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Felsenherz der Trapper
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Elisabeth-Ufer 44
Druck: P. Lehmann G. m b. H., Berlin
Felsenherz, der Trapper
Selbsterlebtes aus den Indianergebieten
erzählt von
Kapitän William Käbler.
Heft: 32
1. Kapitel
Der Kundschafter von Fort Wallace.
Die drückende Hitze eines Frühherbstnachmittags, windstill und sonnenklar, lastete über der weiten Prärie, über den grünen Busch- und Bauminseln, die sich vom Grasmeer der Savanne abhoben wie freundliche Oasen in der Sandeinöde einer Wüste, und flimmerte über dem kahlen Boden eines steinigen Tals, das sich als Regenrinne, unfruchtbar und mit lehmigen Rändern, zu einem Bach hin öffnete, um dessen Ufer saftige kleine Grasflächen von der Feuchtigkeit hervorgezaubert worden waren.
Auf dieser Bachwiese am nördlichen Ufer weidete hier ein gesatteltes Pferd. Wenn es sich lebhafter bewegte, schlugen die tief geschnallten Steigbügel klirrend zusammen.
Das waren, außer dem Geräusch der kauenden Pferdekiefer, die einzigen Laute, die das Schweigen dieser Nachmittagsstunde hier unterbrachen.
Das gesattelte Tier, ein Fuchs von etwas plumpen Gliederbau, ließ an verschiedenen Merkmalen des Zaumzeugs und des Sattels erkennen, daß es sich fraglos um ein Kavalleriepferd handelte. Es gehörte wohl einem der Soldaten aus dem etwa zwanzig Meilen nördlich gelegenen Fort Wallace, dem damals am weitesten nach Westen zu vorgeschobenen Grenzfort, dessen 120 Mann starke Besatzung die Aufgabe hatte, die Ansiedlungen zwischen Smoky-River und Arkansas gegen die Überfälle der Rothäute zu schützen. –
Jenseits des Baches erschien jetzt im Gestrüpp der mit Adlerfedern geschmückte Kopf eines Indianers.
Lautlos richtete sich der schlanke, kräftige Rote auf, nahm das Lasso von der Schulter und bereitete sich zum Wurf vor, nachdem er mit einem blondbärtigen Trapper, der soeben in der Regenrinne aufgetaucht war, mit der Hand Zeichen gewechselt hatte.
Über den kaum vier Meter breiten Bach flog jetzt die Lassoschlinge in elegantem Bogen hinüber und fiel dem grasenden Pferd über den Kopf.
Gleich darauf stand der Indianer drüben neben dem eingefangenen Tier und sagte leise zu dem blonden stattlichen Trapper: „Mein Bruder Felsenherz sieht, daß es ein Soldatenpferd ist. Nun wissen wir, was die Spur des einzelnen Reiters bedeutet, auf die wir vor einer Stunde gestoßen waren. Das Pferd haben wir. Wo ist der Besitzer?“
Felsenherz erwiderte nachdenklich: „Mein roter Bruder Chokariga, der Schwarze Panther der Komanchen, sah wie ich die Bluttropfen neben den Hufeindrücken drüben in der Prärie. Der Soldat war verwundet und auf der Flucht. Er kam von Süden her – wie wir. Vielleicht ist er, als sein Pferd durch den Bach watete, abgestiegen und im Wasser weitergegangen, um keine Spuren zu hinterlassen.“
Der berühmte Komanchenhäuptling sagte darauf kurz: „Wir werden das Blaßgesicht finden. Mein Bruder Harry mag nach Osten zu den Bach absuchen, Chokariga nach Westen. Unsere Pferde sind drüben in dem Wäldchen unter Tom Einaugs und des dicken Johnnys Schutz gut aufgehoben.“
Nachdem der Komanche das Pferd mit dem Zügel an eine Birke gebunden hatte, wandte er sich nach rechts am Bachufer entlang, Felsenherz nach links.
Der blonde Trapper konnte auf dem sandigen klaren Grund des kleinen Gewässers nichts von Stiefeleindrücken bemerken. Trotzdem wanderte er, die lange Doppelbüchse schußfertig im Arm, etwa eine halbe Meile weit am Bach dahin, blieb häufig stehen und musterte mißtrauisch die Umgebung – die Büsche und Baumgruppen, die Täler, die sich zu dem Bach hin öffneten, und die Ränder der welligen Prärie.
Der Bach machte zahlreiche Krümmungen. Längst hatte Felsenherz den Komanchen aus dem Blickfeld verloren. Schon wollte er umkehren, als sein scharfes Ohr aus einem Haufen von dornenumrankten Steinen, durch die der Bach wie durch einen Engpaß schäumend und gurgelnd sich hindurchdrängte, das zweimalige Knacken eines Büchsenhahns, der gespannt wurde, vernahm.
Wie ein Blitz war der Trapper hinter den nächsten Büschen verschwunden, lief im Bogen um die Steinblockgruppe herum und kroch nun auf allen vieren dem Bach wieder zu, um von hinten an den im Gestrüpp stehenden Feind heranzukommen.
Plötzlich fiel aus dem Gestrüpp rechts ein Schuß.
Felsenherz sah das Feuer aus der Büchsenmündung herausfahren, sah, daß der Schuß nicht ihm gegolten haben konnte, duckte sich tiefer in die hier üppig wuchernden Ginsterstauden und wußte nun auch, daß der Mann dort zwischen den Steinblöcken der gesuchte Soldat war, da er zwischen dem Grün einen Moment das rotbraune Tuch des Rocks eines der Kavalleristen der Fortbesatzung wahrgenommen hatte.
Der Trapper wartete, was sich weiter ereignen würde.
Minuten vergingen.
Diese unheimliche Stille, die doch so trügerisch war, hielt noch immer an.
Felsenherz blickte fortgesetzt zu den hoch aufgetürmten Steinblöcken hin, deren Dornen- und Rankenvorhänge jetzt nichts mehr von dem dort verborgenen Kavalleristen erkennen ließ. Der Mann hatte offenbar seinen Platz gewechselt, nachdem er den Schuß abgegeben hatte.
Der blonde Trapper wollte jetzt nicht länger untätig an dieser Stelle verharren, sondern sich überzeugen, wer dort weiter bachaufwärts in den Büschen steckte, denn dorthin hatte der Soldat gefeuert.
Er begann mit größter Vorsicht sich rückwärts aus den Sträuchern in die offene Prärie hinauszuschieben, hatte jedoch noch keine fünf Meter zurückgelegt, als von den Steinen her ein neuer Schuß knallte.
Dann dicht links neben Felsenherz hallte ein gellender Schrei auf.
Ein Siouxkrieger, der bereits den Tomahawk zum tödlichen Hieb erhoben gehabt hatte, sank mit einem Loch in der Stirn quer über den jäh hochschnellenden Trapper, der nun erst erkannte, in welch ernster Lebensgefahr er geschwebt hatte.
Auf diesen zweiten Schuß hin ertönte nun auch eine Stimme aus dem Gestrüpp der Felsblöcke: „Hierher, Master, hierher –! So wahr Euch Euer Leben lieb ist! Die Prärie wimmelt von Sioux!“
Der berühmte Jäger zögerte denn auch keinen Augenblick, stürmte dem Steinhügel am Ufer des Baches zu, sah einen Arm winken, fand in dem hohen Dornverhau so die einzig passierbare Stelle und kroch in das Gestrüpp hinein, bis er eine Art Mulde auf der Spitze des flachen Hügels erreicht hatte, wo ihn nun der junge, sonnengebräunte Kavallerist begrüßte.
„Ihr seid Felsenherz, Master! Ich kenne Euch vom Ansehen aus Fort Wallace her. – Hier sind wir fürs Erste geborgen. Ob wir unsere Skalpe hier freilich längere Zeit verteidigen können, ist fraglich. Da, seht mal drüben am Südufer des Bachs. Alles wimmelt von berittenen Sioux!“
Felsenherz richtete sich etwas auf und schaute durch die schlanken Weidenschößlinge hindurch. Tatsächlich, der Soldat hatte nicht übertrieben. Da waren mindestens achthundert Sioux sichtbar, die in enger, dreifacher Linie auf den Bach zukamen.
„Was bedeutet das?“, fragte der Trapper kopfschüttelnd. „Das sind ja mindestens die Hälfte aller waffenfähigen Krieger des Siouxstammes.“
„Das bedeute – einen Angriff auf Fort Wallace, Master“, erklärte der junge Kavallerist sehr ernst. „Die Sioux haben vor vier Wochen einen neuen Oberhäuptling gewählt, Sastawura, den Schleichenden Fuchs, einen der blutdürstigen Weißenhasser, den es gibt. Als der Kommandant von Fort Wallace, Kapitän Steamer, dies erfuhr, ahnte er schon, daß Sastawuras erster Kriegszug dem Fort gelten würde, welches ja gerade den Sioux seit drei Jahren dort am Smoky-River dicht vor der Nase errichtet wurde. Bisher haben sie sich nicht herangetraut. Nun aber hat Sastawura ein Bündnis mit den weiter nördlich wohnenden Schoschonen und Utahs zustande gebracht, und im Ganzen rücken jetzt gegen zweitausend Rothäute von Süden, Westen und Norden heran, um das Fort zu stürmen. Seit einer Woche bin ich mit drei Kameraden ununterbrochen als Späher unterwegs. Wir haben Kapitän Steamer bereits Nachricht gesandt, was dem Fort droht. Meine drei Kameraden sind auch glücklich entwischt. Ich bekam einen Streifschuß am Hinterkopf, wie Ihr seht, blieb zurück, sank gerade im Bach bewußtlos vom Pferd, wachte durch das Bad sofort wieder auf und schwamm und watete bachabwärts bis hierher. – Ich heiße Jack Router, Master Felsenherz, und bin nur ein einfacher Soldat, aber doch nicht ganz unerfahren. Ich hoffe Euch nicht zur Last zu fallen.“
Die bescheidene Art des jungen Mannes, der doch offenbar bei seinen Vorgesetzten großes Vertrauen genoß, da man ihn zu einem so gefährlichen Dienst wie dem eines Kundschafters verwandt hatte, sagte Felsenherz so sehr zu, daß er Jack Router fest die Hand drückte.
„Auf gute Kameradschaft, Jack!“, antwortete er herzlich. „Die Sioux werden uns beide hier nun bald eingekreist haben. Wenn wir uns nur bis zum Abend ihrer erwehren können, dürften wir wohl mit dem Leben davonkommen.“
Als Bestätigung hallten jetzt jedoch von allen Seiten Schüsse. Wie Hagelschlag prasselten die Kugeln in das Gestrüpp.
Die beiden Gefährten hatten sich rasch tiefer in die Mulde hineingedrückt, deren zackiger, aus bemoosten Steinen bestehender Rand sie genügend schützten. Die Sioux gaben diesem zwecklosen Beschuß denn auch sehr bald auf. Die Prärie und die Bachufer lagen wieder still und einsam da. Und doch lauerten ringsum rachgierige, erbarmungslose Feinde, stets bereit, die beiden Weißen durch Kugeln niederzustrecken, sobald sie auch nur den Rand ihrer Hüte sehen ließen.
Jack Router, der durch die Schüsse verhindert worden war, Felsenherz zu antworten, sagte jetzt leise mit einem schlauen Lächeln: „Master, ich kenne diesen Steinhügel bereits, der ja eigentlich aus zwei Hügeln besteht, zwischen denen der Bach hindurchfließt. Ich habe mich hier vor einem halben Jahr in ähnlicher Lage befunden wie wir jetzt. Damals waren so gegen dreißig Utah-Indianer hinter mir her. Sie erschossen mir mein Pferd, und ich mußte ebenfalls hier ins Gestrüpp am Nordufer kriechen, in dem wir jetzt stecken. Ich verhielt mich ganz still, da die Rothäute meine Fährte verloren hatten. Genau wie heute hatte ich mich hier bis in diese Mulde zwischen den Steinen emporgearbeitet, und ich wäre wohl schon damals meinen Skalp losgeworden, wenn mich nicht ein Fischotter gerettet hätte. Ihr seht mich so erstaunt an. Es ist die Wahrheit: ein Fischotter! – Das Tier kroch plötzlich dort aus jenem großen Dornenbusch hervor, witterte mich und verschwand blitzschnell. Ich sagte mir, daß es also wohl in dem Busch eine recht breite Lücke geben müßte. Sonst wäre der Fischotter – es war ein kapitaler Bursche – wohl kaum durch die Dornen hindurchgekommen. Ich schaute mir den Busch also genauer an. Wartet, Master, ich will Euch gleich zeigen, wie ich es tat!“
Er schob sich mehr nach links, nach Süden zu, also näher an den Bach heran, hob nun mit dem Flintenlauf die dicht am Boden liegende Dornenmaße hoch und enthüllte so einen durch übereinandergestürzte Steine gebildeten, schräg abwärts führenden Gang von kaum einem Meter Durchmesser, der unten mit Wasser gefüllt war.
Auch der blonde Trapper hatte sich vorsichtig der Stelle genähert, blickte hinab und erklärte lebhaft:
„Ah! – Ich verstehe, Jack! Ihr seid durch den Gang in den Bach hinabgekrochen und dann –“
„– dann drüben unter dichten überhängenden Rankengewächsen glücklich am Südufer entlang entwischt!“, ergänzte Jack munter. „Dasselbe werden wir jetzt tun, wenn es Euch recht ist, Mr. Felsenherz. Ich will ja einem so berühmten Mann, wie Ihr es seid, beileibe keine Vorschriften machen. Aber ich denke mir, wir verdrücken uns heimlich, bevor die roten Banditen uns zu nahe auf den Leib kommen!“
„Ganz recht, Jack! Also vorwärts denn! Schrauben wir unsere Pulverhörner recht fest zu und treiben wir in die Mündungen unserer Büchsen dicke Graspfropfen hinein, damit die Ladung ebenfalls trocken bleibt. Dann können wir getrost unter Wasser eine Strecke schwimmen, ohne unsere Büchsen unbrauchbar zu machen.“
2. Kapitel
Die Flucht.
Gleich darauf kroch Felsenherz hinter Jack Router den Schlupfweg des Fischotters entlang in den Bach hinab.
Der blonde Trapper behielt unter Wasser die Augen offen, schob sich am steinigen Grund des kleinen Gewässers vorwärts und erreichte auch glücklich das andere Ufer, von dessen hoher Böschung Wurzelranken und Schlingpflanzen so dicht herabhingen, daß er sich, zumal das Ufer unterwaschen war, hinter diesem Vorhang ganz so, wie der tapfere Jack es ihm geraten hatte, sich unbemerkt vorwärts arbeiten konnte.
Kam einmal eine Stelle, wo das Ufer flacher wurde, so passierte er diesen gefährlichen Zwischenraum abermals unter Wasser.
Er mochte auf diese Weise etwa hundertfünfzig Meter zurückgelegt haben und glaubte sich bereits außer aller Gefahr, als vor ihm das gellende Geheul der Sioux, Schüsse und lautes Planschen im Wasser darauf hindeuteten, daß Jack entdeckt und von den Rothäuten beschossen worden sei.
Felsenherz, der gerade unter besonders dichten Ranken halb im Wasser an der Uferböschung stand, wollte schon Jack zu Hilfe eilen, als das Gebrüll der Sioux ebenso jäh verstummte.
Kein Laut mehr – nichts – Tiefe Stille wieder.
Was war geschehen? War Jack Router tot, gefangen genommen oder entwichen?
Der Trapper wartete und lauschte, nahm die Büchse in die Linke und das Messer stoßbereit in die Rechte. Er war überzeugt, daß die Sioux nun auch nach ihm suchten, denn die noch immer anhaltende trügerische Ruhe besagte, daß die Sioux fraglos irgendetwas im Schilde führten.
Felsenherz hielt es dann doch für richtiger, wieder zu tauchen und zu der anderen Bachseite hinüberzuschwimmen, wo, wie er soeben durch einen Blick durch die Ranken festgestellt hatte, dichtes Röhricht sich eine weite Strecke hinzog.
So glitt er denn langsam auf den Grund des Baches hinab – abermals mit offenen Augen, kroch vorwärts und – gewahrte plötzlich vor sich etwas wie einen dunklen Schatten.
Es war ein Sioux, der offenbar in derselben Weise unter Wasser dem Trapper entgegenkam.
Felsenherz wußte, daß jede heftigere Bewegung auf dem Grund des Gewässers sich an der Oberfläche durch Wellen kundtun mußte und daß die Sioux sofort ahnen würden, was hier vorging, wenn es ihm nicht gelang, den Feind, ohne daß dieser sich zur Wehr setzen könnte, unschädlich zu machen.
So ließ er denn seine Büchse fallen und schnellte sich auf den anderen Schwimmer zu, bekam auch dessen Kehle zu packen und stieß ihm gleichzeitig das lange Jagdmesser mit aller Kraft ins Genick.
Felsenherz war dafür bekannt, daß er einen Feind nie unnötig tötete. Diesmal verlangte es seine eigene Sicherheit, daß er alle Weichherzigkeit zurückdrängte.
Der Stoß seines Jagdmessers trennte dem Sioux das Rückenmark durch. Es trat daher auch eine sofortige völlige Lähmung bei dem tödlich Verletzten ein. Im Nu hatte Felsenherz dann auch die Leiche mit einem Stein so beschwert, daß die Strömung sie nicht mit fortführen konnte.
Hastig schob er sich nun weiter dem Röhricht zu, seine Büchse hatte er schnell wieder aufgerafft, drängte sich vorsichtig zwischen die hohen dünnen Schößlinge und brachte nur den Mund über die Wasseroberfläche, um atmen zu können.
Nachdem er genügend Luft geschöpft hatte, suchte er durch dünne bewachsene Stellen des Rohrdickichts seinen Weg fortzusetzen, indem er sich hütete, den Kopf auch nur ein einziges Mal über den Wasserspiegel vorzustrecken.
Es gelang ihm denn auch dank seiner oft erprobten Gewandtheit und vielfachen Erfahrung, weitere hundert Meter bachabwärts zu kommen.
Nun hörte aber das Röhricht auf. Die Ufer waren flach, und die Büsche traten von den Bachrändern immer mehr zurück. Nirgends gab es hier eine Deckung.
Felsenherz hatte sich rasch aus den Rohrstängeln und den Rohrwedeln etwas wie eine Maske für Kopf und Brust zurechtgemacht, kniete nun im Wasser und äugte vorsichtig nach den Sioux aus.
Er sah, daß sie etwa achtzig Meter weiter aufwärts eine Kette von Kriegern im Bach aufgestellt hatten, die andauernd mit den langen Stoßlanzen vor sich ins Wasser stachen, während andere die Ufer und das Röhricht in derselben Weise absuchten.
Sie verhielten sich dabei völlig ruhig. Auch an den Ufern standen mindestens dreißig Krieger mit schußfertigen Flinten. Felsenherz beobachtete etwa sechzig Feinde.
Gerade aus dem lautlosen Treiben der Sioux ging klar hervor, wie wichtig es ihnen war, den blonden Trapper in ihre Gewalt zu bekommen, der ihnen vor drei Wochen weiter südlich entschlüpft war, nachdem er seine Freunde Chokariga und Tom Einaug befreit hatte.
Felsenherz blieb zunächst hier am Ende des Röhrichtfeldes. Er hoffte, sich irgendwie darüber Aufschluß verschaffen zu können, ob Jack Router wirklich gefangen genommen war.
So vergingen gut zehn Minuten. Die Sioux schienen nun doch überzeugt zu sein, daß der berühmte Jäger nicht im Bach steckte und machten Miene, die Suche weiter abwärts fortzusetzen. Felsenherz durfte nicht länger zögern. Er holte tief Atem, tauchte und setzte seine Flucht fort, indem er die Röhrichtmaske mit sich nahm.
Als der Luftmangel ihn zwang, wieder an die Oberfläche zu kommen, schob er die Maske, die wie ein einzeln wachsender Büschel Röhricht wirken mußte, langsam heraus und konnte so auch den Kopf mit emporbringen.
Ein Blick nach rückwärts zeigte ihm, daß zehn Sioux am linken Ufer keine fünfzehn Schritt mehr entfernt waren. Zwei dieser Krieger waren jetzt doch auf den Röhrichtbüschel aufmerksam geworden, riefen den anderen ein paar Worte zu und stürmten vorwärts.
Der Trapper sah ein, daß ihn jetzt nur schleunige Flucht ans Ufer und ein kräftiger Dauerlauf retten könnten. Die Rothäute hatten ja ihre Mustangs nicht bei der Hand, und dort drüben nach Norden zu zog sich ein dichter Wald entlang.
Als Felsenherz die Uferböschung erklommen hatte und nun hinter ihm alle Teufel der Hölle losgelassen zu sein schienen, der nächste Sioux im Laufen hinter ihm her feuerte, da bewies der berühmte Jäger, daß er auch auf die Kraft und Ausdauer seiner Beinmuskeln sich ebenso verlassen konnte wie auf sein sicheres Auge und seine nie fehlende Büchse.
Bald hatte er einen Vorsprung von fünfzig Metern erreicht. Nun schonte er seine Lungen, lief langsamer, entfernte die Graspfropfen aus den Läufen und steckte neue Zündhütchen auf die Pistons.
Näher und näher kam er dem rettenden Walde.
Jetzt waren aber doch hinter ihm ein Dutzend berittene Sioux aufgetaucht. Jetzt – rasten die Rothäute im Bogen an ihm vorüber, schnitten ihm den Weg nach dem Walde ab, sprangen von ihren Mustangs und machten sich schußfertig, indem sie die Flinten auf die Satteldecken auflegten.
Der Trapper schien verloren. So leicht aber war Felsenherz doch nicht zu fangen! Das sollten die Sioux jetzt zu ihrem eigenen Schaden merken!
Er wußte ja, daß die Steinschloßflinten der Sioux auf ein bewegliches Ziel wenig zuverlässig waren. Mochten die Sioux auch mit die besten Reiter der indianischen Präriestämme sein: Als Schützen konnten sie es mit keinem weißen Trapper aufnehmen.
So lief Felsenherz denn jetzt in Zickzacksprüngen auf die Linie der zwölf Feinde zu.
Noch fünfzig – noch vierzig Meter.
Dann die ersten Schüsse.
Felsenherz hatte sich tief gebückt, hatte sich zur Seite geschnellt, zählte genau die Schüsse.
Nun feuerte der Letzte, der noch eine Kugel im Lauf hatte, feuerte auf kaum fünfzehn Schritt.
Die Kugel ging Felsenherz haarscharf am Ohr vorbei.
Jetzt aber – feuerte er selbst.
Zwei Mustangs brachen mit Kopfschüssen zusammen. Dann war er schon vor einem der Feinde, schmetterte ihm den Büchsenkolben vor die Stirn, warf sich auf das Pferd.
Tomahawks sausten auf ihn zu. Eins der Wurfbeile traf den Mustang gegen die Weichen.
Das arme Tier machte einen wilden Satz, schoß vorwärts, hinter sich eine Bahn von Blut zurücklassend.
Dann schon die ersten Bäume – der Wald.
Im Galopp raste das verwundete Pferd über eine Lichtung eine Anhöhe hinauf.
Und – stutzte am Rand eines schroffen Abhangs, am Rand des Steilufers eines schmalen lang gestreckten Waldsees. Felsenherz preßte dem Mustang die Hacken in die Seiten.
Und – da setzte es zum Sprung an – hinab die zwanzig Meter in den von Wasserpflanzen dicht bedeckten See.
Überschlug sich in der Luft.
Der Reiter glitt aus dem Sattel, versank neben dem Tier, das noch einmal zum Vorschein kam und dann für immer in dem verkrauteten See verschwand.
Oben am Uferrand hielten acht Sioux zu Pferde, warteten, daß Felsenherz irgendwo wieder erscheinen würde.
Doch – leer blieb die Seeoberfläche. Nirgends ein menschlicher Kopf – nirgends.
Auch die zu Fuß herbeigestürmten Sioux standen mit ihren Flinten bereit.
Der von Wellen zunächst noch gekräuselte Seespiegel beruhigte sich.
Zwei Stunden später verließen die Rothäute den See, nachdem sie ihn mit einem Baumfloß genau abgesucht hatten.
Und drei Stunden später, als Wald und See bereits von den Schatten der Nacht bedeckt waren, stieg Felsenherz lautlos an Land, der bis dahin am Südufer unter den dichten Blättern der Wasserrosen gesessen und durch den dicken hohlen Stängel einer Wasserpflanze wie durch eine Glasröhre die nötige Luft ein- und ausgeatmet hatte, ohne den Kopf auch gut ein einziges Mal über die Wasseroberfläche zu erheben.
3. Kapitel
Der geheimnisvolle Feind.
Fort Wallace, ein Viereck von Wällen, Palisaden und Wassergräben, lag am Nordufer des Smoky Hill-Fluß, so daß seine Südseite von den Wassern des Flußes bespült und seine tiefen, breiten Gräben durch diese auch gefüllt wurden.
All diese Forts an der Grenze der Indianergebiete waren fast in derselben Weise erbaut. Im durch die Wälle gebildeten Viereck standen die Blockhäuser für die Besatzung und das Haus des Kommandanten, das gleichzeitig als Innenfestung angelegt war, einen hohen Turm hatte und mit starkem Blech zum Schutz gegen Brandpfeile benagelt war. Auf den Wällen waren acht Vorderladekanonen verteilt, die ihre Kartätschenladung weit über den Fluß und bis zum Rand der das Fort umgebenden Hügel und Wälder senden konnten.
Die ebenso einfache wie praktische Anlage genügte denn auch meist zur Abwehr der roten Feinde. –
Anders gestalteten sich dieses Mal die Dinge, als zwölf Stunden nach den soeben geschilderten Ereignissen am frühen Vormittag vor der kleinen, für den Empfang der Feinde gerüsteten Festung urplötzlich gegen zweitausend berittene Indianer auftauchten und das Fort sofort von der Landseite in weitem Halbkreis einschlossen.
Der Kommandant Kapitän Steamer hatte von seinen 120 Mann nur noch achtzig zur Verfügung. Vierzig der Kavalleristen waren, in Patrouillen von verschiedener Stärke eingeteilt, schon tagelang unterwegs und hatten sich offenbar nicht mehr durchschlagen können.
Kapitän Steamer war schon in der Nacht durch den Komanchenhäuptling Chokariga und den Trapper Tom Einaug, die nur mit knapper Not den Sioux noch entkommen waren, davon unterrichtet worden, daß er jede Stunde mit einem Angriff zu rechnen hätte.
So konnte er denn die vereinigten Sioux, Schoschonen1 und Utahs durch zwei Kanonenschüße in respektvoller Entfernung halten. Um neun Uhr vormittags näherten sich drei Rothäute ohne Waffen von Norden her, grüne Zweige schwingend, der Stelle des Nordwalles, wo in friedlichen Zeiten eine Zugbrücke über den Wassergraben führte.
Steamer, ein in den Grenzkämpfen ergrauter Soldat befahl, die Zugbrücke hinabzulassen, und begab sich mit zwei seiner Offiziere zu den Unterhändlern, die dreißig Schritt vor dem Graben haltgemacht hatten.
Die Sioux – es waren der Oberhäuptling Sastawura und zwei der ältesten Krieger – forderten die Übergabe des Forts und sagten der Besatzung freien Abzug mit Waffen auf dem Wasserweg zu. Ein großes plumpes Flachboot lag auf dem Fluß am Südwall vertäut und hätte die Besatzung bequem aufnehmen können.
Der grauhaarige Kapitän schickte die unverschämten Rothäute kurz unter Hinweis auf die Kanonen des Forts zurück, indem er sie seinerseits ermahnte, ihr Vorhaben aufzugeben und wieder in ihre Dörfer zurückzukehren.
Sastawura, ein hünenhafter Roter von verschlagenem Charakter, drohte jetzt, er würde die ganze Besatzung niedermachen, falls diese die Festung nicht bis zum Mittag geräumt hätte.
So verliefen die Verhandlungen denn, was vorauszusehen war, ohne jedes Ergebnis.
Steamer hatte die Zugbrücke kaum wieder hochziehen lassen, als er auch schon den Befehl gab, die Kanonen mit Vollkugeln zu laden und den Feinden zu beweisen, daß die Geschütze weiter trügen, als sie ahnten.
Noch war jedoch kein Schuß abgegeben, als alle Rothäute vom Vorgelände in die Wälder verschwanden. Mit einem Schlag war der busch- und baumfreie Gürtel um das Fort völlig leer. –
Steamer hatte den berühmten Komanchenhäuptling und den nicht minder bekannten Trapper Tom Einaug in das große Blockhaus als Gäste aufgenommen. Er hatte von ihnen, die ja, auch Felsenherz’ Braunen mitgebracht hatten, den sie den Sioux glücklich entführt hatten, bereits erfahren, daß der blonde Jäger wahrscheinlich sehr bald versuchen würde, in das Fort hineinzugelangen. Die auf den Wällen postierten Wachen sollten denn auch alles tun, dem Trapper dies zu erleichtern. Nötigenfalls wollte Steamer, falls Felsenherz im Vorgelände verfolgt würde, einen Ausfall machen und die Rothäute zurückscheuchen.
Die Besatzung war trotz der erdrückenden Übermacht der Feinde bei gutem Mut. Man war mit Lebensmitteln und Munition für lange Zeit versehen, man hatte die Kanonen, die durch ihren Eisenhagel jeden Sturm aussichtslos erscheinen ließen, und verfügte auch über so zahlreiche Karabiner und Büchsen, daß jeder Mann drei für sich an den Palisaden bereitstellen konnte. –
Nachmittags fünf Uhr geschah etwas, das die Zuversicht der Verteidiger arg ins Wanken brachte. Von Norden, Westen und Osten rollten die roten Belagerer Wände aus dicken Baumstämmen heran, denen selbst die Kanonenkugeln, wie sich bald zeigte, nichts anhaben konnten, da diese fünf Meter langen Schutzwände aus doppelten Lagen von Stämmen bestanden. Zwar durchschlugen die Eisenkugeln wohl die erste Schicht des Holzes, konnten aber die zweite doch nicht mehr durchdringen. Da außerdem diese auf plumpen Rädern stehenden Balkenwände immer zahlreicher wurden und schon gegen sieben Uhr abends in fünfzig Meter Entfernung vor dem Graben um die Landseite des Forts eine fortlaufende Linie bildeten, wo ferner weitere Schutzwände in Abständen von dieser Linie bis zu den Wäldern reichten, konnten die Rothäute, gedeckt durch diese Riesenschilde, einen engen Halbkreis um die kleine Festung schließen.
Mit Bangen sahen die Verteidiger der Nacht entgegen. Auch Chokariga wußte gegenüber dieser schlau erdachten Angriffsweise des listenreichen Sastawura dem Kommandanten keinen Rat zu geben, wie man die Rothäute, die langsam die hölzerne Mauer noch näher an die Gräben heranführten, vertreiben könnte.
So senkte sich denn die Dämmerung über das Fort herab. Bald war es so dunkel, daß die in großen Eisenkörben liegenden harzigen Scheite über den Palisaden angezündet werden mußten, damit die Wasserfläche der Gräben genügend beleuchtet würde, um die Rothäute unter Feuer nehmen zu können, sobald sie die Gräben zu durchschwimmen versuchten. –
Das nur mit Gras bedeckte Areal war infolge wochenlanger Trockenheit völlig ausgedörrt.
Der Abendwind kam von Westen und wuchs gegen zehn Uhr zum Sturm an.
Kapitän Steamer und seine Offiziere machten gerade kurz nach zehn Uhr einen Rundgang um die Wälle, als im Westen am Waldrand plötzlich Flammenzungen hochleckten und blitzschnell sich weiter und weiter ausbreiteten.
Der Sturm trieb das Flammenmeer des lodernden Grases auf den hölzernen Wall der Angreifer zu, die jetzt scharenweise dem Wald zu flüchteten, wobei sie von den Wällen aus mit Kartätschen beschossen wurden.
Sastawura und die Häuptlinge der Schoschonen und Utahs sahen ihre Krieger zu Dutzenden hingemäht werden. Ein anderer Grasbrand hatte auch auf der Ostseite des Forts kurz darauf sich weit und schnell ausgedehnt und es den Rothäuten unmöglich gemacht, sich hinter der hölzernen Mauer ostwärts zurückzuziehen.
Der Oberhäuptling der Sioux begriff nicht, wer sich durch die Wachen bis an die Waldränder vor geschlichen und die Feuer angelegt haben könnte. Zwei Männer mußten es mindestens sein, die den Belagerern diesen heißen blutigen Streich gespielt hatten. Sofort ließ Sastawura nun die Wälder sorgfältig absuchen. Mit Harzfackeln prüfte er selbst die Stellen, wo die Brände angelegt worden waren. Er sah, daß hier jede Spur sorgfältig verwischt worden war. So konnte er sich denn keinen Aufschluß darüber verschaffen, wem er diese Verluste – etwa hundertvierzig Rothäute waren tot oder verwundet – verdankte.
Zu seiner namenlosen Wut machte ein Teil der Besatzung des Forts nun auch einen Ausfall und kippte die meisten Schutzwände um. Er sah sich vorläufig so um den Erfolg seiner List betrogen. Sofort ließ er jedoch neue Balkenwände herstellen, die bis zum Morgen fertig sein würden. Dann gab es für die geheimnisvollen Gegner, die den Grasbrand entfacht hatten, keine Möglichkeit mehr, in ähnlicher Weise seine Pläne zunichte zu machen.
4. Kapitel
Felsenherz am Marterpfahl.
Keine anderen als Felsenherz und Jack Router waren es gewesen, die den verbündeten Angreifern diese Schlappe zugefügt hatten.
Zur großen Freude des blonden Jägers war er noch in der Nacht mit Jack, der den Sioux gleichfalls entkommen war, am Bach zusammengetroffen. Jack wußte, wo man eine Patrouille des Forts, die sich vor den nahenden Sioux verborgen hatte, treffen würde. So hatten sie sich denn beritten gemacht und waren mit vier Leuten der Patrouille der Abteilung der Sioux gefolgt, die Sastawura am Bach zurückgelassen hatte, um die Flüchtlinge aufzustöbern und einzufangen. So waren sie auch gerade zur rechten Zeit in der Nähe des Forts angelangt und konnten durch den Grasbrand die Rothäute hinter den Schutzwänden hervorjagen.
Felsenherz hatte sich, nachdem er allein am Westrand der Wälder die trockenen Gräser an mehreren Stellen in Brand setzte, auf eine uralte Eiche geschwungen, um von dort den Erfolg des kühnen Unternehmens zu beobachten.
Er hatte dann auch gesehen, wie Sastawura nach den Spuren der Leute suchen ließ, die die Indianer vor die Kanonen des Forts getrieben hatten.
Er fühlte sich in dem dichten Laubdach völlig sicher. Bald verschwanden die Roten denn auch wieder, da jetzt die Kanonen mit Vollkugeln die Büsche an der Waldgrenze bestrichen, wobei abermals einige der Belagerer verwundet und getötet wurden.
Er hatte mit Jack und den vier anderen Kavalleristen ein Zusammentreffen um Mitternacht am Südufer des Smoky Hill verabredet. Da er nur den Fluß zu durchschwimmen brauchte, blieb er in der Krone der Eiche, bis er die Zeit für gekommen hielt, wo er den Fluß überqueren mußte.
Zu seinem Schreck merkte er dann allerdings, daß jetzt gerade eine Abteilung Schoschonen, die hier im Westen lagerten, ganz in der Nähe Tannen zu fällen begannen.
Inzwischen war die Mondsichel am Himmel erschienen und hatte die Dunkelheit in eine matte Dämmerung verwandelt. So durfte er es denn nicht wagen, die Eiche zu verlassen. Die Schoschonen tauchten alle Augenblicke ganz dicht an der Eiche auf.
Noch gefährlicher wurde des Trappers Lage, als nun sogar drei Krieger, um Eichenäste abzuschlagen, die sie für den Bau der Schutzwände verwenden wollten, die Eiche erklommen.
Immer höher mußte er in der Baumkrone emporklimmen. Das Unglück wollte es, daß er dabei in der Dunkelheit auf einen morschen Ast trat und, ehe er sich noch mit den Händen festhalten konnte, in die Tiefe sauste.
Zweimal schlug er dabei mit dem Kopf gegen dicke Zweige. Halb betäubt landete er schließlich im Gestrüpp unterhalb des Baumes, wo bereits ein Dutzend Schoschonen sich bereithielten, den verhaßten Feind in Empfang zu nehmen.
Wie eine Hundemeute über den ermatteten Keiler, so stürzten sich jetzt die Krieger auf den berühmten Jäger.
Was half es, daß er, der halb Bewußtlose, mit den Fäusten doch noch drei der Gegner niederschlug? Die Übermacht siegte.
Im Triumph schleppten die Schoschonen nun ihren mit Lassos gefesselten Gefangenen weiter nach Norden zu in eine große Waldlichtung, wo für die Häuptlinge drei Lederzelte errichtet worden waren.
Sastawura und die Häuptlinge der Schoschonen und Utahs saßen hier in finsterem Schweigen um ein Feuer herum. Vorhin hatte eine der Kanonenkugeln sich sogar bis hierher verirrt und eine blutige Gasse in die in der Lichtung weidenden Mustangs gerissen.
Kaum hatte der Oberhäuptling der Sioux den Trapper erkannt, als er auf den Wehrlosen zuschnellte und brüllte: „Hund von einem Blaßgesicht, du warst es, der den Grasbrand angefacht hatte! Stirb, damit deine Knochen noch in dieser Nacht die hungrigen Präriewölfe benagen können!“
Sein Tomahawk blitzte im Licht der Lagerfeuer über Felsenherz Kopf.
Da sprang Orabaru, der Häuptling der Schoschonen, dazwischen und packte Sastawuras erhobenen Arm.
„Mein roter Bruder hat kein Recht auf den großen Jäger!“, sagte er kurz. „Meine Krieger nahmen Felsenherz gefangen! Der berühmte Trapper wird sofort am Marterpfahl wie ein Weib vor Angst winseln.“
Sastawura trat zurück. Er war einverstanden, daß Felsenherz den qualvollen Tod erleiden sollte, den selbst das blutgierige Hirn einer Rothaut nur irgend ausdenken kann.
Ein dichter Kreis von Kriegern der drei verbündeten Stämme hatte sich um die Häuptlinge gebildet. Lautes Beifallsmurmeln wurde hörbar, als Orabaru, der Starke Bär, jetzt befahl, den Trapper aufrecht an die nächste Eiche zu binden.
Felsenherz’ Schicksal schien besiegelt. Er wußte, daß er hier auf Erbarmen nicht zu rechnen hatte und daß niemand da war, der ihn befreien könnte. Für ihn galt es jetzt nur, den Rothäuten zu beweisen, wie eines der verhaßten Blaßgesichter dem Tode kühn und kalt entgegenschaute und daß kein Wort, kein Ausdruck der Qual ihre satanische Freude noch erhöhen würde.
Wie immer in solchen Fällen mußten zuerst die jüngsten Krieger durch Würfe mit dem Messer und dem Tomahawk das Opfer zunächst einschüchtern.
Zischend und krachend bohrten sich die langen Jagdmesser und die wirbelnden Schlachtbeile haarscharf neben dem Kopf des Gefangenen in die Rinde der Eiche ein.
Felsenherz zuckte mit keiner Wimper, wenn die kraftvoll geschleuderten Waffen verderbendrohend auf ihn zusausten. Seine unerschütterliche Ruhe übte schließlich doch auf diese von wildem Weißenhaß fast sinnlosen Naturkinder, denen Todesverachtung als höchste Tugend galt, eine gewisse Wirkung aus.
Der Schoschonenhäuptling Orabaru wollte dann gerade, nachdem dieses Vorspiel zu der eigentlichen Marterung etwa zehn Minuten gedauert hatte, den Kriegern befehlen, um die Eiche herum Reisig anzuhäufen, um durch die Hitze und den Rauch die Qualen des Trappers nachher noch zu steigern, als oben in der Eiche ein lautes Brummen hörbar wurde.
Dort stand auf einem dicken Ast ein Grislybär, dieses gewaltige Tier der nordamerikanischen Wildnis. Seltsamerweise schauten die Rothäute nur flüchtig nach oben. Sie wußten ja, daß es nur der Medizinmann der Utahs war, der sich stets in einem Bärenfell zu zeigen pflegte.
Jetzt flog Reisigbündel auf Reisigbündel dicht an den Baum um den Gefangenen herum. Nur eine Stelle blieb frei, damit man zu dem Opfer hin eine freie Gasse hatte. Sollten doch nunmehr die älteren Krieger sich als Beil- und Messerschleuderer versuchen und dem Trapper dabei zwar Wunden beibringen, doch nur solche, die nicht tödlich waren.
Ein brennender Ast entzündete dann die trockenen Äste und Zweige. Knisternd leckten die Flammen hoch. Im selben Moment glitt der Bär hinter dem Gefangenen am Eichenstamm zu Boden. Wie ein Hauch nur trafen Felsenherz Ohr die Worte: „Mein Bruder mag warten! Ich werde den heiseren Schrei des Adlers ausstoßen, wenn er fliehen soll.“
Der angebliche Medizinmann der Utahs war kein anderer als Chokariga, der Schwarze Panther, dem Jack Router noch rechtzeitig ins Fort die Nachricht hatte bringen können, daß Felsenherz sich in ernstester Gefahr befände. Chokariga hatte daraufhin sofort das Fort auf dem Wasserweg verlassen und im Wald zufällig den Schamanen der Utahs getroffen, den er rasch durch einen wohl gezielten Messerstich beseitigte und mit dessen Bärenfell er nun die Rolle des Toten weiterzuspielen gedachte.
5. Kapitel
Felsenherz rettet das Fort.
Der Bär schlüpfte nun um den Baum herum und begann rund um das Feuer einen jener Beschwörungstänze, mit denen die Priester der Indianer die Gunst Manitus für ein bevorstehendes Unternehmen zu erlangen suchen. Daß er dabei die Flammen der lohenden Reisigbündel zum Teil niedertrat, schien ein Zufall zu sein.
Chokariga machte seine Sache so geschickt, daß die Menge der Rothäute nicht den geringsten Verdacht schöpfte. Ebenso geschickt ließ er nun sein gefülltes Pulverhorn in die Flammen gleiten, so daß es hinter Felsenherz, der durch den Baum vor den Folgen der Explosion geschützt sein wurde, sehr bald mit großer Kraft in die Luft gehen mußte.
Sastawura dauerte der Beschwörungstanz zu lange.
„Der Medizinmann mag Manitu auf andere Weise bitten, daß er uns das Fort erobern läßt“, rief er dem angeblichen Utah zu. „Felsenherz soll sterben, bevor noch die Morgendämmerung anbricht. Die Krieger werden jetzt –“
In diesem Augenblick entzündete sich das Pulver des Horns und mit furchtbarem Krach flogen die Brände auseinander. Die umstehenden Rothäute wurden in wirrem Haufen übereinander geschleudert, während die anderen angstvoll zurückwichen.
Felsenherz wartete das Signal seines roten Bruders, der beim Hinabrutschen am Stamm seine Fesseln durchtrennt hatte, nicht ab.
Ein langer Satz – und er befand sich mitten zwischen den Feinden, bahnte sich mit den Fäusten eine Gasse und war in wenigen Sekunden im Wald verschwunden.
Sastawura hatte sich zuerst wieder vom Schreck erholt, jagte hinter dem Flüchtling her und rief seinen Kriegern zu: „Der Medizinmann ist ein Verräter! Nehmt ihn gefangen!“
Das wahnwitzige Wutgebrüll der Roten erfüllte die Lichtung. Doch der Bär war längst hinter die nächsten Bäume geschlüpft und konnte nicht mehr eingeholt werden.
Felsenherz stürmte schleunig dem Fort zu. Aber der riesige Sastawura war ihm dicht auf den Fersen. Der Oberhäuptling der Sioux gehörte zu den schnellfüßigen Leuten seines Stammes. Näher und näher kam er dem Trapper, der sich vorhin beim Sturz von der Eiche das eine Bein etwas verletzt hatte und daher nicht imstande war, seine volle Beweglichkeit zu entfalten.
Felsenherz blieb plötzlich stehen, bückte sich und hob einen Stein von Kindskopfgröße auf, wich rasch zur Seite, ließ das Schlachtbeil an sich vorüberwirbeln und traf den blindlings Heranjagenden mit dem Steingeschoß, das er mit voller Wucht dem Oberhäuptling gegen das rechte Knie schleuderte, so daß dieser kraftlos umknickte
Im Nu war der Trapper neben ihm, schmetterte ihm die Felsenfaust gegen die Schläfe und floh, den Bewußtlosen über der Schulter weiter dem Fort zu, kam an den umgestürzten Balkenschutzwänden vorüber, sah sich von einer Abteilung der Besatzung freudig empfangen, die der Kommandant für alle Fälle ins Gebiet vor dem Fort geschickt hatte und traf hier auch mit Chokariga zusammen, dem er nun den gefangenen Oberhäuptling überließ.
Er selbst wandte sich an den Offizier, der die Abteilung befehligte, und entwickelte ihm kurz seinen Plan, wie man die Belagerer mit ihren eigenen Waffen schlagen könnte.
Die Rothäute, die sich aus dem Wald herausgewagt hatten, wurden durch zwei Kartätschenschüsse zurückgescheucht. Bald fand sich nun auch Kapitän Steamer hier ein. Er billigte des Trappers Vorschlag, ließ rasch zwei der Kanonen aus dem Fort bringen, die dann nach Norden zu unweit des Waldrands hinter den Balkenwänden, die man zu einem langen Viereck zusammenschob, in Stellung gebracht wurden.
Dreimal versuchten die Rothäute dieses durch Angriffe zu verhindern. Doch gegenüber dem Geschoßhagel der Geschütze konnten sie nicht standhalten. Stets flüchteten sie wieder in die Wälder zurück.
Felsenherz blieb mit dreißig Mann in der auf diese Weise angelegten starken Verschanzung zurück und gab von hier aus auf den Waldrand in kurzen Pausen immer wieder Kanonenschüsse ab, so daß die verbündeten Indianer gar nicht dazu kamen, neue Balkenwände zu errichten, die sie jetzt ja nur tief im Waldinnern hätten herstellen und dann durch den Wald hätten vorrollen müssen, was des dichten Baumwuchses wegen unmöglich war.
So brach der Tag an. Zwischen dem Fort und der Verschanzung fand ein ungehinderter Verkehr statt, da die Angreifer sich immer weiter in das Dickicht zurückgezogen hatten. So konnten die übrigen Balkenschutzwände auf einer Stelle zusammengeschleppt und verbrannt werden. –
Im Lager der Verbündeten hatte sich jetzt die ursprüngliche Siegeszuversicht in tiefe Niedergeschlagenheit verwandelt. Sastawura, die Seele des ganzen Unternehmens, fehlte, befand sich in den Händen der Blaßgesichter. Orabaru der Schoschonenhäuptling, wollte nicht noch mehr seiner Krieger opfern, da er am Erfolg eines neuen Angriffs zweifelte. Auch die Utahs zeigten wenig Neigung, sich nochmals dem Kartätschenhagel auszusetzen.
In dieser Stimmung erhielten die beiden Häuptlinge dann von den ausgestellten Wachen die Meldung, daß Felsenherz und Chokariga als Unterhändler am Waldrand die Anführer der Belagerer erwarteten. Orabaru und der Utahhäuptling sowie zwei der ältesten Siouxkrieger begaben sich denn auch dorthin und ließen sich nun durch des berühmten Trappers eindringliche und wohlgesinnte Worte leicht überzeugen, daß alle Versuche, das Fort zu erobern, fehlschlagen mußten.
„Ich bin stets ein Freund der roten Männer gewesen“, sagte Felsenherz in seiner würdigen Art. „Ich weiß, daß sie um ihre Jagdgründe kämpfen, um ihre Freiheit! Ich bedaure, daß sie immer mehr Land einbüßen. Aber hier ist jedes Opfer umsonst gebracht. Fort Wallace ist nicht zu nehmen! Kehrt heim in eure Dörfer und begrabt das Kriegsbeil, lernt zu leben, wie die Farmer leben, lernt durch Arbeit dem Boden Schätze abringen, sucht euch der vordringenden Kultur anzupaßen! Ich habe gesprochen. Ich bin Felsenherz, und ich meine es ehrlich mit den roten Kindern Manitus. Sastawura soll frei sein, wenn ihr mit uns Frieden schließt!“
Zwei Stunden später zogen die Verbündeten denn auch wirklich ab. Sastawura war, wie der blonde Trapper es versprach, freigelassen worden. Obwohl er so Felsenherz sein Leben verdankte, denn Kapitän Steamer hatte ihn erschießen lassen wollen, konnte der Oberhäuptling es Felsenherz doch nicht vergessen, daß hauptsächlich durch dessen Eingreifen der Anschlag auf das Fort mißglückt war. Was ihm dann seine hinterlistigen Rachepläne gegen den Trapper und den edlen Komanchen eintragen, soll im folgenden Band berichtet werden.
Nächster Band:
Anmerkung:
1 Vorlage: Schoschoninn