit einem so verdächtigen Eifer zum Führer an, daß der Komanche dem Trapper einen langen Blick zuwarf. Sie verstanden sich. Hier stimmte irgendetwas nicht! Hier handelte es sich fraglos um irgendeine Heimtücke des edlen Don Racosta.

Aber sie ließen sich nichts anmerken und folgten scheinbar arglos dem Spanier, der nun in schlankem Trab durch weite Lichtungen die Richtung nach Nordost einschlug.

Am ersten und zweiten Tag ereignete sich nichts Besonderes. Am Morgen des dritten Tages aber, als die Wichita-Berge in der Ferne auftauchten und man längst die letzten Ansiedlungen hinter sich hatte, stieß man in einer von Waldstreifen eingeschlossenen Prärie auf eine Fährte von Reitern mit beschlagenen Pferden, also von Weißen, da ja kein Indianermustang Hufeisen trägt.

Während dieser verflossenen zwei Tage hatte sich das Misstrauen der beiden Westmänner gegen Don Racosta bereits verringert. Sie hatten eigentlich damit gerechnet, daß Racosta ihnen in der Nähe von Denison einen Hinterhalt durch ein paar ihm ergebene Farmer würde legen lassen, um beide nach jenen Aufzeichnungen zu durchsuchen, die er als von Fred Summer herrührend bei ihnen vermutete.

Beim Anblick dieser Fährte benahm sich Racosta jedoch abermals sehr merkwürdig. Er sprang sofort aus dem Sattel und erklärte, er würde Felsenherz und Chokariga jetzt einmal beweisen, daß er etwas vom Spurenlesen verstünde.

Er kniete im Gras nieder und prüfte die Hufeindrücke nur kurze Zeit und rief dann: „Es sind fünf Reiter gewesen. Die Fährte ist etwa drei Stunden alt. Die Reiter hatten recht frische Pferde und haben es nicht besonders eilig gehabt.“

Felsenherz und der Komanche hatten so schnell diese Einzelheiten kaum feststellen können. Es musste ihnen notwendig auffallen, daß Racosta hier eine so merkwürdige Erfahrung im Spurenlesen verriet.

Chokariga schwang sich daher gleichfalls von seinem Rappen und untersuchte nun seinerseits die Fährte.

Nach einer geraumen Weile erklärte er: „Das Bleichgesicht hat recht. Es sind fünf Reiter auf gut ausgeruhten Tieren. Sie sind dort auf die Wichita-Berge zugeritten, die schon zum Jagdgebiet der Osage (Die Osage sind kein Reitervolk wie die Apachen und Comachen, sondern nur zum Teil beritten.) gehören.“

„Wir werden dieser Spur folgen“, meinte Racosta jetzt eifrig. „Vielleicht sind es Buschklepper. Man kann nicht vorsichtig genug sein.“

„Das Bleichgesicht spricht wie ein erfahrener Westläufer“, meinte der Häuptling. „Wir werden uns trennen. Das Bleichgesicht mag der Fährte nachreiten, während mein Bruder Felsenherz dort in dem östlichen Wald streifen und Chokariga sich im westlichen nach Osagespuren umschaut. Dort geradeaus im Norden treffen wir im Wald wieder zusammen.“

Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang er in den Sattel und galoppierte nach links davon. Auch der blonde Trapper sagte nur noch „Auf Wiedersehen, Sennor!“ und wandte seinen Braunen nach rechts.

Racosta war ein viel zu großes Greenhorn, als daß er herausgefunden hätte, weshalb die beiden Westmänner in den Waldstreifen angeblich nach Osagespuren suchen wollten. Während er nur im Trab und mit einem gewissen Furchtgefühl infolge der Möglichkeit der Anwesenheit von Rothäuten den Spuren der fünf Reiter folgte, die ihm ja keine Fremden waren, mit deren Erscheinen hier er vielmehr bestimmt gerechnet hatte, jagten Felsenherz und der Komanche drüben an den Waldrändern für ihn unsichtbar nach Norden zu, erreichten in zehn Minuten die Nordgrenze des Waldes, der hier bereits recht hügelig war, und trafen an einem dichten, großen Windbruch (eine, Menge übereinander gestürzter, vom Sturm entwurzelter Bäume, die meist von Rankengewachsen völlig überzogen sind) zusammen.

Der Komanche deutete jetzt dorthin, wo die Wichita-Berge lagen, und sagte in der knappen Ausdrucksweise seines Volkes: „Das Bleichgesicht wird uns in den Schluchten der Wichita-Berge durch die fünf Reiter überfallen lassen. Niemals hätte dieser Racosta die Fährte so rasch lesen können, wenn er die Reiter nicht vorausgeschickt hätte. Es sind seine Freunde aus Denison.“

Felsenherz erwiderte ebenso kurz: „Mein roter Bruder spricht genau das, was ich vermute. Racosta wird uns jetzt in einen Hinterhalt locken. Es geht um die Zeichnung, deren Vorhandensein ich leider nicht genügend geleugnet habe. Nun — dieser Überfall wird nicht glücken! Ebenso wenig würde Racosta aber, falls er glückte, das Lederstück finden. Ich habe es wieder in den Lauf der Steinschlosspistole geschoben, die in meiner Satteltasche steckt. Chokariga hat die in das Leder mit roter Farbe eingeritzte Zeichnung bereits gesehen. Mit ihrer Hilfe ist es leicht, jenen Ort zu finden, wo Fred Summer den Schmuckkasten in den Abgrund warf.“

„Und wie will mein Bruder Harry den Überfall vereiteln?“, fragte der Komanche nun.

„Dadurch, daß wir hier bereits von der Fährte der fünf abbiegen und die Wichita-Berge rechts liegen lassen. Racosta wird sich dagegen natürlich sträuben. Wir werden aber erklären, wir hatten die Spuren einer starken Osageabteilung entdeckt, die offenbar die Richtung auf die Wichita-Berge eingeschlagen habe. Deshalb müssten wir die Berge meiden. Auf diese Weise werden wir Racosta nicht argwöhnisch machen. Er wird dann später wahrscheinlich uns auf andere Art allein zu beseitigen versuchen, um in Besitz der Zeichnung zu gelangen. Wagt er dies, so wird er uns weiter als Gefangener begleiten. Sind wir dann an Ort und Stelle, mag er allein zusehen, wie er den Schmuckkasten aus der Schlucht herausholt und damit, falls er ihn wirklich bergen kann, zu den Ansiedlungen zurückfindet. Das Vermächtnis Fred Summers ist für mich dadurch ja erfüllt, daß ich den heimtückischen Verräter an den Ort begleitet habe, wo er die seiner Mutter einst geraubten Kleinodien sich wieder verschaffen kann. Mehr für diesen Elenden zu tun, kann niemand von mir verlangen.“

Chokariga antwortete nur mit einer zustimmenden Handbewegung.

Dann aber ereignete sich etwas, das für die beiden Westmänner, die sich gegen jede Überraschung hier neben dem hohen Verhau des Windbruches durchaus sicher wähnten, wie ein Blitz aus heiterem Himmel kam.

Eine halbe Stunde, bevor die beiden Freunde und Don Racosta nämlich drüben in der Prärie zur Besichtigung der Fährte haltgemacht hatten, war auf den auf die Wichita-Berge zulaufenden Spuren der fünf Reiter ein einzelner längerer Mann, wie ein Farmer gekleidet, bis zum nördlichen Waldrand zu Fuß zurückgekehrt, wobei er nach Möglichkeit jeden deutlicheren Eindruck seiner Stiefel vermieden hatte.

Als dieser gut bewaffnete Farmer die drei Reiter in der Prärie erspäht und eine Weile beobachtet hatte, lief er zu seinen Gefährten zurück, die im Bogen nach Osten zu gleichfalls umgekehrt waren und ein vorläufiges Versteck in demselben Windbruch gefunden hatten, an dessen Südseite danach Felsenherz und Chokariga zusammentrafen.

Der junge Farmer, der gleich den anderen vier zu den übel berüchtigtsten Burschen von Denison gehörte, bog die Hopfenranken des schier undurchdringlichen Dickichts zur Seite und schlüpfte in den in der Mitte nicht völlig ausgefüllten Baum- und Strauchberg hinein.

„Boys, sie sind da!“, meldete er atemlos. „Alles geht nach Wunsch!“

Einer der fünf, etwas älter als die anderen, brummte jetzt missmutig.

„Wir hätten uns auf die faule Geschichte nie einlassen sollen! Ich warne Euch nochmals! Hört auf mich! Lasst den Trapper und den Komanchen ungeschoren! Ich jedenfalls reite nicht mehr weiter! Ich habe keine Lust, mir das Fell mit einem Stück Blei —“

Da meldete sich auch schon ein Zweiter.

„Walker hat ganz recht! Die Sache kann übel ausgehen! Was helfen uns Don Racostas Versprechungen, wenn dieser Felsenherz uns vorher das Lebenslicht ausbläst!“

Doch der soeben zurückgekehrte junge Bursche lachte höhnisch auf und rief verächtlich: „Memmen seid Ihr, Boys, elende Memmen!“

Seine aufreizenden Worte verfehlten ihre Wirkung.

Die vier anderen hatten jetzt, wo die Entscheidung nahte, den Mut verloren. So wurde denn der eine überstimmt, und man beschloss, hier in dem Windbruch zu bleiben, die drei Reiter vorüberzulassen und dann eilends heimzureiten.

Daß alles dann anders kam, war ein bloßer Zufall. Derselbe Bursche, der als Einziger an der mit Racosta getroffenen Vereinbarung festhalten wollte, erkletterte die Krone eines der entwurzelten Bäume und versuchte nach den drei Reitern auszuspähen. Plötzlich kam er sehr rasch wieder herabgestiegen und flüsterte erregt: „Felsenherz und der verdammte Rote nähern sich von verschiedenen Seiten hier dem Windbruch.“

Die fünf Farmer griffen unwillkürlich zu den Büchsen.

Ein paar Minuten angstvoller Spannung vergingen. Dann vernahmen sie draußen Stimmen. Felsenherz und Chokariga waren von ihnen nur durch eine grüne Blätterwand getrennt. Jedes Wort war zu verstehen.

Der junge Bursche, der Verwegenste der fünf, deutete den anderen hastig durch Zeichen an, daß man diese gute Gelegenheit ausnutzen müsse, die beiden Westmänner zu überrumpeln.

Die vier Ängstlichen wurden wieder schwankend. Racosta hatte ihnen viel Geld versprochen, wenn der Streich gelänge. Die Habgier siegte über die Furcht, zumal die vier einsahen, daß der Überfall hier gar keine Gefahr für sie selbst mit sich brachte.

Und dann — dann ereignete sich eben das, was den Dingen eine ganz andere Wendung geben sollte.

Plötzlich rief eine drohende Stimme aus dem Dickicht: „Halt — keine Bewegung! Werft Eure Büchsen auf die Erde! Dann — Hände hoch!“

Des Trappers und des Komanchen Köpfe fuhren herum.

Fünf Büchsenläufe ragten aus der grünen Wand dicht neben ihnen heraus — fünf Läufe von Doppelbüchsen!

Die Lage war verzweifelt! Das erkannten die beiden Westmänner auf den ersten Blick.

Und abermals dieselbe Stimme: „Vorwärts — gehorcht! Oder Ihr und Eure Gäule werden diesem Platz nie mehr verlassen!“

Der Komanche fragte, indem er seine Büchse tatsächlich aus den Händen ins Gras gleiten ließ: „Die fünf Bleichgesichter dort im Windbruch mögen uns sagen, was —“

„Halt’s Maul, Rothaut!“, brüllte dieselbe Stimme. „Wenn du nicht sofort deine Arme gen Himmel reckst, fährst du selbst gen Himmel — oder in die Hölle!“

Auch Felsenherz hielt es für am klügsten, sich zunächst einmal gefangen zu geben.

Der junge Bursche und der Farmer Walker kamen dann aus dem Dickicht hervor und fesselten den beiden überrumpelten die Hände auf den Rücken.

Kaum war dies geschehen, als auch schon Don Racosta erschien und frohlockend rief: „Gut so! Das heißt Glück haben! Boys, das habt ihr fein gemacht!“ Dann wandte er sich an Felsenherz. „Schau an — der berühmte Trapper von ein paar armseligen Farmern überwältigt!“, meinte er mit satanischem Hohn. Die ganze Gemeinheit seines Charakters prägte sich auf seinem Gesicht deutlich aus. „Du aber, Hund von einem Komanchen“, schrie er den Häuptling schadenfroh an, „du sollst jetzt merken, was es heißt, einen reinblütigen Spanier wie mich mit dem Messer zu bedrohen! Denke an die Nacht, an den Wald dicht bei Denison!“

Er versetzte Chokariga einen Fußtritt.

Inzwischen hatte Walker schon aus dem Lauf der Steinschlosspistole das Lederstück triumphierend herausgeholt.

Racosta stieß einen jubelnden Schrei aus, als er die Zeichnung erblickte.

„Her damit, Walker, her damit! Bindet die beiden dort an die Eichen — rasch! Wir nehmen ihre Pferde und Waffen mit und überlassen die berühmten Sennores hier ihrem Schicksal!“

Drei der Farmer widersprachen. „Das ist Mord“, erklärte Walker, der sich zu einer solchen Schurkerei doch nicht hergeben mochte.

Aber die anderen drei waren in ihrem Siegestaumel keinem mahnenden Wort zugänglich. Besonders Racosta und der junge Bursche, ein gewisser Linsam, kümmerten sich nicht im Geringsten um den Widerspruch der anderen und hatten in Kurzem die beiden Gefangenen an zwei dünne Eichen so raffiniert und so brutal festgebunden, daß ein Abstreifen der als Fesseln benutzten Riemen ganz unmöglich war.

Dann ritten die sechs eilig davon.

Linsam führte den Rappen und den Braunen am Zügel.

Es war nun ungefähr neun Uhr vormittags. Felsenherz und der Komanche warteten, bis der Hufschlag der Davongaloppierenden auf dem weichen Waldboden verklungen war. Dann wandte der blonde Trapper den Kopf und sagte zu dem Häuptling mit jener unerschütterlichen Ruhe, die ihm eigen war: „Mein Bruder Chokariga weiß, daß unsere Freunde, die beiden Trumms, uns folgen wollen. Falls es inzwischen nicht regnet, werden sie auf unseren Fährten bleiben, die für die Augen eines Westmannes bis dahin sichtbar sind. In zwei bis drei Tagen können wir frei sein.“

„Mein Bruder Harry rechnet umsonst auf die Hilfe der Trumms“, entgegnete der Häuptling ebenso gelassen. „Es wird regnen und zwar sehr bald. Dort im Westen lagerte schon bei Sonnenaufgang gelblicher Dunst und der Wind hat seine Richtung dreimal gewechselt. Es wird regnen, und die Nässe wird die Lederriemen unserer Hände und Füße weich und dehnbar machen. Wir werden am Abend frei sein. Dann wird Chokariga sich den Skalp des Bleichgesichtes holen, das sich Racosta nennt.

Die Vorhersage des Schwarzen Panthers bewahrheitete sich.

Gegen Mittag hatte sich der Himmel mit schwarzem Gewölk bedeckt. Bald goß es in Strömen. Dieser wolkenbruchartige Regen hielt zwei Stunden an.

Chokariga gelang es zuerst, die linke Hand freizubekommen. Als der Regen nachließ, liefen die beiden Freunde bereits mit gleichmäßigen, weit ausholenden Schritten direkt nach Norden. Dort lag einen Tagesritt entfernt ein Osagedorf in einem weiten fruchtbaren Tal.

Die Pferde der Osage weideten außerhalb des Dorfes in der Prärie. Für Felsenherz und den Häuptling war es ein Leichtes, zwei Mustangs unbemerkt zu entführen.

Inzwischen hatten sie sich zwei Lanzen mit Steinspitzen und zwei primitive Tomahawks, ebenfalls mit Steinschneider, hergestellt. Ihnen genügten diese Waffen. Sie wussten ja, daß sie ihre Büchsen sehr bald zurückerhalten würden.

Die beiden Mustangs waren zäh und ausdauernd. Immerhin hatte Racostas Trupp bereits einen solchen Vorsprung gewonnen, daß die Freunde erst am siebenten Tag unweit der Quellflüsse des Arkansas auf eine Fährte von acht Pferden stießen, von denen sechs beschlagen waren. Jetzt hatten sie also die Gesuchten vor sich, denn die unbeschlagenen Tiere konnten nur der Rappe und der Braune sein.

 

 

Siebentes Kapitel

Der Juwelenkasten.

Diese Fährte fanden sie am Ufer eines Baches, den die sechs an dieser Stelle überquert hatten.

Felsenherz und Chokariga folgten den Spuren. Gegen drei Uhr nachmittags, als sie über eine kleine Hochebene ritten, die reichen Grasschmuck trug, stieß von rechts her eine andere Fährte wie ein Strich auf die Spur der sechs Farmer.

Felsenherz stellte bald fest, daß dieser zweite Trupp Indianer waren und zwar etwa vierzig an der Zahl.

Die Indsmen hatten sich dann sofort an die Verfolgung der Weißen gemacht. Felsenherz las aus den Spuren ab, daß die Farmer vor vielleicht fünf Stunden, die Rothäute aber vor kaum zwei Stunden diese Stelle passiert hatten.

Auch Chokariga sprang jetzt vom Pferd und untersuchte die Indsmenspuren, schritt hundert Meter auf der Fährte zurück und erklärte dann: „Es sind Apachen! Mein Bruder Felsenherz besinnt sich, daß der Schnelle Büffel in die Mähne seines Pferdes bunte Bänder eingeflochten hatte. Dort an jenem hohen Dornbusch hing dies hier!“ Er zeigte ein kleines Stückchen blaues Wollband, wie es die Indianerhändler den Roten zu verkaufen pflegen.

„Der Schnelle Büffel?“, meinte Felsenherz nachdenklich. „Was tut er hier mit vierzig Kriegern im Jagdgebiet des Stammes meines Bruders Chokariga? Ob er etwa vermutet, wir beide weilten jetzt in den Komanchendörfern? Ob er die Kühnheit besessen hat, dies durch einen verwegenen Kundschafterritt feststellen zu wollen?“

Der Schwarze Panther nickte nur, schwang sich wieder auf den Mustang und jagte nach Nordost auf der Doppelfährte weiter. Felsenherz war bald wieder neben ihm.

Sie näherten sich jetzt immer mehr dem Quellgebiet des Arkansas. Die Gegend wurde bergiger, die Anhöhen steiler und kahler. Durch Täler und Schluchten ging es bergan, immer tiefer hinein in die Wildnis des Felsengebirges.

Es dunkelte bereits, als Felsenherz erklärte, man nähere sich jetzt jenem Berg, an dessen Südseite nach der Zeichnung des alten Summer die Schlucht sich befinden müsse, die nunmehr seit dreiunddreißig Jahren den Juwelenkasten barg.

Die beiden Westmänner brachten die Osagemustangs in einem schmalen, buschreichen Tal unter und setzten ihren Weg zu Fuß fort, während die Schatten der Nacht die großartige Szenerie der Gebirgslandschaft immer mehr in Dunkel hüllten.

Plötzlich trug ihnen der Nachtwind den Knall mehrerer Schüsse zu.

Gleich darauf auch das gellende, schrille, lang gezogene Angriffsgeheul der Apachen.

Sie hatten gerade einen Engpass betreten, der wahrscheinlich auf ein größeres Plateau mündete, wo die Apachen die sechs Farmer soeben überfallen haben mussten.

Abermals Schüsse.

Das Geheul verstummte.

„Sie sind abgeschlagen worden, die Krieger des Schnellen Büffels!“, lästerte Felsenherz. „Wir dürfen uns getrost weiter vorwagen. Beide Parteien dort oben werden kaum für anderes Augen haben, als nur für den Gegner.“

Sie huschten weiter den Engpass hinauf, gelangten wirklich an eine kleine, steinige Hochebene und sahen nun zur Rechten drei Feuer hinter ein paar Granitblöcken brennen, sahen dicht davor hinter Steingeröll dunkle Gestalten hin und her kriechen, hörten auch die ihnen wohlbekannte Stimme des Schnellen Büffels, der den Farmern etwas zurief.

„Die Blaßgesichter mögen den Apachen Felsenherz und den Schwarzen Panther ausliefern, die sich bei ihnen befinden müssen, da wir unter den Pferden der Blaßgesichter auch den Rappen und den Braunen entdeckt haben!“

Kaum hatte der blonde Trapper dies vernommen, als er dem Komanchen schon zuflüsterte: „Die Pferde stehen dort links, hundert Meter weiter rückwärts! Holen wir uns unsere Tiere.“

Sie krochen eilig weiter, wanden sich schlangengleich über den Boden hin und gelangten in demselben Moment zu den von drei Apachen bewachten Tieren, als hinter ihnen erneute Schüsse bewiesen, daß die Apachen abermals die Farmer angegriffen hatten.

Die drei Pferdewächter standen dicht beieinander und beobachteten lediglich die Vorgänge da drüben an den Granitblöcken.

Felsenherz schlug zwei mit der Faust nieder. Der Dritte wurde von dem Komanchen durch einen Hieb mit dem Steintomahawk erledigt.

Zur Freude der beiden Westmänner fanden sie alle ihre Waffen an den Sätteln ihrer Pferde festgebunden. Inzwischen hatten die Apachen durch einen überraschenden Angriff den Nahkampf mit den bisher hinter den Felsblöcken gedeckt stehenden Farmern erzwungen, nachdem bereits fünf Krieger durch die Kugeln der Weißen gefallen waren.

Das wilde Kampfgeschrei der Apachen wurde bald zum Triumphgeheul. Einer der Farmer nach dem anderen war der Übermacht unterlegen, einer nach dem anderen sank tödlich verwundet nieder. Nur Don Racosta hatte sich, als er jeden Fluchtweg versperrt sah, verzweifelt und in wahnsinniger Todesangst mithilfe seines Lassos zunächst unbemerkt auf einem kleinen Vorsprung der Steilwand eines Abgrundes hinabgelassen, der das Plateau nach Norden zu begrenzte, hatte sich hier in eine enge Spalte hineingedrückt und hoffte so den Apachen zu entgehen.

Mittlerweile hatten aber auch Felsenherz und Chokariga Zeit gefunden, mit den gesamten Pferden, die sie schnell mit den Zügeln aneinandergebunden hatten, in dem Engpass zu verschwinden, da die Apachen anfänglich annahmen, die Wächter brachten die Tiere anderswo in Sicherheit.

Im letzten Moment trat jedoch der Mond hinter den Bergen hervor und zeigte dem Schnellen Büttel, der soeben dem armen Walker den Todesstoß versetzt hatte, die hohe Gestalt des Trappers, der hinter den Pferden lief, um den Rückzug zu decken.

Der Oberhäuptling der Apachen traute seinen Augen nicht, als er so unerwartet hier abermals auf den verhaßten Feind stieß.

Sein Zuruf machte nun auch seine Krieger auf den blonden Jäger aufmerksam.

Zwanzig Apachen stürmten schon dem Engpass zu. Felsenherz hob die lange Jaguarbüchse.

Zweimal fuhr der Blitz aus der Doppelmündung der trefflichen Waffe.

Und zwei Apachen taumelten zu Boden.

Abermals zwei Schüsse aus des Trappers anderer Büchse.

Dann auch des Komanchen Kugeln, die einen fünften und sechsten Apachen niederstreckten.

Und doch ließen des Schnellen Büffels Krieger sich diesmal nicht zurückschrecken.

Kaum dreißig Meter trennten sie noch von dem Engpass.

Da verschwanden die beiden Gestalten, da trieben ihre Steinwürfe die hintersten Apachenmustangs zu wildem Jagen an.

In rasendem Galopp jagten die Pferde abwärts, rissen sich unten im Tal voneinander los, zerstreuten sich. Ein gellender Pfiff lockte den Rappen und den Braunen an die Seite ihrer Herren. Diese saßen schon im Sattel, scheuchten die Mustangs und die Pferde der Farmer weiter und weiter — hindurch durch das Tal, hindurch durch eine Schlucht — hinaus auf eine Hochebene weiter in die Nacht hinein.

Der Schnelle Büffel hatte die Verfolgung sehr bald aufgeben müssen. Die Apachen kehrten zu dem Plateau zurück, begannen nach dem sechsten Farmer, nach Racosta zu suchen.

Das um eine Felszacke am Abgrundrand geschlungene Lasso verriet das Versteck des Feiglings, der seine Gefährten gerade im Augenblick der höchsten Not im Stich gelassen hatte.

Doch — Racosta war da unten in der Felsspalte nicht beizukommen. Als ein Apache an dem Lasso herabkletterte, traf ihn eine Kugel und schickte ihn in den Abgrund hinab, der, sich meilenweit als Kanon hinziehend, an keiner Stelle zu passieren war.

Als der Morgen graute, hockte Racosta noch immer in der Felsspalte, während oben am Südrand des Abgrundes die Apachen lagerten, die hier auf dem Plateau nicht weniger als vierzehn der ihren durch den Tod verloren hatten.

Auch das tiefe Dunkel des Kanons lichtete sich jetzt allmählich. Racosta sah zu seinen Füßen den Gesteinvorsprung, sah den dichten Dornbusch, der sich dort angesiedelt hatte und dessen Ranken tief in den Abgrund hinabhingen.

Noch mehr sah er. Halb unter dem Dornengestrüpp lag ein verrosteter eiserner Kasten.

Racosta quollen förmlich die Augen aus dem Kopf.

Der Juwelenkasten — er war es!

Er brauchte nur zuzugreifen, dann war er sein!

Die Habgier machte ihn unvorsichtig.

Er musste den Kasten an sich ziehen, er beugte sich vor — streckte die Hand aus.

Oben am Abhang lauerten drei Apachen.

Einer griff rasch zur Büchse.

Racostas Kopf erschien.

Ein Schuss knallte.

Der Letzte des Geschlechtes der Racosta stürzte durch den Kopf getroffen in den Abgrund, riss den Juwelenkasten mit.

Unten im Kanon zerschellte der eiserne Behälter, streute die blitzenden Schmuckstücke umher.

Und auf die glitzernden Geschmeide prallte die Leiche Racostas auf.

Eine formlose, blutige Masse deckte so die Juwelen zu.

Felsenherz und Chokariga hatten das Ende des Spaniers von der Nordseite des Abgrundes mit beobachtet. Sie wussten jetzt, daß keiner der Farmer mehr am Leben war.

So schlichen sie denn zu ihren Pferden zurück und verließen die Schluchten des Felsengebirges, wandten sich den Komanchendörfern am Kolorado zu, um von dort mit einer Abteilung Komanchen zurückzukehren und den Schnellen Büffel und die Apachen gefangen zu nehmen.

Das Vermächtnis des alten Summer hatte so dem letzten unwürdigen Spross der Racosta den Tod gebracht.

Was aus dem Oberhäuptling der Apachen und seinen fünfunddreißig Kriegern wurde, sei im folgenden Band geschildert.

 

 

Der nächste Band enthält:

Tom Brack, der schwarze Häuptling.