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Die Photographien des Sennor Trimaldo

 

 

 

Der Detektiv

 

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 134:

 

Die Photographien des Sennor Trimaldo.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1924 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.
Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

1. Kapitel.

Ahmed Bissus Pavillon.

Schon einmal habe ich in diesen meinen Schilderungen unserer Abenteuer betont, daß auch mein Freund Harald Harst durch die Inflation sein gesamtes Vermögen verloren hatte und daß wir von reichen Liebhaberdetektiven zu simplen Privatdetektiven herabgesunken waren, die nicht mehr wie einst mit zu ihren Waffen das Geld rechnen konnten.

Einst in besseren Zeiten hatten wir ohne Rücksicht auf den Kostenpunkt uns in die kostspieligsten Abenteuer gestürzt, hatten eine Reise nach Kairo oder Kapstadt lediglich deswegen unternommen, weil uns eben irgendein besonderes Problem lockte …

Damit war’s nun längst vorbei. Wir waren auf Honorar angewiesen, und wenn wir auch zuweilen „Fälle“ bearbeiteten, die uns nichts einbrachten, so war dies doch stets eine Seltenheit, eine Tat des gütigen Herzens meines Freundes, der auch unbemittelte Bedrängte nie von seiner Tür wies – Sie kamen selten, diese von Sorge, Angst oder allerlei Gedanken Gequälten. Mit geringfügigen Dingen traute sich niemand zu dem berühmten Harst. Viele wandten sich nur schriftlich an ihn, viele sogar anonym. Und mitunter flatterte auch ein gehässiger, heimtückischer Brief in unser Heim, eine jener gemeinen Verdächtigungen, mit denen auch die Polizei so oft bombardiert wird. –

An jenem Septembermorgen, der dem wohl mit Recht als grauenvoll von mir bezeichneten Tode Eva Lardas folgte, stellte sich der indische Juwelier und Edelsteinhändler Jean Ahmed Bissu schon frühzeitig bei uns ein, um von uns Abschied zu nehmen. Wir hatten ihm, wie der Leser noch wissen dürfte (vergleiche „Die Diamanten des Bettlers“, voriger Band), seine ganzen Juwelen wieder einhändigen können, und seine Dankbarkeit und Freude hierüber stand in durchaus harmonischem Verhältnis zu dem Honorar, das er uns freiwillig gespendet.

Eigentlich waren wir ein wenig überrascht, weil er nochmals bei uns vorsprach. Er hatte sich bereits gestern von uns verabschiedet und war jetzt auch zunächst ein wenig verlegen, weil er eben ganz offenbar – – noch etwas auf dem Herzen hatte.

Dieser moderne, gebildete und taktvolle Inder saß nun mit uns auf der Veranda am Frühstückstisch und sagte unvermittelt:

„Würden Sie mit mir nach Allahabad kommen, Herr Harst?“

Harald lächelte …

„Ich ahnte, daß Sie uns in Ihrer Heimat brauchen könnten … Besser: ich weiß es …“

Ahmed Bissu schüttelte den Kopf.

„Verzeihen Sie, Herr Harst … Sie können nichts wissen … – Dürfte ich fragen, was Sie vermuten?“

„Ich halte neun Zeitungen, Bissu … Darunter auch die in Kalkutta erscheinende India-Post … Und mein Gedächtnis ist tadellos. Im Mai dieses Jahres haben Sie Ihre einzige Tochter verloren. Sie verschwand – spurlos. Und vorher schon waren aus Allahabad drei andere junge Mädchen abhanden gekommen, so daß die Polizei wochenlang mit äußerstem Eifer sich abmühte, diese traurigen Vorfälle zu klären …“

Bissu jedoch schüttelte wieder den Kopf …

„Meine Naida, mein Sonnenschein, wird sehr wahrscheinlich beim Baden im heiligen Ganges an einsamer Stelle von einem Krokodil in die Tiefe gezogen sein[1] … So glaubt auch die Polizei …“ – Seine Stimme zitterte leicht. „Ich werde diesen Verlust nie verschmerzen. Aber nicht Naidas wegen suchte ich Sie heute nochmals auf, Herr Harst. Nein, Dinge von weit größerer Rätselhaftigkeit lasten schwer auf meiner Seele …“

Er schwieg und starrte durch die offenen Fenster in den grellen Sonnenschein hinaus. Seine Augen wurden ganz klein, und sein Gesicht, dieses verschlossene, stolze Radschputengesicht, war wie durchbebt von geheimen Schrecken …

„Nein – nicht Naidas wegen,“ sprach er im Tone völliger Weltentrücktheit … „Nein – denken Sie sich folgendes, Herr Harst … Auch Sie haben da draußen einen alten, schönen, großen Garten … Und Sie kämen nun eines Tages an eine verborgene Stelle dieses Gartens, wo ein uralter verfallener Pavillon steht, dessen Steinfußboden aus quadratischen Platten zusammengefügt ist … Sie schauen in den Pavillon hinein, und da sehen Sie, daß aus der Fuge zwischen zwei Platten ein Stückchen Stoff herausragt – blaues Leinen … Sie gehen den Dingen auf den Grund, heben die Steinplatte mit einem Meißel hoch und finden darunter – ein schachtartiges Loch …“

Pause …

Bissu atmete rasch und keuchend …

Und Harald fügte hinzu:

„Eine – Leiche fanden Sie … Und das blaue Stück Leinen war von dem Gewande des Toten …“

Bissu schaute Harald an … Nickte …

„So war’s … Doch – nicht eine Leiche, Herr Harst … Nein … acht – acht Leichen fand ich so auf meinem Grund und Boden, denn solch ein Pavillon erhebt sich im Gestrüpp meines Gartens in Allahabad …“

„Leichen von Pilgern wohl, die zu den großen Festen nach Allahabad gekommen …?“

Langsam schüttelte der Inder zum dritten Male den Kopf …

„Europäer, Herr Harst … Europäer waren’s …!“

Haralds Kopf ruckte hoch …

„Unmöglich …! Wie können in Indien acht Europäer verschwinden, ohne daß alle Welt davon Notiz nimmt?!“

„Das habe ich mich auch gefragt – und habe geschwiegen, habe zu niemandem von dieser grauenvollen Entdeckung gesprochen. Die acht Leichen – sie waren in den verschiedensten Stadien der Verwesung, liegen noch immer in jenem Versteck, wo … die Mörder sie hingeschafft haben … Mörder, Herr Harst, ich konnte ja von oben erkennen, daß zweien der Toten die Schädel zertrümmert waren …“ –

Ich sah es Haralds Gesicht an, daß diese Angaben Bissus ihn außerordentlich interessierten.

„Wann fanden Sie die Leichen?“ fragte er jetzt, und seine Hand tastete nach dem Zigarettenetui …

„Im Juni dieses Jahres …“

„Waren Sie nur ein einziges Mal in dem Pavillon?“

„Ja … Als Kind häufiger. Haus und Garten gehörten schon meinem Vater, der auch Juwelier war …“

Harald zündete die Zigarette an …

„Und Sie wußten nichts von dem Loche unter dem Steinboden des Pavillons?“ meinte er.

„Nichts … Niemand weiß etwas von dessen Existenz. Auch meinem Vater war dieser Schacht ohne Zweifel unbekannt.“

„Weshalb meldeten Sie die Sache nicht, Bissu?“

„Weil ich den Scherereien aus dem Wege gehen wollte.“

„So … so … – Und in Allahabad ist nie ein Europäer verschwunden?“

„Nie …“

„Allerdings rätselhaft … – Haben Sie männliche Angestellte, die etwa als Mörder in Betracht kommen könnten?“

„Nein – nein …! Ich habe nur zwei Verkäufer, die nicht bei mir im Hause wohnen … Sie betreten auch nie den Garten … Der alte Pavillon stammt aus uralten Zeiten und steht in einem Dickicht, in dem ich als Hindu drei Brillenschlangen halte – das heißt: füttere! Sie sind halb zahm und liegen meist auf der Treppe zum Pavillon und sonnen sich … – Nein, Herr Harst, von meinen Leuten ist jeder über einen so schweren Verdacht erhaben.“ –

Zehn Minuten drauf verabschiedete Bissu sich. Er wollte mit dem Abendzuge über Wien nach Genua reisen und von Genua einen Dampfer nach Kalkutta benutzen. Seine Geschäfte hier in Berlin hatte er zu seiner Zufriedenheit abgewickelt. Harst hatte ihm erklärt, die acht toten Europäer könnten ihn doch nicht veranlassen, die weite Reise bis Allahabad zu unternehmen, und Bissu hatte dann noch umsonst ihm ein hohes Honorar geboten, falls wir ihn begleiten wollten. Harst blieb bei seinem ablehnenden Bescheid.

Kaum war Bissu draußen in der Blücherstraße in sein wartendes Mietauto gestiegen, kaum war das Auto verschwunden, als Harald mich in sein Arbeitszimmer zog und rief:

„Hilf mir suchen …!“

Und er öffnete den Riesenschrank, in dem all die Briefordner standen …

„Ich besinne mich auf einen Brief, den wir im Juli dieses Jahres erhielten – ein anonymes Schreiben … Besinne Dich: da war von einem Manne die Rede, der seinem Chef fünfzehntausend Mark gestohlen haben sollte …“

Ich besann mich …

Und wieder zehn Minuten drauf hatten wir den Brief gefunden:

Berlin, den 6. Juli d. J.

Sehr geehrter Herr Harst!

Gestatten Sie, daß ich Sie auf Karl Meinas hinweise, der, wie Sie in den Zeitungen gelesen haben werden, am 1. Juni angeblich im Kleinen Tiergarten hier in Berlin im Stadtteil Moabit überfallen und der Wertbriefe beraubt wurde, die im ganzen 15 000 Mark enthielten. Karl Meinas ist ein Schwindler und hat stets allerhand Heimlichkeiten gehabt. So hat er auch mit einem Herrn in Indien, in Kalkutta, Briefe gewechselt. Jetzt ist er mit einem Male abgereist, nachdem er seine Stellung als Bote bei der großen Fabrik aufgegeben hatte. – Kümmern Sie sich um die Sache, Herr Harst.

Eine, die Karl Meinas nur zu gut kennt.

Und als ich, Max Schraut, diesen Brief irgendeines Weibes, das vielleicht aus Eifersucht das Schreiben abgesandt haben mochte, nun wieder gelesen hatte, da begriff ich, weshalb Harald es hervorgesucht …

Und ich sagte:

„Allerdings eine sehr, sehr lose Verbindung mit dem, was Bissu uns erzählte … Nur Indien – Kalkutta!“

„Immerhin eine Verbindung … Und jetzt werden wir diese Verbindung fester gestalten, indem wir – Karl Meinas’ Mutter befragen. Hier ist der Zeitungsausschnitt über den Raubüberfall. Er wohnte bei seiner Mutter, Rathenower Straße 72 …“

Und ohne Verkleidung fuhren wir im Auto gen Berlin-Moabit, Rathenower Straße 72 …

 

2. Kapitel.

Die Diamantenmine.

Allahabad …

Allah – abad: Stadt Gottes …

Gelegen auf der großen Landzunge zwischen dem heiligen Gangesstrom und dem rechten Nebenfluß Dschamna …

Nacht über Allahabad … Eine glutheiße Septembernacht … Kein Luftzug … Alles wie erstickt in dem glühenden Brodem, den der sonnige Tag hinterlassen …

Und wir beide im Nachen dicht am Dschamnaufer …

Wir beide den Nachen gegen die kleine Anlegebrücke drückend, die zu Ahmed Bissus Garten gehörte.

Die Örtlichkeit kannten wir, hatten mittags schon alles Nötige besichtigt, nachdem wir erst morgens von Kalkutta eingetroffen waren – wir, zwei harmlose blondbärtige Kaufleute – aus der Schweiz angeblich …

Der Nachen lag nun fest an der Brücke.

„Warten wir noch,“ meinte Harald. „Es ist erst elf Uhr.“

Die Brücke verbarg uns.

Auf dem dunklen Flusse glitten Boote lautlos dahin. Jedes mit einer Laterne am Bug. Rötliche Lichtstreifen blinkten auf dem Wasser. Wenn ein Frachtdampfer vorüberrauschte, brandeten kleine Wellen gegen das befestigte Ufer. Wenn eines der luxuriösen schwimmenden Touristenhotels mit strahlenden Fensterreihen vorbeifuhr, brandeten stärkere Wellen gegen unseren schaukelnden Nachen … –

Bissus Garten war nach dem Flusse hin durch eine hohe alte Mauer begrenzt. In dieser Mauer schimmerte eine helle Holztür.

Harald rauchte Mirakulum …

Schwieg – – genoß Indien …

Wie ich …

Im Garten drüben schluchzte eine Bul-Bul, die indische Nachtigall, ihr Sehnsuchtslied zu den Sternen empor …

Von einem Frachtboot, das in der Nähe ankerte, kam Gesang herüber …

Und – von ganz fern, aus dem Europäerviertel, drangen verschwommen Walzerklänge einer Militärkapelle bis zur murmelnden, gurgelnden Dschamna …

Wir genossen …

Acht Monate hatten wir Indien nicht gesehen … eine Ewigkeit …

Waren nun wieder mitten im Lande der Zauberbauten und Märchenträume …

Wollten das Geheimnis der acht Toten ergründen. –

In Berlin damals in der Rathenower Straße hatten wir in armseliger Kellerwohnung ein Weiblein vorgefunden, das uns mit Tränen in den Augen von dem Sohne erzählte, der nie und nimmer den Raubüberfall vorgetäuscht haben konnte, der ein braver Mensch gewesen, der stets so gut für sie gesorgt …

Und dann hatte sie uns auch manches über den Herrn erzählt, mit dem ihr Karl, ihr Einziger, so geheimnisvolle Briefe gewechselt hatte …

Nein – nie hatte er darüber gesprochen … Nur einmal hatte sie auf einem der Briefe die Unterschrift des fremden gesehen: Diego Trimaldo!

Nie hatte Karl ihr mitgeteilt, weshalb er mit dem Trimaldo korrespondiere.

Und – nicht ein einziger der Briefe sei mehr vorhanden … –

Sie wußte auch nicht, wohin ihr Sohn gereist war. Er hatte ihr beim Abschied nur gesagt: wenn ich wiederkomme, bin ich reich! –

So hatten wir denn so ziemlich unverrichteter Sache die Kellerwohnung wieder verlassen, wo das fleißige Weiblein sich durch einen bescheidenen Grünkramverkauf durchzuschlagen suchte.

Aber – hundert Mark waren auf dem Tische liegengeblieben: Haralds Spende!

Dann – – verkleidet bis Genua mit Bissu im selben Zuge … Auf demselben englischen Dampfer von Genua – Bissu erster Kajüte, wir bescheiden zweiter, – – und Bissu ahnte nichts, ahnte noch jetzt nichts …

An all das dachte ich nun wieder und fragte mich: Wer ist Trimaldo? Diego Trimaldo? – Ein Spanier oder Portugiese scheinbar …

Scheinbar …

In Kalkutta hatten wir uns umsonst nach ihm erkundigt … –

Und aus diesen Gedanken schreckte ich hoch, als Harald plötzlich unseren flachen Nachen noch tiefer unter die Brücke schob und flüsterte:

„Bücke Dich!“

Ganz zusammengekauert hockten wir nun hier im Finstern …

Ein anderer Nachen glitt herbei. Auch ohne Laterne – wie der unsrige …

Ein Inder saß darin, handhabte das Ruder sehr geschickt, konnte uns nicht bemerkt haben, denn – er legte ohne Zögern an, knotete ein Tau um einen Pfahl der Brücke und schwang sich über das Geländer …

Das – Abenteuer begann …

Ein Inder mit schwarzem Bart, dunklem Turban und dunklem Leinenanzug war’s …

Wir beobachteten ihn …

Einen Schlüssel zu der Mauerpforte hatte er – schloß auf – verschwand im großen Garten, lehnte die Holztür nur an …

Und da flüsterte Harald:

„Hast Du es Bissu geglaubt, daß er lediglich um den Scherereien aus dem Wege zu gehen, den Leichenfund für sich behielt?!“

Das – – war wie ein Blitzstrahl, der die stockfinstere Nacht mit grellem Licht zerschneidet …

„Bissu etwa der …“

„Halt – keinen Unsinn, mein Alter,“ unterbrach Harald mich. „Wenn Bissu mit den Toten etwas zu tun hätte, würde er sich wohl gehütet haben, zu uns beiden darüber zu sprechen …! – Nein – die Toten waren ihm eine böse Überraschung. Aber – – der alte Pavillon muß … noch ein Geheimnis enthalten, und dieses wollte Bissu nicht preisgeben! Das ist’s!“

Er erhob sich, schob den Nachen etwas vor, half mir auf die Brücke.

So – – schlichen wir beide denn dem Inder nach …

Durch die Tür – in den Garten, der mehr den Namen eines uralten Parkes verdiente …

Und suchten den Pavillon … Mußten uns ganz auf Bissus Beschreibung der Örtlichkeit verlassen, denn hier im Garten waren wir noch nicht gewesen …

Verkrautete Pfade schlängelten sich durch tropische Dickichte …

Mania-Sträucher dufteten betäubend. Ihre Blütenkelche öffnen sich nur nachts … Und dann klettern die großen indischen Ameisen in Scharen zu den nektargefüllten Dolden empor und – fallen berauscht zur Erde herab, liegen bis zum Morgen in tiefer Betäubung und werden von den Gardibi-Krähen gierig gefressen …

Leuchtkäfer krochen im Grase wie wandernde Laternchen. Auch wir krochen – auf allen vieren … Harald voran.

Im Dunkeln … Und – ich dachte an die Brillenschlangen, die dieses Gestrüpp bewohnten …

Es war nicht die Gluthitze der Nacht allein, die meine Stirn tropfen ließ …

Endlich eine Lichtung …

Im Sternenschein die Ruine des Pavillons …

Nein – kein Pavillon … Ein kleiner Tempel … Das war’s …!

Merkwürdig: weshalb hatte Bissu gelogen?! Das war doch einer jener winzigen Hindutempel, wie sie so oft in den Parken der Reichen zu finden sind …

Merkwürdig …!! –

Und dann – die sechs Steinstufen empor … Windschief hängt hier eine morsche, kupferbeschlagene Tür in den Angeln …

Drinnen ein schwacher Lichtschein …

Ein Mann, der – vor der herausgehobenen Steinplatte kniet – hinableuchtet mit strahlender Karbidlaterne …

Pesthauch der Verwesung entquillt dem Loche …

Der Inder beugt sich tiefer.

Wir stehen halb hinter der Tür …

Beobachten …

Ist’s – der Mörder etwa?! Einer der Mörder?!

Dann – ein Laut aus dem Munde des Inders … ein Seufzer – ein Gemurmel …

Und – – ich traue meinen Ohren nicht …

Ich höre – deutsche Worte … Verstehe undeutlich: „So ein Schuft …!!“

Da – gleitet Harst auch schon vorwärts …

„Guten Abend, Karl Meinas,“ sagt er gedämpft …

Der Inder schnellt hoch …

Seine Hand fährt in die Tasche des Kittels …

„Lassen Sie die Waffe nur stecken,“ sagt Harald wieder. „Ich bin Harald Harst, der Detektiv …“

Meinas sinkt förmlich in sich zusammen …

„Verloren!!“ stöhnt er auf. „Verloren …!! – Meine arme Mutter …!!“

„Ich denke, wir haben allerlei zu besprechen, Landsmann,“ erklärt Harald freundlich. „Kommen Sie … Draußen im Boot sind wir sicherer …“

„Sie – Sie verhaften mich nicht?!“ flüstert der Verkleidete scheu.

„Ich bin kein Beamter, Herr Meinas … Kommen Sie. Wir werden uns verständigen …“

Meinas steht wie starr …

Harald bückt sich, leuchtet in das Loch hinab …

Prallt leicht zurück …

„Entsetzlich!!“

Und deckt die Platte über die quadratische Öffnung …

Wir – schleichen zu dreien wieder davon … Karl Meinas noch immer wie zerbrochen – wie betäubt …

Und kommen zur Brücke. Harst hat die Mauerpforte abgeschlossen. Wir nehmen des Landsmannes Nachen ins Schlepptau und rudern bis zu einer der winzigen Schlamminseln am Ostufer, auf denen aus angetriebenen Bäumen und Sträuchern eine junge Flora in unglaublicher Üppigkeit wieder emporgesprossen.

Hier legten wir an, sitzen im Nachen inmitten grüner Zweige, die dichter als Vorhänge sind.

Hier zündet Harald des Landsmanns Laterne wieder an.

Nun haben wir auch Licht …

„Herr Meinas, jetzt seien Sie mal ganz ehrlich,“ beginnt Harald. „Sie haben den Raubüberfall nur vorgetäuscht, haben sich selbst die Wunden beigebracht … Sie sind bei alledem sehr schlau zu Werke gegangen …“

Meinas, der so vollkommen einem Inder gleicht, nickt … seufzt …

„Weshalb – stahlen Sie die 15 000 Mark?“ fragt der Freund weiter.

Meinas – seufzt …

„Hören Sie mal zu,“ erklärt Harst nun. „Ihre Mutter hat uns von Ihrem Briefwechsel mit Diego Trimaldo erzählt … Ja – Trimaldo!! Und dieser Name war mir nicht fremd …“

Ich – – horche auf! Da hat also Harald mir schon wieder etwas verschwiegen!!

„In ein paar Berliner Zeitungen, deren Anzeigenteile ich stets sehr genau studiere, Herr Meinas, stand im April dieses Jahres eine Annonce etwa folgenden Wortlauts:

Unternehmende junge Männer, die im Ausland
ein Vermögen erwerben wollen, senden ihre
Adresse ein an Sennor Trimaldo, Kalkutta,
Indien, postlagernd Postamt Havenstreet.

Und – an diesen Trimaldo haben Sie fraglos auf diese Anzeige hin geschrieben …“

„Ja, Herr Harst …“

„Und dann hat Trimaldo Ihnen aus Kalkutta wahrscheinlich geantwortet, daß Betriebskapital nötig sei …“

„Ja, Herr Harst … 10 000 Mark etwa … So viel brauche man, um Teilhaber an der Diamantenmine zu werden. Als Beweis, daß die Mine kein Schwindel, lag dem dicken Briefpäckchen … ein ungeschliffener Diamant bei.“

„Ah – – nicht möglich!“

„Es ist so, Herr Harst. Ich habe den Stein zu einem Berliner Juwelier gebracht. Der bot mir dafür 2000 Mark. Und da …“

„… da packte Sie die Geldgier … Da wollten Sie sich mit Trimaldo verbünden …“

„Ja …“ – Er seufzte … „Ja – so wurde ich zum Verbrecher – freilich mit der Absicht, die 15 000 Mark später mit Zins und Zinseszins zurückzuerstatten …“

„Und Trimaldo gab Ihnen den Gedanken ein, den Raubüberfall zu inszenieren …“

„Ja …“

„Und dann –?“

„Dann erwartete er mich in Kalkutta … Dann – fuhren wir hier nach Allahabad, beide als Inder verkleidet.“

„Und – er lockte Sie in den Garten Bissus …“

„Ja … Er sagte mir, in dem Pavillon sei ein alter Schatz verborgen … Den sollten wir heben … Die 15 000 Mark hatte er mir nicht abverlangt … Ich traute ihm … Und …“

„… im alten kleinen Tempel dort – schlug er Sie nieder …“

„Hinterrücks … Doch der Hieb mit der Eisenstange war nicht tödlich … Ich raffte mich auf – wollte ihn packen, den Schuft … Da entfloh er …“ –

Ich, Max Schraut, habe wohl selten einem Verhör mit ungeheurer Spannung gelauscht wie damals …

Reuegequält, zusammengesunken saß Karl Meinas da. Und flüsterte weiter:

„Meine Brieftasche hatte er mir entrissen … Zum Glück trug ich den größeren Teil der Summe in einer Ledertasche auf der Brust … Ich schleppte mich davon – bis zur Gartenmauer … Bis zu einem Boot … Bis zum Eingeborenenviertel … Und dort halte ich mich bei einem Landsmann verborgen, der schon zehn Jahre hier lebt – als Besitzer eines kleinen Hotels … Zufällig nur suchte ich dort ein Unterkommen … Und – jetzt – – jetzt suche ich Trimaldo, den vielfachen Mörder!!“

Wie ein grimmer Schrei war der letzte Satz …

Und all das im Grün der Büsche der Schlamminsel – in Indien …!

 

3. Kapitel.

Was Meinas sah …

„Wenn Sie hier ein so gutes und sicheres Quartier haben, Herr Meinas,“ sagte Harald nun, „dann können wir das, was noch zu erörtern ist, auch dort bei Ihnen erledigen …“

Und wir ruderten mit der Strömung dem Ganges zu – vorüber an den Wällen und Mauern des Forts auf der Spitze der Halbinsel, dieses riesigen Festungswerkes, in dem zwei hervorragende Heiligtümer der Hindus sich befinden: die Säule des Acoka und im unterirdischen Brahmatempel der ewige Feigenbaum …!

Legten am Ufer des Ganges an und wanderten dann zu Fuß durch das enge, düstere Eingeborenenviertel bis zur Basarstraße, wo die kleine Karawanserei des deutschen Landsmanns Georg Heidurp sich befindet … –

Georg Heidurp! – Ein Kapitel für sich … Ein Buckliger mit dem Unternehmungsgeist eines Riesen … Als Kellner durch eine besondere Fügung nach Allahabad gelangt, kaufte Heidurp den Gasthof, baute ihn aus, richtete vorn ein Cafee ein, hinten eine Opiumhöhle, oben einen Spielsaal … Ist heute reich und vollkommen Inder geworden … Nur das Herz blieb deutsch – die Hauptsache! –

Hinten auf dem Hofe liegt die eigentliche Karawanserei, die Hotelräume sozusagen. Hier haust auch Karl Meinas in der Verborgenheit. Hat den Landsmann eingeweiht. Doch Heidurp will von solchen Dingen nichts wissen … – „Tun Sie, was sie wollen, Meinas … Nur mich lassen Sie aus dem Spiel,“ hat er zu dem Gaste gesagt.

Jetzt sitzen wir in Karl Meinas’ winzigem Stübchen.

Bett, Tisch, Waschständer, zwei Stühle, eine Kiste für Kleider – aber elektrisches Licht und peinliche Sauberkeit.

Und Meinas antwortet wieder auf Harsts Fragen:

„Ja – Trimaldo hat mich in Kalkutta schon verkleidet empfangen … Hat schwarzen Vollbart gehabt … Wie Trimaldo sonst aussieht, weiß ich nicht … Ich spüre ihm, seit meine Kopfwunde geheilt ist, jede Nacht nach … Noch nie habe ich ihn wieder zu Gesicht bekommen … Ich liege an dem Tempelchen in Bissus Park allnächtlich auf der Lauer – umsonst …! Aber ich werde den Schuft finden, der mich ehrlos machte. Ich habe Ausdauer … Und wenn ich noch weitere drei Monate hier zubringen sollte –“

Er ballt die Fäuste …

„Ehrlos geworden, Herr Harst …! Geldgier hat der Schurke mir mit seinem Edelstein ins Blut geimpft … Hat schon acht Europäer vor mir nach Indien gelockt … In dem Schacht dort liegen die Leichen … Ein Massenmörder …!! Und ich – lebe hier wie ein Hund … Am Tage schlafe ich … Nachts krieche ich im Gestrüpp umher … Esse mich kaum satt, nur um nicht allzuviel von dem gestohlenen Gelde auszugeben …“

Harald raucht …

Die feinen Ringe des Zigarettenrauches schweben empor …

Er sagt: „Jetzt werden Sie dieses Treiben, diese zwecklosen nächtlichen Streifen einstellen, lieber Meinas. Jetzt nehmen Schraut und ich die Dinge in die Hand … – Bringen Sie uns auf die Straße … Wir wollen unser Hotel aufsuchen …“

Mit einem Händedruck verabschieden wir uns.

Im Cafee ist noch voller Betrieb. Ein Grammophon dudelt. Und – Harst wendet sich nochmals um …

„Eine Frage noch, Meinas … Kann Trimaldo doch vielleicht ein Inder sein?“

„Niemals …! Er ist Europäer! Als ich ihn damals abwehrte, als er mich niedergeschlagen hatte, da riß ich ihm den falschen Bart ab …“

„So?! Dann sahen Sie also sein Gesicht doch unmaskiert …“

„Es war dunkel … Nur Sternenlicht lag auf der Treppe des kleinen Tempels, Herr Harst … Immerhin: Trimaldo muß in den Vorderzähnen Goldplomben haben. Es blitzte in seinem Munde … Das sah ich …“

„Und seine Figur?“

„Groß, schlank … Er geht sehr gerade …“

„Gute Nacht dann also, Landsmann … Gute Nacht!“

Über uns beiden und dem Häusermeer der Lehmhütten des Eingeborenenviertels die unvergleichliche Pracht des Sternenhimmels …

So wanderten wir dem anderen Viertel zu, wo die Europäer in zierlichen Villen und weißen Bungalows inmitten schöner alter Gärten wohnen …

Bis zum Palast-Hotel am neuen Bahnhof … Wirklich einem Palast … Wo uns ein Portier empfing, der die Würde des Inders mit der gemessenen Höflichkeit des Briten verband …

Zwei Welten – wie überall in Indien: braune Menschen – weiße Menschen!! Ein Abgrund zwischen beiden. Bis eines Tages Blut und Leichen diesen Abgrund füllen werden und eine Riesenwoge brauner Leiber die Freiheit erkämpft …

In unseren Zimmern im zweiten Stock aller Komfort Europas … Ein Badezimmer … Harst plätscherte im kühlen Wasser, kam im Badelaken in den Wohnsalon, setzte sich in den Klubsessel …

„Wir werden Trimaldo finden, mein Alter,“ begann er, während ich bereits die Weste ablegte. „Unter der Dusche ward es mir zur Gewißheit, daß Trimaldo unseren Freund Bissu kennen muß … Woher wußte er sonst von dem alten kleinen Tempel und dem Schacht?! Wir werden morgen zu Bissu gehen – unerkannt – in den Laden und Kleinigkeiten kaufen …“

Ich knöpfte die Hosenträger los … Vom Bahnhof kam der schrille Pfiff einer Lokomotive herüber …

Ich gähnte … Meinte: „Trimaldo wird Indien längst verlassen haben …“

„Vielleicht … Dennoch – wir finden ihn … Dieses Scheusal muß an den Galgen …“ – Und Harst langte nach dem Allahabad-Herold, der vor ihm auf dem Tische lag … Blätterte in der eingespannten Zeitung …

„Hallo!!“

Ich drehte mich um … „Was gibt’s …?!“

„Hier – wieder ein Hindumädchen verschwunden – spurlos – seit einer Woche … Tochter eines sehr reichen Mannes … Tausend Pfund Sterling Belohnung hat der indische Nabob für die Aufklärung des Verschwindens seines Kindes ausgesetzt …“

Ich kam näher, überflog die Anzeige …

„Also die fünfte junge Inderin,“ sagte Harald lebhaft. „Wenn Trimaldo auch hier die Hand im Spiele hätte …?! Wenn er nicht nur Mörder, sondern auch Mädchenhändler wäre …?!“

„Mädchenhändler …?!“

„Oh – nach Afghanistan hinein findet noch heute ein schwunghafter Handel mit lebender Ware statt.“

„Harald – tausend Pfund …! Wenn wir …“

„Keine Hoffnungen! Erst Taten! Gehen wir zu Bett. Morgen – – zu Bissu!!“ – –

Meine Müdigkeit war ins Gegenteil umgeschlagen.

Basarstraße in Allahabad …

Ich habe sie bei einer früheren Gelegenheit schon einmal beschrieben. Damals suchte ein bestochener Antiquitätenverkäufer Harald durch eine in einen uralten Pokal eingesperrte Kobra zu beseitigen …

Und jetzt – genau dasselbe Bild in der winkligen, breiten Gasse wie damals … Nichts hatte sich verändert. Da waren die Vorbauten vor den Häusern, überdacht von kostbaren Teppichen … Da waren die schrägen Tische mit den Auslagen verschiedenster Art … Da war billiger Tand, in Europa fabrikmäßig hergestellt: Reiseandenken für die Dummen …! – Da waren Trupps von Touristen mit eingeborenen Führern … Ein Gewoge, ein Gewimmel um diese frühe Morgenstunde wie etwa gegen sechs Uhr nachmittags in der Friedrichstraße in Berlin …

Sieben Uhr … – Aber um neun Uhr ist’s hier wieder wie tot. Die Sonne scheucht die Menschen in die Häuser zurück …

Wir beide, blondbärtig und sicher in unseren tadellosen Masken, stehen vor dem Hause Bissus …

Vielleicht ist dieses Haus das imposanteste der Straße. Erbaut aus den goldbraunen Schlammziegeln der Dschamna, hat es zwei Stockwerke, unten zwei breite moderne Schaufenster …

Die offene Tür gestattet einen Blick ins Innere des großen Ladens …

Käufer bewegen sich vor dem Ladentisch … Dahinter Jean Ahmed Bissus hagere Gestalt … Neben ihm seine beiden Angestellten, ein Chinese und ein älterer Europäer.

In den Schaufenstern flirrt und gleißt es in allen Farben. Altindischer Schmuck mit prachtvollen Edelsteinen liegt neben modernen Platinringen, Halsketten, Diademen, Armbändern …

Millionen an Werten lagern hinter den Glasscheiben …

Eine amerikanische Familie bewundert die Herrlichkeiten … Die Damen sind hingerissen …

Und mit ihnen zugleich betreten wir den Laden …

Bissu erkennt uns nicht … Der europäische Verkäufer, ein etwas buckliger Mensch mit Hornbrille und kurzsichtigen Augen, bedient uns … Der Chef bemüht sich lediglich um die Amerikaner. Wir kaufen Kleinigkeiten … Bissu bleibt für uns unerreichbar … Und unverrichteter Sache gehen wir wieder hinaus in den grellen Sonnenschein, in dieses Getümmel aller Nationen des Erdenrunds und in den Dunst von Menschenfleisch, Parfüm und von Ambra, die auf Kohlenbecken ihre Wohlgerüche aushaucht …

Unverrichteter Sache …?!

Nein …! – Eine einzige Bemerkung Haralds belehrt mich eines Besseren …

 

4. Kapitel.

Die sechs Bilder.

Vor einem Teppichladen bleibt er stehen … Sein Arm schiebt sich in den meinen …

„Du hast’s doch auch gesehen, mein Alter?“ fragt er seltsam gepreßt … Erregung schwingt in seiner Stimme.

„Was?!“ – Und ich schaue ihn an … Seine grauen Augen leuchten …

„Also doch nicht!“ Er schüttelt den Kopf. „Max Schraut, Du wirst alt …!!“

Ich denke an Bissu – an das zweite Geheimnis, das der verfallene kleine Tempel enthalten soll …

„Bissu …?!“ sage ich tastend.

„Ja … Wir werden ihn zu uns ins Hotel bestellen. Um neun Uhr schläft das Geschäftsleben hier wieder völlig ein. Dann hat Bissu Zeit.“

Wir schlendern weiter …

Kommen ins Europäerviertel … Vorbei an den wunderbaren Bahnhofsanlagen … In unseren Palast – das Palast-Hotel … In unsere kühlen Zimmer, deren Stabjalousien vor den Fenstern fest geschlossen sind, in denen die Ventilatoren die warme Luft einsaugen und gekühlte aus den Kellerräumen emportreiben …

Halbdunkel hier … Wie Dämmerstunde … Und Harst am Telephon … Ruft Bissu an …

Ich staune – – horche …

„Sind Sie allein in Ihrem Kontor, Bissu …? – Wer ich bin? – Einen Augenblick … Also Sie sind allein … Hier ist – Harald Harst, Palast-Hotel … Ja – glaube Ihnen gern, daß Sie erstaunt sind … Kommen Sie um halb zehn mit einer Auswahl antiker Schmucksachen zu uns. Wir heißen hier Schrotti und Hörtl … Und – eine Frage, Bissu: Haben Sie schon häufiger europäische Verkäufer gehabt? – Ja …? Stets? – So …?! – Sehr vorsichtig … Ist auch nötig bei Ihrem Metier … Also – bringen Sie dann die Bilder mit … sämtlich … Auch die Zeugnisse …“

Ich lausche … Der – Verkäufer …!! Der hagere Bucklige …!! Etwa Trimaldo?!

Harst legt den Hörer weg …

„Harald – – der Verkäufer?!“ frage ich atemlos.

„Vielleicht … Jedenfalls: der Mann war verkleidet. Der Bart falsch … Die graue Perücke erstklassig, aber doch Perücke … – Alles hängt von den Photographien ab, mein Alter … Bissu bringt sie mit … Er hat im letzten Jahr fünf europäische Verkäufer gehabt, mußte sie entlassen, weil ihm stets – ungeschliffene Edelsteine verschwanden …“

„Ah – – ungeschliffene … Und Karl Meinas hat als Lockmittel einen ungeschliffenen Stein erhalten …!“

„Ja, ja – es dämmert!!“ Er lächelt drohend … „Es lag ja so nahe, daß nur einer von Bissus Angestellten den alten Tempel als Massengrab benutzte …“ –

Dann – halb zehn … Im Wohnsalon brennt die elektrische Krone … Bissu und wir sitzen um den Tisch herum … Sechs Photographien und allerlei Papiere liegen auf dem Tisch.

Bissu erklärt: „Weil so sehr viel europäische Touristen meinen Laden besuchen, engagierte ich vor einem Jahr den ersten europäischen Verkäufer … Hier ist sein Bild … Ein Franzose namens Pierre Levassier … Fünf Sprachen beherrschte er. Nach einem Monat entließ ich ihn, da ich ihm die Diebstähle nicht nachweisen konnte …“

Und so liefert er zu jeder Photographie eine kurze Charakteristik, auch zu der sechsten, der des jetzigen Verkäufers …

„Ein Italiener namens Giovanni Saltesto … Der ist ehrlich … Vier Monate habe ich ihn bereits …“

„Sie irren, Bissu … Sie haben ihn schon ein Jahr mit kurzen Unterbrechungen … Denn diese sechs Bilder stellen ein und dieselbe Person dar …“

Der Inder lächelt. „Sie scherzen …!“

„Keineswegs. Der Mann ist ein geradezu hervorragender Verkleidungskünstler …“ Und er nimmt die Bilder und erklärt uns, wie der Mann durch feine, aber bekannte Tricks sein Gesicht verändert hat: Nasenform, Augenbrauen, Kopfhaar, Bart.

Bissu lächelt nicht mehr. Harst erzählt unsere nächtlichen Erlebnisse von gestern.

Bissu stiehlt Harald förmlich die Worte von den Lippen.

„Nicht wahr – die Sache ist nun ganz durchsichtig,“ schließt Harst. „Stets derselbe Mann wußte sich bei Ihnen mit Hilfe gefälschter Zeugnisse einzuschleichen. Und dieser Mann fing seine Opfer aus Europa durch – Ihre Edelsteine ein, ermordete die Geldgierigen, nahm ihnen „das Betriebskapital“ ab … Nur Karl Meinas entging ihm …“

Bissu ist wie erstarrt … Seine Augen blicken leer … Er weiß jetzt: ein vielfacher Mörder steht hinter seinem Ladentisch …

Harald räuspert sich leicht …

„Halten Sie mich nicht für einen Tausendkünstler, lieber Bissu … Diese Photographien zu – durchschauen, war recht einfach … Ich wußte durch Meinas, daß Trimaldo Goldplomben in den Vorderzähnen hat. Und Ihr jetziger buckliger Verkäufer trägt den Schnurrbart so herabgekämmt, daß der Mund bedeckt ist … Wenn er mit einem Kunden spricht, senkt er den Kopf nach vorn, damit niemand die Plomben sieht … – Bitte – all diese sechs Bilder haben ein Gemeinsames: den herabhängenden Schnurrbart … Vom Mund ist fast nichts zu erkennen …“

Bissu nickt nur …

„Wo wohnt dieser angebliche Italiener Giovanni Saltesto hier?!“ fragt Harald weiter.

„Bei einem Landsmann von Ihnen, Herr Harst … Bei Georg Heidurp in der sogenannten Basar-Karawanserei …“

Selbst Harald fährt zusammen. „Also mit Meinas unter einem Dache …! Unglaublich!“ Sein Gesicht verrät Unruhe und Besorgnis … Und er fügt hinzu: „Dies gibt zu denken …! Trimaldo weiß doch fraglos, daß Meinas bei Heidurp lebt … Weshalb beseitigt er ihn nicht?! Er wird doch Meinas oft genug gefolgt sein, der nachts den kleinen Tempel umlauerte …!“

Wir schweigen. Harsts Blick ruht auf mir … In seinen Augen ist mancherlei zu lesen. Und mir schießt’s durch den Kopf: „Wenn Trimaldo uns in der Nacht bei Meinas belauscht hat?!“

Harald errät meine Gedanken … Sagt:

„Wir verständigen am besten die Polizei …“

Da schnellt Bissu hoch …

„Oh – nur das nicht, Herr Harst! Nur das nicht! Ich – ich – will mit der Polizei nichts zu schaffen haben …“

„So?! – Dann seien Sie ehrlich, Bissu … Der alte kleine Tempel enthält noch ein Geheimnis …! Welches?“

Der Inder starrt zu Boden …

„Sie – Sie vermuten da etwas ganz Falsches, Herr Harst … Von – von noch einem Geheimnis kann keine Rede sein … Nein – nein, – – ich – ich bin auch – einverstanden, daß – daß die Sache nun – ans Licht kommt.“ Man merkt, wie schwer ihm diese Zustimmung wird. – Er lügt natürlich … Es gibt da schon noch ein Geheimnis zu hüten – fraglos …

Harald wird sehr förmlich …

„Sie werden es vielleicht noch einmal bedauern, Bissu, daß Sie uns gegenüber die Wahrheit verhehlten …“

Er steht auf und geht zum Telephon … Ruft die Polizei an, spricht mit Inspektor Dawis, der uns kein Fremder ist …

Bissu sitzt zusammengesunken da … –

Und zehn Minuten drauf ist das Haus Bissus umstellt. Wir vier – Detektivinspektor Dawis, Bissu und wir beide – betreten den Laden …

Nur der chinesische Verkäufer ist da … Erklärt, daß Giovanni Saltesto kurz nach dem Chef den Laden verlassen hat …

Dawis und wir beide eilen die kurze Strecke zu Heidurps Gasthof …

Der Landsmann hat den angeblichen Italiener nicht gesehen … Und als wir Trimaldos Zimmer öffnen, finden wir dort – Karl Meinas – – tot …: Stichwunde im Herzen …!

Auf Trimaldos Bett liegt die Leiche … Nur notdürftig bekleidet … Ganz so, als hätte Trimaldo-Saltesto den schlafenden Meinas geweckt und in sein Zimmer gelockt.

Dawis untersucht den Toten.

„Vor kaum einer halben Stunde,“ erklärt er …

Jedenfalls: Trimaldo ist entkommen … Trimaldo hat uns in der Nacht belauscht, hat geahnt, daß Harald ihn durchschaut habe …

„Ein ganz gefährlicher Bursche,“ meint der Inspektor ärgerlich. „Jetzt zunächst – – der Tempel in Ihrem Park, Bissu …“

 

5. Kapitel.

Der zweite Schacht.

Die grauenvolle Arbeit ist beendet. Eingeborene Kriminalbeamte haben die Leichen aus dem vier Meter tiefen Schacht nach oben gebracht …

Grauenvoll …!

Im hellen Tageslicht liegen die Überreste der acht Opfer da … – Inspektor Dawis hat Bissu grob angefahren, weil der bisher dieses unheimliche Massengrab verschwiegen. Bissu stammelt allerlei Entschuldigungen. Ich begreife ihn immer weniger. Bin froh, als wir ins Hotel zurückkehren. Dawis begleitet uns. Wir sitzen im Salon bei eisgekühlten Getränken.

„Wie fangen wir ihn?“ fragt der Inspektor. „Ein Verkleidungskünstler wie dieser Trimaldo – Gott weiß, wie sein richtiger Name ist! – kann mit den gewöhnlichen Mitteln hier niemals aufgestöbert werden – bei dem ständigen Pilgerzustrom!“

Harald nickt nur. Und raucht drei Züge, meint: „Morgen werde ich Ihnen sagen, wie wir ihn abfassen können, Dawis … Ich will’s mir überlegen.“

Dann sind wir allein. Harald geht ruhelos in dem dämmerigen Zimmer auf und ab … Bleibt vor mir stehen.

„Mein Alter, in der Nacht werden wir den kleinen Tempel nochmals besuchen … Karl Meinas soll gerächt werden …“ – Dann spricht er von anderen Dingen …

Nachher sitzen wir unten im Speisesaal … Alle Tische ringsum besetzt. Alle Nationen vertreten. Eine amerikanische Kapelle spielt … Dies hier ist nicht mehr Indien. Das ist europäische Überkultur …

Harst ist schweigsam. Harst sinnt vor sich hin … Und sagt plötzlich: „Die sechs Photographien waren auf Kartons ohne Firmenaufdruck geklebt und stammten doch von einem Berufsphotographen … Wenn wir diesen Lichtbildkünstler ermitteln könnten!“

Ich mache Studien … Da ist dieselbe amerikanische Familie wieder, die mit uns in Bissus Laden war: die Eltern, zwei blonde Töchter … Da ist ein langer Tisch mit Balkangesichtern, rassigen Frauen: rumänische Kriegsgewinnler!

Wir dinieren fünf Gänge. Nachmittags fahren wir im Mietauto ein Stück ins Land hinein. Bei dem Dorfe Gadwiru jenseits des Ganges schicken wir das Auto zurück, und in einem dichten Reisfelde verschwinden die beiden Schweizer Kaufleute und – werfen ihre Anzüge ab, entnehmen den Taschen allerlei, werden zu armseligen schmierigen indischen Kulis … Wandern zu Fuß zurück, wissen genau, daß dem Auto niemand gefolgt war … –

Zehn Uhr abends … Über die dunkle Dschamna gleitet ein Nachen … Ein einzelner Mann sitzt darin … Löscht jetzt die Laterne vorn im Bug und landet in mißtrauischer Bedächtigkeit am Bootssteg des Parkes Ahmed Bissus … Ein einzelner Mann – ein indischer Kuli wie wir beide, die wir hinter der Mauerpforte im Garten stehen und durch eine Spalte im Holz den Fluß beobachten …

Wir sind soeben erst hier angelangt, haben uns von der nächsten Querstraße durch vier Gärten geschlichen, vier Mauern überklettert … Wollten gerade tiefer in den Park eindringen, als Harald den Nachen bemerkt hatte. –

Der Inder steigt aus. Ein alter Kerl scheinbar … Der lange Bart ist weißgrau. Der Turban sitzt tief bis zu den Augenbrauen.

Die sternenklare Nacht erleichtert es uns, dicht neben der Pforte ein Versteck zu finden … Und – im Schloß der kleinen Holztür kreischt nun leise ein Schlüssel … Der Alte tritt ein, schließt wieder ab …

Geht den Hauptweg entlang, biegt nach links ein – zum verfallenen Tempelchen …

„Trimaldo!“ flüstert Harald.

Mein Herz beschleunigt das Tempo. Die Entscheidung ist da …

Lautlos folgen wir … Kennen die Pfade durch das Dickicht. Und als der Graubart die Stufen zum Eingang emporhuscht, stehen wir am Rande der Lichtung.

„Unsere Clements!“ befiehlt Harald.

Und – ganz leise schnappen die Sicherungen der Pistolen zurück …

Zwei Nachtigallen schluchzen in den Büschen um die Wette … Hinter uns erklingt das rasselnde Schnarren einer Beko-Eidechse, die ihren Kehlsack aufbläst und als Dudelsack benutzt …

„Vorwärts – und wenn er nicht sofort die Arme hebt, schieße ich …“ – Harsts Stimme kündet für den Mörder nichts Gutes …

Wir gleiten die sieben Stufen empor … Durch die windschiefe Tür prallen die Lichtkegel unserer Taschenlampen vorwärts …

Der achteckige Raum ist leer … Vollkommen leer.

Harst steht vorgebeugt da … Die winzigen Fenster lassen keinen Menschen hindurch … – Wo – – ist Trimaldo geblieben?!

Harald tritt ein – auf Zehenspitzen … Unsere schäbigen Sandalen machen kein Geräusch …

Wir – knien neben der viereckigen, losen Fußbodenplatte. Harst klemmt die große Klinge seines Klappmessers in die Ritze, lüftet den Stein, hebt ihn mit der Hand vollends empor …

Unten der Schacht – ein ausgemauertes Loch … Gestank kommt empor – letzte Verwesungsgase derer, die nun im Keller des Polizeigebäudes liegen …

Leer der Schacht …

Wo blieb Trimaldo?!

Harald blickt sich um …

Flüstert: „Das zweite Geheimnis! – Schau genau hin! Vergleiche! Der Schacht reicht nur bis zur Mittellinie des Fußbodens … Vielleicht gibt es einen zweiten derartigen Schacht, eine zweite derartige Platte …“ – Und er deckt den flachen Stein wieder über die Öffnung, rutscht weiter, befühlt die anderen Platten, bis er – die richtige findet. Und wieder arbeitet die Messerklinge … Wieder lüftet sich der flache große Stein – größer als der andere, über ein Meter im Geviert.

Ein – zweiter Schacht … Zwei gleißende Strahlenkegel schießen abwärts …

Leer – leer …! – Und wir tief vorgebeugt nebeneinander – hinabspähend …

Leer – leer …

Dann – – etwas wie ein dumpfer Knall …

Harald gleitet kopfüber in das Loch …

Und in meinem Hirn glüht blitzartig ein betäubender Schmerz auf …

Ich – taumele nach vorn … Sinke – falle – falle …

Nichts mehr – nichts …

Und doch nur Sekunden die Bewußtlosigkeit … Nur Sekunden … Der Hieb über den Schädel ist durch den Turban abgeschwächt worden …

Knallend – splitternd zerschellt ein Gefäß neben mir. Ich liege halb über Harst … Eine unserer Taschenlampen brennt noch …

Erstickender Dunst entströmt der nassen Lache der zerschellten Flasche, die man von oben hinabwarf, um uns – den Rest zu geben …

Kein Chloroform … Irgendein anderes Teufelszeug, das in Schlund und Augen wie Feuer brennt …

Tränenströme entstürzen den Lidern … In meiner Kehle bohrt ein glühender Eisenstab …

Die Todesangst reißt mich hoch … Trimaldo soll nicht triumphieren … Den Turban wickele ich auseinander, decke ihn über die Lache … Meinen Leinenkittel dazu …

Dann regt sich Harald … Ich helfe ihm empor … Er lallt … Will sprechen … Will …

Wir lehnen an der Mauer … Der erstickende Dunst mehrt sich … Mein Kopf schlackert vor Schwäche hin und her … Ich sehe nichts mehr … Die Taschenlampe am Boden glüht wie in endloser Ferne – wie ein Pünktchen …

Meine Lunge versagt … Todesschweiß perlt auf der Stirn …

Die Knie geben nach …

Ich falle nach vorn … Mit dem Gesicht auf den Kittel – in die Quelle des Todes hinein …

Will empor … Arme, Beine gelähmt … Es ist – das Ende …

Letztes Erinnern: ein Gefühl, als zerrte mich jemand an den Füßen nach hinten …

Dann – vorbei … Leere im Hirn … Sterben … Das Ende …

Das geschah mir im zweiten Schacht des kleinen Tempels …

 

 

Naidas Rache …

 

1. Kapitel.

Liebe und Tresorschlüssel …

Naida Bissu, einziges Kind Jean Ahmed Bissus … Verschwunden im Mai dieses Jahres, verschwunden wie die anderen Hindumädchen – als letzte Mania Droga-Shatta, Tochter des indischen Millionärs – – tausend Pfund Sterling Belohnung!!

Nach Naida habe ich also den zweiten Teil dieses unseres Abenteuers benannt … Nach der schlanken schönen Naida mit den Gazellenaugen …

Alles, was Harald jemals über Naida und die anderen Mädchen vermutet hatte, war grundfalsch gewesen. Das sollte auch ich nun erkennen, als ich – die Augen wieder aufschlug …

In Naidas verborgenem Reich …

Auf einem jener niederen indischen Diwane lag ich, die, mit kostbaren Fellen bedeckt, auch in all den vielen Indienfilmen ständiges Requisit sind …

In einem kleinen, fensterlosen Gemach … Schräg über mir eine jener alten Öllampen, in deren Behältern parfümierter Brennstoff den Docht speist …

Am Fußende des Diwans hockte eine uralte mumienhafte Inderin auf einem Elfenbeinschemel … Ein Weib wie aus einem Märchen – so häßlich und doch mit so guten, klaren Augen …

Als sie merkte, daß ich die Augen offen hatte, erhob sie sich, nickte mir grinsend zu und verschwand durch eine enge, mit einem kostbaren persischen Vorhang verdeckte Türöffnung … –

Meine Gedanken wurden lebendiger, kritischer …

Das war nur ein Traum – das ist ein Traum …! dachte ich.

Und – zweifelte schon wieder, ob’s nicht doch Wirklichkeit sein könnte …

Mein prüfender Blick glitt über die mit blauer Seide bespannten Wände hin, über die Decke: gelbe, vielfach gefaltete Seide … Über die antiken Schränke, Truhen, den modernen runden Tisch und das moderne Rohrsofa …

Etwas bunt zusammengewürfelt das alles … Und – trotz des duftenden Brennstoffs lag noch etwas wie Modergeruch hier in der Luft … –

Der Vorhang bewegte sich: Harst trat ein … Harst wie ich – ja, – da sah ich’s erst! – eingehüllt in einen seidenen Kimono, der ihm ein wenig kurz war …

Sehr malerisch wirkte das Kostüm zu dem braunen Kulianzug …

„Na – auch wieder beieinander, mein Alter …?!“ Und er zog den Elfenbeinschemel an das Kopfende des Diwans …

„Wo sind wir?“ wollte ich fragen …

Aber nur rauhe Töne kamen aus der wunden Kehle …

Harald winkte. „Mit dem Sprechen wird’s vorläufig noch hapern, lieber Alter … Strenge Dich nicht an … Kann mir denken, was Du wissen willst … Ich werde hübsch der Reihe nach berichten. Als der Schuft, der Trimaldo, uns so fein in den Schacht hinabbefördert hatte und unsere Lebensflämmchen zu erlöschen drohten, als Du nach vorn umgefallen warst, und ich den Versuch machte, Dich aufzurichten, da stützte ich mich stark gegen die Mauer und spürte deutlich, daß – sie sich bewegte … Und der Gedanke, hier könnte eine Tür vorhanden sein, lieh mir Kräfte, die gerade noch hinreichten, die Taschenlampe aufzuheben und – die Tür zu öffnen … – Eine Balkentür, mauerähnlich bemalt … und dahinter ein Gang … – Ich zog Dich in den Gang, schloß die Tür wieder … Wir waren gerettet, denn am anderen Ende des Ganges war wieder solch eine Tür, und diese führte in diese zwei unterirdischen Gemächer, die einst zu einem alten Palast gehört haben mögen, dessen Ruinen nun völlig überwachsen sind, jedoch noch in Bissus Garten liegen …“

„Ah – sein Geheimnis!“ quälte ich krächzend hervor …

„Ein Teil seines Geheimnisses,“ nickte Harald trübe. „Denn – in diesen beiden verborgenen Räumen haust Naida Bissu mit einer Dienerin …“

Er sprach leiser …

„Naida ist dort nebenan … Und sie versteht einiges von unserer Muttersprache … – Bissu hat sein Kind hier verschwinden lassen, seinen Sonnenschein, sein – – armes verführtes Kind, damit er die Schande vor der Welt verberge …“

Ich richtete mich etwas auf.

„Also – nicht Mädchenhandel …“

„Nein, nein … Jedenfalls nicht, was dieses braune Mädchen betrifft … – Du kannst Dir leicht ausmalen, wie entsetzt Naida und die alte Jukara waren, als ich so plötzlich bei ihnen eindrang … Jukara trug übrigens noch die Verkleidung als indischer Kuli – Bart auf Drahtgestell und Turban … Sie hatte ihren Gatten jenseits des Flusses besucht … Deshalb also verschwand der Inder uns so spurlos … Jukara war eben in den Schacht hinabgestiegen. Und der Schacht ist der einzige Zugang zu diesen Räumen …“

„Deshalb auch fürchtete Bissu die Polizei …!“ warf ich ein …

„Ja … Er glaubte, die Polizei würde den zweiten Schacht entdecken … – Als ich Naida meinen Namen nannte, war sie sofort beruhigt. Ihr Vater hatte ihr genug von uns erzählt. – Um nun Trimaldo zu täuschen, habe ich aus unseren Kulianzügen und aus Kissen und Decken zwei Puppen hergestellt und in den Schacht gelegt … Ich tat es gerade noch zur rechten Zeit. Kaum hatte ich den Schacht wieder verlassen und die Tür bis auf eine schmale Spalte zugedrückt, als von oben meine Puppen flüchtig beleuchtet wurden und dann – eine zweite Flasche mit dem scheußlichen Betäubungsmittel herabflog … Jetzt wird Trimaldo uns für endgültig erledigt halten …“

„Ob er diese Räume kennt?“

„Nein – bestimmt nicht … Er ist fraglos sehr erstaunt gewesen, als er uns vor der ihm unbekannten Öffnung knien sah … – Wären ihm diese beiden Gemächer nicht fremd, so würde er sie längst geplündert haben … Dieser Elfenbeinschemel allein ist Tausende wert …“

„Wie lange war ich bewußtlos?“

„Drei Stunden … Es ist jetzt zwei Uhr morgens … Um vier, kurz bevor es hell wird, verlassen wir diesen Schlupfwinkel …“

Er wollte noch etwas hinzufügen. Der Vorhang rauschte empor, und – Naida erschien … –

Arme, arme Naida … Scheu nahm sie auf dem Rohrsofa Platz … Harst hatte sich erhoben.

„Ich – ich habe – das Bild hervorgesucht,“ sagte sie in tadellosem Englisch. „Aber mein Vater darf nie erfahren, daß ich ein Bild des Mannes besitze, der mich mit seiner Liebe beglückte und dann mich verließ …“

Harald nahm die kleine Photographie …

„Ich werde das Bild vorläufig behalten … Darf ich Sie noch einiges fragen, Naida?“

„Fragen Sie …“

„Wo lernten Sie den Mann kennen, der sich Sir Roger Gondard nannte?“

„Im Garten meines Vaters – dicht am Dschamnaufer. Ich saß auf der Anlegebrücke … Da ruderte Gondard vorüber …“

„Und – wie lange kannten Sie ihn, Naida?“

„Vielleicht einen Monat … Wir trafen uns jede Nacht im Garten …“

„Dann – blieb er aus …“

„Ja – ganz plötzlich …“

„Sprach er mit Ihnen auch über Ihres Vaters Geschäfte?“

„Ja …“

„Forschte er Sie vielleicht aus …“

„Nein … Nur – nur über den neuen Stahltresor sprach er häufiger, wo mein Vater für die Nacht die sämtlichen Juwelen einschließt … Gondard wollte, daß ich ihm die beiden Schlüssel des Tresors einmal zeige … Er hatte noch nie solche Schlüssel von amerikanischen Geldschrankschlössern gesehen … Ich konnte sie ihm nicht zeigen, denn mein Vater hält sie stets versteckt …“

Pause …

Und mir fuhr’s wieder durch den Sinn: „Arme Naida! Einem Gauner bist Du ins Netz gegangen! Bestehlen wollte er Deinen Vater und – bestahl Dich selbst …!“

Harald lehnte neben Naida an der Wand …

„Sie haben Gondard sehr geliebt, Naida?“

„Ja …“

„Und – Sie glauben, daß auch er Sie liebte?“

„Ja …“

„Leider muß ich diesen holden Wahn zerstören … Dieser Mensch hier, Naida …“ – er hob das Bild gegen das Licht – „ist … ein Verbrecher … Die Tresorschlüssel sollten Sie ihm geben, damit er Wachsabdrücke davon nehmen könnte …“

Pause …

„Dieser Mann, Naida, nennt sich auch Trimaldo … Ich erkenne ihn an der Kinnpartie, an den Lippen … Hier auf diesem Bilde ist er bartlos … Hatte er nicht Goldplomben in den Vorderzähnen?“

„Ja …“

„Es ist Trimaldo … – Noch etwas, Naida … – Zu der Zeit, als der angebliche Gondard Ihr Geliebter war, hatte Ihr Vater doch einen europäischen Verkäufer …“

„Einen alten Spanier, einen widerlichen verwachsenen Menschen …“

„Überlegen Sie einmal, Naida … Hatte dieses Spaniers Stimme nicht vielleicht Ähnlichkeit mit der Gondards …?“

Das Mädchen starrte Harst an … Begreifen durchleuchtete ihr Gesicht.

Dann sank ihr der Kopf auf die Brust …

Sie weinte nicht … Sie zitterte nur vor Erregung …

Und – stieß dann hervor, so haßerfüllt, daß ich erschrak:

„Oh – er wird sterben!! Ja – er war ein Betrüger! Ja – – ich sehe ein, wie ich mich hintergehen ließ …!“

Und leiser wiederholte sie:

„Er – – wird sterben!! Jukara wird mir helfen … Jukaras Mann ist ein Semar-Yogi, einer der auserwählten Kaste … Viermal schon verließ er die Erde und schlüpfte in den Leib eines klugen Elefanten …“

„Er ließ sich lebend begraben?“

„So ist’s … Wenn Jukaras Gatte es will, fallen die Menschen geblendet zu Boden und wälzen sich in Folterqualen hin und her …“

Sie sprach jetzt mit unheilverkündender Ruhe …

Mich überlief es kalt …

Wer Indien kennt, den wird’s nicht wundern …! – Semar-Yogi …! Ein Semar-Zauberer, das ist einer, der den „bösen Blick“ hat … Doch nicht in jener verhältnismäßig harmlosen Bedeutung, wie wir diesen Aberglauben kennen. Nein – ein Semar-Yogi … – Doch – wozu soll ich vorgreifen?! Wir lernten Tismara, den Gatten der alten Inderin, ja persönlich kennen …

 

2. Kapitel.

Der pendelnde Ring.

Kurz vor vier Uhr stellte Harst die leichte Bambusleiter an die Schachtwand …

Unten lagen die beiden Puppen. Der Schacht war noch derart mit Gasen gefüllt, daß Harst erst mit angehaltenem Atem oben den Stein hochkippte und rasch wieder zu uns zurück in den Gang kam.

Nach fünf Minuten stiegen wir nach oben. Jukara begleitete uns. Der Nachen war noch unter dem Bootssteg vertäut …

Wir ruderten im ersten Morgengrauen über die Dschamna. Wir mußten uns beeilen, damit wir in unseren auffälligen Kimonokostümen schleunigst unter Dach und Fach kämen.

Der Fluß war recht belebt. Von einem schwerfälligen Lastsampan aus wurden wir angerufen. Grölendes Lachen scholl hinter uns drein. Die alte Jukara blieb nicht stumm. Ihre keifende Stimme scheuchte einen Schwarm Kraniche auf, der sich einen treibenden Baumstamm als Ruhesitz erkoren.

Dann wies Jukara mit dem knochigen Arm mehr nach links, wo hinter einer Steinbuhne ein schmaler Kanal ins Land einschnitt. Reisfelder zogen sich bis dicht an diesen Kanal hin. Einzelne Lehmhütten belebten die einsame Landschaft. Bei der vierten dieser Hütten legten wir an. Am Ufer hockte ein uralter Hindu und angelte. Es war Tismara, der Semar-Yogi.

Nicht einen einzigen Blick schenkte er uns. Gerade in diesen höheren Hindu-Kasten lebt noch ein unauslöschlicher Weißenhaß.

Jukara ging zu ihm hin und flüsterte mit ihm. Tismara rührte sich nicht, gab auch nicht Antwort.

Die Alte winkte, und wir betraten die Hütte, deren Inneres einen einzigen Raum bildete.

Die Fenster standen weit offen. Im Morgenzwielicht erkannten wir auf dem Herde vier zusammengerollte Brillenschlangen, die uns mit ihren Perlenaugen scheinbar feindselig anblinzelten.

„Sie haben keine Giftzähne mehr …“ kauderwelschte die Alte beruhigend.

Harald schaute sich weiter um.

„Sauber und fast behaglich,“ meinte er auf Deutsch.

Jukara nötigte uns auf ein Bambussofa, ging zum Herde, warf trockene Reisblätter auf die Glut und beförderte die Schlangen in einen Korb. Dann schob sie einen Kessel über das Feuer und säuberte eine irdene Teekanne, holte aus einem Wandschrank Teller, Messer und Gabeln und allerlei Lebensmittel.

Harst lehnte in der Sofaecke und beobachtete durch das eine Fenster den Yogi, der wie eine Statue mit seiner Angelrute am Kanalufer kauerte.

Es wurde zusehends heller.

Mit einem Male stieß Harald mich an …

„Da – Tismara!!“ flüsterte er …

Ich schaute schärfer hin … Der Greis ruckte mit der Angelrute – ruckte immer stärker, stand plötzlich auf und zog aus dem Kanal einen jener riesigen Fische heraus, die etwa dem Wels der europäischen Gewässer entsprechen …

Sehr geschickt griff er nach dem großen Stielnetz und schob es unter den Fisch, brachte ihn so aufs Trockene und tötete ihn durch einen Schlag mit einem Stein.

Jukara hatte dies ebenfalls mit angesehen.

„Er fängt jeden Tag einen Fisch,“ erklärte sie stolz …

Der Greis kam jetzt in die Hütte und – – begrüßte uns ganz freundlich. Sein Englisch war fast fehlerfrei. Sein Gewand, sauber und von gutem Stoff, umschloß die hagere Gestalt sehr eng und ließ ihn weit größer erscheinen. Der schneeweiße Bart reichte ihm bis zur halben Brust und rahmte ein Gesicht von hoher Intelligenz ein, in dem ein sehr lebendiges Augenpaar stolz und etwas herrisch blinkte.

Tismara erklärte, wir seien ihm als Gäste willkommen. Uns zu Ehren wolle er sofort die Hälfte des Fisches braten.

Seine Frau verabschiedete sich jetzt, bestieg wieder den Nachen und ruderte rasch davon.

Der Yogi hatte den gut ein Meter langen Fisch auf eine Bank am Herde gelegt und ein Messer ergriffen, um ihn auszuweiden. Plötzlich verharrte er minutenlang in derselben Stellung, die Linke auf dem Kopf des Fisches, in der Rechten das Messer …

So wandte er schließlich den Kopf nach uns hin … Schaute uns lange an und sagte:

„Bitte, tretet näher …“

Ein Schnitt – und die Eingeweide des Fisches quollen heraus …

Als der Yogi dann den Magen des Tieres gleichfalls öffnete, sahen wir darin etwas blinken …

Tismara faßte zu …

Es war ein Ring mit einem Stein – scheinbar einem Edelstein von gut drei Karat …

Harst fragte:

„Tismara, Du wußtest vorher, daß sich in dem Magen etwas Wertvolles befand?“

„Ja, Sahib … Ich wußte es …“

Ganz schlicht klang das.

Er spülte dann den Ring ab …

Es war ein sehr kleiner Ring, offenbar ein Damenring.

„Ein tadelloser Stein,“ erklärte Harald und besichtigte das Schmuckstück genauer. „Ah – hier ist etwas eingraviert – indische Schrift:

Mania Droga-Shatta …

Also – der Ring hat der Tochter des indischen Nabobs gehört, der eintausend Pfund für die Aufklärung des Verschwindens seines Kindes ausgesetzt hat …“

Der Yogi steht neben uns …

„Mania Droga-Shatta …“ murmelt er. „Sie muß den Ring weggeworfen haben … Der Fisch verschluckte ihn …“

„Ja, Tismara, – und da der Ring den Magen des Fisches noch nicht wieder auf dem natürlichen Wege verlassen hat, muß der Fisch das Juwel erst vor kurzem verschluckt haben …“

„So ist’s, Sahib … Der Grund des Ganges und der Dschamna sind schlammig … Diese Fische wühlen nie im Schlamm … Nur als der Ring im Wasser versank, kann der Fisch danach geschnappt haben …“

„Das heißt: Mania Droga-Shatta befindet sich irgendwo auf dem Wasser – in einem Schiffe …“

„So ist’s, Sahib,“ nickt Tismara wieder. „Du müßtest zu ihrem Vater gehen, Sahib … Alle Schiffe sollten durchsucht werden …“

„Das wäre unmöglich, Tismara … Das Mädchen kann auf einem Fahrzeug sein, das stromauf oder stromab ging – entweder auf dem Ganges oder auf der Dschamna. Tausende von Schiffen beleben beide Ströme …“

Der Yogi nickte abermals. „Du bist klüger als ich, Sahib … Aber ich bin mächtiger … Wir werden speisen und dann einen Versuch machen …“

Er schritt zum Herde … –

Eine Stunde drauf, gegen sechs Uhr morgens, bestiegen wir Tismaras Kahn. Der Yogi hatte einen hohen Weidenkorb mitgenommen, dazu eine Stange, die er oben durch die Griffe des Korbes steckte. Als wir nun in dem Nachen saßen, holte er eine aus Pferdehaar geflochtene dünne Schnur hervor, befestigte den Ring an dem einen Ende und band das andere an die Stange.

Wir fragten nichts … Wir trugen jetzt Kittel aus Tismaras Kleidervorrat und waren wieder unauffällige Kulis, wie sie in den Flußstädten zu Tausenden zu finden sind …

So ruderten wir denn erst die Dschamna aufwärts bis zu den letzten Hausbooten, kehrten um und fuhren am anderen Ufer weiter.

Der an den Pferdehaaren hängende Ring pendelte andauernd hin und her … Stets in der Fahrtrichtung infolge der Zugkraft der Ruder. Der Weidenkorb verbarg das Schmuckstück vor jedem neugierigen Blick.

Zwei Stunden patrouillierten wir die Schiffsreihen auf der Dschamna ab, bogen dann in den mächtigen Ganges ein.

Harst und ich ruderten. Der Yogi saß auf der Ruderbank zwischen uns und beobachtete andauernd den Ring.

Unweit der großen Eisenbahnbrücke ankerte am linken Ufer eine Motorjacht von etwa sechzehn Meter Länge – abseits von den Hausbooten und Frachtkähnen.

Unser Nachen glitt an dem schmucken Schifflein vorüber.

Und – da war’s, daß Tismara leise rief:

„Sahib Harst, das Gold ist das edelste und treueste Metall …! Sahib – sieh her …“

Wir schauten in den Korb …

Der Ring pendelte nicht mehr in der Fahrtrichtung, sondern schien gleichsam von der Motorjacht angezogen und abgestoßen zu werden.

„Dort befindet sich Mania Droga-Shatta,“ erklärte Tismara feierlich. „Das Gold sucht die Herrin … – Sahib, die Jacht gehört einem reichen Europäer aus Kalkutta … Sie kommt sehr oft hier nach Allahabad …“

Und wir fuhren auf das nächste Hausboot zu, wo eine Inderin Wäsche trocknete … Tismara fragte die Frau nach dem Namen des Sahib, der die weiße Jacht dort besitze …

„Tescaloor,“ rief die Inderin zurück. „Sahib James Tescaloor aus Kalkutta … Ich besorge für ihn stets die Wäsche, wenn er hier in Allahabad ankert …“

Unser Kahn trieb weiter …

„Das genügt mir,“ nickte Harald. „Jetzt wollen wir uns in Deiner Hütte ausruhen, Tismara …“ –

Wir schliefen bis sechs Uhr nachmittags. Als wir erwachten, saß die alte Dienerin Naida Bissus in der Hütte und erzählte uns, daß Naida vor fünf Stunden Mutter eines toten Kindes geworden …

 

3. Kapitel.

Der heitere Tescaloor.

Inspektor Dawis saß in seinem Amtszimmer und musterte die beiden Kulis sehr kritisch.

„He – was wollt Ihr denn, Ihr …“

Da brach er ab – lachte … lachte …

„Famos, old Harst … famos!“

Und er drückte uns die Hand, nötigte uns auf das bequeme Rohrsofa …

„Das Palast-Hotel hat das Verschwinden der beiden Schweizer schon gemeldet,“ sagte er nun ernster. „Natürlich sind Sie hinter Trimaldo her …“

„Natürlich, Dawis … – Aber bevor ich Bericht erstatte: Kennen Sie James Tescaloor aus Kalkutta?“

„Gewiß, gewiß … Den muß man wohl kennen … Fabelhafter Kerl, lieber Harst … Geschäftsmann, Sportsmann, reich, liebenswürdig … War noch gestern mittag mit ihm zusammen … Nach der Aushebung des Massengrabes …“

„So … so … – Sprachen Sie mit ihm über die Sache?“

„Das lag wohl sehr nahe … – Hm – was ist’s denn mit Tescaloor?“

„Nun werde ich erzählen …“ – Und – kein Wort erwähnte er von dem zweiten Schacht … Kein Wort über Naida … Zufällig hätten wir bei Yogi Tismara Unterkunft gefunden. – Und dann kam die merkwürdige Ringgeschichte, die Jacht … – Naida blieb aus dem Spiel.

Inspektor Dawis saugte nervös an seiner Zigarre …

„Teufel, da müßten wir ja eigentlich die Jacht durchsuchen,“ brummte er …

„Wovon ich energisch abraten würde, lieber Dawis …“

„Hm – Tescaloor kann Mania Droga-Shatta niemals entführt haben, ausgeschlossen …! Wenn das Mädchen sich wirklich auf der Jacht befindet, dann hat Tescaloors Kapitän faule Geschäfte ohne sein Wissen betrieben … Dieser Kapitän scheint mir ein Halunke zu sein … Der Kerl hat mir nie gefallen …“

„Ein Vorschlag, Dawis: Wir beide rudern Sie zur Jacht hinüber, und Sie zeigen uns auf diese Weise James Tescaloor …“

„Herr Gott – denken Sie etwa, daß …“

„Halt – eine Frage: Hat Tescaloor in den Vorderzähnen Goldplomben?“

Da schnitt der Inspektor ein ganz merkwürdiges Gesicht.

„Hm – hm, – – allerdings … allerdings …“

„Und Juwelier Bissu hat uns erzählt, daß seine europäischen Verkäufer, die ja sämtlich ein und dieselbe Person, nämlich Trimaldo waren, sich nur zu sieben Stunden Dienst täglich verpflichtet und sehr oft längeren Urlaub genommen hatten … Also kann Tescaloor ganz gut Trimaldo aus –“

Dawis fluchte …

„Nette Schweinerei wäre das! Aber ich glaube es nicht. Tescaloor ist Gentleman durch und durch …“

„Rudern wir zur Jacht,“ meinte Harald kühl … „Wir beide gehen zum Flusse hinab, zur Anlegestelle der Passagierdampfer am Ganges-Kai … Folgen Sie uns in zehn Minuten … – Wiedersehen, Dawis …“

„Wär das ’ne Schweinerei!!“ fluchte der Inspektor abermals … –

Und als wir uns der Jacht näherten, stieß gerade ein winziges Motorboot von der Schiffstreppe ab, ein Boot mit zwei Insassen …: einem Matrosen und einem schlanken Europäer in hellem Flanellanzug …

„Tescaloor!“ raunte Dawis uns zu …

Dann winkte er hinüber, und das Boot schoß auf uns zu.

Eine fröhliche, helle Männerstimme rief dem Detektivinspektor zu:

„He, Dawis, – was für ein Gefährt habt Ihr Euch denn heute ausgesucht …?!“

Und ein bartloses, gebräuntes Gesicht mit regelmäßigen, auf den ersten Blick fraglos recht sympathischen Zügen tauchte neben unserem Nachen auf.

Lachend reichte Tescaloor dem Inspektor die Hand.

„He – wollen Sie zu mir, Dawis?“ meinte er immer in demselben heiteren Tone. „Dann kehre ich um … Sehr gern sogar … Ich wollte nur den Abend an Land genießen …“

Dawis erwiderte ebenso harmlos:

„Eine Bitte hätte ich, Tescaloor … Es sind da oberhalb bei dem Dorfe Kutwara wieder ein paar Frachtboote geplündert worden. Wenn ich mit dem Polizeikutter dorthin fahre, ist das Flußpiratengesindel sofort gewarnt … Könnten wir nicht mal mit Ihrer Jacht Kutwara besuchen?“

„Gewiß, gewiß … Bin gern dabei … – Soll’s sofort sein, Dawis?“

„Am besten wär’s schon, falls Sie Zeit haben, Tescaloor …“

„Für Sie immer! – Also kehrt! Da ist ein Tau … Wir nehmen Ihren Kahn ins Schlepp …“

Als wir an der Schiffstreppe der „Neruda“ (für eine Jacht ein etwas ungewöhnlicher Name, da Neruda soviel wie Wasserskorpion bedeutet) anlegten, erklärte Dawis noch:

„Meine beiden Ruderer dort sind Beamte, Tescaloor. Wir nehmen sie mit …“

„Hab ich mir schon gedacht, daß es Beamte sind,“ nickte der Besitzer der Neruda, ohne uns weiter zu beachten.

Unser Nachen wurde an Deck gehißt, und gleich darauf glitt die Neruda unter der Eisenbahnbrücke hindurch und den heiligen Strom aufwärts.

Wir hockten vorn am Bug auf einer Rolle Tauwerk. Auch jetzt kümmerte sich niemand um uns. Dawis und Tescaloor saßen auf dem Achterdeck in bequemen Korbsesseln.

Die Besatzung der Jacht schien aus acht Köpfen zu bestehen. Der kleine hagere Kapitän lehnte oben auf der Brücke. Er war der einzige Europäer. Die anderen Leute sämtlich Malaien, die ja als hervorragende Matrosen in den indischen Gewässern sehr begehrt sind.

Harald schwieg und beobachtete … Er hatte wie ich die Augen überall. Mit einem Male flüsterte er: „Tescaloor ist Trimaldo … Und – er hat uns erkannt …“

„Unmöglich …! Er …“

„Bitte, verlaß Dich darauf, mein Alter … Seine Augen verrieten’s … Ich gebe hier an Bord der Neruda für Dawis’ und unser Leben keinen Pfifferling … Du wirst sehr bald sehen, daß Tescaloor mit dem Kapitän sich berät … Man wird uns verschwinden lassen wollen – uns alle drei … Mania Droga-Shatta ist ja fraglos hier. Es war doch eine Dummheit, daß wir unser Spiel so weit aufdeckten … Nun weiß Tescaloor, daß wir leben und daß dort im Schacht nur zwei Puppen liegen … Für ihn geht’s ums Ganze jetzt …“

Mein Atem beschleunigte sich …

„Und was tun wir?!“ meinte ich zögernd. „Wär’s nicht besser, wir warnten Dawis und riefen eins der Flußpolizeiboote heran …?“

„Niemals …! Glaubst Du, daß wir so gegen diesen Verbrecher etwas ausrichten?! Wie willst Du ihm seine Schandtaten beweisen?! Ein Mensch wie der sichert sich nach allen Seiten hin … Wir würden nicht einmal Mania finden …! Und wenn, dann würde Tescaloor so tun, als wüßte er nichts, als hätten seine Leute auf eigene Faust die Mädchenräuber gespielt …“

Mein Blick glitt zum Achterdeck … Tescaloor hatte sich erhoben … Ging auf die Brücke, sprach mit dem kleinen Kapitän, dessen blatternarbiges Gesicht etwas Eulenhaftes hatte …

„Jetzt verhandeln sie über uns,“ meinte Harald …

Der breite Strom wurde immer einsamer … Die flachen Ufer, nur stellenweise von Hügeln und Wäldern eingerahmt, gestatteten eine weite Fernsicht über die bebauten Felder, über die Reis- und Indigopflanzungen und die sauberen Teeplantagen …

Die Sonne versank bereits. Ungeheure Vogelschwärme fielen in die sumpfigen Flußniederungen ein. Schwarze Kraniche, Flamingos und Fischreiher standen unbeweglich an den Rändern der kleinen Sandinseln … –

Tescaloor kehrte wieder zu Dawis auf das Achterdeck zurück. Der Kapitän rief einen der Malaien auf die Brücke, flüsterte mit ihm …

„Es geht um unser Fell,“ meinte Harald nochmals. „Merkst Du? die Schraube der Neruda arbeitet langsamer! Wir sollen erst bei Dunkelheit das Dorf erreichen … Und dann – dann – werden wir drei – verunglücken – irgendwie …! – Nun – wir sind gewarnt … Ich werde Tescaloor einen Strich durch die Rechnung machen …“

Wieder verging eine Viertelstunde. Es wurde rasch dunkler und dunkler. Die durch Bojen gekennzeichnete Fahrrinne des Stromes schlängelte sich hin und her. Zuweilen tauchten ein paar jener Strauchinseln auf, die durch treibende Baumstämme entstehen und auf dem gelbbraunen Fluß als grüne Punkte weithin sichtbar sind.

„Achtung!“ raunte Harald mir wieder zu. „Wir verlassen die Fahrrinne … Das hat etwas zu bedeuten … Da vorn auch eine Strauchinsel … – Achtung!“

Aber – nichts geschah …

Die Jacht steuerte dicht an dem Inselchen vorüber – so dicht, daß wir genau hörten, wie einmal der Kiel der Neruda über den schlammigen Grund hinwegschrammte …

Nein – nichts geschah … Um zehn Uhr erreichten wir das große Dorf Kutwara. Hier hatten tatsächlich Flußpiraten vier ankernde Frachtsampans vorgestern ausgeplündert. – Die Jacht legte an der starken Bootsbrücke des Dorfes an, und Dawis und wir beide gingen an Land – zum Schein auch bis zum Dorfe …

Nichts geschah … –

Dawis fragte, ob Harald noch immer an seinem Verdacht festhielte.

„Ja … Tescaloor ist Trimaldo … Und er hat uns beide als Harst und Schraut erkannt. Kehren Sie nun allein an Bord zurück. Ihnen droht keine Gefahr, Dawis. Sagen Sie Tescaloor, Sie hätten uns hier mit besonderen Ermittlungen beauftragt …“

Der Inspektor lachte ärgerlich.

„Sie sind hartnäckig, lieber Harst … Ich teile Ihren Verdacht nicht mehr … Und des Yogis Ring-Experiment war Blödsinn …“

„Mag sein … – Gute Nacht, Dawis … Morgen auf Wiedersehen …“

In der stillen Dorfstraße trennten wir uns … –

Und auf Umwegen liefen wir beide dann wieder zum Flusse hinab, sahen, wie die Jacht von der Brücke losmachte und davonfuhr.

Gerade da kam das plumpe Fährboot von der anderen Seite des Stromes herüber. Zwei Ochsenkarren und mehrere Männer und Weiber befanden sich darauf. Als die Passagiere verschwunden, rief Harald den Fährmann an Land, gab ihm Geld und war gleich darauf Besitzer eines leichten Nachens mit zwei Ruderpaaren.

Wir stiegen ein, stießen ab …

Die Strömung erleichterte uns die Arbeit …

„Wohin?“ fragte ich. „Nach Allahabad zurück?“

„Nein, erst zu der Insel …“

„Welcher Insel?“

„Warte ab …“

Und wir ruderten, daß der Nachen nur so dahinflog …

Was sollten wir bei der Insel?! Welcher Insel?! – Ich fand keine Antwort … Ich – mußte abwarten …

 

4. Kapitel.

Im Atelier.

So unbegreiflich Harald Harsts Verhalten mir zuweilen auch erscheint: ich weiß aus Erfahrung, daß er gerade dann einen großen Schlag vorhat, wenn sein Tun widerspruchsvoll und fast unsinnig ist!

Wir saßen mit dem Rücken nach der Spitze des Nachens hin, arbeiteten jeder mit zwei Rudern … Harald saß vor mir. Häufig drehte er den Kopf. Eine bleiche Dämmerung lagerte über dem heiligen Strome. Silbern glänzten die Spiegelbilder der Gestirne. Frachtschiffe, Dampfer begegneten uns. Indische Fischer senkten ihre Netze in die trübe Flut, sangen dazu alte Lieder, mit denen schon ihre Vorfahren um reiche Beute die Götter angefleht hatten …

Starr und wie tot ruhten die Gangeskrokodile auf den Schlammbänken … Die Flamingos standen schlafend auf einem Bein, hatten die Köpfe unter die Flügel gesteckt …

Feierlich still war’s auf dem Flusse …

Inseln tauchten auf, verschwanden …

Immer wieder schaute Harald sich prüfend um …

Dann sagte er plötzlich:

„Am Ziel …! – Kehrt jetzt – gegen die Strömung aufwärts!“

Und als wir nun wendeten, erkannte auch ich da vor uns das Inselchen, an dem die Jacht so dicht vorbeigeglitten war … Ich erkannte sie an dem einzelnen sehr hohen Kuffrastrauche, dessen weiße Blütenpracht wie ein heller Fleck in Grün der anderen Büsche schimmerte …

Wir hatten um diese Insel offenbar einen großen Bogen gemacht. Und gerade dieses Ausweichen gab mir den Gedanken ein, daß Harald auf dem winzigen Eiland etwas beim Vorüberfahren bemerkt haben müsse … Vielleicht hatte Tescaloor dort ein geheimes Versteck, vielleicht hatte er mit Leuten, die dort im Gestrüpp verborgen gewesen, Zeichen ausgetauscht …

Die Insel hatte kaum zehn Meter Durchmesser, lag wie ein dunkler Ball auf dem gurgelnden Strome …

„Leiser!“ warnte Harst.

Meine eine Ruderdolle hatte gekreischt.

Noch drei Schläge, und ich konnte einen Ast eines überhängenden Strauches packen …

Langsam zog ich den Nachen ans Ufer … Richtete mich auf, nahm die Bootsleine und wollte sie um einen Aststumpf schlingen …

In demselben Moment pfiff etwas singend an meinem linken Ohr vorüber.

Ein Knall … Noch einer … Mein Turban rutschte mir ins Genick.

Und vor mir im Gebüsch rauschten und knisterten Zweige. Schwer sank dort ein Mensch zusammen …

„Der Kerl hatte uns doch bemerkt,“ meinte Harald kühl und schob seine Clementpistole wieder in die Kitteltasche. „Meine Kugel war schneller als die seine …“

Ich war blaß geworden, rückte mir mit leicht zitternder Hand den Turban wieder zurecht …

Harald kletterte an mir vorüber an Land, drang in das Gestrüpp ein und beleuchtete die Gestalt eines der malaiischen Matrosen von der Neruda.

Der Mann war tot – Stirnschuß … Neben ihm lag ein Revolver.

„Als wir diese Insel auf der Hinfahrt passiert hatten,“ erklärte Harald leise, „bemerkte ich, daß einer der Matrosen fehlte. Ich sagte mir, daß er wahrscheinlich durch eine Luke heimlich ins Wasser sich hinabgelassen und diese Insel erreicht habe … Nicht allein … Er trug etwas, das von Bord verschwinden sollte …“

Da – – verstand ich ihn …

Er arbeitete sich schon weiter vorwärts …

Und in der Mitte des Inselchens fanden wir eine Bambushütte …

In der Hütte aber die – fest schlafende, durch irgendein Mittel betäubte Mania Droga-Shatta …

Unserer Taschenlampen grelle Lichtkegel bestrahlten das hübsche Mädchen …

„Der Yogi Tismara hat doch recht behalten,“ meinte Harald nur, bückte sich, hob Mania samt den Wolldecken empor und trug sie in unseren Nachen, wo er sie sorgsam bedeckte. Dann holte er auch die Leiche des Malaien und den Revolver, tilgte alle verräterischen Spuren aus und stieg in den Nachen. –

Mit einem toten und einem lebenden Fahrgast an Bord ruderten wir weiter – wieder mit der Strömung – gen Allahabad, die Stadt Gottes …

Als wir die Eisenbahnbrücke passiert hatten, war der Ankerplatz der Neruda leer.

Ein Polizeikutter hielt uns an. Den Beamten waren die beiden mit Decken verhüllten Gestalten verdächtig vorgekommen. Harald hatte sich mit dem Kutterführer rasch verständigt, ohne jedoch etwas von unserem Erlebnis zu erwähnen oder zu verraten, wen wir an Bord hatten. – Der Kutter schleppte uns in den Bootshafen der Flußpolizei, und zehn Minnten drauf war auch schon Dawis bei uns.

Sein Gesicht, als Harald ihm nun unser Abenteuer schilderte, ward lang und länger …

„Nette Schweinerei!!“ fluchte er wieder. „Was nun?! Die Neruda ist seit einer Stunde unterwegs nach Kalkutta und …“

„Mag sie, lieber Dawis …! Mag Tescaloor nur glauben, daß wir den Verdacht gegen ihn aufgegeben haben. Mania darf auf keinen Fall früher wieder auftauchen, als bis Schraut und ich die Geschichte in Kalkutta erledigt haben … Ihre Beamten müssen schweigen. Alles hängt davon ab, daß Tescaloor sich ganz sicher fühlt …“

Dawis tat, was Harst vorschlug. –

In aller Stille wurden unsere Koffer aus dem Palast-Hotel nach der Hütte des Yogi Tismara geschafft. Mania fand in Dawis’ Bungalow vorläufig heimliche Unterkunft.

Als wir bei Tismara nachts gegen ein Uhr wieder eintrafen, war die Hütte erleuchtet. Jean Ahmed Bissu saß auf dem Rohrsofa, und neben ihm die alte Jukara … Der Yogi schlief in einer Ecke. Die Brillenschlangen lagen auf dem Herde und blinzelten …

Bissu drückte uns immer wieder die Hand …

„Sie werden die Schmach meines Hauses verschweigen,“ bat er. „Naida ist wohlauf … Nach einiger Zeit werde ich sie wieder als angeblich von Mädchenhändlern Entführte in mein Haus aufnehmen … Und Sie, Herr Harst, werden dieses Märchen irgendwie stützen …“

„Gern, lieber Bissu … – Setzen Sie sich nur … – Sie wissen schon, daß dieser Trimaldo es lediglich auf Ihren Tresor abgesehen hatte … Er ist außerdem auch Mädchenhändler – wahrscheinlich auch noch anderes … Schraut und ich fahren mit dem Mittagszuge einzeln nach Kalkutta – in irgendeiner passenden Verkleidung … Sollte hier etwas Besonderes sich ereignen, so depeschieren Sie an Mr. Hoorter, Kalkutta, Edward-Hotel … Dort steigen wir ab …“

„Was soll geschehen?!“ meinte der Juwelier achselzuckend. „Mein Kind hat das Schwerste überstanden … Es wird alles gut werden …“

Ich war gerührt von so viel echter Vaterliebe. Ich dachte unwillkürlich an andere Eltern, deren pharisäerhafte Unduldsamkeit die Tochter auf die Straße jagt, wenn Jugend und heißes Blut dem Kinde Unheil brachten … –

Bissu verabschiedete sich. Todmüde sanken wir beide auf unsere sauberen Lagerstätten. – –

Und jetzt – ein Sprung über drei Tage hinweg – hinein nach Kalkutta … Dort wohnten im Edward-Hotel zwei englische Geschäftsreisende, durchaus unauffällige Herren. Sie kannten sich nicht, wohnten nebeneinander … Nur von Ansehen kannten sie sich – scheinbar.

Aber wenn sie in der großen Hafenstadt ihren Besorgungen nachgingen, dann fanden sie sich stets wie zufällig zusammen …

Die beiden waren – wir … – Und zweiundeinenhalben Tag suchten wir nun bereits nach dem Photographen, bei dem James Tescaloor die Bilder für seine verschiedenen Namen und Gesichter als Verkäufer bei Bissu hatte anfertigen lassen …

Harald blieb dabei, daß es sich hier um Photos von einem Berufsphotographen handele, wenn auch der Firmenaufdruck auf den Kartons fehlte. Und immer wieder sagte er: „Wenn wir den Photographen gefunden haben, ist Tescaloor geliefert! Dann wird der Lichtbildkünstler ihn wiedererkennen …!“ –

Mancherlei über Tescaloor hatten wir inzwischen erfahren. Er besaß ein Exportgeschäft für Kunstgegenstände, Teppiche und wertvolle gestickte Schale, bewohnte in der wundervollen Goolner-Street eine mittelgroße Villa und war in der Europäerkolonie außerordentlich beliebt.

Zweimal hatten wir ihn auch zu Gesicht bekommen, wie er mit seinem hellgelben riesigen Buxon-Auto die Goolner-Street hinabsauste.

Es war klar: er spottete unser! Er fühlte sich vollkommen sicher. Er wußte, daß man ihm nicht beweisen könne, daß er seine Vorsichtsmaßregeln viel zu tadellos getroffen hatte, um je überführt werden zu können …

Längst mußte er ja wissen, daß der Malaie und die junge Inderin von der windigen Insel im Ganges verschwunden waren … Ihn scherte das nicht. Er ging seinen Geschäften nach, spielte am Spätnachmittag Tennis und saß abends mit Bekannten in der Loge eines Theaters … – Und doch: er tat keinen Schritt mehr unbewacht. Dawis hatte insgeheim die Polizei in Kalkutta verständigt. Nur Beamte von hervorragender Qualität überwachten den frechen Verbrecher. Um ihn her lag ein unsichtbares Netz. Es fehlte nur noch die Schnur, um es zuziehen zu können. –

Wir hatten uns von der Polizei ein Verzeichnis aller Berufsphotographen Kalkuttas und der Nachbarorte geben lassen, hatten nach dieser Liste jeden einzelnen besucht und ihm die Bilder vorgelegt. Stets – ohne Erfolg.

Heute nun am dritten Nachmittag nach unserer Ankunft schlenderten wir durch die Godwar-Street. Harald blieb plötzlich vor dem Reklamekasten des Orpheum-Varieteetheaters stehen. In dem Kasten hingen Bilder der Bühne, des Zuschauerraumes und der gerade auftretenden Artisten.

Mit einem Male packte Harst meinen Arm … „Da – lies …! Das Theater hat seinen eigenen Photographen! Und der steht nicht mit auf unserer Liste!“

Vom Portier erfuhren wir, daß das Atelier im Mansardenstock des Hauses liege und daß Garden Toof gleichzeitig auch der Dekorationsmaler des Theaters sei. Toof sei jetzt oben im Atelier.

Wir also im Fahrstuhl nach oben. Wir läuten … Ein elegantes geschmeidiges Kerlchen öffnet: Garden Toof, der Photograph …

Er nötigt uns ins Atelier … Wir haben uns als Theaterunternehmer vorgestellt, die Dekorationen brauchen.

Dann läßt Harald die Maske fallen. „Ich bin der Detektiv Harald Harst … Hier ein Ausweis der hiesigen Polizei, daß meine Anordnungen von jedem zu befolgen sind. – Kennen Sie diese Bilder?“

Toof stutzt, lächelt … „Gewiß … Die ließ ein durchreisender Artist bei mir anfertigen, ein Verwandlungskünstler …“

„Alle an einem Tage?“

„Ja … Er kleidete sich dort in jenem Kabinett um.“

„Und – unmaskiert sahen Sie ihn nicht?“

„Doch – gewiß …“

„Kennen Sie James Tescaloor?“

Wieder lächelt Toof. „Aha – eine verblüffende Ähnlichkeit, allerdings … Nur ist der Artist blond und Tescaloor dunkelhaarig …“

Jetzt lächelt Harald. „Sie haben sich täuschen lassen, Sir … Das Blond war Kunst oder das dunkle Haar ist Kunst. Tescaloor ist der, der hier den Verwandlungskünstler spielte …“

Garden Toof schüttelt den Kopf. „Ich habe doch Augen! Und dann – die Stimme! – Übrigens kommt Tescaloor noch heute zu mir … Er hat sich gestern verlobt und will sich mit seiner Braut photographieren lassen – eine arme Gouvernante ist’s, zurzeit ohne Stellung … Er hat es mir im Vertrauen mitgeteilt …“

Harst wird sehr ernst. „Ich weise nochmals auf diese polizeiliche Legitimation hin,“ sagt er mit Nachdruck. „Sie werden tun, was ich verlange …“ –

Eine halbe Stunde später … – Wir stehen hinter einer Rollwand … Garden Toof ist soeben hinausgegangen. Es hat geläutet … Es sind die Erwarteten …

Die Tür zum Atelier geht wieder auf … Stimmen … Die heitere Stimme Tescaloors: „Lieber Toof, meine Braut und ich wollten doch noch ein gemeinsames Bild haben … Mary fährt morgen zu Verwandten von mir nach Hongkong. Dort werden wir dann heiraten …“

Ah – – Hongkong!! Mädchenhändler!!

Toof ist verlegen … stottert etwas …

Wir schauen durch die Gucklöcher der Leinwand … Tescaloor ist im Frack – eine tadellose Erscheinung … Und die arme betörte Mary ist ein liebliches Wesen von kaum zwanzig Jahren …

Tescaloor mustert den völlig kopflosen Toof mit wachsendem Mißtrauen …

Harald stößt mich an … „Vorwärts!“

Und gerade als Toof unter dem Tuche seines Apparates verschwindet, springen wir vor …

Tescaloor prallt zurück … Der ins Genick zurückgeschobene Zylinder poltert auf den Teppich …

„Harald Harst,“ sagt der Freund nur …

Tescaloor mustert uns eisig … Meine Pistole stört … Er wird blaß, unruhig … Das blonde Mädchen ist mit einem leisen Schrei in einen Sessel gesunken …

„Telephonieren Sie an die nächste Polizeiwache, Sir!“ befiehlt Harald dem Photographen.

Toof eilt gehorsam zu seinem Schreibtisch, der an der Rückwand des Ateliers steht …

Und da – geschieht’s …

Da hat der schlanke Tescaloor mit der Kraft der Verzweiflung das schmächtige Kerlchen gepackt, hat ihn mir gegen die Brust geschleudert … Ich stürze – reiße Harald mit um … Die gemalte Wand fällt über uns … Und ehe wir noch wieder auf den Beinen sind, hat Tescaloor die Treppe gewonnen … Als wir unten vor dem Hause anlangen, saust gerade ein geschlossenes Auto um die Ecke …

Kein anderes ist in der Nähe …

Tescaloor ist entwischt …

 

5. Kapitel.

Das herrenlose Auto.

Wir eilen zur Polizei … Der Chef alarmiert seine Beamten … Alle Straßen und Bahnhöfe werden überwacht und gesperrt … –

Harald verspricht sich nichts davon – gar nichts … Als wir in unser Hotel gegen neun Uhr abends zurückkehren, sagt er nur: „Lieber Alter, nach Tescaloor suchen – das heißt einen Heuhaufen nach einer Stecknadel durchstöbern!“

Der Hotelportier überreicht ihm in der Vorhalle eine Depesche …

Von Jean Ahmed Bissu:

Naida seit gestern verschwunden. Sehr in Sorge!

Bissu.

„Auch das noch!“ meint Harald …

Wir sitzen dann kaum zehn Minuten im Speisesaal, als der Hoteldirektor Harst ans Telephon ruft …

„Der Chef der Detektivpolizei möchte Sie sprechen, Sir!“

Ich gehe mit ins Bureau …

Harald meldet sich …

„Hier Harst … Etwas Neues, Sir Madlon …? – So – ein herrenloses Auto – Tescaloors Auto? – Wie?! Bitte langsamer … Ich habe nicht recht verstanden … – – Unmöglich …! – So … so … – Nun gut, wir erwarten Sie, Sir Madlon … Aber bitte – kommen Sie maskiert … Und kein Dienstauto … Die Sache gefällt mir gar nicht …“

Er legte den Hörer weg …

Wandte sich um. Ein Blick in sein schmales Gesicht verriet mir, daß da fraglos irgend etwas ganz Besonderes geschehen sein müsse, etwas noch weit Seltsameres, als ich schon aus seinen Worten am Fernsprecher hatte entnehmen können.

Mit einem kaum merklichen Kopfschütteln und in einem tief nachdenklichen Tone sagte er:

„Bei Lodwalla, einem kleinen Fischerdorfe zehn Meilen westlich von Kalkutta an der Meeresküste, hat man Tescaloors Auto leer in einem Wäldchen mitten im Dickicht aufgefunden … Drei der besten Detektive Sir Madlons sind sofort dorthin geeilt, konnten aber in dem Wäldchen lediglich die Spuren des eingeborenen Fischers feststellen, der das Auto entdeckt hatte. Der Boden ist dort sumpfig und weich, und unbedingt hätten doch auch Fährten der Männer vorhanden sein müssen, die den Kraftwagen in das Dickicht steuerten, oder doch eines Mannes: des Chauffeurs! – Wie gesagt: die Detektive fanden nur die Radspuren des Autos und die Fährte des Fischers!“

„Hm – man kann das Auto ohne Führer in das Wäldchen haben laufen lassen,“ warf ich ein.

„Ausgeschlossen …! Das betonte Madlon ja gerade: diese Möglichkeit liegt nicht vor! Die Bäume stehen zu dicht. Der Kraftwagen ist hineingelenkt worden – gelenkt! Wo ist der, der ihn steuerte?“

Ich lächelte …

„Harald, Du hast genau denselben Gedanken wie ich: Falls Tescaloor und sein Chauffeur in dem Auto saßen, sind sie eben vom Verdeck des geschlossenen Wagens auf einen Baum geklettert und haben sich weiter von Ast zu Ast bis zum Rande des Wäldchens geschwungen …“

„Der Gedanke liegt nahe,“ nickte er zerstreut … „Nur: die drei Detektive haben ebenfalls daran gedacht und den Rand des Wäldchens ebenso sorgfältig abgesucht … Sie fanden auch dort keine Spuren. Und Madlon betonte wiederholt, die drei seien hervorragende Fährtensucher, auf sie sei unbedingt Verlaß.“

„Dann begreife ich’s nicht …“

„Ich vorläufig auch nicht … – Für alle Fälle: verkleiden wir uns ein wenig! Es ist wohl sicher, daß Tescaloor in dem Dorfe Lodwalla Verbündete hat. Ohne Grund wird er nicht dorthin geflohen sein …“ –

Fünf Minuten drauf saßen wir mit Sir Harry Madlon, dem Chef der Kriminalpolizei, und den drei Detektiven, die in dem Wäldchen Nachsuche gehalten, in einem sehr harmlos aussehenden Tourenauto, das an den Seiten und hinten in grellroter Farbe die Aufschrift trug:

Cook’s Rundfahrten.
Das Billigste für Touristen!

Wir waren also Touristen … Und damit der Schein bewahrt bliebe, hatte einer der drei Detektive sich als Dame maskiert.

Unterwegs besprachen wir nochmals mit den Herren von der Polizei die merkwürdige Angelegenheit.

Sir Madlon, ein Mann in den besten Jahren und weit über die Grenzen Indiens hinaus berühmt, behauptete allen Ernstes, daß die Bewohner von Lodwalla sämtlich Schmuggler, Diebe und noch Schlimmeres seien …

„Ich wundere mich, daß Sie noch nichts von Lodwalla gehört haben, lieber Harst … Es ist das einzige Fischerdorf, das man als „Höhlenstadt“ bezeichnen kann … Schon allein eine Besichtigung dieser seltsamen Ortschaft lohnt eine Fahrt dorthin.“ –

Weit vor dem Dorfe hielt unser Auto an. Im Chausseegraben saß ein uralter Inder, der uns zugewinkt hatte. Es war der Fischer Sadiru, der das Auto in dem Dickicht entdeckt hatte.

Wir stiegen aus. Sadiru beteuerte, daß er dem Befehl der drei Detektive gemäß niemandem von seinem Fund Mitteilung gemacht habe.

Der Kerl sah jedoch für meinen Geschmack sehr wenig vertrauenerweckend aus. Er war mir zu freundlich und unterwürfig. Auch Harald flüsterte, als wir nun auf Umwegen nach dem Wäldchen gingen:

„Dieser Sadiru ist – bestellte Arbeit …“

Ich verstand. „Eine Kreatur Tescaloors also …“

„Ja … Sahst Du den Blick, der uns beide streifte? Dies hier ist – eine Falle für uns – nur für uns! Tescaloor will sich rächen – irgendwie! Wir haben seinen Sturz verschuldet, nur wir … Und – – wir werden das Wäldchen besser nicht betreten.“

Sir Madlon, der mit Sadiru vorausschritt, drehte sich um …

„Dort ist das Wäldchen …“

Wir standen am Rande eines Maisfeldes. Fünfzig Meter weiter lag ein einzelnes Waldstück, fast kreisrund, eine Wildnis inmitten der Felder.

In der Ferne hörten wir das Meer branden. Ein Höhenzug aber sperrte die Aussicht nach dem Ozean hin.

Wir teilten uns. Die drei Detektive sollten am Waldrande Wache halten. Sir Madlon, der alte Inder und wir beide begaben uns dorthin, wo ein Feldweg, der nach dem Fischerdorfe führte, dicht an der Südseite des Waldstückes vorüberlief.

Der Feldweg war gut gehalten. Man erkannte ganz deutlich die Stelle, wo das große Auto nach rechts abgebogen und in das Wäldchen hineingefahren war.

Harald bückte sich und schritt zwischen den breiten Strichen, die die Pneumatiks hervorgerufen hatten, dahin. Diese Spuren waren recht tief eingedrückt und zum Teil mit Wasser gefüllt. Der morastige Boden hatte hier eine Unmenge Unkraut emporschießen lassen.

Harald richtete sich dicht vor den ersten Bäumen wieder auf und wandte sich an den Inder. „Es gibt hier Schlangen?“ fragte er.

„Ja, Sahib … Der Schlangen wegen betritt niemand das Wäldchen.“

Harst zog Sir Madlon beiseite. „Das Auto ist in das Wäldchen hineingelenkt worden,“ meinte er leise. „Tescaloor und der Chauffeur saßen darin und haben es dann verlassen, indem sie sich kleine Bretter unter die Schuhe banden. – Bitte – hier in der breiten Radspur des Autos sehen Sie in regelmäßigen Abständen nur schwach sich abhebende Vierecke, die Umrisse der Brettchen. Auf diese Weise sind die beiden scheinbar ohne Fährten aus dem Wäldchen herausgekommen.“ – Und – noch leiser: „Aber auch wieder – hineingegangen, indem sie mit den Brettchen unter den Sohlen auf ihrer ersten Spur zurücktappten. Die Umrisse der Brettchen sind zum Teil als Doppelstreifen erkennbar.“

„Hm – und Sie meinen, die beiden stecken noch im Wäldchen?“

„Ja … – Ein feiner Trick, diese Brettchen, Sir Madlon … Ich sollte diese viereckigen Spuren finden, sollte annehmen, die beiden hätten das Weite gesucht. Nicht finden sollte ich die Doppelspur – also war die Spekulation verfehlt. Tescaloor gedachte in dem Wäldchen so lange zu bleiben, bis er – Schraut und mir – eins ausgewischt hatte und dann zu Wasser seine Flucht fortsetzen konnte.“

Er zog jetzt ruhig die Clement aus der Tasche und spannte die kleine Pistole.

„Sadiru,“ sagte er zu dem Inder, „hast Du Sahib Tescaloor und dem Chauffeur die Brettchen geliefert, die sie sich unter die Schuhe banden?“

Der Alte zuckte zusammen. Seine Augen stierten auf die Pistole …

„Ich zähle bis drei,“ meinte Harald. „Dann schieße ich!“

Die Mündung befand sich kaum ein Meter von des Inders Stirn.

Sadiru verfärbte sich. Das Braun seines faltigen Gesichts wurde schmutzig-grau …

„Eins …“

Sadiru zitterte …

„Zwei …!“

Sadiru leckte die Lippen … Stieß dann hervor: „Der Sahib hat mich bestochen … Er ist im Wäldchen … In dem hohlen alten Kurussabaum …“

Der Kurussa ist die indische Schopfweide und wird bis zu drei Meter dick.

„Wollte Sahib Tescaloor meinen Freund und mich töten?“

Sadiru bebte jetzt an allen Gliedern …

„Ja – ja … Er hat sich von mir das Blasrohr geben lassen … Und – vergiftete Pfeile …“

„Wo steht der Kurussabaum?“

„Im Dickicht, halb im Wasser – neben dem Auto …“

„Also rechnete Tescaloor damit, daß er auch nach den Blasrohrschüssen in dem Baume nicht entdeckt werden würde. Mithin muß der Zugang zu dem hohlen Innern sehr gut verborgen sein …“

Der Inder nickte. „Ja, Sahib … Es ist ein neues Stück von einem anderen Kurussa in das Loch eingefügt worden. Man sieht es nicht … Niemand würde es finden …“

Sir Madlon lachte drohend. „Aha – dort versteckt Ihr Halunken wohl Eure Schmugglerwaren …!!“

„Ich werde Ihre drei Leute holen, Sir Madlon,“ meinte Harald. „Wir kreisen den Baum ein und fordern Tescaloor auf, herauszukommen. Gehorcht er nicht, schießen wir. Eine Nickelmantelkugel aus einer modernen Pistole wird den hohlen Kurussa glatt durchschlagen.“

Er eilte davon.

Als die drei Detektive zur Stelle waren, begann der Vormarsch – mit größter Vorsicht.

Diese sumpfige Wildnis, in der das Auto sich sehr geschickt den festen Boden zur Fahrt ausgesucht hatte, wirkte jetzt, wo die Dunkelheit hereinbrach, noch unheimlicher.

Das Auto war bald gefunden. Auch der Kurussa war unschwer zu erkennen. Es gab hier nur ein einziges derartiges Ungetüm.

Wir hatten uns so postiert, daß Tescaloor unmöglich entschlüpfen konnte, daß wir aber auch vor jedem heimtückischen Giftpfeil sicher waren. Unsere Taschenlampen, dazu die Karbidscheinwerfer des Autos beleuchteten die dicke, plumpe Weide von allen Seiten.

Sir Madlon brüllte jetzt: „Ergeben Sie sich, Tescaloor! Kommen Sie heraus!“

Nochmals wiederholte er den Befehl …

Nichts regte sich …

Madlon wurde wütend. „Wir schießen, wenn Sie nicht gehorchen!“ brüllte er noch lauter.

Keine Antwort – nichts …

Da – schoß Madlon … zielte mitten auf den Stamm. Splitter flogen …

Wir warteten …

„Verdammt! Bin ich hier als Harlekin!“ fauchte der Polizeichef.

Und – Schuß auf Schuß fuhr in den Baum …

Harald meinte jetzt: „Das Nest wird leer sein … – Sadiru!!“ – und er packte den Inder beim Lendengurt, hob ihn empor und trug ihn als Schild vor sich her.

Das Loch in der Weide befand sich etwa ein Meter über dem Boden …

Der Inder riß das lose Stammstück heraus …

„Leuchte hinein!“ befahl Harald.

Sadiru tat’s …

„Sahib – beide liegen still … Ah – – und – und zwei Kobras sind in dem Baume … zwei riesige Brillenschlangen …“

Er fuhr mit dem Kopf wieder zurück, und Harald gab ihn frei.

Ich war rasch neben Harst getreten … Er bückte sich. In dem Morast neben dem Baume waren zwei Eindrücke von zierlichen Frauenschuhen zu erkennen. Rasch hatte Harald da schon durch seine eigenen Sohlen diese Fährten verschwinden lassen. –

Die Leichen Tescaloors und des Chauffeurs wiesen jede drei Bißwunden auf. – Wie die Kobras in den hohlen Baum geraten, wußte niemand … Nur – wir wußten es: Naida!! Die Kobras stammten aus ihres Vaters Garten, aus dem Gestrüpp am verfallenen Tempel …! Naida hatte sich an ihrem Verführer gerächt! Deshalb war sie aus Allahabad verschwunden. –

Ein James Tescaloor hatte diesen Tod tausendfach verdient …

Durch die Verhaftung des Kapitäns der Neruda und vieler anderer Helfershelfer Tescaloors kamen nun all die Schandtaten der weitverzweigten Verbrechersippe ans Tageslicht …

Die aus Allahabad geraubten Hindumädchen sowie weitere zwölf aus anderen Städten konnten ihren Eltern wieder zugeführt werden … Sie waren zum Glück noch nicht nach Hongkong gebracht worden, wohin Tescaloor hauptsächlich seine „Ware“ lieferte …

Auch Mary Johnston, die Amerikanerin, war so vor einem entsetzlichen Schicksal bewahrt worden … –

Hiermit muß ich mich für heute von den Lesern verabschieden. – Die Besichtigung des Höhlendorfes Lodwalla vermittelte uns unser nächstes Abenteuer:

 

Der Kokain-Klub.

 

 

Verlagswerbung:

Der Goldschatz der Azoren.

Der Inhalt des ersten Bandes, den wir den Lesern des Detektiv in einem Anhange zu den Heften 127 und 128 brachten, dürfte wohl bekannt sein. Wir wissen, daß die Sphinx, dieses Wunderwerk moderner Flugtechnik, von Lomatz geraubt wurde, doch Viktor v. Gaupenberg nahm unter Beihilfe seines Freundes Hartwich mit einem Doppeldecker die Verfolgung auf. An Bord der Sphinx befinden sich der alte Knorz und Agnes als Gefangene. Agnes Sanden hatte den alten Einsiedler Dr. Falz kennengelernt, einen geheimnisvollen Mann, der tief in die Geheimnisse der Natur eingedrungen ist und der sich geheimnisvoller Naturkräfte bedient.

Lomatz landet mit der Sphinx in der Nähe von Lissabon zu dem Zwecke, sich hier Helfer zur Gewinnung des Goldschatzes zu werben. Agnes aber verkauft er in öffentliches Haus, und dem alten Knorz gelingt es zu entfliehen. Inzwischen aber sind Gaupenberg und Hartwich, denen sich Mafalda angeschlossen hat, ebenfalls in der Nähe von Lissabon gelandet, wo Hartwich seinen alten Freund, den Taucher Oretto besucht und ihn zur Teilnahme an der Bergung des Schatzes verpflichtet. Es gelingt den beiden, Agnes zu befreien, und der Doppeldecker steigt wieder auf. Agnes aber befindet sich jetzt als junger Gehilfe Orettos verkleidet mit an Bord.

Soweit der kurze Inhalt der Fortsetzung des Romanes. Die Handlung hat sich so interessant gestaltet, daß wir unseren Lesern nur dringend raten können, sich die Fortsetzung bei ihrem Buchhändler zum Preise von 30 Pf. pro Band zu bestellen. Sollte derselbe die Bestellung nicht übernehmen, schreibe man an den

Verlag moderner Lektüre, Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Der Detektiv

Eine Reihe höchst spannender Detektivabenteuer. Bisher sind folgende Bände erschienen:

 

Band
































1–6:
7:
8:
9:
10:
11:
12:
13:
14:
15:
16:
17:
18:
19:
20:
21:
22:
23:
24:
25:
26:
27:
28:
29:
30:
31:
32:
33:
34:
35:
36:
37:
38:
39:

vergriffen.
Zwei Taschentücher.
Die Jagd auf einen Namen.
Die Augen der Jolante.
Der Fluch eines Geschlechts.
Die verschwundene Million.
Die Festung des Ali Azzim.
Die tote Lady Rockwell.
Der Fakir von Nagpur.
Der blinde Brahmane.
Das Auge der Prinzessin Singawatha.
Das Löschblatt von Amritsar.
Die leuchtende Fratze.
Schattenbilder.
Der Löwe von Flandern.
Der ewige Jude.
Das Armband der Lady Mellville.
Die Rätselbrücke.
Der Einsiedler von Tristan da Cunha.
Das Siegellacktröpfchen.
Die Gesellschaft der roten Karten.
Die Uhrkette des Bill Hamilton.
Der Tempel der Kali.
Nur ein Tintenfleck.
Der Stern von Siam.
Eine leere Streichholzschachtel.
Der sprechende Kopf.
Das Geheimnis des Scheiterhaufens.
Die Gefangene von Trawalkor.
Die Eishöhle in Nepal.
Der Mord im Warenhause.
Der Spielklub W W.
Ein gefährlicher Auftrag.
Der sterbende Fechter.

– Preis pro Band 20 Pf. –

Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26,

Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Anmerkung:

  1. In der Vorlage steht: „sen“.