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Tom Brack, der schwarze Häuptling

 

Felsenherz, der Trapper

Selbsterlebtes aus den Indianergebieten

erzählt von

Kapitän William Käbler.

 

Band 14:

Tom Brack, der schwarze Häuptling.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.

Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte. einschließlich Verfilmungsrecht, vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1922.

 

 

Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin

 

 

Erstes Kapitel

Menschenjäger.

In einer stürmischen Gewitternacht und bei ununterbrochenen Regengüssen ritten am Rande eines Urwaldes zwei Männer auf triefenden Pferden, eingehüllt in ihren leichten wollenen Schlafdecken, im Schritt dahin und spähten nach Süden in die Prärie hinaus, wo der Lichtschein der Blitze hin und wieder einen Reitertrupp erkennen ließ, der langsam dem Ufer eines kleinen Präriebaches nach Westen hin folgte.

Dieser Reitertrupp, einige zwanzig Mann stark, war von den beiden am Waldrandes sich haltenden Leuten etwa hundert Meter entfernt.

Einer dieser beiden Männer, ein Indianer mit zum Schopf hochgebundenem langen schwarzen Haar, beugte sich jetzt zu seinem Begleiter hinüber und rief ihm mit kräftiger Stimme, um das Toben des Unwetters zu übertönen, in der Komanchensprache zu: „Mein Bruder Felsenherz mag jetzt allein zu den Bleichgesichtern sich begeben und zu erfahren suchen, was sie hier im Jagdgebiet der Komanchen vorhaben. Sie wollen dort im Schutz der Felsgruppe an dem Bache lagern. Mein Bruder Harry soll sie warnen. Die Apachen haben das Kriegsbeil ausgegraben, und die feigen Hunde der Pintos (Schimpfname für die Apachen) schwärmen in den Prärien wie die Bienen, die ein heißer Tag stechlustig gemacht hat. Chokariga, der Schwarze Panther der Komanchen, wird auch nicht dulden, daß die zwanzig Bleichgesichter im Gebiet seines Stammes den Büffel jagen. Der rote Mann braucht den Büffel zum Leben, und die Bleichgesichter schießen die Büffel nur, um ihnen die Zunge herauszuschneiden. Die Prärien im Norden sind bedeckt mit faulenden Kadavern, und die Zeit ist nicht fern, wo der rote Mann lange wird suchen müssen, bis er eine kleine Büffelherde findet. Chokariga und die Komanchen werden daher jeden dieser Büffeljäger töten.“

Der Trapper Felsenherz schaute jetzt, da gerade wieder ein neues Bündel von Blitzen den ganzen südlichen Himmel aufflammen ließ, nach jener von Steinblöcken umgebenen Baumgruppe hinüber, wo der Reitertrupp tatsächlich abgestiegen war und soeben zwischen den Büschen verschwand.

Fast in derselben Sekunde hörte auch der Regen ebenso plötzlich, wie er vor einer halben Stunde begonnen hatte, wieder auf. Selbst das Gewitter schien nun ausgetobt zu haben.

Felsenherz wartete noch ein paar Minuten, warf dem Häuptling dann die nasse Decke zu und sagte leise: „Mein Bruder Chokariga mag hier unter den Bäumen bleiben. Ich werde sehr bald wieder bei ihm sein.“

Dann ritt er ohne eine Antwort abzuwarten dem Bach zu, bog aber mehr nach rechts ab, sodaß er nachher scheinbar von Westen und nicht von Norden sich dem dicht bewachsenen Steinhügel näherte.

Da die Dunkelheit nicht mehr so tief wie vorhin war und da das wolkenfreie Stück des Nachthimmels sich zusehends vergrößerte und das Sternenlicht die Finsternis rasch noch mehr milderte, wurde der blonde hünenhafte Trapper bereits aus den Büschen angerufen, als er noch dreißig Schritt vom Fuß des Hügels entfernt war.

„Hallo — Stop!“ brüllte dort in den Sträuchern jemand auf Englisch. „Wer seid Ihr, Mann, und wohin des Wegs?“

„Ein Trapper bin ich“, rief Felsenherz zurück, indem er seinen hochbeinigen Braunen zügelte.

„Verdammt — das sehe ich, Mann! Aber Euren Namen will ich wissen! Nicht jeder, der sich Trapper nennt, ist ein ehrlicher Kerl!“

„John, was gibt’s?“, erklang da eine hellere Stimme. „Ah so — ein Reiter! Lasst ihn doch herankommen, John! Es ist ja weder eine Rothaut noch einer von den schwarzen Halunken, die wir suchen! Master — nur näher! Unsere Lagerfeuer brennen schon! Möchten Euch mal bei Licht betrachten!“

Diese letzten Sätze, die Felsenherz gegolten hatten, veranlasste den Trapper denn auch, abzusteigen und mit seinem Pferd am Zügel durch eine Lücke in den Sträuchern den Lagerplatz des Reitertrupps zu betreten.

Hier erkannte er sofort, daß er keineswegs Büffeljäger oder Westmänner vor sich hatte.

Nein — diese zwanzig Leute gehörten ihren halb städtischen Anzügen und ihren noch recht neuen Waffen nach in die Ansiedlungen, schienen wohlhabende Farmer mit ihren Rinderhirten zu sein.

Um den Trapper hatte sich schnell ein Kreis gebildet, und derselbe schlanke, blondbärtige Mann, der soeben Felsenherz zum Näherkommen aufgefordert hatte, fragte ihn nun ziemlich hochfahrenden Tones: „Ihr seht ja wahrhaftig wie ein waschechter Fallensteller aus! Vorwärts — wie heißt Ihr?“

„Harry Felsen“, erklärte der berühmte Jäger absichtlich ziemlich undeutlich. „Wer seid Ihr denn, Master? Und was tut Ihr hier im Jagdgebiet der Komanchen?“

„Mein Name ist Howard Glaynbourg“, entgegnete der andere stolz. „Ich bin Plantagenbesitzer drüben in West-Louisiana. Mir sind vor acht Wochen etwa dreißig Negersklaven entflohen. Nachdem wir — meine Nachbarn und ich — dann ermittelt hatten, daß die Flüchtlinge sich hier nach dem Westen gewandt haben, sind wir so ein wenig auf die Menschenjagd gegangen und haben vorgestern mithilfe unserer Bluthunde auch glücklich die Fährte der schwarzen Bande gefunden. Leider ist nun aber der Regen sehr zur Unzeit gekommen und hat die weitere Verfolgung der Sklaven vorläufig unmöglich gemacht. Wir müssen morgen früh ihre Spuren erst wieder …“

Er wurde hier unterbrochen.

In der Ferne ertönte plötzlich wütendes Hundegebell, dann ein Schuss, abermals Hundegeheul und nochmals der kurze, helle Ton von einer Büchse.

Felsenherz hatte beim Knall dieser beiden Schüsse überrascht aufgehorcht.

Er kannte ja so genau den besonderen Klang der Waffe seines roten Freundes! Kein anderer als Chokariga hatte diese Schüsse abgegeben, und offenbar auf die Hunde, die ihn gewittert und gestellt haben mochten. Master Glaynbourg rief jetzt: „Was geht da vor? Was bedeutet die Schießerei? John, schaut mal nach, was es dort gibt!“

Ein kleiner, krummbeiniger Kerl mit knallroter Säufernase erwiderte sofort: „Gut, gut, Master! Werde mal nach dem Rechten sehen!“

Sein heiserer Bass war derselbe, der Felsenherz vorhin zuerst angerufen hatte.

Bevor dieser John, fraglos ein Untergebener des Plantagenbesitzers, sich entfernte, fragte er den blonden Trapper noch: „He, Mann, seid Ihr etwa nicht allein? Habt Ihr noch Freunde da draußen?“

„Ich kam von Westen her allein“, erwiderte Felsenherz ausweichend.

Da — außerhalb der Baumgruppe schon eine vielleicht noch heiserere Stimme als die Johns: „Achtung! Vorsicht! Rothäute in der Nähe! Stellt sofort mehrere Wachen aus! Ein roter Halunke hat uns zwei Hunde erschossen und ist dann ausgekniffen.“

Der Plantagenbesitzer fuhr jetzt den Trapper zornig an.

„Kerl — war der Indianer etwa ein Bekannter von Euch? Eure Antwort auf Johns Frage hatte mich bereits argwöhnisch gemacht!“

Felsenherz hatte sich auf seine lange Doppelbüchse gelehnt und antwortete gelassen: „Master, ich bin es nicht gewohnt, daß man mich Kerl nennt — verstanden! Wenn Ihr Eure Frage in höflicher Form wiederholt, werde ich ebenso …“

Glaynbourg hatte spöttisch aufgelacht „Soll ich etwa jeden hergelaufenen Präriestrolch mit Herr anreden?“, unterbrach er den Westmann in herausfordernder Weise. „Das sollte mir passen! Wenn Ihr nicht bescheidener werdet, sollt Ihr bald merken, daß ich hier zu befehlen habe!“

Felsenherz erwiderte nichts. Nur seine großen blaugrauen Augen verkleinerten sich etwas.

Dann rauschte es schon in den Büschen, und drei Männer, die jeder einen großen gelben Hund an der Leine führten, betraten nun den Lagerplatz. Ihnen folgte ein vierter mit vier gesattelten Pferden.

Der Vorderste der Ankömmlinge trug einen ähnlichen hirschledernen Jagdanzug wie der Trapper Felsenherz und war der Einzige dieser Menschenjäger, der so etwas wie ein Westmann zu sein schien.

Aber auch sein Gesicht verriet dieselbe Leidenschaft für scharfe Getränke wie das des kleinen, krummbeinigen John. Und die Art, wie er nun Felsenherz anbrüllte, ließ den Verdacht entstehen, daß er halb betrunken war.

„Ah — ein Fremder“, grölte er heiser. „Ich will nicht der alte Ben sein, wenn der Mensch nicht zu dem verfluchten roten Halunken gehört, der …“

Felsenherz hatte längst gemerkt, daß er dieser Gesellschaft von Sklavenjägern nur entkommen würde, wenn er ganz überraschend davonjagte.

Mit jener Gewandtheit, die nur durch stete Übung erworben wird, war er plötzlich im Sattel, riß seinen Braunen herum und sprengte in die Büsche hinein.

Schüsse, Flüche, Hundegeheul tönten hinter ihm her.

Er war bereits jenseits des Baches, bevor die Leute des Plantagenbesitzers noch recht wussten, was geschehen war.

„Die Hunde los!“, brüllte Glaynbourg. „Vorwärts — fangt den Kerl. Die Pferde her!“

Die drei mächtigen Bluthunde setzten bereits über den Bach. Ihnen folgten Ben, John und acht andere Leute.

Inzwischen war der Himmel völlig klar geworden. Das bläuliche Mondlicht hüllte die Prärie in eine ungewisse Dämmerung ein.

Felsenherz galoppierte nach Süden. Die Hunde fürchtete er nicht. Sie konnten es ja an Schnelligkeit niemals mit seinem Braunen aufnehmen.

Ihm lag nur daran, die Verfolger irrezuführen und seine Fährte selbst für die Bluthunde so gründlich zu verwischen, daß er später unbelästigt wieder zum Waldrand zurückkehren konnte, wo Chokariga ihn erwarten wollte.

Nachdem er etwa zehn Minuten im Galopp dahingesprengt war, stieß er auf einen zweiten Präriebach, ritt hier in das Wasser hinein und ließ den Braunen etwa eine halbe Stunde lang nach Westen zu waten, bis das kleine Gewässer hier einen dichten Urwald durchströmte, der sich allmählich eine Berglehne hinaufzog.

Als Felsenherz einen durch den Wald nach Norden sich hinschlängelnden Wildpfad bemerkte, bog er in diesen ein und erreichte nach weiteren zehn Minuten den Nordrand des Waldes und die offene Prärie.

Er war vorhin abgestiegen, hatte den Zügel des Braunen über den linken Arm gehängt und die lange Jaguarbüchse schussbereit in die rechte Hand genommen.

Er wusste, daß der Schnelle Büffel, der Oberhäuptling der Apachen, vor zehn Tagen weiter nordwestlich in den Vorbergen des Felsengebirges mit fünfunddreißig Kriegern ihn und den Komanchen zu fangen versucht und dann durch eine andere Apachenabteilung Verstärkung erhalten hatte. Zwei Späher der Komanchen hatten dies beobachtet und waren dann sofort zu den Dörfern ihres Stammes am Kolorado zurückgekehrt, worauf Felsenherz und der Schwarze Panther vor nunmehr drei Tagen sich aufgemacht hatten, um festzustellen, was der Schnelle Büffel weiter unternehmen würde.

Sie hatten zweihundert Komanchenkrieger mitgenommen, die jetzt einen Tagesritt weiter östlich an einem einzelnen Bergkegel, dem sogenannten Berg der Quellen, lagerten und auf die weiteren Befehle ihres Häuptlings warteten.

Mithin hatte der blonde Trapper allen Grund, recht vorsichtig zu sein. Bisher war es ihm und Chokariga nicht beglückt, den Verbleib der Apachen auszukundschaften, die ohne Zweifel ihrerseits durch Späher die Bewegungen der Komanchen ständig beobachten ließen.

Während er jetzt hier am nördlichen Waldrand eine Weile haltmachte und die mondhelle Prärie überblickte, wurde er plötzlich durch das leise Schnauben seines Braunen gewarnt, schaute sich argwöhnisch um und wollte sich gerade in den Sattel schwingen, als ein Lasso aus einem nahen Gebüsch durch die Luft schwirrte und die Schlinge ihm über den Kopf fiel.

Bevor er sie noch abstreifen konnte, wurde er zu Boden gerissen.

Fünf — sechs dunkle Gestalten sprangen zu, warfen sich über ihn, packten seine Arme.

Alles Ringen, alle Versuche, freizukommen, waren hier umsonst.

Felsenherz’ Gegner besaßen Riesenkräfte. Zu seinem Erstaunen erkannte er, daß es nicht etwa Apachen waren.

Nein — er hatte es hier mit Negern zu tun, fraglos also mit denselben entflohenen Negersklaven, die jetzt von jenem Glaynbourg und dessen Leuten wieder eingefangen werden sollten.

Er wehrte sich nicht mehr. Er hoffte, mit den Schwarzen sich im Guten auseinandersetzen zu können.

 

 

Zweites Kapitel

Tom Brack.

Als die sechs Neger ihm die Hände auf den Rücken gefesselt und ihn hochgerissen hatten, als nun aus dem Gebüsch noch ein Siebenter hinzutrat, ein wahrer Riese von Gestalt, der wie die Übrigen einen dunkelblauen Anzug aus derbem Leinen und einen breitrandigen Strohhut, als Waffe aber eine Doppelbüchse und zwei Pistolen sowie ein Messer im Gürtel trug, da sagte er zu diesem schwarzen Herkules, der seinen Strohhut durch einen hohen Federstutz verziert hatte: „Ihr solltet mich besser wieder freilassen! Vor kaum einer Stunde traf ich mit zwanzig Weißen zusammen, die nach Euch suchen. Ich bin Felsenherz, der Trapper, und mein Name bürgt Euch dafür, daß ich mich auf die Seite derer stelle, die einen Farbigen nicht höher achten als irgendein Stück Vieh!“

Der Neger mit dem Federstutz, dessen etwas hellere Hautfarbe den Mulatten verriet, schaute den Trapper prüfend an. Sein schwarzbraunes intelligentes Gesicht wirkte nur deshalb recht abschreckend, weil ihm sowohl beide Ohren als auch das rechte Auge fehlten.

Nachdem er den Trapper eine Weile misstrauisch betrachtet hatte, erwiderte er in gutem Englisch sehr höflich: „Massa, Tom zweifelt nicht länger daran, daß Ihr wirklich Felsenherz seid. Ihr habt zwei Büchsen, und eine davon ist sehr lang und zeigt beiderseits des Kolbens in Goldblättchen das Bild eines springenden Jaguars. Nur Felsenherz besitzt eine solche Büchse. Entschuldigt, daß wir Euch so rau anpackten.“

Er löste die Riemen von Felsenherz’ Handgelenken und fügte hinzu: „Massa, mein Name ist Tom — Tom Brack. Wenn ich Euch erzählt haben werde, weshalb wir unserem Herrn, dem Plantagenbesitzer Glaynbourg, entwichen sind, werdet Ihr alles begreifen — auch das, was wir danach aus Not getan haben, nämlich den Diebstahl von Pferden und Waffen. Wir wollen weiter nach Westen bis Kalifornien und San Francisco zu erreichen versuchen. Doch — vielleicht begleitet Ihr uns in unser Lager drüben im Wald. Wir sind hier zu fünfundzwanzig, alles entsprungene Sklaven, die mich zu ihrem Anführer, ihrem Häuptling, gewählt haben. Massa Glaynbourg denkt, wir wären noch unbewaffnet. Mag er nur kommen! Ich bin nicht der Einzige, dem dieses Scheusal mit der Peitsche ein Auge ausgeschlagen hat. O Massa, was wir auf Glaynbourgs Plantage gelitten haben, das ahnt niemand!“

Felsenherz war erstaunt, wie fließend dieser Tom Brack das Englische beherrschte und wie gewandt er sich ausdrückte. Er hätte gern Näheres über die Schicksale der Schwarzen erfahren, konnte aber Chokariga nicht zu lange warten lassen und erwiderte daher: „Tom, jener Glaynbourg lagert dort weiter nach Osten an einem Bach. Ich warne Euch vor den Apachen, die das Kriegsbeil gegen die Komanchen ausgegraben haben. Ihr befindet Euch hier im Jagdgebiet der Komanchen. Reitet schleunigst weiter. Auch die Komanchen würden Euch kaum schonen, wenn sie unerwartet mit Euch zusammenstoßen. Ich muss weiter. Der Komanchenhäuptling Chokariga erwartet mich. Lebt wohl!“

„Massa, wir danken Euch“, sagte Tom Brack warmen Tones. „Wir sind Unglückliche, sind vogelfrei! Wir tun niemand etwas zuleide. Massa, wenn Ihr …“

Felsenherz unterbrach ihn schnell. „Da … das ist das Gebell der Bluthunde! Die Bestien haben meine Fährte doch entdeckt! Macht, daß Ihr in Euer Lager kommt! Haltet Euch bereit, Ihr werdet um Eure Freiheit kämpfen müssen!“

Das Mondlicht beschien ganz hell das schwarzbraune, durch die leere Augenhöhle so sehr entstellte Gesicht des Mulatten. Der Trapper sah, wie ein Ausdruck wilden Haßes dieses Gesicht verdüsterte.

„Massa,“ meinte der schwarze Häuptling leise, „unseretwegen braucht Ihr nicht in Sorge zu sein! In meinen Adern fließt das Blut berühmter Vorfahren. Meine Mutter war eine Delawarin, eine Indianerin. Bis zu meinem fünfzehnten Jahr lebte ich unter den Rothäuten an den großen Seen im Osten. Dann erst wurde ich gewaltsam nach Louisiana verschleppt und als Sklave verkauft. Jetzt bin ich dreißig Jahre alt. Aber ich weiß mit allen Schlichen der Indianer noch immer gut Bescheid. Nochmals — habt Dank! Vielleicht sehen wir uns wieder!“

Er gab seinen Leuten ein Zeichen, schwang sich gewandt auf eine mächtige Buche und kletterte mithilfe der breiten Krone in den Wipfel einer Eiche hinüber. Die anderen folgten ihm ebenso schnell und geschickt.

Felsenherz durchschaute Toms List. Der schwarze Häuptling wollte in das Lager zurückkehren, ohne eine Fährte auf dem Boden zu hinterlassen, wollte auf diese Weise den Bluthunden der Menschenjäger entgehen!

Auch der Trapper ritt nun im Galopp nach Norden zu in die Prärie hinaus.

Das Heulen und Bellen der großen Bestien war inzwischen auf dem schmalen Wildpfad immer deutlicher geworden. Felsenherz erkannte, daß er diesen Verfolgern gegenüber, die in dem alten Ben einen erfahrenen Fährtensucher besaßen, doppelt vorsichtig sein müsse. Nachdem er etwa eine Viertelstunde stets direkt nach Norden weitergejagt war, traf er auf denselben Bach, der an jenem baumbewachsenen, steinigen Hügel vorüberfloss, an dem die Leute Glaynbourgs lagerten.

Abermals ritt er nun im Wasser entlang, jedoch nicht etwa nach Westen, sondern nach Osten zu, dem Lager der Sklavenjäger entgegen. Er tat dies absichtlich. Er sagte sich, daß der alte Ben, sobald er mit den Bluthunden an diesen Bach gelangte, ihn in westlicher Richtung suchen würde, um die Stelle zu finden, wo der Trapper wieder an Land gegangen war.

Eine gute halbe Stunde blieb Felsenherz mit seinem Braunen in dem seichten Wasser. Nun konnte jener Hügel nicht mehr fern sein, nun wollte er nach Norden dem Waldrand entgegen reiten.

Da — kaum hatte der Braune die Vorderhufe auf die Uferböschung gesetzt, als der blonde Trapper ihn wieder zurückriß.

Im letzten Moment hatte er noch auf einer Anhöhe am Nordufer keine hundert Meter entfernt die gegen den ausgestirnten Nachthimmel scharf sich abhebende Gestalt eines Reiters bemerkt — eines Apachen, der regungslos dort hielt und scheinbar angestrengt nach Norden spähte.

Ein Apache! Also war der Schnelle Büffel mit seinen Kriegern doch in der Nähe!

Felsenherz hatte sich schon aus dem Sattel gleiten lassen, führte den Braunen im Wasser ein paar Schritte zurück. Hier reichten die Büsche einer kleinen Waldzunge bis dicht an den Bach heran, hier konnte der Trapper, ohne bemerkt zu werden, das Ufer erklimmen und sich unter den Bäumen vorläufig verbergen, um den Apachen zu beobachten.

Er band sein Pferd an eine junge Eiche, nachdem er die Waldzunge schnell abgesucht hatte. Er konnte sein wackeres Tier unbesorgt zurücklassen.

Dann watete er wieder durch den Bach ans Südufer und kroch hier im Gras nach Osten weiter. Der Apache hielt noch immer auf der Anhöhe. Felsenherz argwöhnte, daß dieser einzelne Reiter zum Nachtrab der Abteilung des Oberhäuptlings gehörte, denn ein vorausgesandter Späher hätte niemals so offen auf einem Hügel haltgemacht.

Deshalb eilte der Trapper auch am Bachufer im Schutz einzelner Büsche rascher dem Lager der Weißen zu, das seiner Überzeugung nach von den Apachen bereits umzingelt war und vielleicht sehr bald angegriffen werden sollte.

Sein vorzüglicher Ortssinn hatte ihn nicht getäuscht. Das Lager Glaynbourgs befand sich keine tausend Meter entfernt und war schon von Weitem durch den durch das Gesträuch leuchtenden Feuerschein zu erkennen.

‚Welcher Leichtsinn!‘, dachte Felsenherz. ‚Wie kann man hier im Wilden Westen ein solches Feuer anzünden!‘

Er hatte auf einer Bodenwelle sich tief in das noch regenfeuchte Präriegras geduckt und spähte nach dem noch etwa hundertfünfzig Meter weiter östlich gelegenen Hügel hinüber.

Das helle Mondlicht und der klare Sternenschein spendeten so viel Licht, daß er nun zu seinem Erstaunen dort am Bachufer etwa 200 Apachenmustangs und zahlreiche Apachen bemerkte, die immer wieder aus den Büschen des Hügels auftauchten und wieder verschwanden. Felsenherz musste deshalb zunächst annehmen, die Rothäute hätten die Weißen bereits angegriffen und überwältigt. Aber sehr bald gelangte er zu einer anderen Ansicht, da er auch ein paar der Leute Glaynbourgs friedlich mit den Apachen vor dem Hügel hin und her gehen sah.

Hierfür gab es nur eine Erklärung: Der Schnelle Büffel hatte sich mit den Weißen verbündet!

Gewiss, es geschah sehr selten, daß gerade die mordgierigen Apachen, dieses wildeste Reitervolk der Prärien des Westens, sich mit den Blaßgesichtern gegen irgendeinen Feind zusammentaten. Hier mussten also für den Oberhäuptling ganz besondere Gründe mitgesprochen haben, den alten Haß gegen die Weißen für einige Zeit zu vergessen.

Der Trapper kehrte um und war eine Viertelstunde später wieder bei seinem Braunen, der ruhig die Blätter von einem nahen Strauch abknabberte.

Doch der Braune hatte Gesellschaft erhalten! Neben ihm war Chokarigas Rappe angebunden!

Felsenherz schaute umsonst nach seinem roten Bruder aus. Dann entdeckte er in der Rinde der dünnen Eiche, um die der Pferdezügel geschlungen war, ein in etwa zwei und einen halben Meter Höhe drei grüne kleine Zweige, die dort in Einkerbungen hineingedrückt waren: links einen Eichenzweig, in der Mitte einen Buchenzweig und rechts den einer Erle.

Die drei auf diese Weise nebeneinander angebrachten Ästlein hatten eine ganz bestimmte Bedeutung, waren eine Art Zeichensprache, die Felsenherz durch den Komanchenhäuptling kennen gelernt hatte.

Sie besagten in diesem Fall, daß der Schwarze Panther hier von dieser Eiche durch einen Buchenwald zum Bach, also wohl zum Lager der nun vereinigten Weißen und Apachen, geschlichen sei, denn „Erle“ war in dieser Zeichensprache gleichbedeutend mit Bach, Fluß oder See, da die Erle ja nur an feuchten Orten wächst.

Mithin hatte Chokariga auch andeuten wollen, daß Felsenherz ihn hier erwarten solle.

Dies war jedoch, wie der blonde Trapper sofort erkannte, zu gefährlich, weil der alte Ben mit den Verfolgern und den Bluthunden ohne Zweifel sehr bald die Bachufer auch nach Osten absuchen würde.

Er überlegte nicht lange, stieg auf den Sattel seines Braunen und entfernte den Buchen- und den Erlenzweig, steckte an ihre Stelle vier andere dicht nebeneinander, sodaß Chokariga aus der Art der Zweige entnehmen musste, daß sein weißer Bruder durch diese vier Zweige den Begriff „Wald“ hatte darstellen wollen, sich also nach dem nördlich gelegenen Wald gewandt hatte.

Dann ritt Felsenherz mit des Häuptlings Rappen am Zügel über den Bach in südlicher Richtung in die Prärie hinein.

Der einzelne Apache, der vorhin auf der Anhöhe gestanden hatte, war verschwunden. Der Trapper behielt diese Richtung in flottem Trab etwa eine halbe Meile bei, schwenkte dann nach Osten ab und wollte jenseits des Lagers der Apachen und Weißen wieder jenen Waldrand erreichen. Als er nun jedoch an den Bach gelangte, und zwar gut eine drei viertel Meile oberhalb des Lagers, bemerkte er zum Glück noch rechtzeitig einige zwanzig Apachen, die von Osten herkommend am Bach entlangritten. Ohne Frage war dies eine Späherabteilung, die der Schnelle Büffel zur Sicherung des Marsches der Hauptabteilung vorausgeschickt und zurückholen lassen hatte.

Nachdem die Apachen verschwunden waren, blieb Felsenherz ziemlich dicht hinter ihnen, indem er genau ihrer Fährte folgte und so seine eigene verwischte.

Das Gelände war hier recht unübersichtlich. Der Bach war streckenweise sumpfig und schickte schmale, dicht bewaldete Seitenarme in die Prärie hinaus.

Abermals hatte Felsenherz einen dieser sumpfigen Seitenarme umrundet, als er in der Ferne mehrere Schüsse vernahm, die nur nahe am Apachenlager abgegeben sein konnten. Sofort vermutete er, daß Chokariga vielleicht entdeckt worden sei und daß ihm die Schüsse gegolten hätten.

Jetzt gab es für ihn keine Rücksicht auf die eigene Sicherheit mehr; jetzt vertraute er einzig und allein der Schnelligkeit und Ausdauer des Braunen und des Rappen, jagte in voller Karriere am anderen Bachufer wieder nach Westen und hatte auch in wenigen Minuten die Späherabteilung am Nordufer überholt, wurde bemerkt und unter gebenden Schreien verfolgt.

Nun war ihm jedoch die Unübersichtlichkeit des Geländes von Vorteil. Nach kurzer Zeit hatten die Apachen ihn aus den Augen verloren. Freilich — die Alarmschüsse, die sie abfeuerten, mussten wohl im Lager gehört werden. Felsenherz rechnete daher damit, daß man ihm den Weg versperren würde. Und doch blieb er stets in der Nähe des Baches. Bald wurde das Gelände ebener, bald tauchte rechts der hohe, steinige Hügel mit dem Baum- und Gebüschkranz auf.

Der blonde Trapper spähte nach Feinden aus.

Seltsam — weit und breit war kein lebendes Wesen zu bemerken. Kein Feuer schimmerte mehr durch die Büsche, kein Apachenmustang weidete mehr neben dem Hügel. Alles lag wie ausgestorben da, als hätten dort nie zweihundert Rothäute und zwei Dutzend Weiße gelagert.

Weiter sprengte der Trapper, von einer ungewissen Besorgnis erfüllt, die mit jeder Minute wuchs. Wo waren die Weißen und ihre indianischen Verbündeten geblieben? Wo mochten sich jetzt der alte Ben und die Bluthunde sowie die anderen Reiter befinden, die der Plantagenbesitzer Felsenherz nachgeschickt hatte?

Dann erschien am Nordufer des Baches dieselbe Waldzunge, in der vorhin die beiden Pferde angebunden waren. Auch hier weit und breit kein Mensch, kein Tier.

Felsenherz spannte die beiden Hähne der langen Jaguarbüchse, durchschritt den Bach, machte unter den ersten Bäumen halt und sprang aus dem Sattel.

Ein leiser Zuruf bewirkte, daß die beiden Pferde, die ja die beste indianische Dressur erhalten hatten, ihm langsam folgten.

Mit äußerster Vorsicht schlich er auf den Platz zu, wo die dünne Eiche stand.

Er wusste, wenn Chokariga inzwischen hier gewesen war, dann hatte er auch die Zweige aus der Baumrinde entfernt, damit sie nicht von fremden Augen später bemerkt würden.

Nun trat er in die kleine Lichtung hinaus, an deren Nordrand die Eiche sich erhob.

Nun genügte ihm ein einziger Blick bei dem hellen Mondschein. Die Zweige waren noch vorhanden.

Der Schwarze Panther konnte also inzwischen dieses Wäldchen nicht aufgesucht haben! War er etwa wirklich gefangen genommen oder gar getötet worden?

Felsenherz stand noch unschlüssig da, als hinter ihm beide Pferde gleichzeitig warnend, und zwar so laut schnaubten, daß der Trapper es für richtig hielt, mit einem raschen Satz nach rückwärts aus dem klaren Mondlicht in den Baumschatten zurückzuspringen.

Doch — um den Bruchteil einer Sekunde nur tat er den Satz zu spät.

Schon sauste eine Lassoschlinge durch die Luft.

Sie fiel Felsenherz über die Brust. Ein Ruck — und er wurde seitwärts zu Boden gerissen. Eine Horde brüllender Teufel warf sich auf den Wehrlosen. Ein Tomahawkhieb, flach geführt, traf den Filzhut des Trappers und raubte dem blonden Westmann für kurze Zeit die Besinnung.

 

 

Drittes Kapitel

List gegen List.

Eine Viertelstunde später lagen Felsenherz und der Komanchenhäuptling, der dem alten Ben und den anderen Reitern auf der Flucht zu der Waldzunge gerade in die Arme gelaufen war, auf dem Boden der kleinen Lichtung lang ausgestreckt und an sechs Pfähle gefesselt, die die Apachen für jeden ihrer wertvollen Gefangenen in die Erde getrieben hatten. Auch der Rappe und der Braune waren den Feinden in die Hände gefallen. In dem Wäldchen brannten jetzt einige zwanzig Feuer.

Die beiden Gefangenen wurden von zehn Apachen bewacht, die im Kreis um sie herumhockten. Außerdem waren noch die drei Bluthunde ganz in der Nähe angebunden, und der alte Ben, der kleine krummbeinige John und noch drei Plantagenaufseher, alles rüde, kräftige Gesellen, saßen dicht dabei an einem kleinen Feuer und tranken Tee, den sie stark mit Rum vermischt hatten.

Ben hatte jetzt bemerkt, daß auch Felsenherz wieder bei Bewusstsein war, erhob sich und trat zu den Gefangenen heran. Er war wie immer halb betrunken, grölte nun mit heiserer Stimme: „Sieh da — die beiden berühmten Westmänner durch den alten Ben so fein überlistet! Ja, ja, der alte Ben versteht seine Sache! Master Felsenherz, dieser Hinterhalt hier im Wäldchen war doch famos, he? War so recht was für ein Greenhorn, wie Ihr es seid! Halte schon so viel von Felsenherz, dem Freund des roten Halunken Chokariga gehört! Na — ich hätte Euch für schlauer gehalten!“ Er lachte höhnisch und gab dem Schwarzen Panther dann einen Fußtritt.

„Besinnst dich wohl noch, Rotfell, wie du und deine Komanchen mich vor drei Jahren gehetzt haben! Wolltet mir damals den Skalp nehmen! Nun kommt es umgekehrt, nun wird der Schnelle Büffel Euch schleunigst in die Llano Estacado bringen und dort am Grab des Großen Bären, des von Felsenherz erschlagenen Oberhäuptlings, so ein wenig am Marterpfahl kitzeln lassen — he — he! Wird ein kapitaler Spaß werden, zumal Ihr beide noch Gesellschaft bekommt, nämlich einen schwarzen Halunken, den Tom Brack, den wir inzwischen schon noch abfassen werden!“ Er spie neben den beiden aus und fügte hinzu. „Ich verachte Euch, Ihr Greenhorns! Der alte Ben ist mehr wert als ein ganzes Dutzend Berühmtheiten Eures Schlages!“

Er hätte seine Beleidigungen und Schmähungen wohl noch fortgesetzt, wenn nicht Howard Glaynbourg, der Plantagenbesitzer, hinzugekommen wäre und ihn ziemlich grob zurechtgewiesen hätte.

„Schert Euch an Euer Feuer zurück, Ben!“, rief er ärgerlich. „Lasst die beiden in Ruhe. Zwei Wehrlose derart zu beschimpfen, ist nicht gerade ein Zeichen von Mut!“

Ben brummte, schritt aber doch dem Feuer wieder zu und stärkte sich durch einen Schluck Rum.

Glaynbourg setzte sich zu Häupten des blonden Trappers nieder und begann mit derselben heuchlerischen Freundlichkeit, mit der er soeben für die Gefangenen eingetreten war: „Master, es tut mir leid, daß alles so gekommen ist. Hätte ich schon vorher gewusst, daß Ihr Felsenherz seid, dann würde ich Euch in unserem Lager dort am Hügel anders behandelt haben. Ben hat auch ohne meine Einwilligung Euch diesen Hinterhalt gelegt. Ich möchte nun gern für Euch etwas tun. Aber der Schnelle Büffel will Euch gutwillig nicht freilassen.“

Er hatte englisch und so leise gesprochen, daß die Apachenwächter ihn nicht verstehen konnten. Nur Chokariga war kein Wort dieser heuchlerischen Sätze entgangen. Er wusste bereits ganz genau, was Glaynbourg mit diesen Redensarten beabsichtigte, denn er hatte ja vorhin den Schnellen Büffel und den Plantagenbesitzer im Lager drüben am Hügel eine Weile belauscht, bevor er entdeckt wurde. Aber er hütete sich, dies irgendwie zu verraten.

Glaynbourg fuhr dann auch nach kurzer Pause fort: „In den Ansiedlungen erzählt man sich, daß Ihr, Master Felsenherz, dabei gewesen seid, als vier Säcke mit Goldkieseln nördlich der Guadalupe-Berge im sogenannten Apachensee an einer sehr tiefen Stelle versanken. Wie wäre es, wenn wir Weißen Euch und Chokariga unheimlich befreien und dann mit Euch gemeinsam versuchen würden, jene Schätze aus dem See zu heben?“

Der Trapper überlegte blitzschnell. War es nicht in dieser Lage am klügsten, auf dieses weißen Schurken Vorschlag scheinbar einzugehen? Denn — daß Glaynbourg ein Schurke war und es niemals ehrlich meinte, davon war Felsenherz überzeugt! Ohne Zweifel hätte der Plantagenbesitzer, wenn es wirklich gelang, das Gold zu bergen, ihn und den Schwarzen Panther heimtückisch beseitigt.

So erwiderte er denn, Glaynbourg solle nur versuchen, sie zu befreien, das Gold würde man dann schon irgendwie bergen.

„Aber wie?“, fragte Glaynbourg rasch. „Der See soll an jener Stelle zwölf Meter tief sein …“

„Das wird sich schon finden“, meinte der Trapper ablenkend. „Freilich ist die Stelle zum Tauchen zu tief. Man muss etwas anderes ersinnen.“

„Und — wird Euch etwas einfallen?“, forschte Glaynbourg ebenso gierig.

„Ich hoffe, Master. Sorgt nur, daß wir die Roten loswerden!“ Glaynbourg erhob sich. „Das, denke ich, wird glücken“, sagte er noch und schlenderte davon.

Felsenherz sann nun angestrengt darüber nach, wie der Plantagenbesitzer wohl von jenen erst drei Wochen etwa zurückliegenden Ereignissen (vergleiche Band 10 Das Geheimnis des Gambusino), im Verlauf derer tatsächlich vier Goldsäcke im Apachensee versunken waren, Kenntnis erhalten haben könne.

Schließlich kam ihm die Erleuchtung und damit hatte er zugleich die Erklärung für das Bündnis zwischen den Apachen und den weißen Menschenjägern gefunden: Der Schnelle Büffel hatte genau dieselben Absichten gehabt, nämlich jene Schätze zu heben, und hatte von der höheren Intelligenz der Bleichgesichter Hilfe bei diesem Unternehmen erhofft, denn er allein nicht gewachsen war.

Kurz: Glaynbourg und die seinen sollten den Apachen beim Bergen der Goldsäcke behilflich sein, und jetzt war der Plantagenbesitzer mit Wissen des Oberhäuptlings zu Felsenherz gekommen und hatte ihm jene verräterischen Vorschläge nur zum Schein gemacht! Felsenherz’ Erfindungsgabe sollte also nur schlau ausgenutzt werden. In Wahrheit dachte Glaynbourg gar nicht daran, die beiden Gefangenen wirklich zu befreien! Es sollte hier eben eine Komödie in der Weise gespielt werden, daß die Weißen sich scheinbar von den Apachen trennten und die Gefangenen mitnahmen!

Der weitere Verlauf der Dinge bestätigte diese Vermutungen des Trappers vollkommen.

Kurz vor Tagesanbruch nämlich wurden die zehn Apachen, die bisher die Gefangenen bewacht hatten, durch sechs Leute des Plantagenbesitzers abgelöst.

Felsenherz musste innerlich über die Dummheit des Schnellen Büffels und Glaynbourgs lächeln. Denn in jedem Fall wäre ihm ja, selbst wenn des Plantagenbesitzers Vorschläge ihn nicht stutzig gemacht hätten, diese Ablösung der Apachen durch die Sklavenaufseher aufgefallen.

Niemals hätte der Schnelle Büffel geduldet, daß zwei so wichtige Gefangene von den Bleichgesichtern bewacht würden. Niemals würden auch wie jetzt die gesamten Apachen sich auf der anderen Seite der Lichtung zum Schlaf niedergelegt haben, ohne auch nur eine einzige Wache von ihren Kriegern im Lager aufzustellen.

Als der Morgen graute, kam Glaynbourg herbeigeschlichen, zerschnitt die Fesseln der Gefangenen und ließ sie schnell durch den alten Ben und den kleinen John an den Bach führen, wo der Braune und der Rappe schon bereitstanden.

Auch die übrigen Weißen schienen mit dem lautlosen Davonschleichen aus dem Lager verblüffendes Glück zu haben. Kein Apache erwachte.

So setzte sich denn der Reitertrupp, dem Ben, John und zwei andere Leute als Späher vorausritten, nach Süden zu in Marsch.

Glaynbourg, Felsenherz und der Komanche hielten sich an der Spitze des Zuges.

Der heuchlerische und heimtückische Glaynbourg spielte jetzt noch wortreicher den ehrlichen, wohlmeinenden Freund der beiden Westmänner und nahm deren kurzen Dank für die Befreiung, den sie ihm ja abstatten mussten, um ihn nicht argwöhnisch zu machen, mit stolzem Lächeln entgegen.

Im Galopp und im Trab ritt man bis gegen Mittag weiter. Um diese Zeit hatte man einige steinige Höhenzüge erreicht, wo Ben den Haupttrupp erwartete und vorschlug, den Pferden die Hufe mit Decken zu umwickeln.

Dies geschah denn auch.

Felsenherz und der Komanche würdigten den alten Trunkenbold keines Blickes. Ben fühlte sich in ihrer Nähe auch nicht recht behaglich und blieb als Späher stets weit voraus.

Erst nach Dunkelwerden lagerte man unweit der Nordgrenze der texanischen Hochlandwüste, der Llano Estacado, in einer Schlucht, die Ben für diesen Zweck ausgesucht hatte.

Felsenherz und Chokariga nahmen mit Glaynbourg und dessen Freunden, ebenfalls Plantagenbesitzer wie er, an einem Feuer Platz.

Nachher streckten die beiden Westmänner sich dann dicht nebeneinander zum Schlaf aus, und jetzt endlich fanden sie Gelegenheit, einige Mitteilungen auszutauschen, indem sie ganz leise miteinander flüsterten.

Der Komanche erzählte seinem weißen Bruder, daß er den Schnellen Büffel und Glaynbourg belauscht und so von deren sauberem Plan, das Gold aus dem Apachensee mithilfe der beiden Savannenläufer herauszuholen und sie nachher wieder zu überwältigen, Kenntnis erhalten hatte.

Felsenherz wieder berichtete von seinem Zusammentreffen mit dem schwarzen Häuptling der entflohenen Sklaven und von dessen hervorragenden Eigenschaften als Präriemann und halb indianischer Abstammung.

Nachher fügte er hinzu: „Ich bin überzeugt, daß dieser Tom die Menschenjäger nicht aus dem Auge lassen und irgendwo überfallen wird. Wir werden uns dabei ganz neutral verhalten und auf kürzestem Weg allein zum Apachensee reiten und die Goldsäcke woanders verbergen. Sie sollen dem Schnellen Büffel und jedem anderen für alle Zeit entzogen werden. Ich weiß, daß mein roter Bruder genau so denkt wie ich.“

Der Komanche entgegnete nur: „Mein Bruder Harry und ich haben stets dieselben Gedanken.“

Die Nacht verging ohne Zwischenfall.

Gleich nach Sonnenaufgang wurde der Ritt fortgesetzt. Man erreichte sehr bald die Llano, in der bekanntlich endlose Reihen von Stangen den Weg zu den nächsten Wasserstellen anzeigen.

Mittags machte Felsenherz den Komachen auf einige Aasgeier aufmerksam, die westlich der Marschrichtung des Trupps aufstiegen.

Nach einer Stunde erhoben sich weit im Westen abermals mehrere Aasgeier in die Lüfte, kreisten eine Weile und ließen sich wieder herab.

Glaynbourg hatte die Vögel genauso wenig beachtet, wie Ben dies tat, der jetzt hinter dem Zug herritt.

„Es sind Reiter dort rechts neben uns“, flüsterte Felsenherz, als zum dritten Mal mehrere Geier dort drüben sichtbar wurden. „Die Reiter bleiben stets mit uns auf einer Höhe. Es ist Tom Brack mit den seinen.“

Chokariga nickte nur.

Und wieder kam der Abend.

Die Llano Estacado ist keineswegs ein endloses, flaches Sandmeer. Nein, es gibt darin eine Menge kahler Höhenzüge, tiefe Kanons, wild zerklüftete Felspartien und unendliche Felder von fast mannshohen Kaktusstauden, die so dicht stehen, daß niemand sie passieren kann.

Glaynbourg fragte nun die beiden Westmänner, wo man lagern solle. Felsenherz erklärte, dies solle Ben bestimmen, den Glaynbourg ja als ortskundigen Führer angeworben hätte.

Der alte Ben war nun schon weniger scheu und zeigte sich sogar von einer recht anmaßenden Seite, nachdem er die erste Angst, der Komanche könnte ihn des Fußtritts wegen zur Rechenschaft ziehen, überwunden hatte.

Er befahl denn auch ganz wie einer, der hier allein zu bestimmen hätte, daß man in einem Kanon, einer tiefen, langen Schlucht mit steilen Wänden, die Nacht über bleiben solle.

Als man an der Südwand des Kanons, die sich hier zu einer Art Grotte nach innen wölbte, lagerte, als Ben oben am Rande der Kanonwände je zwei Wachen aufgestellt hatte, als vier große Feuer brannten und die Sklavenaufseher sich an Tee mit Rum gütlich taten, begann Glaynbourg den blonden Trapper wieder auszuhorchen, wie dieser die Goldsäcke zu heben gedenke.

Man werkte, daß diesen doch fraglos reichen Mann, der seine Sklaven auf seiner Plantage bis aufs Blut peinigte und durch ihre Arbeit es zur Wohlhabenheit gebracht hatte, jetzt nur ein einziger Gedanke beherrschte: das Gold!

Felsenherz antwortete ihm abermals ausweichend, gähnte und breitete seine Decke zum Schlaf aus.

Er und der Häuptling lagen etwas abseits hinter einigen Steinen.

Als gegen elf Uhr die Wachen auf den Kanonrändern abgelöst wurden und als nun vier halb betrunkene Aufseher ihre Posten oben entnahmen, flüsterte Chokariga Felsenherz zu: „In dieser Nacht wird der Angriff erfolgen. Des Schwarzen Panthers Augen bemerkten vorhin drüben im Kanon hinter den Steinblöcken die Gestalt eines Mannes. Ben, das elende Bleichgesicht, hat es nicht einmal für nötig gehalten, hier unten ebenfalls Wachen aufzustellen.“

Um Mitternacht brannten die Feuer nur noch ganz schwach.

Felsenherz und der Komanche schliefen nicht. Alle anderen lagen da und schnarchten. Nur oben am Rand der Kanonwände, die an dieser Stelle etwa fünfzehn Meter hoch waren, schlenderten die aufgestellten Wachen faul und schlaftrunken auf und ab.

Der Mond schien schräg in die Schlucht hinein und ließ die Nordseite im Dunkel.

Dann stieß Felsenherz den Schwarzen Panther sacht an.

Von oben her waren zwei dumpfe Schreie erklungen.

„Die Wachen sind erledigt“, meinte der Trapper kurz. Wieder verstrichen fünf Minuten.

„Verlassen wir den Lagerplatz!“, schlug der Häuptling vor. „Der schwarze Tom wird uns ungehindert passieren lassen …“

Doch es war schon zu spät.

Schlangengleich huschten die Neger heran.

Die beiden Westmänner duckten sich hinter den Steinen zusammen.

Felsenherz wollte nicht, daß die Leute Glaynbourgs im Schlaf von den Schwarzen, die ihren Peinigern gegenüber kein Erbarmen kennen würden, abgeschlachtet werden konnten, nahm ein Sternchen und warf es dem kleinen John ins Gesicht. Fluchend fuhr dieser empor.

Auch ein paar andere wurden munter.

Da — zwölf — fünfzehn Schüsse.

Wilde Aufschreie.

Abermals Schüsse.

Dann stürzten sich die Schwarzen auf die zehn Überlebenden, schlugen sie nieder.

Tom Brack, in der Rechten eine Pistole, hatte sich auf Glaynbourg geworfen, versetzte ihm einen Kolbenhieb.

In wenigen Minuten konnten die Menschenjäger, die den Kugeln entgangen waren, gefesselt werden.

Der schwarze Häuptling ließ frisches Strauchwerk in die Glut der Feuer werfen.

Als die Flammen hochleckten, traten Felsenherz und der Komanche aus ihrem Versteck hervor.

Der Trapper rief dem herkulischen Mulatten zu: „Tom — jetzt ist es genug mit dem Morden! Wir mischen uns nicht in Eure Angelegenheiten ein. Aber wir werden auch nicht dulden, daß Ihr Eure zehn Gefangenen etwa niederschießt!“

Die beiden waren im Nu von den Negern umringt, die den Westmännern gegenüber eine drohende Haltung annahmen.

Auch Tom Brack sagte nun finster: „Ihr habt Euch mit unseren Peinigern zusammengetan. Ihr seid nicht besser als sie! Gebt freiwillig Eure Waffen ab. Ihr seht, daß Widerstand nutzlos ist.“

In der ganzen Art des schwarzen Häuptlings offenbarte sich eine stolze, überlegene Ruhe.

Wie er so dastand, die Büchse im Arm, die Hand am langen Bowiemesser, sah man ihm an, daß in seinen Adern das Blut des berühmten Delawarenstammes floss.

Felsenherz erwiderte gelassen: „Tom. Du irrst dich. Glaynbourg und seine Leute sind unsere Feinde, wenn sie uns auch zum Schein aus den Händen der Apachen befreit haben.“

Da ertönte Glaynbourgs höhnische Stimme: „Tom — er lügt aus Angst! Er und der Komanche hatten uns versprochen, Euch zu fangen, Euch einen Hinterhalt zu legen!“

Felsenherz wandte sich dem Plantagenbesitzer zu. „Elender Lügner!“, rief er. „Ich werde Tom beweisen, daß Ihr uns schändlich ausnutzen und nachher wieder den Apachen ausliefern wolltet! Sage selbst, Tom, wem du mehr glaubst: mir oder dem Mann, der euch Neger wie das elendste Vieh behandelt hat!“

Der lebhafte Blick des Mulatten ruhte jetzt mit verächtlichem Ausdruck auf dem Sklavenhalter.

„Meinst du, weißer Schurke, daß Tom sich von dir betrügen lässt!“, erklärte er mit unheimlicher Ruhe. „Wenn ein Mann wie Felsenherz, der überall als Beschützer der Hilflosen und Bedrängten bekannt ist, mir versichert, daß er nicht dein Verbündeter sei, dann gilt mir das mehr als tausend Schwüre aus deinem heuchlerischen Mund! Ein Mann wie der berühmte Trapper würde nie etwa aus Angst vor uns etwas behaupten, was nicht der Wahrheit entspricht!“

Dann wandte er sich an Felsenherz und den Komanchen.

„Ihr seid frei!“, sagte er kurz. „Ich werde diesen Glaynbourg, der jetzt bleich und zitternd wie ein schuldbewusstes Weib seine Strafe erwartet, nicht ermorden! Tom Brack ist kein Mörder! Meine Mutter war Hakiwara, die Tochter eines großen Häuptlings der Delawaren!“ Er öffnete das farbige Wollhemd auf seiner Brust und deutete auf eine helle Tätowierung von der Größe einer Kinderhand, die eine Schildkröte darstellte. „Hier ist der Beweis, daß ich ein Delaware bin, daß ich als Stammesangehöriger betrachtet wurde, bis dann eines Tages weiße Schurken mich als Knaben im Wald überfielen, wegschleppten und jenem Glaynbourg verkauften. Zwölf endlose Jahre habe ich auf dessen Plantage unter den Negern als Sklave gelebt, zwölf Jahre genügten, mich zum Todfeind aller Sklavenhalter zu machen. Eines meiner Augen lief unter den Peitschenhieben jenes Schurken aus. Männer, Frauen sah ich zu Tode gemartert werden. Kinder wurden den Alligatoren zum Fraß vorgeworfen. Und nirgends gab es einen Menschen, der für uns eingetreten wäre, nirgends durften wir uns beschweren! War es ein Wunder, daß ich schließlich in aller Heimlichkeit unsere Flucht vorbereitete, daß wir mit Gewalt uns die Freiheit verschafften? Sprich, Chokariga, Häuptling der Komanchen, was würdest du mit einem Menschen wie diesem Glaynbourg tun? Sprich, denn du bist ein Indianer, ein Sohn der roten Rasse, die langsam dahinsiecht!“

Der Schwarze Panther erwiderte laut und fest: „Ich würde mit diesem Schurken kämpfen! Mag er sein Leben verteidigen! Mag er sein Messer nehmen, nimm du das deine — und du wirst deine Rache haben!“

Tom Brack nickte. „Es sei! Bindet ihn los! Gebt ihm sein Jagdmesser!“

Glaynbourg kreischte plötzlich vor Angst auf. „Nein — nein. Er würde mich töten!“, brüllte er. „Ich bin wie ein Knabe seinen Riesenkräften gegenüber. Master Felsenherz, Ihr seid ein Weißer wie ich! Ihr dürft das nicht dulden!“

Der blonde Trapper schaute den Elenden voller Verachtung an und blieb stumm.

Tom Brack winkte seinen Leuten. „Gebt ihm sein Messer! Los — verteidige dich, Schurke!“

Da sank dieser jämmerliche Mensch vor dem Mulatten in die Knie und winselte um Gnade.

Tom spie vor ihm aus, gab ihm einen Fußtritt und rief: „Tom ist ein Delaware! Sein Messer soll nicht durch das Blut dieses Feiglings beschmutzt werden! Schneidet ihm beide Ohren ab — und jagt ihn in die Llano hinaus!“

Im Nu lagen schon drei, vier der herkulischen Schwarzen auf dem nutzlos sich Wehrenden. Im Nu hatten sie ihm mit zwei Schnitten die Ohrmuscheln abgetrennt, rissen ihn hoch, trieben ihn mit Kolbenstößen in den Kanon hinein. Zwei der Neger ritten hinter ihm her, bis er das Ende des Kanons erreicht hatte und halb toll vor Angst den Sanddünen verschwunden war.

 

 

Viertes Kapitel

Die Wagenburg.

Inzwischen hatte Tom den anderen Gefangenen, unter denen sich auch John und der alte Ben befanden, erklärt, daß er ihre Waffen bis auf eine Büchse zur Strafe mitnehmen und sie mit ihren Pferden hier ihrem Schicksal überlassen würde.

Auch Felsenherz und Chokariga hatten ihre Pferde mittlerweile gesattelt und verabschiedeten sich vom schwarzen Häuptling, den der Trapper noch vor den Apachen warnte, die doch fraglos sehr bald gleichfalls hier eintreffen würden.

Tom erwiderte, daß auch er mit den seinen sofort nach Westen aufbrechen wolle. Man trennte sich so in aller Freundschaft. Dann ritten die beiden Westmänner in südwestlicher Richtung in die Nacht hinaus.

Nachdem sie ein paar Meilen in scharfem Trab zurückgelegt hatten, tauchte vor ihnen abermals ein kahler Höhenzug auf. Hier schnallten sie ihren Pferden die Hufschuhe unter, deren weiches Leder auf steinigem Boden keinerlei Fährte zurückließ.

So ritten sie nun am Rande der Berge abermals zwei Stunden entlang und bogen dann erst wieder nach Westen ab, entfernten die plumpen Hufschuhe und lagerten kurz vor Tagesanbruch in einem kleinen Kanon, wo sie in einer Vertiefung etwas Wasser vorfanden.

Während Chokariga sich hier sofort zum Schlaf ausstreckte, erkletterte Felsenherz den Kamm einer hohen Düne und legte sich in den weichen Sand, um den Horizont dauernd zu beobachten.

Die Gegend war bis auf einzelne Dünenzüge recht flach, aber mit weiten Kakteenfeldern bewachsen, die sich gegen die gelbweiße Wüste mit ihren grünbräunlichen Stauden scharf abhoben.

Felsenherz vermutete, daß der Schnelle Büffel sich schon jetzt mit den im nördlichen Kanon zurückgebliebenen Weißen vereinigt hätte und daß die Apachen sich fraglos teilen würden. Der eine Trupp konnte dann Tom Brack nachsetzen, der andere aber ihm und Chokariga.

Der schwarze Häuptling hatte sich durch sein ganzes Auftreten rasch des Trappers freundschaftliche Zuneigung erworben. Dieser Mulatte war kein Neger gewöhnlicher Art. Felsenherz hätte es ehrlich bedauert, wenn Tom etwa von den Apachen abgefangen und grausam hingemordet worden wäre. Er bedauerte es jetzt schon, Tom nicht noch eindringlicher gewarnt zu haben.

Inzwischen war es hell geworden. Sehr bald erschien denn auch die Sonne und enthüllte noch mehr Einzelheiten des eintönigen Wüstenbildes.

Felsenherz spähte hauptsächlich nach Norden aus. Von dort mussten die Apachen auftauchen, falls es ihnen gelang, auf der Fährte der beiden Westmänner zu bleiben.

Als der Trapper sich nun wieder einmal halb umdrehte und auch den südlichen Teil des Horizonts prüfend überblickte, sah er in weiter Ferne vier Striche, die sich langsam vorwärts bewegten, und um sie herum sechs ebenfalls bewegliche Punkte. Das konnten nur vier Auswandererwagen und sechs Reiter sein.

„Aber Auswandererwagen hier in der Llano?“ Dies erschien Felsenherz so unmöglich, daß er eilends in den Kanon hinabstieg und Chokariga weckte.

Der Häuptling war sofort bereit, wieder aufzubrechen und den Wagen entgegenzureiten, die in nordwestlicher Richtung dahinfuhren.

„Mein Bruder Harry hat die Augen des Adlers!“, sagte er später, als er von der nächsten Sanddüne aus ebenfalls nach den Wagen Ausschau hielt. „Nur ein Westmann kann auf solche Entfernung unterscheiden, daß er Wagen und Reiter vor sich hat.“

Felsenherz erwiderte nichts. Der Wagenzug nahm abermals all sein Interesse in Anspruch.

„Wir wollen aufbrechen“, mahnte der Komanchenhäuptling, indem er von dem Sandhügel tief gebückt herab und zu den Pferden ging.

Der blonde Trapper folgte ihm erst nach einigen Minuten und erklärte, als er seinen Braunen bestieg, mit seltsam grüblerischem Gesichtsausdruck: „Die sechs Reiter, die die Wagen begleiten, müssen vollständig erschöpfte Tiere haben. Ich möchte aus den Bewegungen dieser Tiere fast schließen, daß es Pferde ohne Reiter sind, ledige Pferde, deren Herren vielleicht etwas zugestoßen ist.“

Dann lenkten die beiden berühmtesten Fährtensucher des Wilden Westens in ein Dünental ein, das nach Nordwest verlief. Ihre prächtigen Tiere begannen von selbst zu galoppieren. Nach einer Weile fragte Felsenherz den Häuptling ganz unvermittelt: „Ob es hier in der Llano in den letzten Tagen ein Gewitter gegeben haben mag?“

Chokariga verneinte. „Mein Bruder weiß, daß ich zehn Krieger hier in die Wüste gesandt hatte, damit sie nach den Apachen Ausschau halten sollten. Der eine der Krieger erwähnte vorgestern, daß er selten eine solche Hitze weiter südlich in der Llano erlebt hätte wie während seines letzten Kundschafterrittes. Ich glaube zu wissen“, fügte der Häuptling hinzu, „weshalb mein Bruder Harry nach der Witterung fragt. Er nimmt an, die Leute jenes Wagenzuges seien dem Verdursten nahe.“

Felsenherz nickte. Seine Gedanken hatten eine andere Richtung genommen und zwar einer Fährte wegen, die er soeben weit voraus im glatten Sand dieser Talmulde, welche sie gerade durchtrabten, wie einen langen breiten Strich bemerkt hatte.

„Da — eine Spur!“, sagte er zu dem Häuptling, der jedoch schon von selbst die auffallende Fährte erblickt und sich höher im Sattel aufgerichtet hatte.

Gleich darauf sprang Felsenherz von seinem Braunen und untersuchte die hier im losen Sand recht verschwommenen Hufeindrücke, erklärte dann: „Es ist Tom Brack mit seinen Leuten gewesen. Es sind genau zwanzig Pferde …“

Chokariga erwiderte nur: „Wir werden sie sehr bald eingeholt haben. Die Fährte ist keine Viertelstunde alt. Tom hat wie wir nur die Täler benutzt, damit er nicht gesehen würde.“

Der Trapper schwang sich wortlos in den Sattel. Im Galopp ging es wieder weiter.

Auch der Reitertrupp des schwarzen Häuptlings hatte etwa die Richtung auf die vier Wagen eingehalten. Es schien also fast, als ob Tom Brack den Wagenzug gleichfalls bemerkt hatte und gesonnen war, mit jenen Leuten dort zusammenzutreffen.

Als Felsenherz diese Vermutung Chokariga gegenüber äußerte, sagte der Komanche sehr bestimmt: „Mein Bruder Harry wird sehr bald das Kriegsgeschrei der Apachen vernehmen. Der Mulatte dürfte nur deshalb nach Südost — denn diese Hauptrichtung hält er ein — abgeschwenkt sein, weil die Apachen dicht hinter ihm her waren und er keinen anderen Ausweg sah, ihnen zu entkommen.“

„Chokariga liest mir die Gedanken von der Stirn ab“, meinte Felsenherz zustimmend. „Tom Brack befindet sich mit den seinen auf der Flucht, wird wie wir den Wagenzug bemerkt haben und will nun die Auswanderer warnen, da diesen von den Apachen Gefahr droht. Der schwarze Häuptling hat bereits bewiesen, daß er alles andere, nur kein vertierter Neger ist. In seinen Adern fließt das Blut einer berühmten Indianernation, die ihrer Hochherzigkeit, Wahrheitsliebe und ihres Edelmutes wegen von den großen Seen im Osten bis ans Felsengebirge bekannt ist.“

Der Komanche entgegnete mit leuchtendem Blick: „Die Bleichgesichter nennen die Rothäute Mörder und Banditen. Es wird der Tag kommen, an dem die ganzen Indianer Nordamerikas sich zusammentun und ihren Unterdrückern, die ihnen alles stehlen — Heimat, Büffel und Freiheit — die Stirn bieten! Dann werden sich auch die unzähligen Negersklaven gegen ihre weißen Herren empören! Dann wird der Wilde Westen nur noch das Jagdgebiet des roten Mannes sein!“ Felsenherz schaute geradeaus und erwiderte nichts. Er wusste nur zu gut, daß diese Hoffnung des Komanchen sich nie erfüllen würde. Wie sollte das Volk der Rothäute, dessen Männer sich untereinander mit so wildem Haß befehdeten, je geeint werden! Chokariga träumte hier von einer gemeinsamen Erhebung aller Indianer, die nie, niemals erfolgen würde!

Jetzt lenkte die Fährte Tom Bracks und der seinen aus einer Schlucht auf die offene Savanne hinaus. Als die beiden Freunde nun einen freien Ausblick über die kahle Wüste, die hier nach Süden zu fast völlig eben war, gewannen, sahen sie den Wagenzug etwa zweitausend Meter vor sich, sahen auch die Gestalten von zwanzig Reitern bei den mit Planen ausgerüsteten Wagen und fanden so ihre Annahme, daß der schwarze Häuptling die Auswanderer hatte schützen wollen, bestätigt.

Wieder ließen sie ihre edlen Tiere im Galopp dahinfliegen, näherten sich rasch dem Wagenzug, der haltgemacht hatte, und bemerkten schon von Weitem, daß die Neger eifrig damit beschäftigt waren, Leute aus dem Inneren der plumpen Auswanderergefährte herauszuholen und ihnen aus ihren mitgeführten Wasserschläuchen zu trinken zu geben.

Auch Tom Brack hatte die beiden Westmänner längst erblickt. Er allein saß noch zu Pferde, kam ihnen nun entgegengesprengt und rief Felsenherz zu: „Oh, Massa, es sind Landsleute von Euch! Es sind Deutsche! Im Ganzen siebzehn Personen, darunter neun Männer, fünf Frauen und drei Kinder, und alle waren dem Tode nahe. Sie haben sich in der Llano verirrt. Sie wollten nach Arizona hinüber. Aber ihr Führer, ein Mestize, ließ sie im Stich. Die Wegstangen waren falsch gesteckt. Die Ärmsten fanden kein Wasser. Wir haben sie und ihre Zugochsen und die sechs ledigen Pferde, die nebenher stolperten, bereits getränkt. Aber ein noch schlimmeres Unheil droht den Leuten durch die Apachen, die uns schon stundenlang verfolgt hatten, bis es mir gelang, sie auf eine falsche Fährte zu bringen. Trotzdem werden sie sehr bald wieder auftauchen. Ich wollte gerade einmal auf unserer Spur zurückreiten und nach den Apachen Ausschau halten.“

Felsenherz reichte Tom die Hand.

„Du bist ein braver Bursche, Tom!“, sagte er herzlich. „Vorwärts — wir werden die Ärmsten dort drüben schon in Sicherheit bringen!“

Die drei galoppierten auf die Wagen zu.

Die Neger hatten die sämtlichen Auswanderer, die nicht mehr imstande gewesen waren, ohne Hilfe die Wagen zu verlassen, im Schatten einer rasch ausgespannten Leinwand auf Decken gebettet. Als Felsenherz nun an das Lager des Ältesten der Leute, eines ehrwürdigen Greises, herantrat und ihn in deutscher Sprache anredete, überflog ein heller Freudenschimmer das Gesicht des Alten, und ringsum wurden ebenso freudige, erstaunte Ausrufe laut die der Greis dann durch frohe Worte ergänzte.

„Landsmann, nun dürfen wir wieder hoffen, mit dem Leben davonzukommen! In den Ansiedlungen im Osten, woher wir nach einem Marsch von drei Wochen hier bis in die Llano gelangt waren, hörten wir von Euch so viel Gutes, daß all unsere Qualen der letzten Tage jetzt beendet sein dürften. Mein Name ist Albert Döring, von Beruf war ich drüben in Deutschland Weber. Die anderen hier um mich sind meine Kinder, Schwiegersöhne und Enkel“

Er würde vielleicht noch mehr hinzugefügt haben, wenn der Schwarze Panther nicht von einem der Wagendächer aus, das er erklettert hatte, gerufen hätte: „Die Hunde der Apachen steigen drüben aus der Schlucht empor! Schnell — die Wagen müssen zusammengeschoben werden! Reißt Kakteenstauden aus und schichtet sie um die Wagenburg zum Verhau auf!“

Zum Glück hatte Tom Brack in den Satteltaschen der weißen Menschenjäger mehrere Flaschen Rum gefunden und mitgenommen. Der Alkohol belebte in Kurzem die Lebensgeister der neun männlichen Mitglieder des Auswandererzuges so günstig, daß die Leute wenigstens fähig waren, bei der Herrichtung der Wagenburg etwas zu helfen.

Inzwischen waren vorläufig nur acht Apachenspäher sichtbar geworden, von denen zwei dann wieder verschwanden.

Felsenherz, Chokariga und Tom berieten nun leise, was noch weiter zur Sicherung gegen einen Angriff geschehen könne.

Der Komanche schaute dabei sehr ernst drein und erklärte: „Mein Bruder Harry vergißt den schlimmsten Feind, den Durst! Wir haben nur noch sechs Schläuche Wasser. Morgen früh werden auch sie leer sein, aber die Apachen werden morgen noch die Wagenburg umschwärmen, werden es übermorgen tun, Tag für Tag, bis der Durst uns alle zu kranken Weibern gemacht hat!“

Der blonde Trapper blickte nachdenklich vor sich hin. Dann fragte er den Komanchen: „Mein Bruder hat doch soeben vom Wagendach Ausschau gehalten. Sah er irgendwo ein zusammenhängendes Kakteenfeld?“

„Dort nach Osten zu bemerkte Chokariga die gelbgrüne Fläche eines solchen Feldes. Es zieht sich offenbar meilenweit hin“, erwiderte der Häuptling hastig. „Ich weiß, woran mein Bruder denkt. Felsenherz will das Kakteenfeld anzünden, damit die Erwärmung der Luftschichten ein Gewitter hervorruft, das uns Regen und Trinkwasser bringt. Die Gedanken meines Bruders sind gut. Er mag versuchen, ein solches Feuer anzufachen. Chokariga wird hier die Wagenburg verteidigen. Meines Bruders Pferd ist frischer als mein Rappe, der sich einen Dorn in die Fessel getrieben hat und bald lahmen wird.“

Tom erklärte sofort, er wolle Felsenherz auf diesem gefahrvollen Ritt begleiten.

Die beiden brachen denn auch unverzüglich auf. Sie mussten bestimmt damit rechnen, daß die Apachen versuchen würden, ihr Vorhaben zu vereiteln.

Deshalb mussten ihre Tiere auch das Letzte an Kraft hergeben. In tollem Jagen sprengten sie dem etwa eine Meile entfernten Kakteenfeld zu.

Kaum waren sie jedoch in der Savanne sichtbar geworden, als aus jener Schlucht im Nordwesten die Apachen in ganzen Schwärmen herausquollen, sich schnell teilten und so gleichzeitig den beiden Rettern folgten und auch die Wagenburg umzingelten.

Der Trupp, der Felsenherz und Tom nachjagte, war einige Hundert Reiter stark. Da die beiden in einer der Schlucht entgegengesetzten Richtung dahinstürmten, hoffte der blonde Trapper infolge des großen Vorsprungs, den er und Tom vor den Apachen hatte, das Kakteenfeld noch rechtzeitig zu erreichen.

Der Wind kam von Norden. Wenn man das Kakteenfeld am Nordrand in Brand steckte, musste das durch trockene Stauden genährte Feuer die an sich schon so wasserarmen Pflanzen in Kurzem ausdörren und das Umsichgreifen des Brandes ermöglicht werden.

Felsenherz und Tom schonten ihre Pferde nicht. Alles hing davon ab, daß die Apachen das Feuer nicht mehr löschen konnten.

Die Apachenmustangs, die in den letzten Tagen wenig Ruhe gehabt hatten, waren nicht imstande, den Vorsprung der beiden Reiter zu verringern.

Als diese nun am Rand des Kakteenfeldes entlanggaloppierten, rief Tom frohlockend:

„Wir werden unsere Absicht ausführen können, Massa! Die rote Bande ist gut noch eine Viertelmeile zurück!“

„Und der Rückweg zur Wagenburg?“, meinte Felsenherz bedenklich. „Die Apachen werden sie so eng einkreisen, daß wir …“

Er schwieg und schaute zurück, da der Knall zahlreicher Schüsse an sein Ohr gedrungen war.

„Oh, Massa“, brüllte Tom, „sie greifen an!“

„Ja — sie wollen die Verteidiger in die Wagenburg hineintreiben! Tom, ich fürchte, wir werden hier in der Llano noch böse Stunden erleben! Sieh dorthin — aus der Schlucht erscheint eine neue Schlangenlinie von Reitern! Das ist eine andere Apachenabteilung, die nun die Krieger des Schnellen Büffels um etwa hundertfünfzig vermehrt! Wir haben es jetzt mit fast vierhundert Rothäuten zu tun! Die Lage ist sehr ernst, und ich weiß noch nicht, wie wir uns durch diese Übermacht durchschlagen sollen! So — hier wollen wir halten. Und jetzt trockene Kakteenstauden gesammelt!“

Nach fünf Minuten bereits flammten die Haufen der dürren Wüstenpflanzen auf. Ein paar Windstöße halfen, die Glut noch höher flackern zu lassen. Knisternd und prasselnd griffen die Flammenzungen hierhin und dorthin.

„Geglückt!“, brüllte Tom.

Auch Felsenherz war mit dem Erfolg zufrieden. Dieses Feuer zu ersticken, wäre selbst Hunderten von Rothäuten nicht mehr gelungen.

„Weiter!“, befahl der Trapper nun, denn die Apachen waren nur noch etwa fünfhundert Meter entfernt.

Im Nu saßen die beiden im Sattel und jagten am Nordrand des unendlichen Kakteengestrüpps nach Osten zu.

 

 

Fünftes Kapitel

Der Durchbruch.

Drei Stunden später kam die Nacht herbei.

Im Osten bildete die Savanne noch immer sein ungeheures Flammenmeer, noch immer brannte das Kakteenfeld.

Der Himmel erstrahlte über dem lohenden Teil der Llano in leuchtendem Rot. So viel Licht gaben diese brennenden, nach vielen Tausenden zählenden Wüstenpflanzen ab, daß sogar die kleine Wagenburg des alten Webermeisters Döring und seiner Verbündeten hell davon beschienen wurde.

Es war jetzt zehn Uhr abends. Chokariga und der älteste Sohn des Greises, eine kraftstrotzende, dunkelbärtige Gestalt, standen nebeneinander hinter dem Kakteenverhau, der die Lücke zwischen zwei Wagen ausfüllte. Einen vollen Ringverhau um die Wagen herzustellen, war nicht mehr möglich gewesen, weil die Apachen plötzlich von allen Seiten zu Pferde angegriffen hatten. Doch sie waren blutig zurückgeschlagen worden. Die deutschen Auswanderer und die Schwarzen, ebenso der Komanchenhäuptling hatten die Anstürmenden mit einer solchen Kugelsaat empfangen, daß etwa zwanzig Apachen tot oder schwer verwundet liegen blieben. Die Übrigen waren auf ein Signal des Oberhäuptlings, des Schnellen Büffels, umgekehrt und bildeten nun in einer Entfernung von vielleicht zweihundert Meilen einen dichten Kreis um die Wagenburg.

Otto Döring, des Greises Ältester, sagte soeben zu dem Häuptling: „Ihr glaubt also, Schwarzer Panther, daß die Apachen während der Nacht den Angriff wiederholen werden?“

Chokariga deutete nach Osten. „Das Blaßgesicht wird sehen, wie dort links von dem brennenden Feld die Sterne immer mehr verschwinden. Es zieht sich dort Gewölk zusammen. Noch vor Mitternacht hallt Manitus Donner über die Llano. Und mit den Blitzen wird auch eine Menge Wasser aus den Wolken herabkommen. Dann wird tiefste Finsternis die Erde bedecken, und die Hunde der Apachen kommen herangeschlichen wie die Wölfe, die im Schneesturm raubgierig einen einzelnen Büffel überfallen. Die Büchsenkugel nützt nichts in der Finsternis.“

Der Deutsche seufzte schwer. „Ihr haltet uns also für verloren?“, fragte er beklommen.

Chokariga schwieg erst. Dann erwiderte er: „Ich wünschte, mein Bruder Felsenherz wäre bei uns! Meines Bruders Kopf ist mehr wert als hundert Büchsen. Felsenherz hat noch stets eine List ersonnen, die es uns leicht machte, den Apachen zu entgehen.“

Zu derselben Zeit saß der Oberhäuptling der Apachen vor dem Eingang seines Lederzeltes, das seine Krieger ihm in einer Talmulde nach Norden zu errichtet hatten.

Ein kleines Feuer beleuchtete das wilde, dick mit den Kriegsfarben bemalte Gesicht des Schnellen Büffels und ebenso das bleiche Antlitz eines Weißen, der an der anderen Seite des Feuers gefesselt saß und um den Kopf einen Verband trug.

Dieser Mann war kein anderer als der reiche Plantagenbesitzer Howard Glaynbourg.

Er war gefesselt. Er war jetzt nicht mehr der Verbündete des Schnellen Büffels, der über die Flucht Felsenherz’ und Chokarigas so ergrimmt gewesen war, daß er Glaynbourg und die anderen Überlebenden der Menschenjäger sofort hatte binden lassen, als er mit ihnen in jenem Kanon, wo der schwarze Tom dem verhaßten Sklavenbesitzer das Leben geschenkt, aber die Ohren genommen hatte, wieder zusammentraf.

Des Oberhäuptlings finsterer Blick ruhte fest auf dem verstörten Gesicht Glaynbourgs.

„Noch eine Stunde, dann werden die zehn Bleichgesichter die Wagen angreifen“, sagte er jetzt. „Und die Apachen werden dicht hinter ihnen bleiben. So werden die Kugeln der Verteidiger dich und die deinen treffen und meine Krieger können sich leichter einen Weg in die Wagenfestung bahnen.“

Glaynbourg rannen Schweißperlen über die Stirn. „Der Schnelle Büffel soll hundert Flinten erhalten, wenn er mich schont!“, stieß er voller Angst hervor. Ich bin so reich, daß ich jeden Wunsch des Schnellen Büffels erfüllen kann. Ich werde die Flinten …“

Der Oberhäuptling spie ihm ins Gesicht. „Hund, schweig!“, rief er verächtlich. „Du verrätst deine Freunde, deine Leute! Deine Zunge kennt nichts als Lügen. Du wirst in dieser Nacht sterben!“

„Und das Gold im Apachensee?“, meinte Glaynbourg rasch. „Glaubt der Schnelle Büffel, es ohne unsere Hilfe bergen zu können? Will der Schnelle Büffel warten, bis Felsenherz es sich holt, der vorhin mit Tom Brack entfloh und das Kakteenfeld anzündete? Soll das Gold den Apachen genommen werden? Nur wir Weißen verstehen es, Schätze aus der Wassertiefe herauszuholen!“

Der Oberhäuptling stierte wortlos in die Flammen. Er schien zu überlegen. Dann fragte er: „Wie willst du mir die hundert Flinten beschaffen?“

„Schicke den alten Ben mit einem Brief zu meiner Plantage, den ich an meinen Oberaufseher schreiben werde“, erklärte Glaynbourg rasch. „Ich will so lange dein Gefangener sein, bis Ben mit den Flinten wieder zurück ist.“

„Und — wirst du allein das Mittel finden, wie man das Gold bergen kann?“

„Ja — ich finde es! Bringe mich nur an den See! Meine anderen Gefährten magst du meinetwegen als Kugelfang für deine Krieger benutzen!“

Der Schnelle Büffel rief einen der sechs Apachen herbei, die kaum zehn Schritt weiter die Gefangenen bewachten.

In dieser tiefen Talmulde befanden sich nur diese sechs Wächter, der Oberhäuptling und die gefesselten Weißen.

„Hole Ben herbei!“, befahl der Schnelle Büffel dem Krieger.

Gleich darauf saß auch Ben neben dem Feuer.

Der alte Trapper war heute völlig nüchtern. Und in nüchternem Zustand war er ein ganz anderer Mensch. Dann schwiegen all seine schlechten Instinkte. Dann besann er sich darauf, daß er einst als Trapper einen berühmten Namen gehabt hatte, dann kam die Reue, weil er sich durch Trunk die Achtung aller verscherzt hatte.

Als Glaynbourg ihm nun mitteilte, daß der Schnelle Büffel sie beide nicht durch die Kugeln der Verteidiger der Wagenburg hinmähen lassen wolle, da geschah etwas, das der verräterische Sklavenhalter nie erwartet hatte.

Ben rückte von ihm ab, spie ihm vor die Füße und rief empört: „Ah — Ihr seid ja ein schlimmerer Schurke, als ich es mir je denken konnte! Pfui Teufel — also Eure Freunde wollt Ihr preisgeben und das eigene Fell in Sicherheit bringen! Nein, Master, da mache ich nicht mit! Ich fürchte den Tod nicht! Ich habe seit vorgestern zum Glück keinen Tropfen Brandy mehr über die Lippen gebracht! Dann bin ich kein Schuft, Master, kein Schuft wie Ihr!“

Der Schnelle Büffel hatte diese Szene still beobachtet. „Ben wird noch in dieser Nacht sterben!“, sagte er jetzt kurz. „Das Blaßgesicht ohne Ohren mag einen anderen …“

In diesem Augenblick ereignete sich etwas so Unerwartetes, daß weder Glaynbourg noch der alte Trapper recht begriffen, was hier vorging.

Der Oberhäuptling war nämlich mit einem Mal hintenüber gesunken und dann wie durch Zauberei ebenso blitzschnell in seinem Zelt verschwunden.

„Verdammt — was bedeutet das?“, brummte Ben.

Doch — dann war ihm schon ein Licht aufgegangen, dann flüsterte er Glaynbourg zu: „Still — die Wächter dürfen nichts merken! Das war Felsenherz! Er ist von hinten an das Zelt herangekrochen, steckt jetzt im Zelt und hat den Oberhäuptling mit dem Lasso hineingeschleift, hat ihn halb erwürgt!“

Da — die leise Stimme des berühmten Jägers. „Ben, ruft zwei Apachen herbei! Tut so, als säße der Schnelle Büffel hier im Zelt und als wollte er die beiden sprechen!“

Ben verstand. Die beiden Wächter kamen sofort und traten auch tief gebückt in das dunkle Zelt ein, wo zwei Fausthiebe Felsenherz’ sie lautlos stumm machten.

Dann warf der blonde Trapper dem alten Ben sein Jagdmesser zu, und diesen wusste es auch trotz der auf den Rücken gefesselten Hände zu ergreifen und unauffällig die Riemen Glaynbourgs zu durchschneiden, worauf dieser ihm denselben Dienst erwies.

Bisher waren die übrigen vier Wächter in keiner Weise misstrauisch geworden. Jetzt aber schlenderte einer von ihnen, dem es auffällig erschien, daß der Schnelle Büffel und die beiden anderen Krieger noch immer im Zelt blieben, langsam herbei.

Ben und Glaynbourg taten, als wären sie noch gefesselt. Der Apache machte vor dem Feuer halt und rief leise in das Zelt hinein.

„Was gibt es? Weshalb …“

Da — eine Lassoschlinge war ihm schon über den Kopf geglitten.

Er wurde niedergerissen, ins Zelt gezerrt.

All das ging so blitzschnell, daß die drei anderen Wächter noch starr zu der leeren Stelle hinstierten, als sich hinter ihnen Tom Bracks muskulöse Gestalt aufrichtete und den Kolben seiner Büchse zweimal niedersausen ließ.

Der dritte Apache war herumgefahren, wollte jetzt fliehen, wollte einen Alarmruf ausstoßen.

Felsenherz hatte schon mit ein paar Riesensätzen sich vorwärtsgeschnellt, schlug mit der geballten Faust zu.

Auch der letzte Wächter knickte bewusstlos um.

Im Nu wurden jetzt die Fesseln der Gefangenen zerschnitten, im Nu erhielten die Befreiten kurze Anweisungen von Felsenherz, was weiter zu geschehen hätte.

Tom kroch voran die Böschung der Talmulde empor. Ihm folgten Ben und die anderen. Dann kam als Letzter Felsenherz, der den gefesselten und geknebelten Oberhäuptling hinter sich herschleppte.

Oben am Rand des Talkessels wuchsen reihenweise Kakteenstauden. Im Schutz dieses Gestrüpps bewegte sich die menschliche Schlange weiter dem nächsten, größeren Tal zu, wo die Mustangs der Apachen standen. Gegen dreihundert Pferde waren hier vereint. Acht Krieger hatten die Tiere bewacht. Aber diese acht Wächter waren vor kaum einer halben Stunde einer nach dem anderen von Felsenherz und Tom unschädlich gemacht worden, lagen nun wehrlos mit Knebeln im Mund und gebunden in einem nahen Kakteengestrüpp.

Chokariga und des Webermeisters Ältester standen noch hinter dem Verhau, als einer der Neger vom Dach eines Wagens herabrief: „Oh — Pferde — alles Pferde — und Tom voran! Da — sie kommen angaloppiert! Da — die Apachen schießen auf sie!“

Das Geknatter der Schüsse verstummte bald wieder, denn gegenüber dieser heranstürmenden Masse von Pferden war der Ring der Rothäute zu schwach.

Gleich darauf waren die Flüchtlinge sämtlich wohlbehalten vor der Wagenburg angekommen.

Felsenherz hatte den Schnellen Büffel vor sich auf dem Sattel liegen, befahl jetzt: „Rasch — bespannt die Wagen! Immer zwanzig Mustangs vor jeden!“

Glaynbourg und seine Leute waren mit die Eifrigsten, achteten nicht auf die spöttischen Bemerkungen der Neger, deren Verbündete sie nun geworden waren.

Die Apachen draußen hatten längst erkannt, was hier vorgefallen war, hatten zuerst vorstürmen wollen, mussten aber entsetzen, daß sie jetzt ohne ihre Pferde kaum etwas ausrichten konnten.

Dann war auch schon Felsenherz auf sie zugeschritten, hatte gerufen: „Krieger der Apachen, der Schnelle Büffel ist in meiner Gewalt! Sobald ihr uns angreift, wird euer Oberhäuptling seinen Skalp verlieren!“

Das Wutgeheul der Rothäute mischte sich in das ferne Grollen des nahenden Gewitters.

Die Feuersbrunst der Kakteenfelder wurde schwächer. Kaum fünf Minuten später, als die Dunkelheit bereits die Savanne mit dichten Schleiern umhüllte, als der Feuerschein immer mehr verglomm und die ersten Blitze über die schwarze Wolkenwand hinzuckten, setzten sich die vier Wagen zu zweien nebeneinander in Bewegung.

Ein Kreis von Reitern und Mustangs umgab sie.

Erst im Trab, dann im Galopp ging es nach Süden zu.

Die Apachen wichen zur Seite.

Sie wagten nicht zu schießen, sie hätten nur ihre eigenen Pferde getroffen. Außerdem pfiffen ihnen auch die Kugeln der Begleiter des Wagenzuges warnend um die Ohren.

So jagten die Wagen in die Nacht hinaus. Als man erst ein paar Hundert Meilen zurückgelegt hatte, als man jetzt nur noch die hundert Krieger starke Abteilung, von der Felsenherz und Tom verfolgt worden waren, zu fürchten hatte, als nun auch der Regen begann und die Dunkelheit lediglich durch die Blitze mitunter erhellt wurde, da übernahm der ortskundige Komanchenhäuptling die Führung und leitete Wagen, Reiter und die Trupps der ledigen Mustangs im Bogen nach Westen in einen felsigen, breiten Kanon, wo man selbst vor den hundert Apachen in Sicherheit war.

Dieser Regen war wie eine Sintflut, wischte selbst die Spuren der Wagenräder hinweg und füllte sämtliche Wasserschläuche und Wasserfässer der Auswanderer aufs Neue.

Freilich — etwas hatte die Familie Döring bei diesem kühnen Durchbruch durch den Ring der Rothäute doch eingebüßt: die zehn Zugochsen und die vier Milchkühe, die drüben in Arizona den Viehbestand der neuen Farm hatten begründen sollen. Als der alte Webermeister dies jetzt erwähnte, war auch Felsenherz hinzugekommen und meinte tröstend: „Landsmann, wir konnten die schwerfälligen Kühe und Ochsen nicht mitnehmen. Lasst deshalb den Kopf nicht hängen. Wir werden Euch die Tiere ersetzen. Weiter im Süden habe ich einen Bekannten, der Eigentümer einer großen Hazienda ist. Ihm kommt es auf ein Dutzend Rinder nicht an.“

Als der Morgen graute, näherte sich der Zug bereits dem Pecos, der am Westrand der Llano Estacado entlang fließt. Das Landschaftsbild änderte sich.

Die ersten Buschstreifen, Baumgruppen und grünen Rasenflächen tauchten auf. Bald erreichte man auch die bewaldeten Berge, zwischen denen der Pecos stellenweise dahinströmt.

Hier, wo jenseits des Flußes in den Andreas-Bergen die Mescaleros, ein Unterstamm der Apachen, ihre Dörfer hatten, war nun wieder die allergrößte Vorsicht geboten.

Ben, der alte Trapper, dem Felsenherz und der Komanche nun völlig verziehen hatten, und der sich von Glaynbourg und den anderen Menschenjägern absichtlich fernhielt, ritt jetzt mit Tom und Felsenherz weit voraus, um den Wagenzug vor jeder zufälligen Begegnung mit Mescaleros zu schützen.

Felsenherz hatte bereits mit Chokariga besprochen, was mit dem Plantagenbesitzer und seinen Leuten geschehen solle. Man wollte für sie und ihre Pferde am Pecosufer ein großes Baumfloß bauen, wollte ihnen zwei Gewehre und Munition mitgeben und ihnen nahelegen, den Pecos Flußabwärts bis zu den ersten Ansiedlungen zu fahren, von wo sie dann in ihre Heimat zurückkehren konnten.

Der Schnelle Büffel aber sollte erst freigelassen werden, nachdem man mithilfe der Auswanderer und Toms die Schätze des Apachensees geborgen hatte.

Unbehelligt kamen Felsenherz, Ben und Tom bis in den Uferwald des Pecos. Hier stieß man an der Spitze einer kleinen Halbinsel auf eine Ansammlung angetriebener Urwaldriesen, die sich unschwer zu einem Floß verreinigen ließen. Bald waren auch die Wagen zur Stelle, und gegen zehn Uhr vormittags mussten dann Glaynbourg und seine Begleiter das Floß besteigen und es mithilfe der langen Stoßstangen in die Strömung bringen.

Der Plantagenbesitzer hatte sich bisher alle Mühe gegeben, seinen heimlichen Haß gegen seine Retter, insbesondere gegen Felsenherz und Tom, zu verbergen. Erst als das Floß nun eilends von der Strömung entführt wurde, ließ er die Maske fallen, hob drohend die Faust gegen die Zurückbleibenden und brüllte: „Ihr sollt an uns denken! Wir sehen uns wieder!“

Tom schwenkte lachend seinen Hut. „Ihr seid ein Großmaul, Massa“, rief er zurück. „Sollten wir uns je wiedersehen, wird es Euch noch die Nase kosten!“

Da — von den Wagen her eine andere Stimme, die eines der Kinder der Familie Döring.

„Der Häuptling ist entflohen! Seine Riemen sind zerschnitten!“

Man hatte den Schnellen Büffel in einem der Wagen an eine Kiste festgebunden gehabt. Als Felsenherz und der Komanche hinzusprangen, in den Wagen kletterten und die Riemen untersuchten, stellte sich tatsächlich heraus, daß irgendjemand dem Apachen zur Flucht verholfen haben musste. Dies konnte nur Glaynbourg gewesen sein.

Außerdem entdeckte man aber noch etwas anderes: Der Oberhäuptling hatte nicht nur zwei Doppelbüchsen, zwei Pulverhörner und die nötigen Kugeln mitgehen lassen, sondern auch die beiden Neger, die die Mustangs in einem Ufertal bewacht hatten, erstochen und zehn Mustangs mitgenommen.

Seine Flucht konnte erst vor wenigen Minuten während der Einschiffung Glaynbourgs erfolgt sein. Sie war für Felsenherz und seine Freunde insofern recht unangenehm, als man jetzt damit rechnen musste, die Apachen sehr bald wieder hinter sich zu haben. Eine Verfolgung des Schnellen Büffels oder Glaynbourgs musste unterbleiben, weil man dadurch nur Zeit verloren hätte und weil es auch sehr fraglich war, ob man sie noch erwischen konnte.

Nach kurzer Beratung begann man daher mit dem Bau eines zweiten Floßes, das in Rücksicht auf das Gewicht der Wagen und Pferde aus mehreren Schichten von Baumstämmen bestehen und recht groß sein musste.

Erst gegen drei Uhr nachmittags konnten die Wagen und alles Übrige auf das Floß verladen werden.

Das schwerfällige, lang gestreckte Fahrzeug setzte sich dann allmählich in Bewegung. Die Strömung des Pecos ist an manchen Stellen, wo die felsigen Ufer dichter zusammentreten, so rasend, daß es schon einer großen Geschicklichkeit bedarf, ein Floß glücklich an den im Strombett liegenden Felsen und Inselchen vorüberzulenken. Jedenfalls war die Fahrt stromabwärts überreich an aufregenden Zwischenfällen, und besonders nach Dunkelwerden hätten Felsenherz und seine Freunde ständig aufs Schärfste aufzupassen, um einen Anprall gegen eines der Hindernisse zu vermeiden.

Von den Apachenmustangs hatte man als Zugtiere nur acht, zwei für jeden Wagen, mitgenommen. Die anderen waren vor der Abfahrt in den Wald getrieben worden.

Kurz vor Tagesanbruch, als Felsenherz und Chokariga sich gerade zum Schlafen niedergelegt hatten, ereignete sich dann ein Zwischenfall, der die beiden Westmänner zu neuen raschen Entschlüssen zwang. Plötzlich erhielt das Floß einen so starken Stoß, daß ein Teil der nur durch Baststreifen zusammengebundenen Stämme losgerissen wurde.

Ein unter der Wasseroberfläche liegender Felsblock war schuld an diesem Unheil. Das so schwer beladene Floß begann jetzt zu sinken. Im Nu waren jedoch Felsenherz und der Komanche wieder munter geworden und ebenso schnell ließ der blonde Trapper die vier Wagen kurzerhand in den Fluß rollen, wo sie samt der Habe der Auswanderer rasch versanken.

Die Hauptsache blieb, daß das auf diese Weise erleichterte Floß sich wieder hob und die Menschen und Pferde noch bis ans Westufer trug, bevor es sich völlig auflöste.

 

 

Sechstes Kapitel

Letzte Sorgen.

So war denn die arme Familie Döring mit einem Schlag fast bettelarm geworden. Alles, was zur Gründung einer Farm notwendig war, lag jetzt für immer verloren im Pecos. Nichts als die Waffen, die Pferde und einige Fäßchen Pulver hatte man gerettet.

Kein Wunder, daß die Auswanderer verzweifelt und trostlos am Ufer standen und kaum auf Felsenherz’ aufmunternde Worte achteten. Erst als er dem alten Döring eindringlich versicherte, daß das Gold des Apachensees sie für alles entschädigen würde, wurden die niedergedrückten Leute wieder vertrauensvoller und beeilten sich, Felsenherz’ Anordnungen zu befolgen.

Nach einer halben Stunde brach man auf. Die Kinder und Frauen mussten jetzt gleichfalls reiten. Man kam daher nur sehr langsam vorwärts. Es war ein langer Zug, der sich jetzt durch die Prärie nördlich der Guadalupe-Berge nach Süden zu im Schritt vorwärtsbewegte.

Am Pecos hatten Chokariga, Ben und Tom, die dort zunächst zurückgeblieben waren, alle Spuren nach Möglichkeit beseitigt und dann noch etwa zwei Stunden gewartet, ob vielleicht bereits Verfolger auftauchen würden.

Kaum waren sie den Übrigen jedoch im Galopp gefolgt, als aus einem Dickicht am jenseitigen Ufer zwei Apachenspäher und der ohrenlose Glaynbourg sich hervorarbeiteten und mithilfe zweier Baumstämme über den Fluß setzten.

Inzwischen hatte nämlich Glaynbourg, der mit dem Schnellen Büffel alles insgeheim vereinbart hatte, sein Floß längst an Land gelenkt gehabt und war mit dem Oberhäuptling auch sehr bald zusammengetroffen, der sofort zwei der Leute des Plantagenbesitzers in die Llano zurückschickte, um seine Krieger herbeizuholen. Die Apachen waren mittlerweile ebenfalls nach Westen aufgebrochen, hatten sich mit der berittenen, hundert Mann starken Abteilung wieder vereinigt und stießen auf die beiden Leute Glaynbourgs etwa drei Meilen östlich des Pecos.

So hatte denn der Schnelle Büffel die hundert berittenen Krieger bereits zur Verfügung, als die Auswanderer und ihre Freunde die Flußfahrt kaum angetreten hatten. Die Apachen und die mit ihnen abermals verbündeten Weißen konnten dem Floß, im Uferwald verborgen, ständig folgen und beachteten auch, wie das große Floß zerstört wurde und Felsenherz’ Trupp nach Süden zu den Marsch fortsetzten.

Glaynbourg und die beiden Apachenspäher überzeugten sich am Westufer nur, daß Chokariga, Ben und Tom tatsächlich im Galopp davonsprengten, gaben den anderen ein Zeichen und sahen bald den Schnellen Büffel mit den berittenen Kriegern auf Baumstämmen den Fluß passieren.

Der Oberhäuptling wollte auf das Eintreffen der übrigen Apachen, die erst ihre Mustangs wieder einfangen mussten, nicht warten. Er fürchtete, daß die verhaßten Feinde ihm sonst abermals entgehen könnten. So befahl er denn, daß zehn Späher den Flüchtlingen sofort nachreiten sollten, während er mit den anderen Kriegern und den Weißen erst eine Stunde danach aufbrechen wollte. Sein Plan ging dahin, die Blaßgesichter und die Neger im nächsten Lager überraschend anzugreifen.

Doch auch Felsenherz und Chokariga waren sich der Gefahr sehr wohl bewusst, die ihnen von den Apachen drohte. Sie sahen voraus, daß Glaynbourg und der Schnelle Büffel sich wieder zusammentun und in Kurzem den nur langsam vorwärtskommenden Trupp eingeholt haben würden.

Die beiden Westmänner, Tom und Ben bildeten jetzt den Nachtrab.

Tom war es, der plötzlich erklärte: „Massa Felsenherz, es gibt ein sehr einfaches Mittel die Apachen zurückzuscheuchen und unsere Fährte zu verwischen. Wir brauchen nur die Prärie anzuzünden. Der Wind kommt von Süden und würde die Flammen also nordwärts treiben. Das Gras ist recht dürr. Es muss hier wochenlang nicht geregnet haben.“

Der blonde Trapper erwiderte bedächtig: „Du sprichst das aus, was Chokariga und ich bereits beschlossen haben. Sobald die Nacht naht, werden wir einen Feuerwall zwischen uns und jeden Verfolger legen. Mit voller Absicht haben wir diesen Weg durch die offene Grassteppe gewählt und sind jedem Wäldchen, jedem Höhenzug ausgewichen.“

Die Dämmerung brach an. Der Südwind war jetzt gegen Abend noch stärker geworden.

Im Schein der Abendröte ritten der Schnelle Büffel und Glaynbourg den Apachen ein weites Stück voraus. Der Plantagenbesitzer war überzeugt, daß die kommende Nacht die Neger wieder in seine Gewalt bringen würde. Dann wollte er sein Mütchen an ihnen kühlen; dann sollte Tom eines Todes sterben, gegen den das Ende am Marterpfahl noch ein Vergnügen war.

Plötzlich hielt der Oberhäuptling seinen Mustang mit einem kurzen Ruck an.

Ein gellender Wutschrei entrang sich seiner Kehle. Seine Blicke waren nach Süden gerichtet, wo am fernen Horizont des Grasmeeres soeben dicke Rauchwolken erschienen waren.

Bald bildete dort der ganze Horizont eine einzige feurige Linie.

Mit unheimlicher Schnelligkeit flog die rote Lohe gen Norden.

Die Apachen hatten kehrtgemacht. Der Schnelle Büffel jagte in finsterem Schweigen neben Glaynbourg her. Es ging scharf nach Osten zu näher an die Uferwälder des Pecos heran. Dort war man vor dem Präriebrand sicher. Man erreichte auch eine breite Waldzunge, erreichte sie dicht vor den ersten Hitzewellen.

Der Schnelle Büffel sprang vom Pferd, führte es tiefer in den Wald hinein bis zu einer großen Lichtung. Dann rief er seinen Kriegern einige Befehle zu.

Glaynbourg und die neun Weißen wurden plötzlich zu Boden gerissen und jeder an einen Baum gefesselt.

Der Oberhäuptling trat an den Plantagenbesitzer heran, zischte ihm in das bleiche, vor Angst entstellte Gesicht. „Elender, feiger Hund, wer sich mit dir verbündet, von dem wendet Manitu sein Antlitz! Meine zehn Späher sind nicht zurückgekehrt, sind in den Flammen umgekommen! Alles schlug fehl, was ich mit dir zusammen unternahm!“

Blitzartig zuckte sein Messer hoch.

Glaynbourg stieß nur noch einen letzten, schrillen Todesschrei aus. Dann schwenkte der Schnelle Büffel schon den Skalp des Sklavenhalters in der Linken.

So hatte Tom Bracks Voraussage sich wirklich bestätigt: Howard Glaynbourg hatte hier sein Leben und seinen Skalp verloren!

Auch seine Gefährten starben einen raschen Tod. Als der Präriebrand nun ebenfalls das Unterholz des Waldes entzündete, als die Apachen schleunigst weiter zum Pecos zurückwichen, hingen inmitten der züngelnden Flammen der Lichtung nur noch die zehn entstellten Leichen der Menschenjäger.

Am folgenden Mittag kamen Felsenherz und die seinen am Apachensee an. Sofort wurde der Bach, der den See speiste, abgedämmt und der Abfluß des Sees noch erweitert und vertieft.

Diese Arbeit nahm die Weißen und die Neger bis zum Abend in Anspruch, hatte dann jedoch auch den erhofften Erfolg. Der Wasserspiegel des Sees hatte sich so weit gesenkt, daß man nach den vier Goldsäcken tauchen, Lassos daran befestigen und sie aus der Tiefe heraufholen konnte.

Noch in derselben Nacht brach man dann zum nahen Pecos auf, wo für die Auswanderer und Toms Leute ein neues Floß hergestellt wurde.

Felsenherz hatte dem alten Meister Döring einen der Goldsäcke übergeben und ihm geraten, sich unten im Süden an der Grenze von Mexiko eine große Farm zu kaufen und die Neger als Arbeiter bei sich zu behalten, womit diese ganz einverstanden waren. Nur Tom Brack wollte hiervon nichts wissen.

„Meine Mutter war eine Delawarin“, sagte er stolz. „Tom liebt die Wildnis. Tom wird ein Trapper wie Felsenherz!“

Nach herzlichem Abschied schwammen die Auswanderer und die Schwarzen auf ihrem Floß den Pecos abwärts, winkten noch lange den drei Zurückbleibenden zu.

Als das Floß verschwunden war, wurde das übrige Gold an einer besonders reißenden Stelle des Flußes versenkt. Dort ruht es noch heute, dort kann es die Habgier den Menschen nie mehr entflammen.

Die Familie Döring und die befreiten Sklaven erreichten glücklich die Ansiedlungen und brachten es in gemeinsamer Arbeit zu großem Wohlstand.

Tom Brack, der schwarze Häuptling, sollte jedoch sehr bald ein ruhmvolles Ende bei einem neuen Kampf mit den Apachen finden und wurde dann mit allen Ehren eines tapferen Kriegers nach Indianersitte bestattet.

Die Einzelheiten über seinen Tod bringt der folgende Band.

 

 

Nächster Band:

Der Medizinmann Omakati.