Napoleon war ein grosser Jagdliebhaber, aber ein schlechter Schütze. Von einem Fehlschuss, den er einmal als Kaiser tat, erzählt man sich eine ergötzliche Geschichte, die zugleich seine Eitelkeit und sein Selbstbewusstsein kennzeichnet. Auf einer Jagd in dem bei Paris gelegenen Parke von Fontainebleau sollte ein Hirsch dem Kaiser vor die Büchse getrieben werden. Aber es gelang nicht, den Hirsch dem Kaiser zu Schuss zu bringen. Schliesslich wurde der Kaiser ungeduldig, bestieg in sehr schlechter Laune sein Pferd und ritt davon. Kaum hatte er sich entfernt, als der Oberjägermeister in das Dickicht eindrang und den Hirsch mit einem wohlgezielten Schuss niederstreckte. Darauf wurde der Hirsch in aller Eile sehr geschickt an einer geeigneten Steile mit Hilfe von Gabelzweigen so aufgestellt, dass einige Büsche ihn halb verdeckten. Ein reitender Bote eilte nunmehr dem Kaiser nach mit der Meldung, der Hirsch sei schussgerecht eingekreist. Napoleon kehrte auch wirklich um und feuerte auf ziemlich weite Entfernung auf das natürlich unbeweglich dastehende Ziel, das auch sofort zusammenbrach – weil eben ein hinter einem nahen Baum verborgener Jagdgehilfe die Stützen fortzog. Die Kugel des Kaisers war, womit die Eingeweihten gerechnet hatten, vollständig fehlgegangen. „Sire,“ meldete der Oberjägermeister vorschriftsmäßig, „der Hirsch ist tot.“ „Das will ich meinen!“ sagte Napoleon ruhig, besichtigte seine vor ihn hingeschleppte Jagdbeute und ritt dann befriedigt davon.
W. Kabel.
Anmerkung: