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Die große Null

 

 

Der Detektiv

 

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 111:

 

Die große Null.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte einschließlich Verfilmungsrecht vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1924.
Druck: Buchdruckerei P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

1. Kapitel.

Die Kreide-Nullen.

Harald Harst und ich waren vor drei Tagen nach Berlin zurückgekehrt. Unsere Versuche, in der Umgebung von Schloß Gnir in Schottland irgendeine Spur von Lionel Barring, diesem so äußerst gefürchteten und vielseitigen Verbrecher, zu entdecken, hatten keinerlei Erfolg gehabt. Barring, der ja eigentlich ganz anders hieß, war es geglückt, seine und seiner drei Komplicen Fährte so gründlich zu verwischen, daß wir schließlich die Jagd auf ihn aufgaben. Mochte sich die englische Polizei weiter um diese vier Leute kümmern. Wir hatten Sehnsucht nach unserem behaglichen Heim in der Blücherstraße 10 in Berlin-Schmargendorf. – Der Leser und Freund der Harald Harst-Abenteuer wird diese Sehnsucht begreifen. Das, was wir in Schloß Gnir erlebt hatten, war wirklich für unsere trainierten Nerven etwas viel gewesen. Im vorigen Band, Das Geheimnis der Tokkara-Höhlen, kann sich jeder selbst davon überzeugen.

Nun also wieder daheim – endlich wieder! – Ich atmete auf, als Harald mir in Gegenwart seiner Mutter erklärte, er würde jetzt eine volle Woche faulenzen und keinerlei Aufträge annehmen, mochte selbst der Maharadscha von Haidarabad, oder besser Seine Hoheit der Nizam, ihn mit einer Untersuchung eines „Falles“ beehren.

Allerdings – derartigen halben Schwüren Haralds ist nie recht zu trauen. Nie! Kommt dann jemand und trägt ihm eine Geschichte vor, die einige Überraschungen verspricht, so hat er seine selbstgewährten Ferien zumeist schnell gestrichen! –

Das Wetter in diesen Tagen war scheußlich. Der Winter wußte nicht so recht, ob er sich schon verabschieden oder nochmals die Berliner Straßen mit Schnee bedecken sollte, der ja leider infolge der Salzstreuung der Straßenbahnen gewöhnlich recht rasch zu einem lieblichen gelbgrauen Brei wird, vor dem kein Schuhwerk schützt.

So vergingen also wirklich drei Tage völligen Nichtstuns. Wir erholten uns nach Kräften. Ich nahm unheimlich an Gewicht und Umfang zu. – Am dritten Abend saßen wir in Haralds Arbeitszimmer und studierten die Zeitungen. Harst gähnte – gähnte in einemfort, reckte sich, warf halb aufgerauchte Zigaretten in die Aschenschale und benahm sich ganz so wie jemand, der sich sträflich langweilt.

Ich bekam es mit der Angst, denn – diese Anzeichen kenne ich! Ich wußte: er hatte die Ferien satt! Seine wieder ausgeruhten Nerven sehnten sich nach unserer Art von Morphium oder Kokain: nach hetzendem, wildem Erleben, nach Geistesarbeit, nach dunklen Zusammenhängen, in die nur sein Genie Licht bringen konnte. –

Ich hörte die treue alte Köchin Mathilde heimkehren. Sie schmetterte die Haustür offenbar wütend ins Schloß, stampfte den Flur entlang und verließ nach einiger Zeit abermals das Haus, kehrte wieder zurück, klopfte bei uns an und trat mit einem Scheuerlappen bewaffnet ein. Der Lappen tropfte. Die Tropfen fielen auf den roten Afghanteppich. Und Mathilde knurrte:

„Da schmiert uns jetzt jemand immer die Zaunlatten neben der Pforte mit so ne Kullers (sie meinte Kreise) mit weißer Kreide voll! Wenn ich die Bengels mal kriege, dann geht’s ihnen gut! Sie könnten doch eijentlich auch so’n bißchen aufpassen, Herr Schraut!“

„Das werde ich, liebe Mathilde,“ versicherte ich, zumal ich ja selbst schon heute vormittag diese „Kullers“ bemerkt hatte.

Harald legte plötzlich die Zeitung weg.

„Also Kreise waren’s, Mathilde?“ fragte er.

„Nee, so mehr längliche Kreise – so mit Haken oben rechts, wie man so in der Schule ne Null schreiben lernt, Herr Harald.“

„Und wieviel Nullen waren’s?“

„Vier. Eine große, und dann auf den nächsten drei Zaunlatten drei kleine.“

„Das stimmt,“ bestätigte ich ahnungslos. „Ich habe diese Zaunverzierung heute vormittag ebenfalls bemerkt, als ich den Brief an Lord John Gnirable in den Kasten trug.“

„Gut, Mathilde,“ nickte Harst da. „Wir werden uns der Sache annehmen.“

Und die dicke Köchin schob mit dem Scheuerlappen ab, den sie doch offenbar zur Reinigung des Zaunes benutzt hatte.

Kaum hatte sie die Tür hinter sich ins Schloß gezogen, als Harald zu mir sagte:

„Weiß Gott, mein Alter, ich bewundere Dich!“

Das war Ironie – beißende Ironie!

Und er fügte hinzu: „Hast Du denn Schloß Gnir in diesen Tagen schon so vollständig vergessen?! Denkst Du gar nicht mehr daran, daß Lionel Barring seine Verbrechergesellschaft „Die große Null“ getauft hatte, daß er und … drei seiner Vertrauten entkommen sind?! Er und drei … kleine Nullen!! Begreifst Du?! Die Malerei auf dem Zaun kann doch kein Zufall sein. Nein – das ist eine Kampfansage, eine …“

Im Flur hatte die Glocke geschellt.

Und gleichzeitig begann die Standuhr dort rechts an der Wand mit ihrem tiefen Gongton neun zu schlagen – neun Uhr abends … –

Wir lauschten.

Ein später Gast … Wer mochte es sein?

Mathilde schlurfte durch den Flur …

Wir hörten sprechen. Mathildes Stimme schwoll an:

„Und ich sage Ihnen, Herr Harst ist nicht zu Hause! Der is noch in Schottland.“

Wir lächelten: Mathilde, die unsere Ferien verteidigte.

Und – Mathilde siegte.

Die Haustür klappte zu. Die Sperrkette rasselte. Dann brachte die brave Alte einen Zettel.

„Da war eben ’n altes Männchen da,“ erklärte sie. „Er gab mir den Zettel. Er hat schnell was raufgeschrieben.“

Und sie verschwand wieder. –

Kritzliche Bleistiftzeilen:

Geehrter Herr H.! Die große Null hat sich bei mir gemeldet. – Ernst Wogitsch, Modelleur, Berlin C., Brückengang 6, 2 Treppen.

Harald warf den Zettel hin und lief hinaus – lief in den Vorgarten …

Ich ihm nach. Wir stürmten der eine nach rechts, der andere nach links die Blücherstraße hinab, riefen wiederholt:

„Herr Wogitsch – – Herr Wogitsch!!“

Ich hatte, durch Haralds jähe Lebendigkeit angesteckt, gar nicht mehr an unsere Ferien gedacht.

Ich dachte nur noch an den Modelleur Wogitsch, bei dem die große Null sich gemeldet hatte. Ich wollte Wogitsch kennenlernen! Er würde uns mitteilen, wie sich die große Null gemeldet hatte!

Zum vierten Male brüllte ich:

„Herr Wogitsch – – Herr Wogitsch!!“

Alles umsonst …

Und dabei konnte das alte Männchen sich doch noch gar nicht so weit entfernt haben.

Ein paar Leute schauten mir nach. Ein paar junge Burschen gröhlten spottend: „Wo – – gitsch! Wo – – gitsch!“

Schließlich kehrte ich um.

An der Pforte unseres Vorgartens traf ich mit Harald zusammen. Er war genau so außer Atem wie ich.

„Ich begreife nicht, wo er geblieben sein kann,“ meinte Harst keuchend. „Wenn Mathilde unser Haus nicht so energisch gegen diesen Besuch geschützt hätte, säße Wogitsch jetzt dort im Zimmer und wir könnten feststellen, was an ihm und seiner Meldung daran ist. So aber müssen wir nun nach dem Brückengang, übrigens ein uraltes Gäßchen am Berliner Rathaus. – Vorwärts. Machen wir uns fertig. Wenn wir ein Auto nehmen, sind wir vor Wogitsch dort und fassen ihn vor der Haustür ab.“

In drei Minuten waren wir bereit. – „Vergiß das Handwerkszeug nicht,“ sagte Harald noch, der jetzt offenbar keine Langeweile mehr verspürte.

Wir fanden ein Auto, fuhren die Berliner Straße, die Motzstraße entlang, – kamen in die Potsdamer, in die Leipziger.

Harald rauchte die dritte Mirakulum, pfiff hin und wieder die bekannten Takte aus Carmen:

„Auf – in den – Kampf – Torero[1] …“

Ich pfiff nicht. Nein, dazu hatte ich auch nicht die allergeringste Veranlassung. Lionel Barring ist kein Gegner, den man mit Operntakten begrüßt. Mir fiel die Szene in den Tokkara-Höhlen ein, wie die Boa mit dem Weiberkopf aus dem Dunkel hervorkroch, – Barrings Werk, Barrings Erfindung!

Ich pfiff nicht … Ich fühlte nur nach der Schlüsseltasche der Beinkleider, in der keine Schlüssel, sondern so ein kleines schwarzes, matt glänzendes Ding steckte. –

Das Auto hielt an der Jungfernbrücke.

Die letzte Strecke wollten wir zu Fuß gehen. Harald machte hier den Führer. Er kennt Berlin wie seine Westentasche.

Wieder kamen wir über eine schmale, alte, schlecht beleuchtete Holzbrücke – mehr ein Fußgängerbrücklein.

Dann der Brückengang. Am Hause links ein Warnungsschild „Einfahren verboten!“

Allerdings – hier in diesem Gäßchen mit dem kaum meterbreiten Bürgersteig konnten zwei Wagen einander nicht ausweichen.

Alt-Berlin …

Ja – das älteste Berlin umgab uns hier: Häuschen mit winzigen Fenstern und Türen, mit Dächern von den wunderlichsten Formen …

Totenstill war’s in dem Gäßchen.

Unheimlich still …

So, als müßten jeden Augenblick aus den uralten verwitterten Haustüren Männer in der Tracht aus den Zeiten des alten Fritz heraustreten und uns mit klappernden Skelettkiefern und mit einer Geste fleischloser Skeletthände begrüßen.

Nur ein Hund, ein gelbes, langhaariges Zufallsprodukt der Liebe eines Pudels und eines Teckels, stand versonnen mitten auf dem holprigen Fahrdamm und schien auf jemand zu warten.

Auch wir warteten vor Nr. 6, schlenderten auf und ab und beschauten uns immer wieder das engbrüstige, zweistöckige Häuschen, dessen Erdgeschoßfenster kaum ein Viertel Meter über dem Boden lagen und durch Holzladen von außen gesichert waren, – nur zwei Fensterlein, daneben die Haustür. Durch die Spalten der Laden drang Lichtschein und ein dumpfes Klopfen. Ein Blechschild über der Tür verhieß allen kranken Stiefeln baldige Heilung durch Schuhmachermeister Emil Rehbein.

Der Hund wartete und wir warteten.

Es wurde später und später. Der Hund gab das Warten auf und trollte mißmutig von dannen. Harst meinte, er habe über die Hundesteuererhöhung nachgegrübelt, die wieder die Zahl der ahnungslosen Hundefleischesser vermehren würde.

Harst war bei Laune und meine Uhr drei Viertel zehn.

Dann klopfte Harst an einen der Fensterladen. Jemand rief drinnen:

„Bist Du’s, Wogitsch?“

„Nein. Aber ich möchte Herrn Wogitsch dringend sprechen,“ erwiderte Harald recht laut.

Herr Emil Rehbein schloß die Haustür auf und beleuchtete uns mit seiner Schusterlampe.

Wir sahen einen kleinen, dürren, stark buckligen Mann mit einem verkniffenen, grämlichen Gesicht vor uns. Unter buschigen grauen Augenbrauen schillerten ein Paar schlaue mißtrauische Mauseäuglein.

„Wogitsch ist ausgegangen,“ sagte er. „Soll ich ihm etwas bestellen?“

„Nein. – Wissen Sie, wen Wogitsch besuchen wollte?“

„Ja. Herrn Harst, den Privatdetektiv.“

„Mein Name ist Harst, Herr Rehbein. Das da ist mein Freund Schraut.“

Der Bucklige machte sofort Platz. „Wollen die Herren nicht nähertreten? Bitte … Sie können ja bei mir warten. Bitte …“

 

2. Kapitel.

Die Kuckucksuhr.

Saurer Ledergeruch und der Duft einer kurzen Pfeife empfingen uns. Auf dem Arbeitstisch hockte eine zahme Dohle.

Rehbein schob uns zwei Stühle hin. Er selbst setzte sich auf seinen Schusterschemel. Sein kahler Schädel glänzte im Lichtschein der Gaslampe, die in Lyraform von der Decke des winzigen Raumes herabhing.

Harst erzählte, weshalb wir Ernst Wogitsch bisher nicht kennen gelernt hätten, und zeigte dem Buckligen auch den Zettel, fragte dann: „Was wollte Wogitsch bei mir?“

„Das weiß ich nicht, Herr Harst. – Wir sind ja alte Freunde, der Wogitsch und ich. Wir wohnen hier schon zwanzig Jahre. Ihm gehört auch das Haus. Sonst vertraut er mir alles an. Aber über seine letzte Bestellung tat er sehr geheimnisvoll. Er ist nämlich Modelleur für Wachsköpfe und Wachsfiguren, so eine Art Künstler in seinem Fach. Er steht mit dem ganzen Ausland in Geschäftsbeziehungen. Vor – ja vor fünf Tagen bekam er eine neue Bestellung aus Hamburg. Dem Briefe lag auch Geld bei. – Mehr kann ich darüber nicht angeben. Jedenfalls war Wogitsch seit heute vormittag dann sehr aufgeregt. Er sagte zu mir, daß es doch gut sei, wenn man eine Zeitung hielte, man erfahre dann doch so allerlei. Und heute abend, als er gegen acht ausgehen wollte, kam er noch zu mir und meinte: „Du, Rehbein, ich will mal zu Harald Harst. Bei der Geschichte stimmt was nicht!“ – Meine Fragen beantwortete er nicht. Er war wieder sehr aufgeregt.“

„Und Sie glauben, daß er bisher nicht heimgekehrt ist, Herr Rehbein?“

„Nein. Ich hätte ihm ja die Haustür aufschließen müssen. Wir haben nur einen Hausschlüssel.“

Die zahme Dohle schlug mit den Flügeln und krächzte.

„Still, Peter!“ rief der Schuster ärgerlich. „Still, Du Racker. Dein Herr wird schon kommen!“

Und zu uns: „Peter ist Wogitschs[2] Eigentum und seine einzige Freude. Sie sollen nur sehen, meine Herren, wie Peter sich freut, wenn Wogitsch ihn von hier abholt. Der Vogel hat wahrhaftig Menschenverstand.“

Rehbeins reiner Dialekt – er berlinerte nur ganz wenig – und seine gewandte Ausdrucksweise veranlaßten Harst zu der Frage, aus welcher Gegend der Schuster herstamme und ob er von jeher Schuhmacher gewesen.

Rehbein blickte vor sich hin und senkte etwas den Kopf. „Ich bin … ein Findling, Herr Harst,“ erwiderte er zögernd. „Ich wurde in Stettin in einem Hausflur als Säugling gefunden. Ich habe später das Gymnasium besucht. Aber meine Pflegeeltern konnten dann doch die Mittel nicht aufbringen, mich die Schule durchmachen zu lassen. Ich … ich ging zur See und wurde Matrose, lernte so nebenbei die Schuhmacherei …“

All das klang ganz so, als ob Rehbein vieles verschweigen wollte, was seine Vergangenheit betraf.

Die Dohle meldete sich abermals, und hierdurch wurde der Schuhmacher offenbar daran erinnert, daß sein Freund Wogitsch doch längst hätte heimgekehrt sein müssen.

„Wo er nur bleibt?!“ meinte er nachdenklich. „Wogitsch geht ja nie abends allein aus, nie, höchstens mit mir zusammen mal in ein Kino, wenn es ein Seestück gibt.“

„War er denn auch Matrose wie Sie, Herr Rehbein?“

„Ja …“ – Das klang wieder sehr, sehr zögernd.

Wir schwiegen eine Weile. Die Dohle bearbeitete ein Stück Pech mit dem Schnabel. Dann schlug die Kuckucksuhr in der Werkstatt halb elf – zwei Kuckucksrufe.

Ich zog unwillkürlich meine Taschenuhr. Und die zeigte erst ein Viertel elf.

„Ihre Uhr da geht falsch,“ meinte ich und blickte wieder den Buckligen an.

Und – – erschrak …

Rehbein stand jetzt aufrecht – leichenblaß –, stierte nach links, wo die Uhr hing.

Sein Aussehen verriet ein Entsetzen, das ich nicht begriff, für das ja keinerlei Veranlassung gegeben war.

Die Dohle wiederholte täuschend ähnlich den zweimaligen Kuckucksruf …

„Still!“ keuchte der Schuster. „Still, Peter! Du ahnst nicht, daß …“

Er brach ab, sank auf den Schemel zurück, streichelte geistesabwesend den Vogel und schielte wieder scheu nach der Schwarzwälder Uhr hin.

Und – jetzt erst – jetzt erst sah ich, daß die weißen Zeiger dieser Uhr ebenfalls ein Viertel elf anzeigten.

Eine fast unheimliche Stille entstand.

Nur die Uhr tickte laut …

Dann räusperte Rehbein sich.

„Hm – die Herren werden schon entschuldigen … Ich muß schlafen gehen …,“ sagte er leise.

„Und wie kommt Ihr Freund ins Haus?“ fragte Harald scheinbar gleichmütig.

„Ich … ich lege ihm den Schlüssel unter die Türschwelle draußen.“

„Sie wollen uns … los sein!“ erklärte Harst da schärferen Tones. „Sie wollen … nach oben zu Wogitsch!“

Der Bucklige kroch vor Verlegenheit förmlich in sich zusammen.

„Wogitsch ist doch gar nicht oben,“ murmelte er und streichelte wieder nervös die Dohle.

„Ich glaube doch, Herr Rehbein!“

„Aber – aber, wie … wie kommen Sie denn darauf, Herr Harst?!“

„Weil … die Uhr schlug …!“

Rehbein schnellte hoch, stammelte: „Die … die Uhr?! Wie … wie meinen Sie das?“

„Nun, ich sehe da zwei dünne, dunkel besponnene Drähte an der dunklen Tapete von der Uhr zur Decke und von da durch die Decke laufen, Herr Rehbein. Ich wette, daß der Mechanismus des kleinen Blasebalgs, der den Kuckucksruf erzeugt, elektrisch eingeschaltet werden kann … als Signal vielleicht.“

Der Bucklige hatte den Kopf weit vorgereckt, hatte jedes Wort von Haralds Lippen abgelesen.

Sein fahles Gesicht bekam wieder Farbe. Aber – dicke Schweißperlen traten ihm gleichzeitig auf die Stirn.

Dann ballte er die dürren, aber auffallend gut gepflegten Hände zu Fäusten, als wollte er sich mit aller Gewalt zur Ruhe zwingen.

Und lächelte verzerrt, stotterte:

„Ja, ja, es … es ist ein Signal, Herr Harst, – ganz recht! Wogitsch ist doch zu Hause! Ich … ich muß ihn dann wohl doch nicht gehört haben, wie er heimkehrte.“

„Hm – ich denke, die Haustür war verschlossen, und Sie beide haben nur einen Schlüssel?! Wer wohnt denn noch hier im Hause?“

„Niemand … Die drei Stuben im ersten Stock sind zu … zu baufällig, um noch vermietet zu werden.“

Harald stand langsam auf.

„Herr Rehbein,“ sagte er ernst, „vielleicht hat das Haus noch einen zweiten Zugang …“

Der Schuster lächelte blöde. „Nein – nein, Herr Harst. Das Grundstück hat nicht mal einen Hof und stößt hinten an ein großes Fabrikgebäude.“

„Nun, Herr Rehbein, wenn Ihr Freund daheim ist, können wir ja nach oben gehen.“

Der Bucklige krümmte sich wie unter körperlichen Schmerzen. „Ich – ich möchte ihn … ihn erst vorbereiten, daß Sie hier sind, Herr Harst,“ stieß er hervor. „Wogitsch liegt vielleicht schon im Bett.“

„So?! Und dann gibt er Ihnen ein Signal?“

„Ja … Weil er mich sprechen will.“

„Ah – jetzt haben Sie endlich eine Ausrede gefunden, Herr Rehbein! Er will Sie sprechen!! – Wissen Sie, wer ich bin?! Mich belügt man nicht! Mich nicht!“

„Gut – gut, gehen wir nach oben!“ sagte der kleine Mann jämmerlich. „Gehen wir … Vielleicht ist es auch besser … Vielleicht …“

Und er trippelte an einen alten Schrank neben dem riesigen Kachelofen, öffnete die Tür und faßte hinein …

Harst war mit einem schnellen Schritt hinter ihm.

Aber Rehbein schlug die Tür zu, fauchte wütend:

„Ha – was soll das?! Ist das …“

Harald schob ihn beiseite, hielt ihn mit der Linken fest und riß die Schranktür auf.

Ich war neugierig näher getreten.

Ich sah, daß der Schrank mit … einer Unmenge Waffen aller Art gefüllt war – alles entweder Büchsen und Pistolen älterer Konstruktion oder Waffen von Naturvölkern: Speere, Wurfbeile, Dolche, gebogene malaiische Kris und anderes mehr.

Ich war so überrascht, daß ich erst diese Waffensammlung und dann den buckligen, armseligen Schuster sprachlos anstarrte.

Wie kam der Alte zu diesen kriegerischen Werkzeugen?!

Da rief er schon, und seine Stimme klang geradezu herrisch, während die Mauseäuglein drohend aufblitzten:

„Sie tun ja, als wäre ich ein Verbrecher, Herr Harst! Lassen Sie mich los! Ist das überhaupt eines gebildeten Menschen Art, mich hier in meiner Wohnung …“

Harald hatte ihn freigegeben.

„Entschuldigen Sie, Herr Rehbein,“ sagte er höflich. „Schraut und ich sind stets vorsichtig. Wer konnte wissen, was Sie aus dem Schranke herausholen würden?!“

„Eine Waffe …!“ fauchte der Bucklige wieder. Er war wie verwandelt. Aus dem mageren, greisenhaften Gesicht leuchtete eine Energie, die mich in Staunen setzte.

„Eine Waffe für den Gang nach oben,“ nickte Harald wie verstehend. „Bitte – nehmen Sie sich eine heraus, Herr Rehbein.“

Der Bucklige zauderte. Dann langte er in den Schrank hinein und ergriff eine an einem Nagel hängende doppelläufige Pistole mit reich verziertem Kolben.

Harald hatte gleichzeitig in die Ulstertasche gefaßt und die Clement hervorgeholt.

Die Sicherung sprang mit leisem Knacken zurück.

Rehbein blickte hin. Sein Gesicht verzog sich.

„Haben Sie Angst vor mir, Herr Harst?“

„Auch eine Vorderladepistole, wie die Ihre da, macht Löcher, Herr Rehbein.“

„Allerdings …“ Und des Schusters Augen flammten auf – – erloschen wieder.

Es war ein seltsames Männchen.

„Gehen wir!“ sagte er dann.

Und er nahm die Petroleumlampe vom Arbeitstisch, setzte sich die zahme Dohle auf die Schulter und trat in den dunklen Flur hinaus.

Wir folgten ihm.

Er zog den von innen steckenden Schlüssel aus dem Schloß der mit großen eisernen Zierbuckeln dicht beschlagenen, sehr dicken Haustür. Das Schloß, ein modernes Kunstschloß mit kompliziertem Schlüssel, amerikanisches Fabrikat.

Harst meinte harmlos: „Das Schloß ist gut.“

„Das ist es. – Kommen Sie, meine Herren …“

 

3. Kapitel.

Unter dem Baldachin.

Die Wände im Flur waren ebenso schadhaft wie die schmale hölzerne Treppe.

Ich ging als letzter hinterdrein. Harald hatte noch seine Taschenlampe eingeschaltet, hielt sie in der Linken, in der Rechten die Clement.

Rehbein, der weiche Filzschuhe anhatte, trat sehr leise auf, zeigte uns die Stufen, die knarrten, und flüsterte:

„Setzen Sie hier den Fuß ganz an der Seite auf.“

Diese Warnung war vielsagend. Ich wußte jetzt: Der Schuster rechnete damit, daß wir oben ungebetene Gäste antreffen würden!

Die ganzen Umstände dieses Emporklimmens zum zweiten Stock des uralten Häuschens hatten meine Nerven längst in jenen Zustand erhöhter Reizbarkeit gebracht, der mir nichts Fremdes ist, der für Harald sogar zum Wohlbefinden ebenso notwendig ist, wie für andere etwa ein Spaziergang ins Freie.

Nun die letzten Stufen …

Wieder warnte Rehbein: „Diese knarrt – – leise!!“

Harald drehte den Kopf zurück …

Sah mich an … –

Oben ein kleiner Vorflur, zwei Türen mit abgeblättertem braunen Anstrich, wie im ersten Stock.

Rehbein blieb stehen, machte uns ein Zeichen, flüsterte:

„Horchen wir …!“ –

Horchen?! – Also hatte ich richtig vermutet: Der Bucklige vermutete hier Einbrecher!

Harst flüsterte zurück: „Sie sind sehr rücksichtsvoll, wenn Sie Ihren Freund besuchen – sehr!“

Rehbein zuckte die Achseln …

Da begann die Dohle zu kreischen, flog auf – flog gegen die Tür rechts und setzte sich auf den altertümlichen großen Drücker.

Der Bucklige fluchte …

Packte den Vogel, schob den Drücker herab und stieß mit dem Fuße die Tür auf.

Ein ärmlich eingerichtetes Hinterstübchen war’s. In einer Ecke ein Rahmenbett, das aufrecht an die Wand gelehnt war. In der Mitte ein großer Tisch mit allerhand Werkzeugen, Wachsabfällen, Tiegeln und Schüsseln. Ein Schrank noch, zwei Stühle und ein kleines Sofa.

Das war alles. –

Rehbein hatte sich hier schnell umgesehen und hatte dann die Verbindungstür nach dem Vorderzimmer geöffnet.

Furchtlos trat er ein.

Ich jedoch blieb auf der Schwelle stehen – mehr überrascht als erschrocken …

Der Lichtschein der Petroleumlampe und der weiße Strahlenkegel der elektrischen Leuchte zeigten mir an den Wänden aufgereiht eine Menge von Wachsfiguren aller Art: Damen in Ballkleidern, Sportanzügen und anderen Kostümen, ferner Männer in allerlei Trachten, selbst Chinesen, Japaner, Neger und ein Eskimo in Pelzen fehlte nicht.

Es war ein Wachsfigurenkabinett, nichts anderes.

Im übrigen war der Raum leer.

„Wogitschs Musterkollektion,“ flüsterte der bucklige Schuster und schritt weiter zur gegenüberliegenden Tür.

Dann blieb er plötzlich stehen, – – taumelte …

Hielt sich an der Türbrüstung fest, deutete auf den Fußboden …

Da lag etwas Dunkles, etwas, in dem das Licht sich schwach widerspiegelte …

Es war Blut – eine große, frische Blutlache … –

Rehbein bewies, daß Blut ihn nicht schreckte.

Er war zwar blaß geworden, hatte für Sekunden die Fassung verloren, raffte sich ebenso schnell wieder auf und … stieß wortlos auch diese Tür auf.

Das Zimmer bot genau denselben Anblick wie der Nebenraum, den wir soeben durchschritten hatten. Es enthielt[3] nur Wachsfiguren!

Die Fenster waren auch hier dicht verhängt. Wollene Decken waren an Ringen als Vorhänge benutzt worden.

Harald blieb jetzt zurück, ließ mich vorüber.

Rehbein stand und blickte sich suchend um.

Ich sah da unter einer Art Baldachin aus schwerer chinesischer Seide die Wachsfiguren zweier bärtiger Männer mit breiten roten Schärpen, mit Pistolen in diesen Schärpen, mit breitrandigen Strohhüten auf dem Kopf …

Rehbein flüsterte hastig:

„Hier ist niemand. Gehen wir in die Küche …“

Harst, der noch auf der Türschwelle stand, versperrte dem Buckligen den Weg.

„Ich denke, Herr Rehbein, Sie sagen uns jetzt die Wahrheit,“ meinte er. „Sie haben doch von vornherein gewußt, daß hier Dinge geschehen sind, die ihre gefährliche Seite haben. Der doppelte Kuckucksruf war ein Signal, aber – – ein Notschrei!! Das ist’s!“

Der kleine Schuster wollte etwas erwidern …

Plötzlich aber schoß die Dohle mit schnellen Flügelschlägen an ihm vorüber und auf den Baldachin zu, schlüpfte hinter dessen bauschige Rückwand, so daß die gelbe Seide sich bewegte …

Und kreischte … kreischte ohne aufzuhören …

Kreischte kläglich …

Harst war vorwärts geeilt …

Riß den Seidenstoff hinter dem Holzsockel, auf dem die beiden Bärtigen standen, hoch und … enthüllte so den Körper eines Greises mit dünnem, grauem Bart …

Rehbein trat näher.

Er wankte bei dem Anblick des in einen schäbigen Mantel eingeknöpften Mannes …

„Wogitsch!!“ gurgelte er hervor. „Ernst … Wogitsch!“

Auf der Schulter des Wachsmodelleurs saß die Dohle und schmiegte ihren Kopf an die bärtige Wange des … Toten …

Ja – Wogitsch war tot.

Die klaffende Wunde am Halse lag über dem Rande des blutbefleckten Gummikragens frei.

Harst bückte sich, hob die eine Hand des Toten auf, ließ sie wieder zurückfallen.

„Suchen wir weiter,“ sagte er nur.

Auch der Seidenstoff sank herab und bedeckte die Leiche.

Harst nahm Rehbein beim Arm.

„Kommen Sie …!“ –

Küche und das spärliche Nebengelaß boten nichts Besonderes. Nirgends fanden wir eine Blutspur. Nur die eine Lache im ersten Wachsfigurenraum deutete auf das hier begangene Verbrechen hin.

Schweigend hatten wir nun wieder das Wohngemach betreten.

Harst lehnte sich an den Ofen.

„Haben Sie mir nichts zu sagen, Herr Rehbein?“ fragte er eindringlich.

Der Bucklige stellte die Lampe auf den Tisch. Sein Gesicht war völlig verändert – leichenhaft, starr.

„Was wollen Sie wissen?“ fragte er trotzdem mit fester Stimme.

„Zunächst die Wahrheit über das Signal …“

Der Schuster schien zu überlegen.

„Wer auf die Schwelle der Küchentür tritt,“ erwiderte er dann, „stellt den elektrischen Kontakt her, und der Kuckuck ruft zweimal.“

„Also ein Alarmsignal …?“

„Ja …“ – Man merkte, wie sehr dieser merkwürdige Schuhmacher sich hatte überwinden müssen, diese Antwort zu geben.

„Weshalb fürchteten Sie sich denn so sehr vor … Einbrechern, Herr Rehbein?“ – Harsts starre Augen hielten den Buckligen wieder völlig in Bann. Rehbeins Benehmen war jetzt abermals von der Höhe selbstbewußter Energie hinabgesunken zu scheuer Ängstlichkeit und Verlegenheit. Ja – es war ein recht rätselhaftes Gewächs dieser kleine Alte, dem der schmutzig-weiße Schnurrbart traurig um die Mundwinkel herabhing.

Rehbein suchte eine Weile nach einer glaubhaften Ausrede. Man sah ihm geradezu an, daß er sein Hirn nach einer schlauen Lüge zerwühlte.

Dann – hastig hervorgestoßen:

„Wogitsch und ich waren alt und hilflos … In der heutigen Zeit muß man sich sehr in acht nehmen. Die Unsicherheit ist so groß …“

Harald lachte ironisch. „Mein lieber Herr Rehbein, was Sie mir verschweigen, werden Sie der Kriminalpolizei wohl mitteilen müssen!“

Der Schuster schaute zu Boden, schwieg.

„Schraut,“ wandte Harst sich mir zu, „begleite jetzt Herrn Rehbein zum nächsten Polizeirevier, melde das Nötige und …“

Er warf mir einen Blick zu, den ich sofort verstand …

„… und bringe Herrn Rehbein wieder mit.“

Ich verstand: ich sollte den Buckligen nicht aus den Augen lassen! Harald fürchtete, er könnte zu entwischen versuchen! –

Rehbein ging wortlos vor mir die Treppen hinab.

Unten im Hausflur schloß er die Tür auf.

Ich trat als erster auf das stille Gäßchen hinaus. Ich glaubte sehr schlau zu handeln.

Aber – der Bucklige war noch schlauer.

Plötzlich erhielt ich einen Fußtritt gegen das rechte Knie, daß ich wie ein Ball auf den Fahrdamm flog.

Gewiß – ich war im Moment auf den Beinen …

Doch – das half mir wenig. Rehbein hatte die Haustür bereits zugeschlagen und von innen abgeschlossen.

Ich hämmerte mit den Fäusten dagegen. Ich hoffte, daß Harald es oben hören würde …

Ich schäumte vor Wut. Mich so überlisten zu lassen! Daß der Kerl mir auf diese Weise entschlüpfen würde, hätte ich auch nicht im entferntesten gedacht! –

Zwei jüngere Männer kamen die Gasse entlang.

Ich bat sie, die Polizei herbeizuholen. Sie zögerten erst noch. Als ich ihnen aber mitteilte, daß der hier Nr. 6 wohnende Wachsmodelleur Wogitsch ermordet worden sei, riefen sie in einem Atem: „Den kennen wir von Ansehen!“ Und der eine fügte hinzu: „Karl, dann lauf’ Du man zur Polizei! Du hast flinkere Beine!“

Und Karl trabte davon.

Der Mann, der bei mir zurückblieb, war ein Monteur namens Zwicker.

Ich erzählte ihm nun auch, weshalb ich so laut gegen die Tür getrommelt hätte.

Da rief er wieder: „Oh – der bucklige Rehbein! Ne – wer dem das zugetraut hätte! So’n Häufchen Unglück! – Ich wohne nämlich hier in Nummer vierzehn …“

Wir kamen ins Gespräch. Ich konnte es nicht gut umgehen, Zwicker meinen Namen zu nennen. Er stutzte.

„Schraut – Schraut?!“ Er musterte mich. „Und wie heißt Ihr Freund, der oben geblieben ist?“

„Harst …“

„Ah – also doch!“ und er lachte etwas und – – zog einen Harstband aus der Tasche. „Man will doch mal das ganze Elend von heute vergessen,“ meinte er eifrig. „Wenn ich Ihre Geschichten lese, Herr Schraut, lebe ich in einer anderen Welt. Das ist nur gut. Man kommt eben auf andere Gedanken, Herr Schraut.“

Ich erfuhr dann von ihm mancherlei über Wogitsch und Rehbein, die hier im Brückengang recht beliebt seien, versicherte er wiederholt. Sie täten insgeheim viel Gutes, obwohl sie es selbst nur knapp hätten. – Er wunderte sich aber sehr, daß wir Rehbein bei der Arbeit angetroffen hätten. „Der Bucklige flickt doch höchstens mal ein Paar Pantoffel aus, Herr Schraut. Na – und mit Wogitschs Wachsfiguren ist wohl auch kaum die Margarine[4] aufs Brot zu verdienen – kaum!“

Ich hörte nur halb hin. Ich dachte nur an Rehbein – wie der aus dem Hause entschlüpfen würde! Es mußte einen zweiten Ausgang haben – ohne Frage!

Auch der junge Monteur schien sich jetzt mit des Schusters Flucht in das Haus zurück in Gedanken zu beschäftigen und meinte unvermittelt:

„Hm – da ist er nun doch eingesperrt und kann nicht heraus, der Rehbein.“

„Vielleicht entkommt er über den Hof …“

„Ausgeschlossen, Herr Schraut. Da sind nur himmelhohe glatte Mauern der Kartonfabrik von Uhlig und Kompagnie. Und übers Dach geht’s doch auch nicht. Denn oben ist Herr Harst …“

„Falls Rehbein nicht lautlos die Treppen emporschleicht bis zum Boden …“

Zwicker nickte nachdenklich. „Das wär möglich. Aber – aber so’n Schwächling wie Rehbein kann doch nicht über die Dächer klettern!“

„Sie irren: Der Schuster ist nicht so kraftlos, wie Sie denken,“ erwiderte ich und massierte mein schmerzendes Knie.

Da bog auch schon ein Auto in die schmale Gasse ein.

Es war die Polizei …

 

4. Kapitel.

L. Luneßorg aus Hamburg.

Und zwanzig Minuten später fuhr ich mit Harald, den wir oben in Wogitschs Wohnzimmer mit einer dicken Beule am Hinterkopf auf dem Fußboden bewußtlos aufgefunden hatten, und der dann sehr bald wieder zu sich gekommen, aber noch sehr schwach war, heimwärts nach der Blücherstraße.

Er lehnte sehr matt in der einen Ecke und hielt die Augen geschlossen, stöhnte zuweilen leise und antwortete auf meine besorgten Fragen stets nur mit einem schwach geflüsterten: „Es wird schon wieder werden …“

Uns gegenüber saß ein Kriminalbeamter, den mir Kommissar Rottmüller mitgegeben hatte, damit er mir hülfe, Harst ins Bett zu bringen.

Während der Autofahrt nach Schmargendorf hinaus hatte ich genügend Zeit, mir die ganzen Ereignisse dieses Abends nochmals ins Gedächtnis zurückzurufen.

Vieles an Einzelheiten erschien mir dabei dunkel und widerspruchsvoll. Die beiden greisenhaften Bewohner von Nummer 6 aber kamen mir im Lichte dieser widerspruchsvollen Kleinigkeiten ebenso geheimnisvoll wie fragwürdig vor. –

Es war Tatsache: sie wohnten dort bereits zwanzig Jahre. Dies und anderes hatte ein pensionierter Beamter aus Nummer 5, der als Zeuge herbeigeholt worden war, dem Kriminalkommissar Rottmüller bestätigt. Wogitsch war 75, Rehbein 69 Jahre alt. Sie lebten ganz zurückgezogen. Man bekam sie selten zu Gesicht. Verwandte oder Freunde konnten sie nicht haben, da sie nie einen Brief erhielten, es sei denn von einer Behörde. Aber – sie waren mildtätig und große Kinderfreunde. Jedes[5] Weihnachten bescherten sie zehn Kinder sehr reichlich. Dann brannte in Rehbeins Werkstatt ein Tannenbaum. –

Und dieser Rehbein hatte nun, wie Harald bereits hatte aussagen können, durch einen Hieb mit einem stumpfen Instrument meinen Freund ganz überraschend zu Boden gestreckt, war so lautlos in das kleine Hinterzimmer eingedrungen, daß Harst, der gerade den Schrank durchsuchte, nicht eher von Rehbeins Anwesenheit etwas gemerkt hatte, als bis der Schlag seinen Kopf traf und er im Umsinken den Buckligen gewahrte, der wieder durch die Tür in den Treppenflur schlüpfte.

Und Wogitschs Leiche mit der furchtbaren Halswunde (die Schlagader war glatt durchschnitten) hatte Rottmüller noch hinter der Baldachinseide gefunden. Sonst … nichts. Das Häuschen war leer gewesen. Rehbein war, wie die offene Dachluke bewies, nach dem Überfall über die Dächer entkommen. –

Das Auto hielt vor Blücherstraße 10.

Der Beamte und ich faßten Harald unter und führten ihn ins Schlafzimmer.

Hier erklärte Harald dann mit leiser Stimme, einen Arzt zu holen sei unnötig. Eine Eisblase auf den Hinterkopf würde die Schmerzen schon beseitigen.

So verabschiedete sich der Beamte denn. Ich brachte ihn bis an die Haustür, bedankte mich nochmals und versperrte die Tür hinter dem Davoneilenden, auf den das Polizeiauto gewartet hatte.

Ich kehrte in Haralds Arbeitszimmer zurück. Ich wollte aus dem einen Schranke die Eisblase hervorsuchen.

Ich – hatte das nicht mehr nötig. Harst, der doch vorhin noch auf dem Bettrand nebenan im Schlafzimmer gesessen hatte, saß nun ganz behaglich im Klubsessel – hier in dem Gemach, das schon so manches an Absonderlichem miterlebt hatte.

Und – er rauchte wahrhaftig eine Mirakulum!! Welcher Leichtsinn! Bei einer Gehirnerschütterung!!

Mein Gesicht drückte meine Gedanken wohl sehr deutlich aus, denn Harald sagte etwas kleinlaut:

„Lieber Alter, mir geht es wirklich vortrefflich! Der Hieb war gar nicht so arg. Du kennst ja meinen Negerschädel. Der verträgt schon einen Puff.“

Vor sich auf dem Sofatisch hatte Harst eine Zeitung und einen Brief ausgebreitet.

Ich sah mit einem Blick, daß es eine Zeitung war, die wir nicht hielten – die Berliner Volksstimme.

„Ich fand sie in dem rechten Schubkasten des Schrankes,“ erklärte Harald, der meinem Blick gefolgt war. „Wogitsch benutzte den Schubkasten als Schreibsekretär. Die dort aufbewahrten Papiere waren durchwühlt worden. Von wem, darüber sprechen wir sofort. Dieser Brief nebst Umschlag war in diese Zeitung lose hineingelegt. – Da – lies den Brief …“

Ich hatte mich bereits von meinem ersten Schreck über den so plötzlich wieder aufgelebten Harst leidlich erholt. Ich rückte mir kopfschüttelnd einen zweiten Sessel an den Tisch und meinte nur:

„Du hast also wieder mal Komödie gespielt. Du warst gar nicht mehr bewußtlos, als wir Dich fanden.“

„Nein. – Lies!“ –

Da stand:

Hamburg, den 3. März 1923.

Hotel Amsterdam,

Fennerstr. 7.

Herrn Ernst Wogitsch,

Berlin.

Sie sind mir als vorzüglicher Wachsfigurenkünstler empfohlen worden. Ich sende Ihnen anbei acht Photographien des Kopfes einer Inderin ein. Die Aufnahmen sind sprechend[6] ähnlich und geben den Kopf von allen Seiten wieder. Fertigen Sie danach einen Wachskopf an, der genau dieselbe Frisur haben muß. Das Haar muß schwarz und seidig sein. Die Hautfarbe ist auf der beifolgenden Aquarellskizze genau wiedergegeben. Der Kopf muß unbedingt aus einiger Entfernung wie der einer Lebenden wirken. (Auch die Augenfarbe ersehen Sie aus der Skizze.) Ferner brauche ich zu dem Kopf ein Paar leicht bräunliche zierliche Hände und Füße bis zur halben Wade. – Als Anzahlung für die Arbeit, die bis zum 9. März unbedingt vollendet sein muß, lege ich einhundert Dollar bei. Den Restbetrag begleiche ich am 9. März abends zehn Uhr. Erwarten Sie mich dann vor Ihrer Haustür.

L. Luneßorg.

Ich las den Brief nochmals.

Der Ton des Schreibens machte mich ebenso stutzig wie der Inhalt. Der Ton war gebieterisch, fast unhöflich. Und der Inhalt – ja, was sollte man dazu sagen?! –

Harst griff nach der Zeitung, nahm mir den Brief weg und meinte:

„Hier – lies nun diesen Bericht über unsere Abenteuer in Schloß Gnir. Du findest in dem Bericht auch Lionel Barrings Gründung, die große Null, erwähnt.“

Wieder las ich. – Der Bericht entsprach den Tatsachen.

„So,“ sagte Harald, „jetzt beachte, daß auch Wogitsch diesen Bericht kannte, denn Meister Rehbein betonte, daß Wogitsch von der Nützlichkeit der Zeitungslektüre gesprochen hätte. Das heißt: Wogitsch hat den Brief des Herrn L. Luneßorg genauer sich angesehen als Du und hat daher herausgefunden, daß L. Luneßorg nichts als die Umkehrung des Namens oder besser der Bezeichnung „große Null“ ist, – ein uralter Scherz im übrigen, den sich Betrüger und Konsorten sehr gern leisten! – Nun ist also auch aufgeklärt, weshalb Wogitsch …“

Er machte eine lange Kunstpause …

„… heute am neunten März abends halb neun zu uns kam. Er hat eben erst heute die Bedeutung von L. Luneßorg herausgefunden, er kannte unsere schottischen Abenteuer und die große Null aus der Zeitung und wollte meinen Rat einholen, bevor er … heute am neunten März abends zehn Uhr den wahrscheinlich fertigen Wachskopf an die … große Null ablieferte.“

Atemlos hatte ich zugehört …

Das – das also war die völlig unerwartete Verbindung zwischen Lionel Barring und dem Brückengang!!

Ich starrte Harald an …

Weiß der Himmel: meinem Freunde merkte man nicht an, daß er vor einer Stunde einen Schlag auf den Kopf erhalten hatte!!

Und dieser Freund lächelte jetzt unmerklich …

„Ich weiß noch mehr, lieber Alter. Das möchte ich Dir jedoch an Ort und Stelle mitteilen. Nur eins will ich Dir schon jetzt sagen: Diese beiden Greise da aus Brückengang 6 werden uns noch manche Nuß zu knacken geben! Sie sind nicht das, wofür sie gelten wollen, sie waren einst …“

Und – wieder die Kunstpause.

Ich beugte mich näher zu Harald hin …

„… sie waren einst … Piraten, Seeräuber …!“ beendete er leise den Satz.

Piraten – – Seeräuber?!

Wenn Harst gesagt hätte: „Diebe, Einbrecher, Mörder“ – das hätte ich geglaubt.

Aber – – Piraten?! Wer denkt 1923 noch an diese Herrschaften?! Gewiß, das Seeräuberhandwerk ist nicht ausgestorben. Das wissen wir beide am besten. In den chinesischen Gewässern, in den verschwiegenen Buchten der Sundainseln tauchen diese Meeresbanditen immer wieder auf.

Aber – – zwei Deutsche, die hier in Berlin leben, der eine als Pantoffelflickschuster, der andere als Wachsmodelleur – –?!

Jetzt – – lächelte ich zweifelnd … –

Harald beachtete das nicht.

„Die Polizei wird Brückengang 6 wohl bereits verlassen und die Leiche weggeschafft haben,“ sagte er und stand auf. „Immerhin kann ich noch eine halbe Stunde Günters bekanntes Werk über Alt-Berlin studieren.“

Er ging ins Nebenzimmer, in die Bibliothek.

Gleich darauf ertönten von dort ganz leise die Saiten des Bechsteinflügels.

Harst spielte … Harst, der Künstler.

Ich kannte das. Wenn er besonders scharf nachdenken wollte, mußte ihn die Klangfülle seiner Improvisationen umrauschen.

Ich schlich bis an die Türvorhänge.

Da saß er. Nur die längliche Klavierlampe über dem Notenhalter brannte. Und auf diesem Notenhalter stand ein dickes Buch, in dem er zuweilen rasch eine Seite umschlug.

Ich ging ganz leise hinein und setzte mich ganz leise in einen Sessel.

Harst hatte seit langem nicht gespielt. Und ich hörte ihm so gern zu.

Das war Harald Harst, der Künstler, der Detektiv, der Unbegreifliche … Das war unser Leben, unser schönes, abenteuerliches Leben.

Harst spielte, improvisierte. Harst – – spielte mit den Schicksalen anderer, unserer Gegner, der Leute, die dem bürgerlichen Frieden den Krieg erklärt hatten. –

Weshalb las er in Friedrich Günters „Alt-Berlin“, in dem Spezialwerk eines Baurats über Alt-Berliner Bauten …?!

 

5. Kapitel.

Der Mann im Sessel.

Eine Stunde später … Ein Uhr morgens am 10. März 1923.

Zwei wenig vertrauenerweckend aussehende Männer, etwa besserer Kaschemmentyp, stehen im Dunkel einer Türnische dem Häuschen Brückengang Nr. 6 gegenüber.

Die Fenster von Nr. 6 sind sämtlich dunkel. Nichts deutet mehr darauf hin, daß in dem alten Gebäude vor kurzem ein Verbrechen verübt ist, über das Harald mir gegenüber sich bisher nur ganz allgemein geäußert hatte …

Und – ich bin einer der Kaschemmenbrüder …

Harald der andere …

Unsere Masken sind so echt, daß jeder anständige Mensch einen weiten Bogen um uns gemacht hätte. – So sind wir. Vor einer Stunde noch der raffinierte Luxus der Harstschen Bibliothek. Jetzt … zerrissene Schuhe, Gummikragen mit roten Schlipsen auf schmierigen Wollhemden …

Harst flüstert: „Nicht so einfach, hineinzugelangen. Die Polizei hat noch außen ein Schloß vor die Tür gelegt …“

Und nach kurzer Pause: „Aber die Regenrinne dort rechts ist neu … Versuchen wir’s.“

Er schiebt den Kopf vor, schaut nach rechts die Gasse hinab, nach links …

Und gleitet über die Straße …

Schwingt sich empor …

Nur er ist Turner, Jongleur, Kunstschütze. Er ist alles. Er ist der Mann der modernen Zeit. –

Oben im ersten Stock, der unbewohnt ist, weil zu baufällig, ein leises Krachen, ein leises Splittern.

Eine Scheibe hat dran glauben müssen.

Harst verschwindet in dem rasch geöffneten Fensterflügel.

Eine dünne seidene Leine mit Knoten und kurzen Holzstäbchen kommt von oben herab. Meine einhundertzweiundachtzig Pfund wären für die Regenrinne eine zu starke Belastung gewesen.

Harald hilft mir nach oben. Das geht im Nu. Leise keuchend stehe ich neben ihm im Dunkeln auf morschen Dielen, in denen die Trockenfäule, der trockene Schwamm, wütet.

Wir warten am Fenster, ob wir etwa beobachtet worden sind.

Nein – nichts …

Kein Mensch ist draußen zu sehen.

„Fein gemacht!“ sagt Harald.

Seine Taschenlampe blitzt auf, beleuchtet die Dielen, die Löcher, die brüchigen Stellen.

Schritt für Schritt schleichen die Kaschemmenbrüder weiter.

Öffnen die Tür zum Treppenflur …

Lauschen …

Lauschen …

Halten den Atem an …

Glauben an eine Gehörtäuschung …

Und müssen doch schließlich einsehen, daß diese seltsamen Töne wirklich von oben her herabdringen …

Ein … ein fassungsloses Schluchzen aus einer Frauenkehle …

Jammernde Laute …

Dazwischen eine Männerstimme …

Und – ein heiseres Krächzen: Die Dohle, die zahme Dohle! –

Harst umklammert meinen Arm …

Haucht mir ins Ohr: „Was bedeutet das?!“

Dann – ganz plötzlich Stille …

Völlige Stille.

So plötzlich, daß ich denke: da hat jemand der weinenden Frau Schweigen geboten!

Nein – doch nicht völlige Stille …

Die Dohle krächzt … schreit auf, schnattert …

Und all das von oben her aus des ermordeten Modelleurs ärmlichem Wohngemach.

All das so, als ob die Tür da oben nur angelehnt ist …

Die Dohle krächzt …

Harst hat die Lampe vorhin ausgeschaltet. Schaltet sie wieder ein, flüstert:

„Mit drei Sprüngen die Treppe empor und hinein!“

Und – jagt vorwärts …

Ist oben …

Ich – ich schaffte es mit vier Sprüngen.

Wir stehen in dem armseligen Raum. Die Gaslampe über dem großen Arbeitstische brennt …

Und in dem alten Ohrensessel dort neben dem braunen Kachelofen sitzt … sitzt ein Mann im Sportpelz mit Opossumkragen, ein Monokel ins rechte Auge geklemmt, bartlos, hager, kräftige Kinnpartie …

Über seinem Kopf hockt die Dohle auf dem Rande der Rückenlehne.

Der Mann ist … Lionel Barring …

Lionel Barring, der Herr der großen Null.

Jetzt … kein Herr, jetzt ein … Gefesselter, Gefangener – trotz des Monokels.

Aus dem Munde ragt der Zipfel eines Knebels heraus. Von dem Zipfel laufen Kupferdrähte, tief in die Wangen sich eindrückend, nach dem Genick.

Lionel Barring!!

Wir hatten ihn – – endlich!!

Aber es war nicht unser Verdienst. Es war ein Zufall!

Die … große Null, die nicht zu fassende Verbrechergemeinschaft, die von Harst dann doch gesprengt worden war, saß hier vor uns, verkörpert durch Lionel Barring, in Wahrheit … Lord Allan Gnirable, einst Besitzer von Schloß Gnir, entarteter Sprößling einer der ältesten Geschlechter Schottlands … –

Wir standen wie die Bildsäulen …

Und Lionel Barrings Kopf bewegte sich ruckweise, seine Augen ruhten dabei wie hilfeflehend auf Haralds Gesicht …

Harst drehte sich nach rechts …

Trat hastig vor …

Hielt einen Hebel des teuflischen Mechanismus fest …

Barring ließ wie erleichtert den Kopf sinken. –

Jedenfalls: wir hatten ihn!

Und – wir hatten ihm das Leben gerettet!

Vielleicht noch fünf Minuten. Dann …

– – Doch das gehört nicht mehr hierher.

Die … große Null war in unserer Gewalt.

Alles weitere gehört zum zweiten Teil …

Zu …

Bitte umzuschlagen …!

 

 

Der Sultan von Padagoa

 

1. Kapitel.

Die Höllenmaschine.

Wenn der Leser diesen Titel hier nun findet, wird er vielleicht verwundert den Kopf schütteln und denken:

„Ein Sultan? Was hat ein Sultan mit alledem zu tun?!“ –

Geneigter Leser! Vergiß nicht: Du liest Harald Harst-Abenteuer, nicht altbackene Romane der Marlitt[7] und ihrer Nachbeter! Du liest das, was Dich wie den Monteur Zwicker für Stunden die klägliche Misere des Markschwundes von anno 1923 vergessen machen will! Du liest das, was für Harst und mich das Lebenselixier ist: Außergewöhnliches!

Du mußt also schon mit uns nachher den Sprung von Berlin nach den Küsten der Insel Sumatra mitmachen, nach dem holländischen Kolonialbesitz. Es hilft Dir nichts. Aber Du wirst es gern tun. – –

Zunächst jedoch: bleiben wir noch in Brückengang Nr. 6.

Auch dort ist es interessant.

Dort hatte, wie uns der von dem Knebel befreite Lionel Barring mitteilte, der sonderbare Flickschuster Emil Rehbein den Mechanismus aufgebaut.

Eine Art Höllenmaschine: eine große Sanduhr, aus der feiner Sand in ein Gefäß floß, das auf einer Wage stand, auf der einen Seite einer Wage. Die andere Seite der Hauswage (ein harmloses Ding, wie jede Hausfrau sie braucht) stützte sich gegen einen Hebel, der eine große Stahlfeder (keine Schreibfeder) gespannt hielt. Diese Feder mußte, sobald genügend Sand die andere Seite der Wage belastete, den Hebel empordrücken, und die Feder wieder mußte sich aufrollend den Abzug eines Revolvers zurückreißen, der genau auf Barrings Herz gerichtet war. –

Ja – Emil Rehbein hatte diese Höllenmaschine hier aufgebaut. Das wußten wir nun.

Barring saß gefesselt in dem alten Lehnstuhl.

Wir beide rückten uns Stühle heran und nahmen Platz. Unsere Clementpistolen hielten wir im Schoß bereit. Die beiden Stubentüren hatten wir abgeschlossen, und die Schlüssel steckten im Schloß.

Nun begann eins der merkwürdigsten und spannendsten Verhöre, das ich je mitgemacht habe.

Ein Kampf war’s mit geistigen Waffen zwischen zwei fast ebenbürtigen Gegnern, ein Kampf um ein Geheimnis.

Harst hatte in die Tasche seiner geflickten Joppe gegriffen und sein goldenes Zigarettenetui hervorgeholt, das auf der Rückseite als ewiges Andenken an Indien die tiefe Einbuchtung einer Pistolenkugel trug.

Sehnsüchtig schaute Barring auf das gefüllte Etui.

Harst stand auf und fesselte ihm die rechte Hand los.

„Bitte …“

Dann reichte er der großen Null auch Feuer.

Wir rauchten. Der süßlich-aromatische Duft der Mirakulum-Zigaretten erfüllte den muffigen Raum.

So … begann der Kampf.

Und Haralds erste Frage war:

„Haben Sie die Nullen mit Kreide an meinen Zaun malen lassen, Barring, – eine große Null und drei kleine?“

„Ich?! – Werde ich mir selbst die Schlinge um den Kopf legen, Herr Harst?!“

„Haben Sie den Wachskopf bei Wogitsch bestellt?“

Ein zögerndes Bejahen nach einem überraschten Hochziehen der Augenbrauen.

„Dann – haben Sie Wogitsch auch ermordet!“

Barring schüttelte den Kopf. „Ich bin kein Mörder im gewöhnlichen Sinne des Wortes. Ich habe Wogitsch weder ermordet, noch ermorden lassen.“

Pause …

Harst formte Rauchringe.

Fragte wieder: „Zu welchem Zweck bestellten Sie den Wachskopf, der den Lichtbildern so täuschend ähnlich sehen sollte?“

„Ich bedauere, die Auskunft hierüber verweigern zu müssen.“

„Barring, ich habe Ihren an Wogitsch gerichteten Brief gefunden. Wogitsch war gestern abend halb neun bei mir.“

„Das weiß ich. Ich ließ Ihr Haus beobachten. Ich habe die große Null bereits wieder zu neuem Leben erweckt. Mir stehen fünf Sektionen zu je drei Mann zur Verfügung, alles Leute, die einem Winke von mir blindlings bis zum äußersten gehorchen.“ Er sagte das mit nachlässigem Selbstbewußtsein. Er log nicht, das fühlte ich.

„Ich erfuhr so,“ fügte er hinzu, „daß Wogitsch und der bucklige Schuster, die ich gleichfalls seit drei Tagen beschattet habe (beschatten gleich ständig beaufsichtigen), im Mietauto bis an die Ecke der Blücher- und der Berliner Straße gelangten, daß Wogitsch zu Ihnen ging, offenbar nicht vorgelassen wurde und mit Rehbein hierher im Auto zurückkehrte. Dieser Besuch bei Ihnen warnte mich. Ich hütete mich, um zehn Uhr in den Brückengang zu kommen. Glaubte ich doch, Wogitsch hätte Ihnen einen Wink gegeben, mir aufzulauern. Ich schickte daher lediglich einige meiner Leute in Abständen durch die Straße. Zwei davon hat Herr Schraut kennengelernt, den angeblichen Monteur Zwicker und den Mann, der die Polizei holte.“

Ich konnte ein leises „Unglaublich!“ mir nicht verkneifen.

Barring achtete nicht darauf.

„Von Zwicker wurde ich dann über die Auffindung der Leiche des Modelleurs und von der Flucht Rehbeins ins Haus zurück sehr bald unterrichtet. Die Organisation der großen Null klappte tadellos.“

„Scheint so!“ warf Harald ein.

Und fragte: „Was dann …?“

„Dann ließ ich beobachten, wie die Polizei die Leiche wegschaffte und das Haus versperrte. Vorher schon hatten sich Zwicker und der andere Beauftragte vorsichtig gedrückt. Daß Sie, Herr Harst, hier oben niedergeschlagen worden waren, entnahm ich aus der Art, wie man Sie wegbrachte. Mit Ihrem Erscheinen hier rechnete ich in keiner Weise. Erst als die Uhr dort an der Wand so leise und hastig dreimal schlug, als dann Rehbein und die verschleierte Dame schleunigst von hier sich entfernten, nachdem der Bucklige noch schnell den Apparat dort in Gang gesetzt hatte …“

Er blickte nach der Sanduhr und der Wage hin.

„… da hoffte ich, daß Sie es vielleicht sein könnten, der ahnungslos die Alarmuhr eingeschaltet hatte …“

„Ah – die Türschwelle des Vorderzimmers unten!“ meinte Harald. „Also – ein zweites Alarmsignal! Die Kuckucksuhr bei Rehbein, hier die alte Wanduhr …!“

„Ja – so ist’s. Und – es gibt noch mehr derartige Einschaltvorrichtungen.“

„So?! Woher wissen Sie das?!“

Barring zuckte die Achseln …

„Ich weiß es …“

„Weil Sie eben schon öfters hier oben waren, – das ist’s!“

Barring schwieg.

„Auch gestern waren Sie hier, als wir mit Rehbein in dessen Werkstatt saßen.“

Barring schwieg.

„Weshalb antworten Sie nicht?!“ meinte Harald. „Sie haben sich den Wachskopf und die Hände und Füße geholt.“

„Legen Sie sich mein Schweigen ganz nach Gutdünken aus, Herr Harst. Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet. Sie haben mir heute das Leben gerettet. Ich will Sie nicht belügen.“

„Ich kenne Sie, Barring. Ich schätze Sie richtig ein. In Ihrer Seele lebt noch viel Gutes. Ihre Großmut in der Tokkara-Höhle gegenüber einem Manne, dessen Sein oder Nichtsein in Ihrer Hand lag, vergesse auch ich nicht. Ich – – bitte Sie, mir zu antworten.“

„Gut denn. Soweit sich dies mit meinen Plänen verträgt, werde ich antworten.“

Harst hielt ihm abermals das Etui hin. „Bedienen Sie sich.“ Und er fesselte ihm dann auch die andere Hand los.

„Ich habe mir den Kopf geholt,“ erklärte Barring dann und stieß den Zigarettenrauch vor sich in die Luft, so daß die zahme Dohle ärgerlich aufkreischte, die bis dahin geschlafen zu haben schien.

„Und Sie waren schon vorher hier?“

„Ja. Dreimal …“

„Zu welchem Zweck?“

„Des Kopfes wegen. Die Sache eilte.“

„Sie drangen ohne Wissen Wogitschs hier ein?“

„Ja. Stets nachts. Denn Wogitsch und Rehbein schlafen nur abwechselnd hier, der eine eine Nacht, dann der andere …“

Harsts Augen weiteten sich etwas.

„Wissen Sie das bestimmt, Barring?“

„Meine Sektionen bedienen mich nur mit zuverlässigen Nachrichten.“

„Und jedesmal vertrieb Sie dann Rehbein auf die Ihnen unbekannten Signale hin?“

„Ja …“ –

Eine längere Pause. – Harst sann und sann, hatte die Augen halb geschlossen.

Und beugte sich plötzlich weit vor, schaute Barring fest ins Gesicht.

„Waren Sie in den beiden Wachsfigurenräumen?“

„Gewiß.“

„Und wie gefielen Ihnen die beiden Männer unter dem Baldachin?“

Lionel Barring nahm die Zigarette rasch aus dem Munde. Ein sonderbarer Blick traf Harst.

„Wie meinen Sie das?“ fragte er gedehnt.

„Nun – ich glaube, die beiden bärtigen Männer im Piratenkostüm sind … Wogitsch und Rehbein. Jedenfalls hat der eine große Ähnlichkeit mit Rehbein, wenn er auch nicht bucklig ist. Ein Buckel kann … ausgestopft sein.“

Ich dachte an den Schrank voller Waffen …

Und nun begriff ich Haralds Bemerkung, daß die beiden vielleicht Piraten gewesen seien. –

Barring schwieg … äußerte sich in keiner Weise zu Haralds Behauptung …

Das war vielsagend, denn bisher hatte er geantwortet.

 

2. Kapitel.

Baurat Günters Buch.

Kaum hatte ich diesen Gedanken zu Ende gedacht, als vom Hofe des Häuschens her das Krächzen einer Krähe oder Dohle erklang …

So täuschend nachgeahmt, daß die zahme Dohle auf der Sessellehne höchst komisch den Hals langreckte und den Kopf horchend hin und her drehte.

„Sektion drei meldet sich,“ sagte Barring kühl. „Ich hatte angeordnet, daß, falls ich bis zwei Uhr nicht wieder bei den ausgestellten Posten einträfe, man mir zu Hilfe kommen sollte. Diese Hilfe wäre ja nun ohne Ihr Erscheinen, Herr Harst, gegenstandslos gewesen. Ich wäre längst tot.“ –

Das Krächzen draußen wiederholte sich.

Barring lächelte ein wenig.

„Die Rollen sind nun vertauscht, Herr Harst,“ meinte er. „Meine Leute sind bereits im Hause und – – am Fenster …“

Wir saßen mit dem Rücken nach dem Fenster hin.

Als wir uns jetzt umwandten, war der dicke Vorhang oben beiseite geschoben, und durch die oberen Fensterflügel, die sich geräuschlos geöffnet hatten, schauten zwei Männer ins Zimmer – zwei Herren, möchte ich genauer sagen …

Beide jung und bartlos, beide mit modernen Filzhüten auf dem Kopf, hohen blendend weißen Stehkragen und dunklen Krawatten, die von den Pelzkragen ihrer Überröcke eingerahmt wurden.

Beide aber auch mit … klobigen, langen Pistolen in der Hand – – Luftpistolen …

Und diese Waffen, die ihre Projektile ohne lautes Geräusch entsenden, waren auf unsere Köpfe gerichtet … –

Barring sagte laut: „Wartet ein paar Minuten.“ Der Befehl galt der Sektion drei.

Und zu uns: „Herr Harst, ich möchte Sie beide bitten, jeden Widerstand zu unterlassen. Wir werden schnell einig werden, hoffe ich. Ich schlage Ihnen folgendes vor: Sie beide versichern mir – Ihr bloßes Versprechen genügt mir – mich auf einer längeren Seereise für etwa drei Monate zu begleiten – als meine Gäste. Sie beide finden sich morgen abend, also am elften, abends neun Uhr, mit Ihrem Gepäck in Hamburg ein, wo ich Sie von der Alsterbrücke abholen lassen werde. Ihrer Frau Mutter erklären Sie, daß Sie beruflich verreisen müssen. Im übrigen verschweigen Sie alles, was hier geschehen ist und was mit meiner Person in Zusammenhang steht. – Sollten Sie auf meinen Vorschlag nicht eingehen, so werde ich Sie beide leider gewaltsam mit mir nehmen müssen. Im Falle Ihrer Zustimmung können Sie bis morgen alles tun, was Sie für richtig finden, um Rehbein etwa auf die Spur zu kommen, den ich … für den Mörder Wogitschs halte …“

„Ganz meine Ansicht,“ nickte Harst.

Und fuhr sogleich fort: „Ich habe keine Lust, mich hier vielleicht mit Ihren Leuten in eine Pistolenschießerei einzulassen. Schraut und ich werden morgen abend neun Uhr auf der Alsterbrücke sein.“

Er stand auf und löste auch Barrings übrige Fesseln, die diesen an dem Lehnstuhl festgehalten hatten.

Kaum hatte Barring sich erhoben, als abermals vom Hofe her rasch hintereinander viermal das Vogelkrächzen erklang.

Barring zuckte leicht zusammen.

Dann rief er uns leise zu:

„Auf Wiedersehen … Ich muß fort!“

Er sprang auf den Fensterkopf, schob sich durch das eine offene Fenster mit einer verblüffenden Gewandtheit und folgte seinen Leuten, die schon vorher sich zurückgezogen hatten.

Der Vorhang fiel zu, und die Fensterflügel schlossen sich.

Gleichzeitig hörten wir dann auch unten im Hause schwere, hastige Schritte …

Die Treppenstufen knarrten …

Harst riß rasch die Mordmaschine auseinander, steckte den Revolver zu sich und legte die große Sanduhr beiseite.

Dann schloß er ebenso rasch die Türen auf, nahm in dem Lehnsessel Platz und warf die dünnen Stricke und den Knebel hinter den Ofen.

Die Tür flog auf.

Kommissar Rottmüller und zwei Kriminalbeamte traten ein …

Rottmüller erkannte uns nicht.

Wie sollte er auch? Zwei Kaschemmenbrüder saßen hier, und Harst hatte doch eine Gehirnerschütterung!

Der Kriminalkommissar hob etwas die bereitgehaltene Dienstpistole.

„Ha – was macht Ihr hier, Kinder?“ fragte er scheinbar gemütlich.

„Nu – wir wärmen uns,“ meinte Harst mit einer greulichen Schnapsstimme.

„So – Ihr wärmt Euch! Ach was! – Wie seid Ihr denn hier hineingelangt?“

„Mit die Beene, Herr Kommissar Rottmüller, mit die Beene durch die Keller …“

„Keller?!“

„Nu ja doch. Durch die jroßen Keller von die alte Bierbrauerei, die in det Buch von’n Baurat Günter über Alt-Berlin erwähnt sein dun, Herr Kommissar. In det Buch heeßt es doch: „Det Jebeide Brückenjang Nummer sechs enthielt eine der ersten jrößeren Bierpantschereien von Balin. Een Teil von die andern Jebeide im Brückenjang steht noch uff diese Keller, die sich bis zur Laternenjasse hinziehn, wo die Brauerei von Benecke een zweites Haus besaß. Die Einjänge dieser Keller sind polizeilicherseits schon 1835 vermauert worden, und die Tatsache ihres Vorhandenseins is nur noch wenigen bekannt.“ – Ja, so steht det nu in den Schmöker, Herr Kommissar.“

Dann änderte Harald plötzlich die Stimme:

„Diese Keller wollten Schraut und ich suchen, Herr Rottmüller.“

„Harst – – Sie?!“ rief der Kommissar völlig sprachlos. „Mann, ich denke, Sie liegen im Bett und Schraut pflegt Sie!“

Er lachte und streckte uns die Hand hin.

„Ist denn das Tatsache mit den Kellern?“ fragte er darauf gespannt.

„Baurat Günter behauptet’s, und man wird ihm Glauben schenken müssen. Außerdem dürfte dieses Haus aber noch andere Geheimnisse haben. Jedenfalls ist Rehbein niemals über die Dächer entwischt. Es muß hier oben, und zwar in der Küche, einen Weg ins Freie oder in die Keller hinab geben. Als Rehbein mich so überraschend hier niederschlug, spielte ich nur den Bewußtlosen. Ich wollte sehen, wo er blieb. Er verschwand nach der Küche hin. Ich hatte mir längst gedacht, daß dieses Haus ein Fuchsbau mit Notröhren sei. Nun – suchen wir die Notröhre!“ –

Und – Harst fand sie.

Neben der Küche gab es eine winzige Speisenkammer, in der nur ein einziges Regal stand. Zwischen diesem und der Tür lag noch ein Dielenviereck von einhalb Meter Breite und einundeinviertel Meter Länge.

Dies – war nichts als eine Falltür mit einem tadellosen Mechanismus. Klappte man das Dielenstück hoch, so sah man in einen schwarzen, verräucherten Schacht hinein, einen Kamin, in dem schmale Eisenleitern nach unten führten – bis in einen feuchten, dumpfen Keller …

Aber – in diesen Schacht konnte man nur von Wogitschs Speisenkammer hineingelangen.

Jedenfalls hatten wir jetzt die zugemauerten Brauereikeller entdeckt.

Harst entdeckte hier noch mehr, nämlich in dem feuchten grauen Schimmelüberzug der Fliesen des Kellerbodens neben den Spuren von derben Stiefeln die zierlichen Abdrücke kleiner Frauenschuhe. Diese Fährten waren ganz frisch. –

Das war nicht alles.

Eine genaue Beobachtung der Spuren leitete Harst und uns in einen Nebenkeller, wo – – die Wände und die Fliesen mit Blut über und über bespritzt waren.

„Hier hat Rehbein den Modelleur ermordet,“ erklärte Harald sehr bestimmt. „Dann hat er die Leiche nach oben getragen und in dem ersten Wachsfigurenraum das Tuch, das er dem Toten um den Hals geschlungen hatte, abgenommen, damit dort die Blutlache entstände.“

Rottmüller sagte leise:

„Also ist mein Verdacht bestätigt. Auch ich hielt Rehbein für den Mörder seines Freundes.“

Harst wandte sich schon wieder dem Hauptkeller zu.

„Sehen wir, was wir in dem Hause Laternengasse 19 finden,“ meinte er. „Ich vermute: Rehbeins und Wogitschs zweites Heim.“

„Ah – die beiden haben ein Doppelleben geführt?“

„Ohne Zweifel, Herr Rottmüller. Und dieses Doppelleben teilte noch irgendeine Frau. Daher die zierlichen Fährten. Eine Frau, die mit einem der beiden verwandt sein mag. Vielleicht – – Wogitschs Tochter.“

„Wie kommen Sie darauf, Herr Harst?“

Harald schwieg.

Ich wußte schon, weshalb die Frau gerade Wogitschs Tochter sein sollte: sie hatte so kläglich oben im Wohnstübchen geweint! Wahrscheinlich doch über den Tod des alten Modelleurs. Sie ahnte nicht, daß Rehbein der Mörder war. –

Rottmüller fragte nicht weiter. Harst war dafür bekannt, daß er recht unhöflich werden konnte, wenn man ihm mit Fragen allzu sehr zusetzte. – –

Ich will mich mit den Einzelheiten unserer Feststellungen im Hause Laternengasse 19 hier nicht lange aufhalten.

Aus dem Keller führte eine Leiter in eine ebenso enge Speisenkammer des Erdgeschosses, das nur eine Wohnung von vier Zimmern enthielt.

Sie war recht behaglich, zum Teil sogar künstlerisch und luxuriös eingerichtet, aber – – leer. Ein Zimmer hatte fraglos eine Dame innegehabt.

Rottmüller klingelte die Bewohner der ersten Etage heraus. Von diesen erfuhren wir, daß unten die Brüder Ernst und Emil Rastein und Fräulein Ella Rastein, die Tochter Ernst Rasteins, seit etwa 20 Jahren hausten und allgemein geachtet waren. Die Brüder Rastein waren früher Schiffskapitäne gewesen. –

Eine abermalige Untersuchung der Rasteinschen Wohnung deutete klar darauf hin, daß Emil Rehbein-Rastein mit Fräulein Ella in wilder Hast Koffer gepackt hatten und geflüchtet waren. Ein halb gepackter Koffer stand noch in dem gemeinsamen Schlafzimmer der Brüder.

Papiere, die über diese rätselhaften Menschen hätten irgendwie sichere Auskunft geben können, wurden nicht gefunden.

Nur eins bewies Harald noch: daß Emil Rehbein-Rastein einen künstlichen Buckel getragen hatte!

Der Buckel lag … in dem einen Bett versteckt. –

Rottmüller, seine Beamten und wir verließen dann das Haus Laternengasse 19, nachdem die Erdgeschoßwohnung versiegelt worden war.

Als Rottmüller zugab, daß er in Verlegenheit sei, wie er den Steckbrief hinter Emil Rehbein abfassen solle, sagte Harald:

„Sehen Sie sich die linke der beiden Piratenfiguren unter dem Baldachin genau an. Das ist Rehbein!“

Dann verabschiedeten wir uns und fuhren heim.

 

3. Kapitel.

Der Herzog von Albemarle.

Als ich Harald unterwegs fragte, ob er annehme, daß die Seereise, zu der wir uns Barring gegenüber gleichsam verpflichtet hatten, mit den geheimnisvollen Gebrüdern Rastein irgendwie zusammenhänge, antwortete er mit einem so widerwillig hervorgebrachten Ja, daß ich weitere Fragen unterließ.

Daheim gingen wir sofort zu Bett. Es war dreiviertel fünf morgens, als ich die Nachttischlampe ausschaltete. Ich erwachte um halb eins mittags. Um ein Uhr war ich drüben in Haralds Arbeitszimmer. Auf dem Sofatisch stand das Frühstück für mich bereit. Dort lag aber auch ein Brief von Harald an mich, mit Bleistift geschrieben.

„Lieber Alter, bestelle morgen L. B. einen Gruß von mir. Ich halte mein Versprechen ihm gegenüber. – Wiedersehen. – Harald.“

Frau Harst, seine Mutter, teilte mir dann mit, daß er bereits um neun mit seinem Koffer davongefahren sei, nachdem er sich für längere Zeit von ihr verabschiedet hatte.

Ich verschwieg der alten Dame, daß ich Haralds Reiseziel kannte. Da mich nichts in Berlin zurückhielt, benutzte ich den Abendzug nach Hamburg und ließ mich vom Bahnhof nach dem Hotel Amsterdam, Fennerstr. 7, bringen. Es war dies dasselbe Hotel, von dem aus Barring an Wogitsch geschrieben hatte.

Ein Hotel dritten Ranges war’s, dessen Hinterfenster nach einem Hafenarm hinausgingen. – Am anderen Tage bummelte ich durch die Straßen, schlug die Zeit mühsam tot und langweilte mich sträflich.

Was mochte Harald hier treiben? Ich hoffte bestimmt, daß er sich um neun Uhr abends auf der Alsterbrücke einfinden würde. Ich – hatte umsonst gehofft. Ich stand mit den beiden Koffern mitten auf der Brücke an einer Straßenbahnhaltestelle. Um einviertel zehn kam ein geschlossenes Auto, hielt an der Bordschwelle, und der Chauffeur rief mir mit Barrings Stimme zu, daß ich einsteigen solle.

Im Auto saßen zwei Herren, die höflich die Hüte zogen. Es waren dieselben Leute, die uns Brückengang Nr. 6 mit den Luftpistolen bedroht hatten. Während der etwa einstündigen Fahrt unterhielten wir uns über allerlei – ganz wie in einem Salon, wie Zufallsbekannte.

Das Auto setzte uns am Ufer der Elbe an einsamer Stelle ab. Ein Boot nahm uns auf und brachte uns zu einer großen, weißen Dampfjacht, die im Strome vor Anker lag. Barring kam nicht mit an Bord. Erst als wir drei dann die elegante Kajüte betreten hatten, stellten die beiden Herren sich vor:

„Doktor Lorenzen und Magnus Holster.“

Holster führte mich in meine Kabine und bat mich, zum Souper Toilette zu machen. Der Steward würde mich rufen.

All das war reichlich sonderbar. – Ich zog den Smoking an. Kaum war ich fertig, als es auch schon klopfte.

Nicht der Steward, sondern Lionel Barring im Frack und Lackschuhen, eine Tuberose[8] im Knopfloch, das Monokel im Auge, trat ein, verbeugte sich und sagte sehr höflich:

„Zu meinem Bedauern muß ich Ihnen mitteilen, Herr Schraut, daß Herrn Harsts Brief, den Sie mir in meine Kabine gelegt haben, mich durchaus nicht befriedigt …“

Ich wollte ihn unterbrechen. Ich hatte ja weder einen Brief, noch sonst etwas in Barrings Kabine gebracht, die ich gar nicht kannte. Aber eine innere Stimme gebot mir zu schweigen.

„Sie kennen den Inhalt des Briefes?“ hatte Barring nach kurzer Pause hinzugefügt.

„Nein,“ erklärte ich der Wahrheit gemäß.

„Das ist merkwürdig. Harst schreibt mir, daß er sein Versprechen, die Reise mitzumachen, unbedingt halten wird, falls ihn nicht gerade Krankheit oder Gewalt daran hindern. Er ist nicht auf der Alsterbrücke erschienen.“

„Ich habe ihn ebenfalls seit gestern früh nicht gesehen,“ warf ich ein.

Barring war überrascht. „Das ändert die Sachlage, Herr Schraut. Ich wollte Sie hier als … Gefangenen behandeln. Nun, Ihr Freund scheint dann eben tatsächlich verhindert zu sein. Trotzdem bleiben Sie an Bord. – Bitte, folgen Sie mir …“ –

Man stelle sich vor: ein steckbrieflich verfolgter Verbrecher geleitete mich, äußerlich völlig Gentleman, in die Hauptkajüte, wo eine Tafel für vierzehn Personen mit Geschmack und verheißungsvollen Flaschenbatterien gedeckt war. Ich wurde vier Damen, die Gesellschaftsroben und sehr viel Schmuck trugen, und acht Herren vorgestellt. Zwei davon kannte ich schon. Es waren Doktor Lorenzen und Magnus Holster.

Einen der Herren – sie waren sämtlich im Frack – bezeichnete Barring als den Besitzer der Jacht Amanda und als den liebenswürdigen und freigebigen Träger der gesamten Kosten dieser Seereise.

Gustav Krause hieß dieser dicke Herr, der mir nun vertraulich die Hand reichte und meinte:

„Anjenehm, Ihnen kennen zu lernen, Herr Schraut. Schade, daß Herr Harst sich verhindert hat. Der Herzog …“ – er machte vor Barring eine Art Kratzfuß vor Ehrerbietung – „ist ebenfalls untreestlich. – So, nu an die Jewehre, meine Herrschaftens … Platzen wir!“

Er setzte sich. Rechts von ihm saß der Herr Herzog von Albemarle …

So nannte Barring sich hier.

Und ich – ich mußte zu alledem schweigen! Ich hatte es ja versprochen. Ich kam mir vor wie in einem Tollhause. Aus der Unterhaltung bei Tisch entnahm ich so allmählich folgendes: die vier Damen waren die rechtmäßigen Ehegattinnen Gustav Krauses und dreier seiner Freunde, die gleich ihm zu der Kategorie der ganz schweren Kriegsgewinnler gehörten und erst vor kurzem des Herrn Herzogs Bekanntschaft „zufällig“ in Hamburg gemacht hatten. Die übrigen Herren waren fraglos Barrings Verbündete, eben Mitglieder der großen Null. Barring hatte den Oberschieber Krause bewogen, die Jacht auf einer Versteigerung zu erstehen und hatte dann auch liebenswürdigerweise eine Besatzung für das Schiff besorgt.

Kurz: Barrings unglaublich vielseitige Bande war nun in Wahrheit Herrin der Jacht und reiste mit den vier Raffke-Ehepaaren angeblich zu allseitigem Vergnügen nach Indien!!

Ich war sehr schweigsam bei Tisch – sehr. Ich kam mir wie ein Mitschuldiger vor. Wenn ich den dicken Krause und dessen gar nicht so üble Gattin, die in ihrer Ahnungslosigkeit vor dem Herrn Herzog in Demut erstarben und trotzdem den Weinen gehörig zusprachen, – wenn ich dieses Ehepaar und die drei anderen heimlich beobachtete und mir ausmalte, welche Schurkereien dieser deklassierte Lord, dieser Barring, mit ihnen vorhaben könnte, dann schmeckte mir weder der warme Hummer mit Trüffelbutter, noch der delikate Filetbraten, weder der Chateau Margaux 1912[9], noch der Heidsieck Monopol[10].

Aber – ich aß dennoch! Man muß doch satt werden.

Meine Nachbarn rechts und links waren Doktor Lorenzen und Magnus Holster – Verbrecher, Gescheiterte gleich Barring, aber Leute von tadellosen Umgangsformen. Kalt lächelnd erzählte mir Holster, daß in der Nacht vom 9. zum 10. in Berlin in dem Gebäude der Kartonfabrik Uhlig der Kassenschrank erbrochen und ausgeplündert worden sei. – Mir blieb der Bissen im Halse stecken. Während die Kriminalpolizei sich also um die Mordsache Rastein-Wogitsch im Brückengang Nr. 6 bemüht hatte, war Barrings große Null dicht dabei in der Fabrik tätig gewesen!! Welche Frechheit!! – –

Ich habe hier leider nicht genügend Seiten zur Verfügung, um dieses Schlaraffenleben in dieser Umgebung an Bord der Amanda genau zu schildern. Es war ein Schlaraffenleben.

Einen Tag später fuhr die Jacht die Themse aufwärts nach London. Nachts warfen wir im Hartle-Dock Anker. Es mochte elf Uhr sein, als ich in meine Kabine kam. Zu meinem Erstaunen saß hier ein alter, graubärtiger Matrose, dessen blaurote Säufernase mir schon am Tage auf Deck aufgefallen war.

„’n Abend, Alterchen,“ sagte der schmierige Jan Maat mit Haralds Stimme. „Ich halte mein Versprechen. Ich mache die Reise mit.“

Mir fiel die Zigarre aus der Hand vor Schreck …

„Ich habe mich für die Amanda anheuern lassen, renommierte mit acht Jahren Zuchthaus,“ sprach er weiter. „Die acht Jahre behagten Barring, dem ich vorgestern in Hamburg rasch hinter seine Schliche gekommen war. – Tolle Geschichte, wie?! – Ich wollte Dich jetzt nur vorbereiten, daß Barring sehr bald hier bei Dir erscheinen und vom Völkermuseum in London allerlei reden wird. Nimm die Schuld auf Dich, mein Alter. – So – leb’ wohl … Wiedersehen!“

Und ohne mir auch nur die Hand gereicht zu haben, war er hinausgeschlüpft.

Ich mußte mich setzen. Diese Überraschung war mir allzu stark in die Knochen gefahren.

Und dann – Völkermuseum?! Was sollte das wieder?!

Nun – ich brauchte nicht lange zu grübeln.

Barring kam. Barring war blaß vor Wut, fauchte mich an:

„Herr, Sie – nur Sie haben den Wachskopf zertrümmert, den ich in meinem Koffer verschlossen hielt!! Herr, das ist für die große Null ein Verlust von 3000 Pfund Sterling!! Herr, Sie sind gefährlicher, als ich dachte!! Woher wußten Sie, daß ich die größte Seltenheit der Mumiensammlung des Londoner Völkermuseums, die Mumie der Prinzessin Stanawata, gegen den Wachskopf und die Wachsgliedmaßen austauschen wollte, damit der Diebstahl der Juwelen nicht so rasch entdeckt würde?!“

Ich war vorbereitet. Ich – – lächelte kühl. „Es ist meine Pflicht, Derartiges zu verhindern,“ sagte ich nur.

Barring besann sich wieder, daß er Gentleman sei.

„Gut, Herr Schraut …! Wir werden auf Sie besser achtgeben!“ – Verbeugte sich und ging. –

Unter meinem Kopfkissen fand ich einen Zettel von Haralds Hand:

„Die Prinzessin Stanawata trug im Museum den reichen altindischen Schmuck, der tausende Pfund wert ist. B. hat Imitationen dieser Schmuckstücke herstellen lassen und wollte diese, den Kopf, Hände und Füße aus Wachs gegen die echte Mumie austauschen, die er von jedem Antiquitätenhändler mit Gold aufgewogen erhalten hätte. – Der Trick ist nun mißglückt. Der zweite in Sumatra ist mir noch unklar, wird aber ebenfalls, so hoffe ich, vorbeigelingen.   H.“ –

Mir schwirrte der Schädel … – Sumatra – zweiter Trick?! Und dazu Harst als alter Matrose, dazu der ahnungslose Krause und der Herr Herzog von Albemarle nebst Anhang …!!

Toll war das – toll! Das war wieder einmal so ganz unser Leben … unser schönes, wildes, abenteuerliches Jagen nach allem, was außerhalb des grauen Alltags lag.

 

4. Kapitel.

Die Illustrierte.

In London blieben wir nur anderthalb Tage. Der Herzog war unpäßlich und verließ seine Kabine nicht. Das war verständlich: zu leicht hätte ihn hier jemand verhaften können! England hatte allen Reiz für ihn verloren, nachdem der großangelegte Diebstahl der Mumie vereitelt worden war. Dann ging die Amanda wieder in See. Ich war gespannt, wie Seine Hoheit mich behandeln würde. Nun – er tat, als wäre nichts geschehen! Nur unter vier Augen sagte er mal zu mir: „Den Verlust der dreitausend Pfund werden Sie mir ersetzen, Herr Schraut!“ – So fuhr denn die Jacht durch die Straße von Gibraltar ins Mittelländische Meer, in die Wärme und Sommersonne hinein. Der Herr Herzog hatte gewünscht, daß man ohne Säumen die Reise fortsetzen und Ägypten, Suez und Kairo, die Pyramiden, den Nil und Chartum erst auf der Rücktour besichtigen solle.

Der alte Matrose mit dem blauroten Riechorgan, der sich übrigens Jan Jensen nannte und doch Harald Harst hieß, hielt sich bis zum Suez-Kanal von mir fern. Ich tat, als ginge er mich nichts weiter an. Inzwischen hatte ich mir auch die übrige, zwölf Mann starke Besatzung der Amanda genauer angesehen. Äußerlich waren all diese Leute vom Kapitän Heller bis herab zu den beiden Stewards durchaus einwandfrei. Die Disziplin an Bord war mustergültig. Lionel Barring hatte fraglos seine Bande fest in der Hand.

Als wir den Suez-Kanal passiert hatten und die Hitze im Roten Meere zu schmecken bekamen, stattete Jan Jensen mir nachts den zweiten Besuch ab – ganz überraschend. Als ich zu Bett gehen wollte, schlüpfte er in die Kabine und riegelte die Tür hinter sich ab, schaltete das Licht aus und zog mich auf den Bettrand neben sich.

„Weiß der Teufel,“ murmelte er, „was das Gesindel in Sumatra vorhaben mag. Ich habe mir die größte Mühe gegeben, die Kerle nochmals zu belauschen, aber sie sind ungeheuer vorsichtig. Auch in die große Null hat man mich noch nicht aufgenommen, obwohl ich doch acht Jahre Zuchthaus hinter mir habe. Ich hause da ganz allein in einem Verschlag im Vorschiff, bin also dadurch von den anderen Matrosen und Heizern getrennt worden, die sämtlich Null-Leute sind. Ich fürchte fast, Barring hat Verdacht geschöpft.“

Er machte eine Pause. Er roch nicht angenehm: nach Schweiß und Fusel!

„Tatsache ist,“ fuhr er ebenso leise fort, „daß Barring in Wogitschs Wohnung irgendwelche Papiere gefunden hat, die verheißungsvoll sind. Diese Papiere, mein Alter, erwähnte Barring eines Abends, als ich ihn an Deck im Gespräch mit Doktor Lorenzen und Magnus Holster, seinen Vertrauten, belauschte. Diese beiden Herren sind im übrigen niemand anderes als Barrings Freunde von Schloß Gnir her: Mr. Barne und Mr. Tabergoul[11]! Es fehlt noch der dritte, der damals mit Barring entkam, nämlich James Olden, der Reitknecht. Wer weiß, wo der Lump steckt.“

Abermals eine Pause. – Dann:

„Im Schiffsraum liegen in einem tadellosen Versteck 18 Repetiergewehre, 30 Mauserpistolen, 30 lange Dolchmesser und sehr viel Munition …“

„Seeraub!“ entfuhr es mir.

„Hm, Du meinst, sie wollen die Jacht völlig sich aneignen und Seeräuber spielen?! – Nein, das stimmt nicht. Barring sagte damals an Deck zu Lorenzen und Holster etwa folgendes: „Ob wir mit Gewalt vorgehen müssen, bleibt abzuwarten. Zunächst versuchen wir es mit List. Die Papiere habe ich ja. Und das Sultanat Padagoa liegt so sehr abseits jeder Kultur an einer tiefen Bucht der Westküste Sumatras, daß wir die Einmischung von Europäern nicht zu befürchten brauchen.“ – Dies ist alles, was ich weiß, mein Alter. Viel ist’s nicht. Daß Barring dem angeblichen Wogitsch Papiere gemaust hatte, ahnte ich schon, als wir den Herrn Herzog im Sessel gegenüber der Mordmaschine festgebunden fanden. – Überhaupt …“ schloß er nachdenklich, „dieses Abenteuer ist sehr, sehr dunkel. Weshalb ermordete Rehbein seinen Bruder?! Und – sind die beiden wirklich Brüder, heißen sie wirklich Rastein?! Und – wer ist diese Ella Rastein, die nach Aussage der Mitbewohner des Hauses Laternengasse 19 sehr schön sein soll und oft für sehr lange Zeit verreist?! – Gewiß, ich habe da so eine Vermutung, die sich …“

Er schwieg plötzlich …

„Hörtest Du?“ fragte er nach einer Weile. „Da hat jemand den Drücker der Kabinentür bewegt … Da – schon wieder …!!“

Und dann – klopfte es …

„Melde Dich,“ flüsterte Harald und tastete sich nach dem Wandschrank hin, in dem meine Kleider hingen.

Ich ging zur Tür. – Auf meine Frage, wer draußen sei, meldete sich ganz leise … Gustav Krause!

Ich öffnete. Er … taumelte zu mir herein. Er war im lilaseidenen Pyjama. Sein Kugelbauch gewann in diesem Kostüm durchaus nicht an Schönheit.

Ich riegelte hinter ihm ab, machte Licht.

Er war in den einen Korbsessel gesunken. –

„Was gibt’s denn?“ fragte ich erschrocken, da er geradezu bejammernswert aussah.

„Der … der Herzog spielt noch mit den anderen Roulette,“ stotterte er. „Hier – diese Berliner Illustrierte habe ich mir in Suez am Kai gekauft. Soeben erst blätterte ich sie durch. Da … nehmen Sie, Herr Schraut! Sehen Sie sich das Bild auf der vorletzten Seite an, das zu dem Artikel „Moderne Raubritter“ gehört …“

Ich tat’s. – Es war … Lionel Barring!! –

Das war für mich eine böse Zwickmühle! Ich hatte Barring versprochen, nichts zu verraten. Was sollte ich nun tun?!

Gustav Krause stierte mich entgeistert an.

„Der Herzog … ist … also … ein Verbrecher!“ flüsterte er, nach Luft schnappend. „Dann sind auch seine Freunde und die Besatzung nichts anderes! Ich bin nicht auf den Kopp jefallen, Herr Schraut!!“

Harald tauchte lautlos aus dem Schranke auf.

Krause wollte vor Angst losbrüllen. Aber ich drückte ihm noch rasch die Hand auf die Lippen.

„Ich bin Harald Harst,“ erklärte mein Freund hastig. „Sie wissen jetzt, Herr Krause, daß Sie und Ihre Freunde von der berüchtigten großen Null, von Barring und Konsorten, jederzeit auf irgendeiner entlegenen Insel ausgesetzt werden können, falls Sie sich auch nur anmerken lassen, daß Sie etwas ahnen! Reißen Sie sich also zusammen und spielen Sie weiter den Harmlosen. Schraut und ich schützen Sie! Und – verschweigen Sie Ihren Freunden, daß Sie Lionel Barring durchschaut haben. Warnen Sie auch Ihre Gattin, die doch wohl leider ebenfalls das Bild gesehen hat. Ich werde Ihnen schon mitteilen, was wir unternehmen müssen, um diese Halunken loszuwerden. Ich halte Sie für keinen Feigling. Können Sie schießen?“

„Und ob! Ich bin Jäger, und die drei anderen sind’s auch. Wir haben auch jeder eine Repetierpistole mit! – Ne – feige sind wir nich! Verlassen Sie sich drauf, Herr Harst: mit Ihnen Seite an Seite werden wir zu Löwen!“

Hm – Krause im lilaseidenen Pyjama sah ganz wie ein Löwe aus!! –

Harst schickte ihn dann wieder in seine Kabine zurück und folgte ihm sehr bald, eilte an Deck und begab sich in seine Kammer. –

Krause bewies in den folgenden Tagen, daß er ganz gut schauspielern konnte. Er ließ sich dem Herrn Herzog gegenüber nichts anmerken, und seine Gattin ebensowenig.

Als die Jacht dann den Indischen Ozean erreicht hatte, hielt uns ein kleiner Maschinenschaden zwei Tage inmitten des endlosen Meeres auf. Barring war jetzt sehr nervös. Er ging viel auf Deck allein hin und her und schien angestrengt nachzugrübeln.

Und abermals vier Tage später kam nachmittags Land in Sicht. Barring behauptete beim Abendessen, es sei die Westküste von Vorderindien. Das war Schwindel: wir nahten uns der Insel Sumatra, dem – – Sultanat Padagoa! –

An dieser Stelle möchte ich ein paar ganz kurze kolonialpolitische Bemerkungen einflechten. – Sumatra[12] ist bekanntlich holländischer Kolonialbesitz. Die Unterwerfung der einheimischen Fürsten hat vielfach große Schwierigkeiten gemacht. Besonders die Atchinesen kämpften jahrelang um ihre Freiheit. Dagegen ordneten sich die Batta-Völker den europäischen Eindringlingen meist freiwillig unter. Teile der Batta bewohnen auch die felsige Nordwestküste. Den Fürsten hat man eine Scheinselbständigkeit belassen. Sie nennen sich zumeist Sultan, und die Holländer haben bei der großen Ausdehnung der Insel an einigen entlegenen Sultanaten so wenig Interesse, daß sie an diesen Fürstenhöfen nicht einmal Staatskommissare, also Aufpasser, halten. – –

An demselben Abend noch fuhr die Jacht vorsichtig in die sogenannte Padagoa-Bucht ein, die sich sehr bald zu einem ungeheuren Binnensee erweitert, dessen stille, von Bergen gegen Stürme völlig geschützte Oberfläche durch zahllose kleine Felseninseln angenehm belebt wird. Bei mildem Mondschein glitt die Jacht in dieses Inselreich hinein und warf schließlich mit völlig abgeblendeten Lichtern in einem versteckten Winkel der Südküste der Bucht Anker. Dies geschah um ein Uhr, als an Bord alles bereits zu schlafen schien.

Ich – – schlief nicht. Durch das kleine Kabinenfenster beobachtete ich genau die Umgebung und die Ankermanöver. Das Fenster war offen. Mit einem Male schwebte von oben ein an einem Bindfaden befestigter Zettel herab. Ich faßte zu, ruckte dreimal an dem Bindfaden und zog ihn dann ein. – Der Zettel lautete:

„Heute sollte ich in die große Null aufgenommen werden. Ich spielte jedoch den vollständig Betrunkenen. – Warte am Fenster. Weiteres folgt. – H. – Verbrennen!!“

Eine halbe Stunde später verschwand der Mond …

Leichtes Gewölk verhüllte auch den Sternenhimmel.

Ich stand im Dunklen an dem kleinen Fenster. An Deck war es still geworden.

Ich stand und schaute auf die matt glänzenden Wasser hinab, in deren Tiefen Leuchtfische zuweilen wie rasch sich bewegende seltsame Laternen hin und her schossen …

Und – ich sah plötzlich etwas Dunkles auf der Oberfläche der Bucht – etwas, das nur zu sehr dem Kopfe eines Menschen glich …

Ich sah einen zweiten – dritten Kopf …

Eine ganze Anzahl …

Es waren Eingeborene, die der Jacht sich schwimmend näherten …

Und quer über all diese Köpfe zog sich ein zuweilen aufblitzender hellerer Strich: Messer, die die Schwimmer zwischen den Zähnen hielten … –

Dann legte sich eine Hand mit leisem Druck auf meine Schulter: Harst!

Er flüsterte rasch: „Die ganze Bande hält in der großen Kajüte Kriegsrat. An Deck sind nur zwei Wachen. Ich habe Krause geweckt. Er holt seine Freunde und die Damen hierher. Der – – Tanz geht los!“

„Sahst Du die Schwimmer?“ fragte ich ebenso hastig.

„Ja … – Fenster zu! Vorhang vor! Dann Licht!“

Das Licht flammte auf. Harald riß sich Perücke und Bart herunter, reinigte das Gesicht, nahm einen seiner Anzüge aus dem Schranke, warf Jan Jensens Kleidungsstücke ab und wurde wieder … Harald Harst. –

Krause, seine Freunde und die vier Damen schlichen herein …

Im selben Moment vom Deck her zwei gellende Schreie …

Dann Stille …

Dann …

 

5. Kapitel.

Die Brüder Rastein.

Dann kam’s die Treppe hinab mit ohrbetäubendem Gebrüll – fraglos eine ganze Menschenwelle brauner Leiber …

Wir hörten in der Kajüte ein paar Schüsse …

Und hörten den Lärm eines kurzen, wilden Kampfes.

Dann abermals Stille …

Aber huschende Schritte draußen im Gange, das leise Kreischen der Kabinentüren und flüsternde Stimmen belehrten uns, daß die Kabinen durchsucht wurden.

Unsere Tür flog auf …

Draußen ein Dutzend Batta, Laternen in den Händen.

Einer trat ein – ein schlanker Mann mit kurzem Bart, in einem weißen Leinenanzug. Auch ein Batta …

Harst ließ den Mann nicht erst zu Worte kommen.

„Wir gehören nicht mit zu jenen Leuten, die dort soeben überwältigt wurden,“ erklärte er in englischer Sprache.

Der europäisch gekleidete Batta erwiderte höflich:

„Das wissen wir. Sind Sie Harald Harst, Master?“

„Ja …“

„Dann läßt der Sultan von Padagoa Sie und Ihre Freunde einladen, morgen vormittag seine Gäste zu sein. – Wir sind über alles unterrichtet, was hier an Bord geschieht. Sie können die Nacht hier in voller Sicherheit zubringen. Die Spuren des Kampfes werden beseitigt werden. Bleiben Sie bitte noch eine halbe Stunde hier beisammen.“

Der braune Gentleman verbeugte sich und schloß die Tür wieder.

Die Damen erholten sich allmählich von dem nervenzermürbenden Schreck dieses jähen Angriffs auf die Jacht.

Eine halbe Stunde später begaben sich Harst, Krause und ich erst in die große Kajüte, dann auf Deck. Wir fanden hier vier Batta-Krieger vor, die als Wachen zurückgeblieben waren.

Barring und die Seinen hatte man in Kähnen an Land geschafft. –

An Schlaf war natürlich für uns nicht zu denken. Wir erwarteten in der großen Kajüte den nahenden Morgen.

Allerlei Vermutungen wurden laut, was der Sultan von Padagoa mit Barring und den Verbrechern wohl beginnen würde und weshalb er sie gefangen genommen, uns aber mit so großer Rücksicht behandelt hatte.

Ich beteiligte mich an dieser Unterhaltung recht lebhaft. Harald dagegen saß mit sphinxhaft-undurchdringlichem Gesicht da und schien in seinem Sessel eingenickt zu sein. Plötzlich erklärte er dann, sich etwas aufrichtend:

„Der Sultan von Padagoa ist einst Europäer gewesen.“

Diese Mitteilung wirkte sehr verschieden auf die Hörer.

Gustav Krause meinte nur: „Na also – ein Schentelmähn!“

Die Damen riefen: „Ach, wie interessant!“

Und ich – ich blickte Harst nur forschend an.

Er erhob sich, lächelte etwas: „Da uns bisher der Hals nicht abgeschnitten worden ist, wollen wir noch ein paar Stunden schlafen. Der Morgen graut. Gute Nacht.“

Eine Verbeugung, und er ging hinaus. – Ich fand ihn gleich darauf in meiner Kabine, wo er sich eine Hängematte aufgespannt[13] hatte und bereits friedlich da oben zu schlummern schien.

Ich legte mich gleichfalls nieder, schlief ein. – –

Um elf Uhr vormittags näherten sich der Jacht fünf flache, große, mit Blumen reich geschmückte Boote, die uns feierlich abholten.

Derselbe englisch sprechende Batta, der jetzt eine Art Uniform nach europäischem Schnitt trug, fuhr dann voran. Die übrigen Boote folgten.

Harald und ich saßen allein in einem der leichten Fahrzeuge, die durch je zwölf halbnackte Ruderer pfeilschnell vorwärtsbewegt wurden. –

In dem steilen Felsenufer des weiten Lagunensees öffnete sich nach Norden zu eine Art Kanal, der in einen zweiten See führte. Hier lag am Ostufer die Stadt Padagoa, zumeist aus Bambushütten bestehend, und jenseits auf einem steilen Berge die aus Granit ausgeführte[14] Sultansburg, ein Bau von phantastischem Geschmack, trotzdem imposant und wuchtig. –

Leichte Rikschas, von je zwei Rikschakulis gezogen, brachten uns durch die Straßen der Stadt zum Schlosse empor.

Jetzt erst erklärte Harald genau so unvermittelt wie stets: „Ich habe mich, was Wogitschs Tod betrifft, sehr geirrt. Rehbein ist niemals der Mörder. Wir werden den buckligen Schuster hier stark verändert wiederfinden.“

„Der … der weiße Sultan von Padagoa?“ fragte ich geradezu starr vor Staunen.

Harald schwieg und beobachtete das Leben und Treiben ringsum. –

Dann der Serpentinenweg den Berg hinan …

Dann der Batta in Uniform, der zuerst uns beide über Marmortreppen und Flure, die mit kostbaren Teppichen belegt waren, in einen europäisch eingerichteten Saal führte, in dem an der einen Schmalseite ein großer Diplomatenschreibtisch stand. An diesem Tische saß ein bartloser Mann mit leicht gebräuntem Gesicht in weißem Flanellanzug. – Der Batta verbeugte sich tief vor diesem vielleicht sechzigjährigen Europäer und ging dann hinaus.

Auch wir hatten uns verneigt. Wir ahnten: es war der weiße Sultan!

Er erhob sich, kam um den Tisch herum und streckte erst Harald die Hand hin, sagte auf Deutsch: „Ich heiße Sie beide herzlich willkommen, Landsmann!“ Dann gab er auch mir die Hand. Es war … Emil Rehbein, der Flickschuster aus Brückengang 6.

„Nehmen Sie bitte Platz, meine Herren,“ fügte er nun hinzu und deutete auf ein Ecksofa. „Ich bin Ihnen einige Erklärungen schuldig, muß Sie, Herr Harst, auch des hinterlistigen Hiebes wegen um Entschuldigung bitten. – Wir Gebrüder Rastein haben vom sechzehnten Lebensjahre an ein sehr abenteuerliches Leben geführt. Wir waren Zwillinge. Mit zweiundzwanzig Jahren schlossen wir uns hier in den Gewässern der Sunda-Inseln einer Piratenbande an. Wir gerieten zwei Jahre später in die Gewalt des Sultans von Padagoa. Dessen einzige Tochter aber verliebte sich in meinen Bruder Ernst. Er wurde ihr Gatte und erwarb sich so großes Ansehen unter diesen harmlosen Battas, daß man ihn nach dem Tode des alten Sultans zu dessen Nachfolger ernannte. Auch ich war hier sehr beliebt. Wir schlossen günstige Verträge mit den Holländern, die uns mit Auszeichnungen überhäuften. Der weiße Sultan von Padagoa und sein Bruder und oberster Ratgeber waren eine Zeitlang, etwa in den achtziger Jahren, in aller Munde. Dann vergaß die Welt uns. Meines Bruders Ehe war mit einem Kinde gesegnet, einem Mädchen. Da dieses nach den hiesigen Gebräuchen nicht die Sultanswürde erben konnte, bestimmte die Versammlung der Alten, daß, falls mein Bruder verstürbe, ich sein Erbe werden sollte. – Die Sehnsucht nach der deutschen Heimat – wir sind geborene Berliner – ward mit den Jahren jedoch so übermächtig in uns, daß wir beschlossen, abwechselnd stets ein halbes Jahr in Berlin zu leben. Wir kauften daher die Häuser Laternengasse 19 und Brückengang 6 und begannen nun entsprechend unserem auf alles Außergewöhnliche eingestellten Sinn ein Leben, wie es selten Männer geführt haben. Daß einer von uns stets viele Monate abwesend war, merkte niemand von unseren Berliner Nachbarn. Dazu hausten wir zu zurückgezogen. Ella, meines Bruders Tochter, hielt sich größtenteils hier in Padagoa auf. In Berlin erregte ihre fremdartige Schönheit eine unseren Heimlichkeiten sehr nachteilige Bewunderung. Aus Liebhaberei hatte zuerst ich das Modellieren in Wachs und dann auch das Herstellen von Wachsfiguren betrieben. – So genossen wir unser anregendes Doppelleben fast zwanzig Jahre völlig ungestört. Oft war mein Bruder in der letzten Zeit über ein Jahr und länger von Berlin abwesend und erledigte hier seine nur insofern schwierigen Staatsgeschäfte, als eine kleine Partei der Landeskinder beständig gegen ihn wühlte und einen vornehmen Batta zum Sultan machen wollte. Im Februar dieses Jahres kehrte er dann ganz überraschend mit seiner Tochter nach Berlin zurück: eine unblutige Palastrevolution hatte die beiden von hier vertrieben.“

Der weiße Sultan machte eine kurze Pause, die Harald dazu benutzte, seinerseits nun folgendes hinzuzufügen:

„Hoheit, die wahren Zusammenhänge der Geschehnisse in Berlin habe ich in demselben Augenblick durchschaut, als mir während der Seereise eine englische Zeitung, die ein Matrose der Jacht in Suez gekauft hatte, in die Hand kam. Ich fand darin einen Artikel über diese Palastrevolution und über die Flucht des Sultans nebst seiner Tochter, ferner zum Schluß die Nachricht, daß die Bevölkerung hier den Rivalen Ihres Bruders wieder vertrieben und die Rückkehr ihres bewährten Staatsoberhauptes gewünscht hätte, dessen Aufenthalt jedoch unbekannt sei. – Ihr Bruder ist im Hause Brückengang 6 von diesem Rivalen oder von einem Anhänger desselben ermordet worden. Sie aber hielten Barring für den Mörder, der sich all jene Papiere angeeignet hatte, die Ihrer beider Doppelleben enthüllten. – Sie wollten Barring als Mörder bestrafen. Daher die Höllenmaschine auf dem Tische. Sie und Ihre Nichte begaben sich dann auf kürzestem Wege hierher und traten Ihres Bruders Erbschaft an, wurden Sultan und haben irgendwie Barring beobachten lassen …“

„Durch Londoner Detektive …“ warf der Sultan ein. „Übrigens war ich es, der die Kreidenullen an Ihren Zaun gemalt hatte …“

„Barring wieder plante mit seiner Bande nichts anderes als eine Beraubung dieses Schlosses hier …“

„Der Schatzkammer, Herr Harst. Er hat das bereits eingestanden. Er wollte zunächst versuchen, hier meine Rolle zu spielen, was er dann jedoch aufgegeben hat. Mit Gewalt hoffte er die Schätze der Sultane von Padagoa auf die Jacht bringen und fliehen zu können.“ – Er ergriff eine Tischglocke, läutete. Sofort erschien der Batta in Uniform.

„Barring soll herbeigeschafft werden,“ befahl der Sultan.

Und – Barring kam … Kam zwischen zwei Eingeborenen durch die andere Tür des Saales …

Monokel im Auge, schlank, selbstbewußt, – nur … Barring war es nicht! Ich sah es sofort, rief: „Das ist nicht Lionel Barring, Hoheit!“

Der Sultan stand hastig auf. „Wer sonst, Herr Schraut?“

Da erwiderte statt meiner der Gefangene: „Ich bin James Olden, der ehemalige Reitknecht Lord Allan Gnirables, des jetzigen Lionel Barring. Der Herr der großen Null ist entflohen, als es bei dem Kampf im Salon der Jacht für uns kein Entrinnen mehr gab. Sie werden ihn nicht finden. Lionel Barring läßt sich den Herren bestens empfehlen.“ – –

Ich habe nur noch wenig hinzuzufügen. – Die Verbrecherbande sollte zu Schiff nach dem Haupthafen der Insel, nach Padang, transportiert werden. Unterwegs überwältigten die verwegenen Gesellen die Schiffsbesatzung und entkamen. Sieben von ihnen waren jedoch bei dem Kampfe auf dem Schoner des Sultans gefallen.

Wir beide, das Ehepaar Krause und ihre Freunde waren noch vierzehn Tage Gäste des weißen Sultans von Padagoa, des merkwürdigsten Mannes, den wir je kennen gelernt haben. Das Geheimnis seines und seines Bruders Doppellebens haben wir seinem Wunsche gemäß bis nach seinem Tode gewahrt. Er starb am 1. Februar 1924. Seine Nachfolgerin wurde entgegen den bisherigen Gebräuchen des Landes seine Nichte, die jetzt als Sultana Dara Mahrla Herrscherin der Battas ist. Ihr Bild wurde letztens in zahlreichen niederländischen Zeitschriften veröffentlicht. –

Lionel Barring blieb zwei Monate verschwunden. Dann ereignete sich das, was ich im folgenden Bande schildern will, in …

 

Das Geheimnis des Bosporus.

 

 

Verlagswerbung:

Wir weisen alle Freunde der Harald Harst-Abenteuer darauf hin, daß gleichzeitig mit Herausgabe des Bandes 110 ein Roman mit Harst und Schraut als Hauptpersonen mit dem Titel

 

Die roten Briefe

 

in unserer Ausgabe „Kabels Kriminalbücher“ erscheinen wird. Gleichzeitig empfehlen wir „Kabels Kriminalbücher“, von denen jetzt 17 Bände vorliegen, als wirklich gute Kriminalerzählungen unseren Lesern.

Bestellen Sie „Kabels Kriminalbücher“ bei Ihrem Buchhändler.

 

 

Der Detektiv

Eine Reihe höchst spannender Detektivabenteuer. Bisher sind folgende Bände erschienen:

 

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101:
102:
103:
104:
105:
106:
107:

Das Geheimnis der Kabine 24.
Das Rätsel der Trollhätta-Insel.
Lord Plemborns Verbrechen.
Die Leiche im Gletschertunnel.
Sechs leere Briefbogen.
Das Geheimnis des Elefantenjägers.
Lady Myntors letzter Wunsch.
Der Giftpfeil des Wedda.
Der Schlangenbeschwörer von Agra.
Das Patent des Doktor Murphison.
Die Buschklepper der Thar-Wüste.
Das blinde Hindumädchen.
Die Wundergeige des Virtuosen.
Der Geisterspiegel.
Das Geheimnis des Wannsees.
Giftkonfekt.
Schatten an der Wand.
Der tote Zigeuner.
Das Rätsel der Schonerjacht.
Die tote Karawane.
Das Wunder von Patna.
Frau Inges Tränen.
Der tote Kanarienvogel.
Der Obstkahn am Elisabethufer.
Das geheimnisvolle Fenster.
Anita Armands Verhängnis.
Unser 100. Abenteuer.
Die Piraten der Havelseen.
Der Napoleon aus Wachs.
Der dritte Schuß.
Das Zimmer ohne Fenster.
Das Paket im Urbanhafen.
Der unheimliche Mieter.
Das Känguruh der Miß Dolling.

– Preis pro Band 20 Pf. –

Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26,

Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Anmerkungen:

  1. In der Vorlage steht: „Torrero“.
  2. „Wogitsch’“ / „Wogitschs“ – Beide Schreibweisen vorhanden. Einheitlich auf „Wogitschs“ geändert (Idiotenapostroph).
  3. In der Vorlage steht: „enhielt“.
  4. In der Vorlage steht: „Magarine“.
  5. In der Vorlage steht: „Jeden“.
  6. Dieser Ausdruck ist korrekt. Steht als Synonym für ausdrucksvoll, anschaulich, bildlich usw.
  7. Gemeint sind die Werke von Eugenie Marlitt. Siehe auch Wikipedia: Eugenie Marlitt.
  8. Die Tuberose ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Agaven. Siehe auch Wikipedia: Tuberose.
  9. Ein Rotwein, siehe auch Wikipedia: Château Margaux.
  10. Eine Champagnermarke, siehe auch Wikipedia: Heidsieck & Co.
  11. In der Vorlage steht: „Tobergoul“. Im vorherigen Heft hieß der Herr aber noch „Tabergoul“. Einheitlich und bandübergreifend auf „Tabergoul“ geändert.
  12. Siehe auch Wikipedia: Sumatra.
  13. In der Vorlage steht: „ausgespannt“.
  14. In der Vorlage steht: „aufgeführte“.