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Baron Tissanders Schaukel

 

 

 

Der Detektiv

 

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 137:

 

Baron Tissanders Schaukel.

 

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44

 

Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1925 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.
Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.

 

1. Kapitel.

Die Kartoffel.

Acht Tage kreuzten wir damals ziel- und[1] zwecklos im Indischen Ozean …

Damals …

Und das war nach jener Nacht, als Ethel Boeter, die Malerin, sich im Castello Santa Virgo vergiftet hatte … –

Schwere Zeit für mich als Freund Harald Harsts. Um so schwerer, als eigentlich kein Anlaß vorlag, ihn zu trösten; höchstens der, ihn abzulenken. Denn – er hatte diese klassische Schönheit, dieses Weib mit der krankhaften verbrecherischen Phantasie, ja kaum gekannt …

Sollte ihm ihr Tod wirklich so nahe gegangen sein, sollte das große Rätsel Menschenherz ihm einen so argen Streich gespielt haben?!

Genug: er sprach nie mehr über das uralte portugiesische Kastell dort auf der Insel Sokotra und erst recht nicht über Ethel. Er saß zumeist im Liegestuhl auf dem Achterdeck und kümmerte sich um nichts.

John Trolby, der alte Seebär, und ich und die beiden malaiischen Matrosen Atiru und Sikiri mußten zusehen, wie wir uns die Zeit vertrieben. Sobald ein Dampfer am Horizont auftauchte, sobald ein Segel sichtbar wurde, befahl Harald stets, sofort entgegengesetzten Kurs zu steuern. Er wollte eben niemand sehen – nichts als diese Wasserwüste ringsum und den Himmel und uns, die er nicht unsichtbar machten konnte.

Als so eine Woche dahinging, sagte der kleine Nußknacker Trolby am Morgen des neunten Tages zu mir:

„Gott sei Dank – diese verrückte Gondelei muß jetzt ein Ende haben. Unser Trinkwassertank ist leer …“

Und er stampfte zum Achterdeck und pflanzte sich vor Haralds Liegestuhl auf.

„Sir, das Trinkwasser geht zu Ende … Der nächste Hafen ist Kolombo auf Ceylon … In zwei Tagen können wir dort sein.“

Harst schaute den braven John nicht an, sondern weiter in die Ferne …

Sagte: „Sie irren, lieber Trolby … Trinkwasser können wir binnen zwölf Stunden haben … Sie vergessen die Insel Taletta …“

Trolby knurrte …

„Ah so … Taletta! Stimmt … Die muß ja südwärts liegen … Stimmt … Aber – ob es dort Trinkwasser gibt auf dem gottverlassenen Ding?!“

„Weshalb nicht?! – Wir fahren nach Taletta …“

Und mit einer ruckartigen Kopfbewegung verabschiedete er den kleinen John, der nun wie ein begossener Pudel zu mir geschlichen kam.

Ich lehnte mittschiffs an der niederen Reling, hatte alles mit angehört …

„Hol’s der Satan! Wie kommt er nur auf Taletta?!“ brummte John. „Das Häuflein Felsen kennt doch kaum ein Mensch, der’s Steuermannsexamen gemacht hat! Auf keiner Karte ist die Insel verzeichnet, weil sie ja erst vor drei Jahren infolge vulkanischer Vorgänge aufgetaucht sein kann. Genau weiß das niemand. Jedenfalls traf mal ein Australienfahrer so vor drei Jahren dieses Inselchen, stellte fest, daß es erst neuerdings entstanden sein konnte und nannte es Taletta, – das heißt: der Kapitän tat’s, der hieß nämlich selbst Taletta, und sein Schiff war ein spanisches … So gehört denn Taletta zu Spanien … – Mehr weiß ich nicht …“

„Hm – und Sie werden’s finden, John?“

„Und ob! Die Lage ist mir nach Längen- und Breitengrad genau bekannt …“ –

Dies geschah morgens sieben Uhr …

Und abends acht Uhr tauchte am südlichen Horizont Taletta auf.

Nichts als ein Haufen Felsen, das stimmte.

Wir umrundeten es … Ein langgestrecktes Inselchen, vielleicht eine halbe Meile, und die Breite ganz unregelmäßig … Überall schnitten Buchten tief ins Land.

Traurig sah das Ding aus … Auch nicht ein grüner Busch war zu sehen. Nur schwarzes oder graues Gestein. Man merkte, daß Taletta vulkanischen Ursprungs war.

Unsere Atlantis wurde vorsichtig in eine Bucht hineingelotst. Kaum hatten wir Anker geworfen, als Harald elastisch seinen unvermeidlichen Liegestuhl verließ und uns zurief:

„Das Beiboot zu Wasser! Ich rudere allein an Land!“

„Hat der jetzt Schrullen!!“ brummte John Trolby … „Wie ’ne alte Jungfer!“

Ich ging zu Harald …

„Eine Frage …“ sagte ich kurz …

Er blickte mich an. „Quäle mich nicht, mein Alter … Laß Vergangenes ruhen …“

„Oh – das tue ich schon. – Wollte nur fragen, weshalb ich nicht mit an Land soll … Ich denke, wir beide sind doch bisher immer …“

Er hatte mir die Hand auf die Schulter gelegt …

„Ich – werde es Dir ein andermal erklären …“

Und da durchzuckte es mein Hirn wie ein greller Blitzstrahl: Ethel Boeter hatte ihm irgend etwas über diese neue Insel damals in ihrer letzten Lebensstunde mitgeteilt! – Der Leser, der den vorigen Band: „Harald Harsts zweite Liebe“ kennt, weiß ja, daß ich nicht dabei war, als Ethel starb … nur Harald allein …

Inzwischen hatten die beiden Malaien und John das winzige Beiboot schon ausgeschwungen …

Harald kletterte hinein, war sehr bald am Buchtufer, zog das Boot aufs Trockene und verschwand zwischen den Felsenhügeln … –

Es war noch heller Tag. Erst gegen halb zehn setzte die Dämmerung ein …

John Trolby stopfte sich eine frische Pfeife und meinte:

„Schraut, Schraut, die Geschichte hier ist nicht richtig! Ich wette, daß irgend jemand irgend etwas Harald Harst von dieser verwünschten Insel erzählt hat …“

Oh – er war nicht auf den Kopf gefallen, der kleine John! Nein, durchaus nicht! Er hatte jetzt also Ähnliches geäußert, wie es mir vorhin durch den Sinn gegangen …

„Schon möglich!“ nickte ich.

„Sie sind auch so’n alter Geheimniskrämer, Schraut! Den Teufel auch! Wir sind nun doch wochenlang hier Kameraden, und –“

„Trolby,“ unterbrach ich ihn, „ich weiß nicht mehr als Sie. Ich vermute jedoch dasselbe: ohne Grund mußten wir Taletta bestimmt nicht anlaufen! Und noch mehr: Harst hat uns so ganz allmählich so weit südlich steuern lassen, bis wir eben dieser Insel recht nahe waren.“

John Trolby qualmte dicke Wolken …

„Schraut, Schraut, Ihr Freund ist ’n Mensch, den man nie ganz begreift – – nie! – Hat er denn gesagt, wann er zurückkehrt? Ich habe Hunger …“

„Den haben Sie immer, lieber John … Essen wir also!“

Die Malaien mußten den Tisch auf dem Achterdeck herrichten.

Wir aßen … Allmählich wurde es dunkel …

Und mit jeder verrinnenden Minute wuchs jetzt meine Angst um Harald …

Auch John meinte, es könnte ihm vielleicht etwas zugestoßen sein. Wir sollten am besten von Atiru das Beiboot holen lassen und dann zu zweien mit Laternen auf die Suche gehen.

Die Dunkelheit nahm rasch zu. So rasch, wie dies nur in den Tropen zu geschehen pflegt.

„Bis zehn Uhr warten wir noch,“ entschied ich kurz. „Atiru mag aber schon jetzt an Land schwimmen und uns das Boot bringen.“

Der Malaie warf seinen Leinenanzug ab …

Sehr bald ruderte er auf die Jacht zu. Trolby kam mit zwei brennenden Laternen an Deck …

„Schraut, ich für meine Person warte nicht länger … Was treibt Harst bei der Finsternis in dem Steinhaufen von Insel?! Sie werden’s erleben: ihm ist etwas zugestoßen!“

So kletterten wir denn schon um drei Viertel zehn ins Boot. Die Malaien sollten derweil die Jacht bewachen.

Wir wußten, in welcher Richtung Harald sich entfernt hatte, und wir schlugen dieselbe Richtung ein.

Zum ersten Male betrat ich so den Boden einer Insel, die noch vor wenigen Jahren ein Teil des Meeresgrundes gewesen.

Nichts als Felsen, Steine …

Nichts anderes …

Eine trostlose Eintönigkeit. Und dabei eine Wildnis aus Fels: Hügel, Schlünde, Zacken, Löcher, Steinhaufen – alles wirr durcheinander …

„Hier können wir tagelang suchen,“ knurrte Trolby. „Nein – solch eine Verrücktheit von Harst …!! Unglaublich! Wie leicht kann man hier in eine der Spalten fallen!“ –

Um Mitternacht gaben wir das Suchen auf, kehrten zur Jacht zurück …

Beide niedergeschlagen, beide halb verzweifelt. Sobald es hell wurde, wollten wir von neuem die verwünschte Insel durchstreifen.

Und wir taten’s auch … Sikiri, der jüngere der Malaien, half uns.

Da das harte Gestein keinerlei Spuren annahm, war es unmöglich, Haralds Fährte etwa zu verfolgen. Wir mußten auf gut Glück suchen.

In welcher Stimmung ich mich damals befand, wird jeder begreifen, der das innige Freundschaftsverhältnis zwischen Harst und mir kennt.

Bei jeder neuen Spalte, die dunkel und steil in die Tiefe ging, fürchtete ich das Schlimmste: daß unten Harald mit zerschmetterten Gliedern läge!

Fünf Stunden brachten wir in dieser traurigen Wildnis zu … Dann kam Sikiri plötzlich vom Ufer einer der südlichen Buchten zu uns gerannt …

„Sein Feuerzeug …!!“ brüllte er schon von weitem.

Wahrhaftig: es war Haralds vernickeltes kleines Feuerzeug …!

„Wo lag es, Sikiri?“

„Dicht am Wasser zwischen den Steinen …“

Wir drei eilten zur Bucht hinab. Der Malaie mußte uns die Stelle zeigen, wo er das blanke Büchslein gefunden hatte.

Wir durchstöberten die Umgebung aufs genaueste …

Und – da fand ich denn noch etwas: eine Frucht, eine Erdfrucht, etwas ganz Unscheinbares: eine Kartoffel! In einer Wasserpfütze! – Und diese Kartoffel war nicht etwa verfault, sondern frisch, so frisch, daß sie hier kaum ein paar Tage gelegen haben konnte!

„Es war ein Schiff hier!“ platzte John heraus …

Ich nickte nur …

Zog das Feuerzeug Haralds nochmals hervor, besichtigte es genauer …

Und dann sah ich, daß in die eine breite Seite offenbar mit einer Steinkante etwas eingeritzt war …

Ein – Wort …

Ein – Name …! Mühsam entzifferte ich:

Goa

„Goa … Goa?!“ – unwillkürlich sprach ich es laut aus …

„Portugiesische Kolonie und Hafenstadt an der Westküste Vorderindiens,“ wollte John mich eifrig belehren.

„Weiß Bescheid … Kenne es …“ Ganz versonnen sprach ich es hin … Dachte nur daran, weshalb Harald dieses „Goa“ hier in das blanke Nickel eingekratzt haben könnte.

Ich sah ja: diese primitive Gravierung war ganz frisch. So frisch, daß sie nur in der verflossenen Nacht hergestellt sein könnte.

Mancherlei Bedenken kamen mir gegen die einfache Lösung, daß Harald etwa nach Goa gewaltsam verschleppt worden sein sollte …

Und aus diesen Gedanken schreckte mich des Malaien Sikiri neuer geller Schrei auf:

„Tuwan, Tuwan …!!“ (Herr, Herr …!! – Nur mich redete Sikiri zuweilen mit diesem unterwürfigen Titel an – außer Harald.)

„Was gibt’s, Sikiri?“

Der Malaie stand auf einem Felsen, der wie eine Anlegebrücke weit in die Bucht hineinragte …

„Tuwan – hier ist etwas geschrieben …“

Und ich hetzte hin. Hinter mir her keuchte John Trolby.

Sikiri tanzte vor Freuden auf dem Felsen …

„Tuwan, eine Nachricht von Tuwan Harst!“

Und er zeigte auf eine glatte Stelle an der Seite des Steines …

Ich bückte mich … Da war mit einem Tintenstift, lila schimmernd, dick hingemalt – deutsche Buchstaben, deutsch:

„Nicht Goa. Erwarte mich in Bombay.“

Diese Aufschrift war seltsam. Der Inhalt überraschte und verwirrte mich. – Was hieß das: „Nicht Goa“?! Sollte ich Harald nicht nach Goa folgen?! Oder – sollte ich etwa (und hierfür sprachen die deutschen Buchstaben und der deutsche Text) vor unseren Begleitern Goa nicht erwähnen?!

Rätsel über Rätsel stürmten auf mich ein …

Und John Trolby fragte:

„Was bedeutet das, Schraut?? Eure verflixten deutschen Buchstaben sind mir fremd …“

„Oh – – das bedeutet:

„Nicht in Goa, sondern sofort nach Bombay.““ Rasch hatte ich so den Text geändert – aus Vorsicht …

Trolby glaubte mir. „Nun, dann also nach Bombay,“ meinte er. „Glauben Sie, daß Harst gegen seinen Willen von diesen Fremden mitgenommen wurde?“

„Ja, das glaube ich …“ –

Zwei Stunden später hatten die Malaien den Trinkwassertank aus einer natürlichen Zisterne frisch gefüllt.

Die Atlantis stach wieder in See …

Und ich saß in meiner winzigen Kabine und – hatte vor mir auf dem noch winzigeren Tische – die Kartoffel liegen.

Wenn man Harald kennt, beachtet man eben alles …

Und sehr bald fand ich auch an der Außenhaut der Erdfrucht einen Kreis, der sich als dunklere Linie markierte. In diesen Kreis stach ich die Spitze der kleinen Klinge meines Federmessers hinein und hob so ein kegelförmiges Stück heraus. Das Loch selbst war unten mehr ausgehöhlt und enthielt ein Papierkügelchen.

Ich strich das Papier glatt, las die mit spitzem Bleistift geschriebenen Sätze:

Erwarte Dich allein in Goa. Sei vorsichtig. Lasse die Jacht in Bombay zurück und verschwinde. Eine Milliardensache!! Mündlich Näheres.

Dein H.

Nach fünf Tagen langten wir spät abends in Bombay an. Und morgens um fünf Uhr fuhr ich als Holländer verkleidet mit einem Küstendampfer südwärts – nach Goa.

 

2. Kapitel.

Der Rikscha-Kuli.

Diese portugiesische Besitzung Goa, ein Küstengebiet von der ungefähren Größe Sachsens, ist in vielfacher Beziehung recht interessant. Umgeben von Britisch-Indien, stellt Goa den letzten Rest der einstigen portugiesischen Kolonialherrlichkeit Ostasiens dar. Und doch ist es in mancher Beziehung weit kultivierter als die angrenzenden anglo-indischen Gebiete. Die Bevölkerung (rund eine halbe Million) besteht aus Mischlingen, die fast sämtlich Christen sind. Der Hafen von Neu-Goa oder Pangim (das alte Goa mußte wegen des Gelben Fiebers geräumt werden) ist gut ausgebaut und hat äußerst lebhaften Schiffsverkehr. –

Es war keineswegs fremder Boden, den ich hier nach recht behaglicher Seereise betrat. Wir kannten Goa, hatten hier vor drei Jahren mal Dinge erlebt, an die ich nicht gern zurückdenke.

Vielleicht waren es diese Erinnerungen an jene Stunden gräßlichster Lebensgefahr … Vielleicht war es auch eine dumpfe Vorahnung, daß hier in Neu-Goa ähnliche Schrecknisse meiner warteten … Jedenfalls: ich war mehr als vorsichtig, als ich nun den Küstendampfer abends zehn Uhr verließ und einen Rikscha-Kuli beauftragte, mich und die beiden Koffer hinüber nach Alt-Goa zu bringen …

Ich tat es absichtlich. Ich wollte jede Spur hinter mir verwischen.

Der Kuli spannte sich vor das leichte zweirädrige Wäglein und trottete mit mir davon …

Von fern sah ich schon die Kuppeln der mächtigen Kathedrale gegen den Nachthimmel sich abheben … Sah aber auch bald eine Unmenge Volks mit Fackeln, war plötzlich mitten in einer nächtlichen Prozession …

Der Kuli wich zur Seite … Wir hielten an …

Weihrauch erfüllte die Luft. Unter Baldachinen schritten Priester im Ornat dahin …

Dann folgte eine vergoldete Bahre, auf der ein Ebenholzschrein auf kostbaren Decken stand …

Der bärtige Kuli mit dem großen Strohhut drehte sich um …

„Sennor, die Gebeine des Heiligen, des Franz Xaver, werden heute am Namenstage feierlich dem Volke gezeigt,“ erklärte der braune Kerl.

Seltsam genug dies nächtliche Bild: in Indien all der Pomp der katholischen Kirche! Noch seltsamer infolge der nächtlichen Stunde …

Und wieder sagte der braune Rikscha-Kuli mit seltsam gurgelndem Organ:

„Sennor, wir müssen Seitenwege benutzen … Sonst können wir hier eine halbe Stunde halten …“

Und er bog in einen Feldweg ein, an verfallenen Häusern vorüber – denn Alt-Goa ist zumeist nur noch Trümmerstätte.

Einen Hügel ging’s hinan, bis vor ein ebenso verfallenes Gehöft – hinein in den Hof – zwischen Unkraut und Mauertrümmer …

Argwohn war in mir aufgeblitzt. Im Nu hatte ich die Clement in der Hand. Da schob der Kuli den Hut aus der Stirn, löste den Vollbart …

Der Mond zeigte mir meines Freundes braun gefärbtes Gesicht …

Der Kuli war Harald.

„Da wären wir also,“ lachte er und reichte mir die Hand. „Grüß Gott, mein Alter … Fein haben wir das gemacht, sehr fein … Im übrigen wohne ich hier …“

Mein Mund stand noch immer sperrangelweit offen …

Ein Wunder?! Nein – wohl jeder wäre platt gewesen – einfach platt!

„Du – wohnst hier?!“ meinte ich dann wenig geistreich.

„Allerdings – ohne Mietzins, ohne Erlaubnis … – Hilf mir … Tragen wir die Koffer ins Haus …“

Dieser alte Ziegelbau hatte nur noch einen einzigen bewohnbaren Raum …

Was man so bewohnbar nennt …

Es war die Küche. Vor dem Fenster, das längst keine Scheiben mehr besaß, hingen wollene Decken. Eine stinkende Petroleumlaterne beleuchtete den Herd, einiges Geschirr, ein Strohlager und eine große Kiste …

„Bitte, mach’s Dir bequem …“ Und Harald deutete auf die Kiste.

Ich war noch immer etwas benommen.

Harst zündete ein Reisigfeuer auf dem Herde an und stellte einen Topf auf den eisernen Dreifuß …

„Tee gibt es und Konserven, mein Alter … – Setz Dich doch … Du wirst Dir das Wundern hier abgewöhnen müssen …“

Er war nicht mehr der versonnene, trübe gestimmte Harald von der Atlantis. Gott sei Dank war er’s nicht mehr!

Seine Augen leuchteten. Seine Stimme war wie früher: der leichte Schuß gütiger Ironie war darin!

Aus einer kleineren Kiste neben dem Herd holte er Teller und anderes hervor, stellte es auf die große Kiste …

„Unser Tisch, mein Alter!“ Und er lächelte mir zu … „Gut, daß zu wieder bei mir bist. Ohne Dich war die Sache doch langweilig …“

„Welche?“

„Oh – das ist eine lange Geschichte …“ Seine Stimme wurde anders, wehmütig fast. „Ethel Boeter hat mir in ihrer Sterbestunde ein Geheimnis anvertraut. Sie bat mich, nach der neu entstandenen Insel Taletta zu segeln – wie zufällig … Sie hatte Taletta selbst einmal besucht und dort – auch eine ihrer Unbegreiflichkeiten – das Tagebuch ihres Vaters an bestimmter Stelle deponiert. Ihr Vater war Beamter in portugiesischen Diensten …“

„Ah – hier in Goa …“

„Zehn Jahre lang … Sein Tagebuch über diese Zeit war in einer Geheimschrift abgefaßt. Er hatte in seinem Testament bestimmt, daß es verbrannt werden sollte. Ethel konnte sich jedoch nicht davon trennen. Sie versuchte immer wieder, den Schlüssel der Geheimschrift zu finden. Es gelang ihr nicht. Und doch vermutete sie, daß der Reichtum ihres Vaters mit diesem Tagebuch irgendwie zusammenhinge. Dann hat sie das Buch eben auf Taletta unter einem Steinhügel verborgen. Sie wollte es nicht verbrennen, aber es doch nicht behalten. Wie gesagt: eine ihrer Unbegreiflichkeiten! – In ihrer letzten Stunde schenkte sie es mir. Ich wollte es holen …“

„Unglaublich …!“

„Es kommt noch besser, mein Alter … Als ich so allein durch die Felswildnis der neuen Insel wanderte, überfielen mich ganz unerwartet vier Kerle … Warfen mich zu Boden … Verbanden mir die Augen … Schleppten mich weg … Eine halbe Stunde lang lag ich am Ufer irgendeiner Bucht. Ich konnte mir die Hände freimachen, konnte die Augenbinde entfernen. Fünf Schritte weiter stand ein Wächter mit einem Revolver … Ein Inder – wie die anderen. Der Kerl schaute nach der entgegengesetzten Seite … Ich hätte fliehen können. Ich wollte nicht. Denn – ich sah, daß jetzt vier andere nahten, sah, daß der eine ein Buch schwenkte, sah nun auch in der Bucht einen kleinen Dampfer ankern und dort auf Deck einen graubärtigen Europäer. – Wie es mir dann gelang, die Kartoffel zu präparieren, das Feuerzeug zu gravieren und die Worte auf den Fels zu schreiben, das alles würde mich zu lange aufhalten, wollte ich’s Dir schildern. Jedenfalls wußte ich, daß das Schiff aus Goa war. Die Kerle hatten wohl geglaubt, ich verstünde nicht portugiesisch …“

„Und dann?“

„Der Tee ist fertig … – Bitte, lange zu … Ich habe Hunger … – Also – dann brachte man mich, wieder gefesselt und blind, auf den Dampfer, sperrte mich ein … Ich wurde gut verpflegt, aber scharf bewacht. Kein Mensch sprach ein Wort mit mir. Den Europäer bekam ich nicht zu sehen. – Nach drei Tagen wurde ich gefesselt ausgebootet und – fand mich in der Nähe von Bombay an der Küste, fuhr sofort hierher und bin nun genau zwei Tage hier Kuli. Ich hatte mir ungefähr berechnet, wann Du hier eintreffen könntest. Es klappte alles tadellos … Die Spione des Barons haben Dich laufen lassen, ahnten nichts …“

„… Barons?! Wer ist das?“

„Natürlich der alte Europäer: Baron Leo Tissander, geborener Wiener, pensionierter Distriktschef von Goa …“

„Ah so! – Und dieser Baron …?“

„Muß ein Freund des Vaters Ethel Boeters gewesen sein …“

„Wieso?!“

„Weil er Kenntnis von dem Tagebuche hatte, weil er eben die Insel Taletta danach durchsuchen ließ …“

„Hm – das ist mir noch nicht recht klar …“

„Wird schon werden. – Ethel wäre das Tagebuch verschiedentlich beinahe gestohlen worden. Sie ahnte nicht, wer die Diebe beauftragt hatte. – Kurz und gut: Tissander wollte es an sich bringen, Tissander hatte seine Spione auf Sokotra, in der Nähe des Kastells … Und Tissander hatte dann auch den richtigen Riecher, hat unsere Atlantis verfolgt, ohne daß wir es merkten. Wir landeten an der Nordküste Talettas, er an der Südküste. Er ließ das Tagebuch suchen … Der Steinhügel, unter dem es lag, war wohl etwas auffällig. Ich kam zu spät – und er nahm mich mit, hofft noch jetzt, daß ich nicht herausbekommen werde, wer er ist, wo er wohnt … Trotzdem hat er Spione am Hafen, die jeden Europäer beobachten …“

„Unglaublich! – Und – das Tagebuch?!“

„Ja – das werden wir kaum stehlen können. Es liegt in dem Tresor der India-Bank in Neu-Goa …“

„Hm – auf Deinem Kartoffelzettel stand etwas von Milliarden?“

„Allerdings … Mit Recht! Denn der alte Tissander lebt wie ein Fürst … Das habe ich schon ermittelt … Er hat ostwärts in den Bergen ein Schloß, einen Riesenpark … Und niemand weiß, woher er die Mittel für diesen Luxus her hat …“

„Verzeih, Du schriebst doch schon auf Taletta von Milliarden …“

„Gewiß … Eben weil auch Ethels Vater nicht weniger als hundertachtzig Millionen seinem einzigen Kinde hinterlassen hatte … Wie hätte Ethel sonst das Kastell kaufen, eine Dampfjacht, Autos und anderes halten können?! – Ich ahnte, daß dieses Tagebuch Milliarden wert sei … Und daß – der alte Europäer diesen Milliarden nachjagte.“

Ich fuhr mir unwillkürlich über die Stirn. Wir war wirklich von alledem etwas wirr im Kopfe …

„Um auch das noch zu erwähnen,“ sagte Harald da, „Ethel Boeter hat mich zum Erben eingesetzt …“

Ich fuhr hoch …

„Von – hundertachtzig Millionen?!“

„Zehn soll Mary Dagnaar als Legat bekommen … das übrige könnte mein sein …“

„Könnte?!“

„Ja. Ich werde dieses Riesenvermögen anderen Zwecken zuführen, was wohl selbstverständlich ist …“

„So?!“ – Ich vergaß das Essen vollständig.

„Darüber sprechen wir ein andermal …“ –

Eine Stunde drauf verließen zwei braune Kulis das verfallene Gehöft und wandten sich ostwärts den Ghats, den Bergen, zu …

 

3. Kapitel.

Die Schaukel.

Die Straßen waren jetzt leer. Wir durchschritten einen Teil von Neu-Goa. Wie gesagt: man glaubt kaum, sich hier im Orient zu befinden. Nüchternste Zweckmäßigkeit überall. Alles nur auf das ödeste Wort des modernen Lebens eingestellt: auf das Verdienen! Und doch – auch darin lag ein Reiz, daß hier inmitten des Zauberlandes Indien ein Fleckchen Erde vorhanden, das ebenso gut irgend wohin nach Europa hineingepaßt hätte.

Nur eins mußte man ausnehmen: die Pflanzenwelt! Das war Indien. Das war die ganze üppige Pracht tropischer Urwälder, die uns nun außerhalb der Stadt empfing. Das waren die endlosen Reisfelder, die sauberen Indigopflanzungen, die im Nachtwinde wogenden mannshohen Maisstauden. –

Harald erzählte wieder …

Wie er schon zweimal im Parke des Tissander-Schlosses gewesen … Wie er überall Erkundigungen eingezogen habe, woher die Reichtümer des Barons stammen. Die einen hatten gemeint, der alte vornehme Herr habe geerbt. Die anderen wieder wollten wissen, er habe im Spiel Millionen gewonnen, er führe jedes Jahr nach – Monaco. Die dritten behaupteten, er kenne eine Fundstelle von Diamanten …

„Alles also vage Gerüchte, mein Alter,“ sagte Harald, der Kuli, indem er rechts in einen tadellos gepflegten Seitenweg einbog. „Ich für meine Person bleibe dabei: Tissander schöpft aus derselben Quelle, aus der schon Ethels Vater geschöpft hat, und er tut es unrechtmäßig.“

„Hm – und was geht uns im Grunde dies alles an?!“ wagte ich einzuwerfen.

„Ich bin Ethel Boeters Erbe. Mir trug sie auf, den Inhalt des Tagebuches ihres Vaters zu entziffern. Mir hat sie das Tagebuch hinterlassen. Ich habe es schriftlich – ein eigenhändiges rechtsgültiges Testament. Daß dann auf der Insel Taletta die fragwürdige Bekanntschaft mit Tissander begann, ist nicht meine Schuld. Der Baron stahl das Tagebuch. Ich will es zurückerobern. Freiwillig gibt er es sicher nicht her. Ich müßte einen Prozeß anstrengen. Was würde die Welt dazu sagen, daß Harald Harst zum Kadi läuft?!“

„Allerdings …“

„Und dann: Soll ich es ihm so hingehen lassen, daß er mich wie einen Strolch überfallen ließ?! Niemals! Der Mann soll Farbe bekennen.“

Der Weg stieg ziemlich steil an. Zu dem unzähligen Heer der Sterne war nun noch der Mond hinzugekommen.

Harald blieb stehen.

„Schau zurück, mein Alter … Dieses nächtliche Bild ist sehenswert.“

Wir verharrten eine Weile in andächtigem Genießen …

Links die neue Stadt, das Silberband des Mandawi-Flusses … Rechts Alt-Goa, umgeben von dem sumpfigen ungesunden Küstenstrich … Die Kuppeln der Kathedrale schillerten im Mondenschein … Daneben die ebenso alte zweite Kirche – hinwegragend über die tote Stadt, die das Fieber gemordet hatte … Und weiterhin das Meer im Mondesglanz, der Indische Ozean … Der Hafen mit seinen Lichterreihen, der Leuchtturm mit seinem strahlenden grellen Lichtstreifen …

War das Indien?!

Und doch – man brauchte nur den Kopf zur Seite wenden: dann war’s Indien …

Da war ein Hügel neben der Straße mit einer von Unkraut überwucherten Tempelruine …

Eine jener Ruinen, die die Ewigkeit überdauern werden. Ein ehemaliger Hindu-Tempel, aus Steinquadern errichtet … Einzelne Teile noch erhalten, andere völlig verschwindend unter Schlinggewächsen mit Riesenblättern …

Vielleicht fünfzig Meter entfernt war die Ruine … Rundum ein Maisfeld. Ein Schöpfrad für die Bewässerung war zu erkennen. Zwei Dromedare drehten das mächtige Rad in gleichmäßigem Schritt. Daneben hockte ein Knabe mit einer langen Gerte …

Und wie ich nun so diese Ruine mit liebevollen Blicken umfing und als Wahrzeichen des Wunderlandes grüßte, sagte Harald leise:

„Komm in den Schatten der Büsche dort … Es ist noch zu früh …“

Er zog mich hinter die grüne Wand …

„Zu früh?! – Wozu?“

„Zwei Nächte war ich hier, mein Alter … Und schon in der ersten, gegen ein Uhr morgens, erschien dort auf dem noch so gut erhaltenen schlanken Turm, der mit seinem Schlingpflanzenbehang mehr einer Pyramidenpappel gleicht, eine Gestalt – ein Weib …“

Er legte mir die Hand auf den Arm …

„Eine – Europäerin, mein Alter … Ganz in Weiß. Sie stand wohl eine Viertelstunde unbeweglich da … Dann blitzte in ihrer Rechten eine Taschenlampe auf … Und mit der Lampe gab sie Zeichen, Morsezeichen, – lang, kurz, lang lang, kurz kurz kurz … immer dieselben Zeichen, fünfmal … Und verschwand wieder …“

„Wurden die Zeichen irgendwoher beantwortet?“

„Nein. – Du siehst ja, die uns zugekehrte Seite des Turmes zeigt nach Süden … Und wenn Du Dich umdrehst, findest Du südwärts nur Felder – nur ein einziges Haus, eine Plantage … Aber – nirgends dort blitzte Licht auf …“

„Und gestern sahst Du die Frau abermals?“

„Ja – genau um dieselbe Zeit … Jetzt fehlen noch zehn Minuten. Warten wir. Tissanders Schaukel sehen wir noch früh genug.“

Man muß Harald kennen, um seine Art, Neues einem vorzusetzen, zu begreifen. Er liebt die geistigen Überfälle. Er hat seine Freude daran, ganz plötzlich von Dingen zu sprechen, die einem lächerlich erscheinen müssen und die doch zumeist eine besondere Bedeutung haben.

„Des Barons Schaukel?! Schaukel?! Du gebrauchst die Bezeichnung wohl nur in übertragenem Sinne?“ meinte ich trotz allem verblüfft.

„Ich meine es, wie ich es sage: eine große Schaukel!“

„Und – was ist’s damit?“

„Du wirst sie sehen … Tissander hat sie, so erzählt man am Hafen, zum Vergnügen seiner Leute errichten lassen – vor zwei Jahren … Sie ist stets … in Betrieb, stets besetzt. Tissanders Diener und Parkarbeiter scheinen sehr gern zu schaukeln …“

„Hm – ein Scherz?!“

„Mit nichten, Max Schraut, mit nichten. – – Da ist die weiße Frau …“

Ich starrte hinüber zur Ruine. Wir standen hier am Wegrande gut gedeckt.

Harald holte unter seinem Kittel ein Fernglas hervor.

„Da – benutze es …“

Und ich stellte es ein … Hatte dann die weiße Frau gleichsam dicht vor mir …

Jung war sie … Fraglos … Um das blonde Haar war ein Schleier geschlungen. Das weiße Kleid hatte modernen Schnitt.

Dann begann sie wirklich mit der Taschenlampe zu operieren, ganz so, wie Harald es geschildert hatte.

Ich wandte mich um … Ich wollte feststellen, ob die Lichtsignale doch nicht irgendwoher beantwortet würden. Auch Harald schaute nach Süden – ganz umsonst.

„Nein, dies Signalisieren ist einseitig,“ meinte er.

Die weiße Frau verschwand.

„Nächste Nacht kommt sie an die Reihe,“ sagte Harald. „Diese Nacht zeige ich Dir Tissanders Schaukel.“

Wir schritten weiter.

Dann nach zehn Minuten eine hohe Parkmauer.

Wir kletterten hinüber – waren in Tissanders Garten.

„Vorsicht!“ warnte Harald flüsternd. „Hier sind mindestens acht Parkwächter dauernd unterwegs, jeder mit einem Hund an der Leine. Aber ich weiß schon, wie man ihnen entgeht … Folge mir!“

Wir schlichen bis zu einer breiten Allee, die von Gusawi-Palmen eingerahmt war. Zu beiden Seiten befand sich ein gemauerter Graben, in dem klares Wasser dahinfloß.

Im linken Graben wateten wir tief gebückt entlang, bis die Allee aufhörte und jenseits einer weiten Rasenfläche sich Tissanders Schloß erhob.

Auf den ersten Blick erkannte ich, daß dieses Bauwerk eine genaue Nachahmung des weltberühmten „Gedichtes in Marmor“, des Tatsch Mahal, war …

Auch hier in weißem Marmor … Auch hier düstere Zypressen als Seitenkulissen …

Und weiter schlüpften wir. Der Graben endete im Bassin eines prächtigen Springbrunnens. Drei Marmorelefanten mit hochgereckten Rüsseln spien drei Wasserstrahlen in die Luft … In feinstem Wasserregen plätscherten die Strahlen wieder herab. Eine angenehme Kühle ging von dem Springbrunnen aus. Noch angenehmer war’s, nun inmitten dieses Geriesels zu stehen, das uns wie eine schillernde Glocke umgab.

Harald raunte mir zu:

„Hier können uns die Hunde nicht wittern … – Bitte – links die Schaukel …“

Ich blickte hin …

Da war ein dickes Balkengerüst … Da hing an Eisenstangen ein breiter Schaukelsitz mit Rückenlehne … Und drei Farbige saßen auf dem Sitz, während ein vierter aufrecht dastand und die Eisenstangen umklammert hatte.

Die Schaukel schwang gleichmäßig hin und her … Der aufrecht Stehende gab ihr immer wieder Schwung. Recht hoch schwebte die Schaukel, sank herab – stieg empor.

Wir beide hier im Sprühregen der Fontäne beobachteten.

Ich war erstaunt, daß jetzt selbst nachts die Schaukel besetzt war.

Noch mehr wunderte ich mich, als nach einer Weile drei andere Inder erschienen und die vier ablösten, ohne daß die Schaukel zum Stillstand kam. Die Leute schwatzten miteinander, lachten. Zwei Wächter mit ihren Hunden waren ebenfalls erschienen.

Nun war die Schaukel nur von den drei neuen Leuten besetzt. Die anderen entfernten sich …

„Nach einer Stunde kommt neue Ablösung,“ meinte Harald. „Und am Tage ist es ebenso … Die Schaukel steht nie still …“

„Was sagt man denn am Hafen dazu, Harald?“

„Gar nichts … Man scheint von diesem dauernden Schaukelbetrieb nichts zu wissen. Man hält die Schaukel für eine Marotte des Barons …“

„Und was hältst Du davon?“

„Ich?! Ich – weiß Bescheid!“

„So …?! Und …“

„Wenn Du Dein Hirn etwas anstrengst, mein Alter, kommst Du auch dahinter.“

Ich blickte scharf hin …

Doch – was gab es da zu sehen? Nur die Schaukel, die drei Inder …

Sie – schaukelten eben! Ein kindliches Vergnügen!

Harald zupfte mich am Ärmel …

„Gehen wir …! Vielleicht haben wir noch Zeit, die Ruine zu besuchen …“

Wir traten den Rückweg an …

Und als wir gerade oben auf der Mauerkrone saßen, als wir schon jenseits hinabspringen wollten, da kam den nahen Fahrweg ein Auto daher …

„Tissander …!“

Hinten im Wagen saß der Baron … Er hatte den Strohhut abgenommen … Ich sah sein Gesicht durch die Büsche ganz deutlich …

Ein vornehmes Greisengesicht, ohne Zweifel … Etwas zusammengesunken lehnte er in den Lederpolstern … Merkwürdig jugendliche Augen blitzten in dem gebräunten frischen Gesicht …

Da war der Kraftwagen schon vorüber.

Die Staubwolken, die er aufgewirbelt, hingen noch in der Luft, als Harald von der Mauerkrone herabsprang und mir dann ebenfalls nach unten half.

„Ja, das war Tissander, mein Alter …“ sagte er wie auf eine Gegenäußerung meinerseits wartend.

„Ein Gentleman, dem Äußeren nach …“

„Gewiß … Und doch ein ganz geriebener Schuft!“

Er schlug den schmalen Feldweg ein, der von hier zwischen mannshohen Maisstauden hindurch an der Tempelruine vorüberzuführen schien.

 

4. Kapitel.

Die Tänzerin.

Dieser Feldweg, gerade breit genug, daß die kleinen zweirädrigen Erntewägelchen hindurch können, schlängelte sich in dauerndem Zickzack diese flachen großen Terrassen der Felder abwärts. Wir gingen wie in einem Irrgarten. Zuweilen sahen wir die Ruine, zuweilen auch das hohe Schöpfrad. Es drehte sich unausgesetzt.

Sehr bald merkte ich, daß Harald diesen Pfad kannte. Es zweigten ja häufig noch schmalere Fußsteige ab, und um sich hier zurechtzufinden, mußte man unbedingt gewisse Wegmarken sich eingeprägt haben.

„Willst Du behaupten, daß Du hier zum ersten Male dahinschleichst?!“ meinte ich leise. „Du warst bereits in der Ruine. Davon bin ich überzeugt …“

Er lachte lautlos in sich hinein. „Alterchen, Du verdirbst einem jede Überraschung! Nun gut – ich war schon dort! Zugegeben. Und jetzt kann ich’s Dir ja auch sagen: Ich weiß nicht recht, ob Tissanders Schaukel oder die Kellerhalle des Tempels interessanter ist … Beides hat seine Eigenheiten …“

Er wandte sich plötzlich nach links. Hier lief ein Pfad weiter, der recht feucht war. An manchen Stellen waren flache Steine gelegt, damit der Fuß nicht im Morast versinke.

Und mit einem Male hörte dieser Pfad nach kurzem Anstieg vor einem Dornenwall auf. Wir hatten die Ruine erreicht.

Harald war stehengeblieben, bückte sich …

„Schau her …“

Ich sah ein schmutziges Brett von einhalb Meter Breite, das im Grase lag und bis in die Dornen hineinlief.

„Dieses Brett ist das Sicherheitssignal der Leute, die hier nachts heimlich zusammenkommen,“ erklärte Harst flüsternd. „Es gibt nämlich keinen Zugang mehr zu der Ruine. Das Tor ist eingestürzt, alles mit diesen langstacheligen Sadura-Dornen überwuchert, die so zäh sind, daß jedes Messer nach kurzer Zeit stumpf wird. Das Brett hier liegt an dieser Seite hohl. Man hatte es in der Mitte durch einen langen Stein gestützt. Wer also auf dieses Brett tritt, drückt das andere Ende empor … Und an dem Ende ist ein Draht befestigt, der durch das Geröll und eine Ritze der Kellerwölbung nach unten zu einer großen Glocke läuft. – Du verstehst: Umschleicht jemand die Ruine und tritt auf das Brett, so warnt er die unten Versammelten.“

„Recht schlau …!“

„Ja – besonders schlau, da es nur ein Schlupfloch durch die Dornen gibt: neben dem Brett … – Sei vorsichtig!“

Er kniete … Und so zog er links neben dem Brett drei mächtige Dornbüsche heraus, deren Wurzelballen mit Erde und Leinwand umwickelt waren, damit die Stauden nicht welkten. Die Leinwand war feucht und wurde fraglos ständig naß gehalten.

Ich schlüpfte durch die Öffnung hinein. Harald folgte, zog die Büsche wieder vor das Loch und schaltete seine Taschenlampe ein.

Ein Mauerrest erhob sich hier. Das Unkraut war entfernt worden. Eine kleine Tür aus rohen Brettern, die man mit grünbrauner Farbe überpinselt hatte, hing in zwei Eisengelenken vor einem niederen Fenster, das gerade hoch genug war, um einen Menschen hindurchkriechen zu lassen.

„Die Leute bleiben hier bis kurz vor Tagesanbruch,“ flüsterte Harald. „Ich werde vorangehen …“

Das Einsteigen durch das Fenster war nicht weiter beschwerlich. Unten gab es eine Treppe aus Steinen, die neueren Datums war. Der schmale Kellergang lief in kurzem Bogen bis zu einer durch einen alten Teppich verdeckten Türöffnung.

Ich hörte plötzlich Musik – jene eintönige zirpende und überaus melancholische Musik der indischen alten Saiteninstrumente …

Harald zog mich rasch weiter …

Der Gang lief abermals im Bogen zu einer zweiten Türöffnung. Diese war durch Steine und Mauertrümmer verstellt. Wir drängten uns vorbei, und nach abermals zehn Schritt standen wir nun vor einem handbreiten Mauerriß, der nur oberflächlich durch Steine ausgefüllt war.

„Bitte …!“ raunte Harst.

Und ich brachte die Augen näher an eine der Öffnungen zwischen den Steinen …

Schaute so in eine runde Halle hinein, in der zahlreiche Laternen brannten.

Das Bild dort vor mir war ebenso überraschend wie seltsam …

Mit dem Rücken nach mir hin kauerten etwa zwanzig Inder, auf Teppichen, mit untergeschlagenen Beinen …

Und linker Hand wieder saßen acht andere, die – Musiker …

Und nach den Klängen der alten Zupfinstrumente drehte sich in der Mitte des Raumes auf einem großen, kostbaren, glänzenden Seidenperser eine Frau in eigenartigem Tanze.

Die – Blonde vom Turme …

Jetzt … fast gänzlich unbekleidet, nur in schwarze wehende Schleier gehüllt, ihre ganze schlanke, üppige Schönheit preisgebend …

„Dasselbe Bild habe ich nun schon zwei Nächte genossen,“ tönte Haralds gedämpfte Stimme an mein Ohr. „Was – hältst Du davon?“

Ich schwieg – schaute nur …

Die blonde Europäerin besaß eine berückende Grazie … Etwas Traumhaftes, Unwirkliches lag in ihren Bewegungen … Hier konnte man begreifen lernen, daß die alten Götzendienste sich stets des Tanzes als eines Ausdrucks religiöser Anbetung bedient hatten.

Ich bog den Kopf zur Seite, flüsterte:

„Eine religiöse Sekte …“

„Warte ab … Du wirst staunen …“

Und wieder war ich nur stiller Bewunderer der Tänzerin.

Sie kauerte plötzlich nieder …

Die Musik schwieg …

Mit einem Male ein schrilles leises Klingeln …

Es erinnerte an ein Telephon …

Und einer der Männer, ein hagerer Greis, erhob sich und schritt nach rechts, hob aus der Mauer einen Stein heraus und … hatte dann einen Telephonhörer am Ohr …

Ich sah, daß er irgendeine Nachricht empfing, die ihn erschreckte … Sein Zusammenzucken war eindrucksvoll und stark.

Als er den Hörer dann wieder in dem Wandloch verborgen hatte, ging er auf seinen Platz zurück, setzte sich und … starrte anscheinend die blonde Frau durchdringend an.

Sie schnellte empor …

Ein Wink … Die Musik begann wieder …

Und mit wiegenden Tanzschritten eilte sie von Laterne zu Laterne, die auf meterhohen Mauerklötzen standen, löschte die Laternen – auch die letzte …

Dunkelheit …

Und neben mir Harald – ganz leise:

„Das ist neu … Sollte etwa –?!“

Und er schaltete die Taschenlampe aus, die er bisher mit der hohlen Hand abgeblendet hatte.

„Deine Clement!“ kam sein geflüsterten Befehl.

Mir wurde schwül … Ich ahnte …

Die treue Neunschüssige schmiegte sich in meine Hand.

Ich horchte …

Stille …

Nein – doch Geräusche …

Da irgendwo … huschende Schritte … Da irgendwo vor uns …

Und dann – ein greller Lichtstrahl – über uns hingleitend – wieder erlöschend …

Eine tiefe Stimme nun:

„Wenn Sie sich nicht gutwillig ergeben, schießen wir!“

Englische Worte …

Eine Drohung, die sicher kein Scherz war …

Haralds Stimme – ebenso laut:

„Damit Sie uns bequemer ermorden können …!!“

Der unsichtbare Sprecher: „Ihnen wird nichts geschehen, wenn Sie gehorchen. Sie sollen nur eine alte Inschrift auf einem Stein entziffern, nichts weiter; müssen aber versprechen, darüber zu schweigen …“

Und abermals blitzte da der grelle Lichtschein auf … Undeutlich erkannte ich den alten hageren Inder …

Er war allein … In der Linken hielt er eine Karbidlaterne …

 

5. Kapitel.

Der Stein mit der Inschrift.

Auch Harald ließ jetzt seine Taschenlampe aufflammen.

„Sie sehen, daß auch wir unsere Waffen bereit haben,“ meinte er durchaus höflich. „Wissen Sie, wer wir sind?“

Der Alte sprach jetzt plötzlich den verdorbenen Goa-Dialekt, ein Gemisch von Portugiesisch, Spanisch, Englisch und Französisch, so ein richtiges Hafenidiom …

Erwiderte genau so höflich: „Ich weiß es, Sennor … Sie sind Sennor Harald Harst …“

„In wessen Auftrag handeln Sie?“

„In eigener Angelegenheit, Sennor. Ich bin kein Goanese. Ich stamme von drüben aus dem Reiche der Fürstin von Kanara.“ (Kleines Fürstentum südlich von Goa.)

„Welche Sicherheit haben wir, daß uns nichts geschieht?“

„Die Sicherheit, daß ich allein Sie an Ort und Stelle führen werde, Sennor Harst …“

„Wo sind die übrigen Leute und die Tänzerin?“

„Wieder in der Kellerhalle, Sennor … Meine Person bürgt Ihnen für alles.“

„Wo befindet sich die Inschrift?“

„Oben in der Tempelruine … Im Turme … – Darf ich Sie beide hinführen?“

Harald trat näher auf den Alten zu.

„Bei dem geringsten Anzeichen einer Schurkerei schieße ich Dich nieder,“ sagte er, ohne die Stimme irgendwie zu erheben. „Richte Dich danach … – Wie heißt Du?“

„Tawu, Sennor …“

„Gut – führe uns, Tawu!“

Der Alte verbeugte sich.

„Und Ihr werdet schweigen, Sennor? Auch über das, was Ihr hier unten gesehen habt?“

„Wenn Du kein falsches Spiel treibst – ja!“

Der Inder schritt voran – noch weiter den Gang hinab, bis zu einer Schutthalde, über der ein großes Loch in der Decke klaffte.

Er kletterte empor …

Wir waren jetzt oben in der früheren Tempelhalle …

Wüst sah es hier aus … eine Unmenge Fledermäuse schossen leise pfeifend hin und her. Ein braunes schlankes Tier flitzte in einen der Mauerrisse.

Wieder kletterten wir über Geröll – empor zu der noch leidlich erhaltenen Turmtreppe.

Drei Stockwerke hatte der Turm. Im obersten (sie waren sämtlich leer) lehnte an der Wand eine meterhohe Steinplatte.

Kaum leserliche Schriftzeichen waren grob in den Stein eingemeißelt. Eine Schmutzschicht bedeckte stellenweise die Oberfläche.

„Dies ist die Inschrift, Sennor,“ erklärte der Inder.

Harald beleuchtete die ersten Buchstaben.

„Und weshalb willst Du sie entziffert haben, Tawu?“ fragte er harmlos.

„Weil ich ein Geheimnis vermute, Sennor … – Kennen Sie diese Buchstaben?“

„Ja …“

„Wirklich, Sennor?!“ Die Stimme des Inders klang ganz anders …

„Ist es denn eine bekannte Schrift, Sennor?“

„Es ist Altgriechisch. Man hat aber die Buchstaben umgekehrt eingemeißelt … Dies erste hier ist ein O, ein Omega, das zweite ein S, ein Sigma …“

„Sennor, würden Sie mir vielleicht gestatten …“ – Der Inder sprach sehr überstürzt – „… gestatten, daß ich die Platte erst nach unten schaffen lasse …?“

Dabei drängte er sich vor, stellte sich vor den Stein …

„Zu spät, Tawu!“ sagte Harald ironisch lächelnd. „Ich habe die vier Zeilen schon überflogen … – Du … bist ein Betrüger, ein Lügner …“

Er hob den rechten Arm … Die Clement drohte …

„Tritt zur Seite … Auch mein Freund Schraut soll wissen, was der Stein enthält. Du bist Diener bei Baron Tissander … Du …“

Und da geschah’s …

Von oben kam ein Stein herab, traf Harsts Handgelenk.

Die Pistole flog zu Boden …

Und gleichzeitig warfen sich ein halbes Dutzend braune Kerle über uns … Hatten uns im Moment niedergezwungen … Decken flogen uns über die Köpfe … Stricke wand man uns um Hände und Füße …

Unvorsichtig waren wir gewesen … Allzu vertrauensselig – allzu erpicht auf den Stein … auf die Inschrift.

Man trug mich von dannen …

Ein Wagen rumpelte mit mir davon … Neben mir bewegte sich etwas … Harst rief: „Bist Du da, mein Alter …“

Und als Antwort Tawus Stimme:

„Schweig! Oder …!!“

Und weiter ratterte der Kastenwagen …

Wohl eine Stunde lang …

Ich hörte das Meer rauschen …

Man riß mich empor …

Einen gellenden Schrei vernahm ich … Drei – vier Schüsse …

Neue Schreie …

Dann nichts mehr …

Aufrecht stand ich im Wagen … Hörte nur noch das Lied der Brandung … Und mit einem Male Haralds Stimme:

„Ich nehme Dir sofort die Fesseln ab … Die Kerle sind ausgekniffen …“

Die Decke flog mir vom Kopf …

Ein Blick ringsum …

Vor mir das Meer, Gestrüpp, Sumpflachen …

Und ein Boot, das hastig einem Dampfer zuruderte.

„Die Schufte hätten sorgfältiger sein sollen,“ sagte mein alter Harald vergnügt. „Ich war die Armfesseln längst los. Und als dieser Karren hier anhielt, habe ich Tawu einen Boxhieb versetzt, der ihn in den Sumpf beförderte … Meine Clement hatte ich wieder aufnehmen können, als die Kerle über uns herfielen … Idioten waren das! Sie rissen aus wie Schafleder … Ich hätte sie niederknallen können. Das war die Sache nicht wert. Schließlich trägt doch nur Tissander für alles die Verantwortung!“ –

Ich war die Stricke los …

Vor den Karren waren zwei Maultiere gespannt. Harst ergriff die Zügel …

„Verduften wir … Das dort ist des Barons Dampfer. Derselbe, der auf der Insel Taletta mich mitnahm …“

Er trieb die Maultiere an. Eine Art Weg lief aufwärts zum steinigen Küstenstrich …

Die Viecher galoppierten … Weit vor uns leuchteten die Lichter des Hafens von Goa.

Jetzt erst kam ich etwas zur Besinnung. Jetzt erst fragte ich: „Also Tissander wollte uns verschwinden lassen?“

„Natürlich … Die blonde Frau mit den Lichtsignalen war der Lockvogel. Tissander hat uns in Goa vermutet, hat diese ganze Komödie in der Tempelruine für uns inszeniert, rechnete damit, daß ich die Frau bemerken und mich in die Ruine hineinwagen würde. Das wurde mir erst klar, als Tawu das Telephon bediente. Wir waren eben beobachtet worden. Tissander teilte dem Alten mit, daß wir in der Ruine steckten …“

Ich lauschte ungläubig.

„Und der Stein mit der Inschrift, mein Alter: auch ein Trick. Die Buchstaben waren ganz frisch eingemeißelt und nur mit Schmutz patiniert – alt gemacht …“

„Ja – aber …“

„Und die Inschrift – sie lautete:

Ostwärts fünfhundert Meter von der Kapelle des Heiligen ruht mein Geheimnis. Ich habe übergenug. Ich begrabe das Geheimnis für immer. Niemand wird es je entdecken.

Es waren tatsächlich altgriechische umgekehrte Buchstaben, der Text englisch …“

„Was bedeutet das?!“

„Wie, Du fragst noch?! – Der gute Tissander hat da einen uralten Trick wieder aufgewärmt … Er wurde mit der Geheimschrift des Tagebuches nicht fertig. Da ließ er eine Stelle aus dem Tagebuch in die Platte meißeln. Ich sollte die Schrift entziffern … Ich tat es … Und ich weiß jetzt, daß das Tagebuch nicht mehr im Tresor der Bank ruht. Jetzt wird Tissander es herausgeben müssen.“

Wieder trieb er die Maultiere an …

Alt-Goa tauchte auf …

Durch öde Straßen jagten wir weiter … Dann die neue Stadt, der Hafen, das Polizeiamt …

Wir sprangen aus dem Karren … Hinein in das Gebäude … Rechts ein erleuchtetes Zimmer … Drei Beamte – und ein vornehmer alter Herr: Baron Leo Tissander …

„Da sind sie …“ sagte Tissander.

Und einer der Beamten trat vor, erklärte:

„Ich bin der hiesige Kommissar … Sie beide sind hiermit verhaftet!“

Harald lachte …

„Weswegen, wenn ich fragen darf? – Ich bin der deutsche Detektiv Harald Harst …“

Der Portugiese grinste …

„Harald Harst stiehlt keine Edelsteine …“

Und er trat näher, faßte Harald in die linke Jackentasche …

Zog einen kleinen Lederbeutel hervor …

Noch sechs Beamte erschienen … Man packte uns …

Gleich darauf saß ich allein in einer Zelle des Polizeigefängnisses …

Das letzte, was ich noch aus Haralds Mund gehört hatte, waren die drohenden Worte gewesen:

„Baron Tissander, Sie werden das Spiel trotz allem verlieren! Das Glück ist … eine Schaukel – bald oben, bald unten …“

Und so hockte ich nun mit diesen Gedanken an Tissanders Schaukel auf der Pritsche der dunklen Zelle …

 

 

Sträflinge Nr. 101 und 102.

 

1. Kapitel.

Sennor Torbido.

Es war nachher in allen Zeitungen zu lesen …

Nachher …

Als uns das nichts mehr nützte, als unsere Neider lediglich hohngrinsen konnten …

Ja – da stand’s zu lesen, daß durch ein bedauerliches Versehen des Gerichts in Goa Harst und Schraut zu drei Jahren Zwangsarbeit wegen schweren Raubes verurteilt worden seien … –

Bedauerliches Versehen?! – Nein, durch eine unglaubliche niederträchtige Intrige, durch ein satanisch-schlaues Possenspiel des Barons Tissander …! –

Wie die Dinge für uns standen, merkte ich schon am nächsten Morgen beim ersten Verhör.

Der Herr Kommissar Atwarry war an sich kein übler Mensch. Nein – nur außerordentlich kurzsichtig war er.

Ich wurde von ihm allein verhört. Harst war nicht dabei. Nur noch ein Schreiber.

Als ich ihm erklärte, ich hieße Max Schraut – und so weiter, da legte er mir die Brieftasche vor, die man mir in der Nacht bei meiner Verhaftung abgenommen und die nur der alte Schuft Tawu mir in die Tasche gesteckt haben konnte.

Und in diesem schmierigen Portefeuille befanden sich Papiere auf den Namen eines deutschen Kellners Martin Schmieder, der zuletzt in Bombay wegen Hoteldiebstahls ein Jahr abgebrummt hatte.

„Sie sind Schmieder … Leugnen Sie doch nicht länger und unterlassen Sie die Frechheit, sich für Schraut auszugeben,“ schnauzte mich der Kommissar an.

Als ich ihm vorhielt, daß er doch aus dem einsamen Gehöft unsere Taschen holen lassen möchte, in denen unsere Ausweise nebst Photographie lägen, lachte er höhnisch …

„Denselben Unsinn hat schon Ihr Genosse Horstmann geredet, der hier den Harst spielen möchte …! Nun – ich habe hingeschickt. Keine Spur von Koffern dort – nichts! Sie schwindeln eben …“

Und als ich etwas kleinlaut meinte, daß wir doch wohl kaum hier zur Polizei gekommen wären, wenn wir Gauner seien, schlug er mit der Faust auf den Tisch …

„Gekommen – gekommen?! Die Leute des Barons haben Sie beide in dem Karren zur Wache gebracht! Gebracht!! Ich habe die Leute schon vernommen …!“

Ich war platt … Diese Gemeinheit war ja geradezu zum Wildwerden!

Und doch bezwang ich mich …

„Sennor, was wirft man uns eigentlich vor?“ fragte ich bescheiden wie ein Lämmchen.

Und er las aus seinem Aktenstück vor:

„Baron Leo Tissander gibt zu Protokoll:

In der Nacht vom 15. zum 16. Juni 1924 faßten meine Parkwächter zwei Einbrecher ab, die in mein Schloß eingedrungen waren, nachdem sie einen der Wächter niedergeschlagen hatten. In meinem Arbeitszimmer war ein Schränkchen gewaltsam geöffnet und ein Beutelchen mit ungeschliffenen Edelsteinen gestohlen worden. Es ist dies derselbe Beutel, der später in der Tasche des pp. Horstmann gefunden wurde …“

Ich hörte gar nicht mehr hin …

Eine Wut hatte mich gepackt, die hier sehr unangebracht war …

Ich erkannte nun die Zusammenhänge: Tissander war durch Tawu sehr schnell von unserer Flucht benachrichtigt worden, hatte geahnt, daß wir die Hilfe der Polizei anrufen würden, und dann seine Gegenschachzüge getan, die er bereits für alle Fälle vorbereitet hatte …!

In meiner grenzenlosen Empörung brüllte ich den Kommissar an:

„Sennor, Sie machen mit dem Baron gemeinsame Sache! Er hat Sie bestochen! Sie sind ein Lump!“

Das war eine ungeheure Dummheit von mir.

Der Portugiese hatte ein reines Gewissen … Ließ mich fesseln … Dunkelarrest bekam ich – bei Wasser und Brot, wie man zu sagen pflegt. –

Nun – acht Tage darauf die Gerichtsverhandlung …

Harald verteidigte uns …

Als er dabei blieb, Harst zu sein, lächelten die Richter.

Als er unsere Erlebnisse in der Ruine erzählte, unterbrach der Vorsitzende ihn:

„Den Unsinn haben Sie schon wiederholt geredet, Angeklagter … – Die Polizei hat die Ruine durchsucht … Es gibt dort weder ein Brett mit einem Draht und einer Klingel, noch ein Telephon, noch drei lose Dornenbüsche!“

„Weil der Baron das alles hat beseitigen lassen – genau wie er unsere Koffer verschwinden ließ …“

Man glaubte uns nicht.

Als Schmieder und Horstmann erhielten wir jeder drei Jahre Zwangsarbeit. Harsts Anträge, Zeugen aus Bombay zu laden, die uns erkennen würden, wurden abgelehnt.

Und schon den Tag darauf wurden wir nach den Kupferminen von Siltara nordöstlich von Goa geschafft, wo wir der Sträflingsabteilung Nummer drei unter den Nummern 101 und 102 eingereiht wurden … –

Siltara ist ein langgestrecktes Gebirgstal. In der Mitte stehen drei Sträflingsbaracken, ein Verwaltungsgebäude und die Kaserne für die Polizeitruppe von vierzig Mann.

Unsere Baracke Nr. 1 hatte Platz für 150 Sträflinge. Wir waren dort jedoch nur im ganzen 102 Mann: Farbige zumeist, außer uns nur noch ein Europäer. – Die anderen beiden Baracken waren noch weniger belegt. Alles in allem arbeiteten damals 288 Sträflinge in den Kupferminen. –

Ich hatte mich sehr rasch in mein Schicksal gefunden, da Harald mir während des Transports nach Siltara zugeflüstert hatte: „Ruhe …! Wir kneifen aus!“

Nun – er hatte sich die Flucht denn doch etwas zu leicht vorgestellt. Die Bewachung war sehr streng. Die Baracken waren von Stacheldrahtzäunen umgeben, und unten in den Schächten und Stollen des Bergwerks bot sich erst recht keine Gelegenheit zum Fliehen.

Ein Glück war’s, daß man uns am zweiten Tage derselben Arbeitskolonne zuteilte und daß wir daher auch nebeneinander unsere Schlafpritschen in der Baracke hatten.

Gleich abends, als wir eine Weile unbeobachtet waren, konnten wir endlich eingehender miteinander sprechen. Mir war ja bereits Haralds geradezu vergnügter Gesichtsausdruck aufgefallen, und wenn auch ich damit rechnete, daß wir ja über kurz oder lang entweder freigelassen werden müßten oder aber entweichen würden, so hatte meine Stimmung doch mit stillem Behagen oder dergleichen verdammt wenig tun.

Wir Sträflinge Nr. 101 und 102 saßen also in unseren grau und schwarz gestreiften Anzügen, die vorn auf der Brust und auf dem Rücken in unverwaschbarer Farbe unsere Nummern trugen, auf Haralds Pritsche.

Zunächst tauschten wir einen festen Händedruck …

„Mach ein ander Gesicht, mein Alter!“ sagte Harald tröstend. „Unsere Tage hier sind gezählt, und auch Tissanders Uhr läuft langsam ab …“

Ich glaubte, Harald wollte mir nur Mut zusprechen.

„Hoffst Du denn wirklich, fliehen zu können?“ fragte ich unsicher. „Oder – hoffst Du auf unseren John Trolby, der doch fraglos nach unserem Verbleib forschen wird?“

„Trolby hat schon einem Wink erhalten, hübsch geduldig in Bombay zu bleiben,“ erwiderte er und lächelte stärker.

Daß diese Antwort bei mir ein starkes Kopfschütteln hervorrief, war wohl weiter kein Wunder.

„Trolby – hat einen Wink erhalten?!“ meinte ich sehr gedehnt. „Von wem denn?“

„Von dem Oberrichter Sennor Torbido, dem Vorsitzenden bei der gegen uns stattgehabten Verhandlung …“

Ich war sprachlos …

„Entschuldige, das verstehe ich nicht,“ platzte ich nach einer Weile heraus.

Er nickte …

„Kann ich begreifen, mein Alter … Sennor Torbido ist nämlich auf meine Vorschläge eingegangen …“

Da – dämmerte es bei mir …

„Herr Gott – er hat also …“

„Ja – er hat eingesehen, daß wir Harst und Schraut sind … Nach der Urteilsfällung kam er zu mir in die Zelle. Ihm waren so allerlei Zweifel aufgestiegen. Und bei dieser Unterredung unter vier Augen bewies ich ihm, daß ich wohl kaum Kellner von Beruf und internationaler Gauner sein könnte …“

„Wodurch?“

„Diesen Beweis hätte ich schon früher erbringen können. Ich wollte Tissander jedoch in Sicherheit wiegen. Und der Beweis waren meine juristischen Kenntnisse, meine Vertrautheit mit dem alten römischen Recht und mit anderen Dingen, die nur der beherrscht, der wie ich Jura studiert hat und Assessor gewesen ist. – Sennor Torbido war geradezu bestürzt, als ich ihm so nachwies, daß – wir Kollegen seien, Juristen. Und dann riet ich ihm, doch einmal die englische Zeitschrift „London Magazine“ vom Januar des Jahres durchzublättern. Dort würde er eine Reihe Bilder von uns finden, die zu einem Artikel „Die Verkleidungskunst des modernen Detektivs“ gehörten. – Jedenfalls: Torbido kam am Abend wieder. Ich hatte ihn gebeten, über den Inhalt unserer Unterredung zu schweigen. Und nun erschien er ganz bestürzt mit der betreffenden Nummer des „Magazine“ und drückte mir unter tausend Entschuldigungen die Hand. Ich erklärte, er solle sich dieses richterlichen Fehlspruches wegen nicht weiter beunruhigen. Er sollte auch nicht etwa an der Sache etwas ändern, denn sonst würde Baron Tissander uns fraglos entschlüpfen, eben rechtzeitig gewarnt werden. – Mit einem Wort: Wir beide werden von übermorgen, so habe ich’s mit Torbido verabredet, als Schreiber in das Verwaltungsgebäude kommandiert werden und dort auch schlafen …“

„Und – fliehen!“

„Nein, mein Alter … Damit hat es noch Zeit … Sennor Torbido erwartet uns übermorgen abend halb zwölf mit einem Auto am Südausgang des Tales. In einer Stunde sind wir in der Nähe von Tissanders Schloß und können anderthalb Stunden für unsere Nachforschungen verwenden. Dann bringt der Oberrichter uns wieder zurück.“

„Hm – etwas umständlich …“ warf ich ein.

„Allerdings. In diesem Falle aber das einzig Richtige. Tissander soll ahnungslos bleiben. Würden wir tatsächlich fliehen, so könnte das nie geheim gehalten werden.“

„Und – weiß der Oberrichter etwas von dem Tagebuch und – der Schaukel?“

„Nichts Genaues. Er läßt mir aber völlig freie Hand in allem. Mir scheint, daß er seinerseits gern erfahren möchte, wer die blonde Europäerin ist, von der niemand in Goa bisher etwas gesehen hat. Und Tissanders Leute schweigen eben, leugnen, lügen, leisten kaltblütig Meineide.“

„Merkwürdig! Wie kann Tissander diese Frau so vollständig verbergen?! Was hält denn Sennor Torbido von diesem Weibe?“

„Ja – mir schien’s, als wollte er da nicht so recht mit der Sprache herausrücken!“

„Also noch ein Geheimnis …“

„Ein übles Wort: Geheimnis! Klingt so sehr nach Schauergeschichte … Immerhin …“

„Immerhin ist es eins! – Und nun könntest Du mir wohl auch sagen, was Du von der – Schaukel weißt und inwiefern …“

„Stopp, mein Alter … Die Schaukel ist auch mir noch – unklar. Meine Gedanken darüber berühren technische Dinge und sind so phantastisch, daß ich sie lieber für mich behalte …“ –

Da die Freizeit der Sträflinge jetzt vorüber, kamen auch unsere Barackengenossen nun wieder hereingeströmt: Chinesen, Inder, Malaien, Neger – wahrhaftig ein buntes Gelichter und alles Kerle, die eigentlich an den Galgen gehörten …

Immerhin: eine ganz interessante Gesellschaft!

 

2. Kapitel.

Der Chinese Tuan Leng.

Ich lag nun auf meiner harten Pritsche und überlegte mir das, was Harald mir da soeben mitgeteilt hatte, nach allen Seiten hin.

Die ganze Art, wie mein Freund jetzt dem Baron Tissander an den Kragen wollte, gefiel mir nicht sonderlich. Besonders erschien es mir denn doch außerordentlich fraglich, ob wir wirklich unbemerkt aus dem Tale hinausgelangen würden, da, wie schon erwähnt, die Bewachung außerordentlich scharf war. Die Talränder oben waren ebenfalls mit doppelten Stacheldrahtzäunen umgeben und kaum zu überklettern.

Eine Stunde mochte ich so, gequält von allerlei Zweifeln, mit offenen Augen auf dem harten Lager gelegen haben (das Einschlafen war bei dieser Hitze und der schlechten Luft ohnedies ein Kunststück), als ich bei dem trüben Licht der auch nachts hier brennenden Lämpchen einen Menschen gewahrte, der auf allen vieren den Gang zwischen den Pritschen entlanggekrochen kam.

Es war ein Chinese, ein alter Kerl, der wegen Straßenraubes auch erst kürzlich zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt worden war. Der Mensch hatte sich schon gestern wiederholt an mich herangedrängt und mir etwas zuzuflüstern versucht.

Jetzt nun lag er dicht vor meiner Pritsche, schob sich ebenso lautlos unter das Holzbett, so daß nur sein Kopf noch hervorragte, und raunte mir in dem Hafen-Kauderwelsch der Goanesen, das man halb erraten mußte, zu:

„Weiße Mister auf Tuan Leng hören … Weiße Mister fliehen können … Tuan Leng in Bergwerk Stelle wissen, wo leicht zu verschwinden …“

Ich horchte auf. Die Sache war interessant. Weshalb wollte der Gelbe gerade mir sein Geheimnis preisgeben?!

Ich legte mich mehr zur Seite, um Tuan Leng besser verstehen zu können …

„Eine Mann allein nicht dort fliehen können, Nr. 102. Müssen mehrere sein … Müssen Stricke haben …“

Da in der Baracke auch vier Aufseher schliefen, konnte er nur ganz leise flüstern. Mein Gesicht war nun dicht über der faltigen Halunkenvisage des Chinesen.

„Tuan Leng auch haben gute Freund in Goa, Nr. 102. Wenn erst in Goa, wir sicher sein … Reiche Mister mein Freund dort mit große Schloß …“

Donnerwetter – ob er etwa den Baron meinte?!

Ich begann nun meinerseits zu fragen. Und ich merkte, daß Harald, dessen Pritsche von der meinen nur durch den Gang getrennt war, gleichfalls die Augen offen hatte und uns beobachtete.

Der Chinese erklärte, er wolle gerade mit uns, mit Nr. 101 und 102, gemeinsame Sache machen, weil er den anderen nicht traue …

„Alles schlechte Kerle …“ flüsterte er. „Weiße Mister ehrlicher und Tuan nicht verraten werden …“

Ich versprach ihm, mit Nr. 101 alles Nähere zu verabreden. So sehr eilig sei’s mit der Flucht wohl nicht …

Und er kroch befriedigt wieder zu seinem Lager zurück. –

Am nächsten Abend saßen Harst und ich vor der Baracke. Ich erstattete Bericht und betonte, daß Tuan Leng ohne Zweifel zu Tissander Beziehungen unterhalte, die doch bestimmt höchst anrüchiger Natur sein müßten.

Harst gab mir recht. Er war sehr nachdenklich und wortkarg.

Gleich darauf kam ein Aufseher und rief uns in das Verwaltungsgebäude, wo der Direktor der Strafkolonie uns eröffnete, wir sollten fortan als Schreiber beschäftigt werden …

So wurde uns denn im Keller dieses Hauses ein kleiner Raum als neue Schlafstelle angewiesen. Das einzige Fenster war stark vergittert und die Tür bestand aus Eisenplatten. Zur Nacht wurden vor das Fenster auch noch von außen eiserne Laden vorgelegt.

Trotzdem war diese Zelle im Vergleich zu der Baracke ein Paradies. Wir waren allein, und hier im Keller war’s auch angenehm kühl.

Um neun Uhr wurden wir eingeschlossen und die Laden vorgelegt. Die Lampe beließ man uns – auch eine Bevorzugung, die wir Sennor Torbido zu danken hatten.

Wir saßen an dem kleinen Tische auf den Holzschemeln und sprachen leise über den nächsten Abend.

„Wie gedenkst Du hier herauszukommen?“ fragte ich etwas zögernd, da ich mir ja selbst sagen mußte, daß der Direktor der Strafkolonie mit eingeweiht sei und daß er schon Vorkehrungen getroffen haben würde, die uns ein Entschlüpfen ermöglichten.

Harald lächelte und zeigte auf die Steinplatten des Fußbodens …

„Die Keller haben zwei Stockwerke. Unter uns liegt ein Vorratsraum …: Sennor Torbido ist ein Freund des Direktors Sebastiano …“

„Der Zugang nach unten ist also schon fertig?“

Er deutete nach oben. Und nun erst gewahrte ich in der gefärbten Decke die Umrisse einer Falltür …

„Die Öffnungen für einen Lastenaufzug, mein Alter. Wir haben es sehr bequem …“

Er nahm die Lampe und beleuchtete die Steinplatten unter dem Tischchen. Vier davon waren in einen Eisenrahmen gefaßt. In der Mitte war ein starker eiserner Ring.

Dann kamen wir wieder auf Tuan Leng zu sprechen.

„Der alte Chinese kann uns nützlich sein,“ meinte Harald. „Wer weiß, was er alles über Tissander aussagen könnte … Eine rätselhafte Persönlichkeit, dieser Baron!“

„Inwiefern?“

„Er lebt ganz für sich, pflegt keinerlei Verkehr. Und jedes Jahr verreist er für mehrere Monate …“

„Er war doch hier in Goa Kolonialbeamter?! Hat er denn alle Beziehungen zu den früheren Kollegen abgebrochen?“

„Diese Kollegen sind längst tot oder nicht mehr hier. Er ist jetzt sechzig Jahre alt. Vor acht Jahren nahm er seinen Abschied.“

Ich schaute Harald prüfend an …

„Du hegst irgendeinen Verdacht? Ich merke es Dir an.“

„Oh – Tissander ist geradezu eine Sammlung von Verdachtsgründen … Fraglos ein ganz gefährlicher Mensch. Sein Reichtum macht ihn unangreifbar. Sein einziger Verkehr ist der neue Gouverneur von Goa, Graf Rapsoldi.“

„Also ist er doch nicht so völlig menschenscheu …“

„Er gilt als unendlich stolz …“

Harald gähnte. „Gehen wir schlafen. Morgen nacht werden wir wohl kaum die Augen zutun …“ –

Wir ahnten nicht, daß alles ganz anders kommen sollte.

Als wir mittags oben im Bureau Schreibarbeiten erledigten, erschien plötzlich ein Aufseher und befahl uns in das Zimmer des Direktors. Wir hatten inzwischen von den „Kollegen“ schon gehört, daß ein Auto des Gouverneurs mit mehreren Herren eingetroffen sei. Uns beiden schwante Böses …

Und es stimmte. Direktor Sebastiano war plötzlich nach der anderen Strafkolonie Merwara versetzt worden, und sein Nachfolger, dem wir nun gegenüberstanden, eröffnete uns, daß er den Befehl seines Vorgängers widerrufe …

„Ihr seid mir als ganz geriebene Kerle – empfohlen worden, Nr. 101 und 102 … Ihr tretet sofort wieder in die Arbeitskolonne zurück …“

Er sagte das mit einem kaum merklichen Grinsen. Er war noch ein recht junger Mann, offenbar also ein Günstling des Gouverneurs …

Wir waren mit ihm allein in dem großen Zimmer. Den Aufseher hatte er hinausgeschickt.

Harald stand ohne eine Miene zu verziehen da …

Draußen fuhr soeben das Regierungsauto davon. Sebastiano saß mit darin, schaute noch in das Zimmer hinein, verzog ein wenig das Gesicht.

Wir sahen’s … Der neue Direktor drehte sich zu spät um … Der Kraftwagen rollte schon davon.

Und gleich darauf brachte uns der Aufseher denn auch zur Arbeit in das Bergwerk hinab … –

Ich könnte hier über diesen ganz modernen Bergwerksbetrieb mancherlei berichten, was dem Leser vielleicht ganz interessant wäre. Ich muß darauf verzichten. Allzu viel habe ich noch zu erzählen, – Dinge, die weit merkwürdiger sind als eine indische Kupfermine.

Unsere „Kollegen“, die uns um die Bevorzugung natürlich in schäbigster Art beneidet hatten, empfingen uns mit höhnischen Redensarten. Wir warfen die Jacken ab und griffen zu den Spitzhauen. Harald wußte es so einzurichten, daß wir mit Tuan Leng zusammen eine neue Ader abbauten.

Der alte Chinese war hier der einzige, der sich aus anderen Gründen über unser Wiedererscheinen aufrichtig freute.

Als der Aufseher sich zu einer anderen Arbeitsgruppe entfernte, begann Harst mit dem Chinesen zu flüstern. Eine Stunde darauf war Mittagspause.

Die Holztische zum Essen waren in einem breiten Stollen aufgestellt. An den Wänden befanden sich Verschläge für Geräte. Wie Harald es nachher fertigbrachte, aus einem der Verschläge ein zehn Meter langes dünnes Tau zu stehlen und sich um den Leib zu wickeln, so daß es niemand sehen konnte, ist mir noch heute ein Rätsel.

Um acht Uhr abends begann die Ausfahrt aus dem Bergwerk. Die Aufseher sollten ja vorschriftsgemäß ihre Kolonnen zählen, sobald diese die Förderkörbe bestiegen. Sie taten es jedoch nie. Das wußten wir.

Und so hatten wir beide und Tuan Leng denn beim Marsch nach dem Förderschacht uns als letzte der Kolonne angereiht und uns plötzlich in abgebauten Stollen verkrümelt.

Unsere Grubenlampen leuchteten uns. Der Chinese machte den Führer. Wir liefen im schnellen Trab dahin. Tuan hatte hier vor zwei Wochen beim Absteifen des Gesteins helfen müssen und dabei jene Entdeckung gemacht, die uns nun die Freiheit verschaffen sollte …

 

3. Kapitel.

Gehetztes Wild.

Immer schneller eilte der Chinese dahin. Wir kamen in einen neuen Stollen, wieder in einen alten. Hier war das Gestein mit Balken abgestützt. Hier zeigte Tuan jetzt auf eine breite Spalte in der Wand, die sich schräg nach oben zog. Dort oben war sie mit Geröll gefüllt.

„Klettere hinein, Nummer 101,“ sagte er keuchend zu Harald. „Man fühlt die Luft oben … Sie pfeift durch die Löcher des Gerölls … Geröll muß werden weggeräumt!“

Harald arbeitete sich schon empor … Beleuchtete die Felsstücke …

Ich mußte ihm seine Spitzhacke reichen. In wenigen Minuten hatte er das Geröll gelockert. Es stürzte polternd herab.

Und der Chinese flüsterte atemlos:

„Tuan hat Stein durch Loch geworfen … Hinter Spalte Abgrund … Tau wir gut brauchen …“

Harald rief uns zu:

„Es stimmt – hier geht’s in eine natürliche Höhle hinab …“

Ich sah, wie er das Tau unter seiner Jacke loswickelte.

Und im selben Moment neben mir Tuan – zähneklappernd vor Angst:

„Nummer 102, – – sie kommen … Sie rufen – die Aufseher …“

Auch ich hörte jetzt fernes Brüllen … Unser Fehlen war also doch bemerkt worden.

Im Nu war ich in der Spalte.

„Harald – – Verfolger …!“

Er zog mich empor … Und der Chinese wieder wurde von mir mit einem Ruck nach oben befördert …

Harst hatte seine Grubenlampe an das Tau gebunden.

„Löscht Eure Lampen!“ befahl er leise.

Wir drei hockten auf einem Felsgrat dicht nebeneinander. Hinter uns die Spalte, vor uns ein unbekannter Abgrund.

Und die Rufe im Stollen kamen näher und näher …

Harald ließ das Tau mit der Lampe langsam hinab.

Der Abgrund war die Steilwand der Höhle … Zum Glück höchstens zwölf Meter tief …

„Tuan als erster,“ flüsterte Harst.

Der Chinese packte das Tau, rutschte hinab. Harald hielt es.

Dann kam ich an die Reihe.

Unter uns im Stollen liefen die Aufseher hin und her. Verschwanden wieder …

Als letzter folgte Harald uns. Er hatte das Tau oben festgeknotet.

Nun waren wir vorläufig in Sicherheit – vorläufig!

Auch Tuans und meine Lampe wurden wieder angezündet …

Die zerklüftete Höhle war nur klein. Harst feuchtete den Zeigefinger mit Speichel an und prüfte so, nach welcher Richtung der Luftzug die Höhle durchstrich.

Er eilte voran …

Wir erkletterten eine terrassenförmige Wand …

Und gerade als wir oben einen breiten, aber sehr niedrigen Gang gefunden hatten, knallte ein Schuß …

Wir waren entdeckt … Ein Aufseher hatte seinen Revolver nach uns abgefeuert. Er saß oben auf dem Felsgrat. Ein zweiter rutschte schon am Tau abwärts.

Wir krochen in den Gang hinein. Es ging steil aufwärts. Stellenweise mußten wir uns hindurchzwängen.

Dann eine neue Höhle …

Aber – zu unseren Füßen jetzt wieder eine Steilwand. Mindestens zehn Meter … Und keine Möglichkeit, hier hinabzugelangen …

Tuan biß sich vor Aufregung die Fingernägel ab …

Stöhnte, jammerte …

Harst meinte kaltblütig: „Wir müssen den Gang durch Steine an einer engen Stelle versperren …“

Kehrt also … Steine, Geröll war genug vorhanden.

Wir – Tuan und ich – reichten Harst die Steine zu. Er lag lang auf dem Bauche … Er hämmerte die Steine fest …

Und kaum war die Barrikade leidlich dicht, als drüben schon einer der Aufseher brüllte:

„Ergebt Euch …!!“

Harst arbeitete weiter.

Diese Steinkeile zu entfernen, mußte stundenlang dauern …

Dann wieder vorwärts – zu der Steilwand.

Wir zerrissen unsere Leinenjacken. Das gab einen Strick von fünf Meter. Die letzte Strecke sprangen wir …

Abermals prüfte Harald den Luftzug. Abermals kletterten wir … Und jetzt in diesem neuen breiten Gang wehte schon andere Luft …

Wir – rochen die Freiheit!

Wir rannten, kletterten, sprangen …

Und dann mit einem Male über uns der im Abendrot flammende Himmel …

Ein Tal – ein Wald …

Wir waren so erschöpft, daß wir taumelnd die ersten Büsche erreichten …

Keuchend, japsend lagen wir nebeneinander im Grase.

Tuan Leng zitterte. Seine alten Knochen hatten diese Hetzjagd kaum ausgehalten.

Harald löschte unsere Grubenlampen aus …

„Allzu lange dürfen wir hier nicht bleiben,“ meinte er. „Das Militär ist fraglos alarmiert worden … Man wird Patrouillen ausgeschickt haben. Wir befinden uns hier im nächsten Quertale – nach Norden zu …“

Unsere Lungen beruhigten sich …

Tuan kaute vor Durst Blätter …

„Weiter!“ befahl Harald …

Und im selben Moment von rechts oben ein Schuß …

An der Talwand zwei Soldaten …

Wieder ein Schuß …

Alarm …

Und wir drei rannten in den Wald hinein …

Erst blindlings … Dann blieb Harst stehen … am Fuße eines ungeheuren Taku-Baumes, von dessen Ästen ganze Bündel von Schlinggewächsen herabhingen …

„Tuan – hinauf!“

Der Chinese verstand …

Er packte die Ranken, arbeitete sich aufwärts …

Ich hinterdrein …

Harald aber stellte eine deutliche Fährte her – bis zu einem Dickicht … Folgte uns dann erst, nachdem er die alte Fährte mit abgerissenen Blättern verdeckt hatte …

Der Taku-Baum überragte alle anderen Wipfel. Seine Seitenäste drängten sich in die der Nachbarstämme hinein.

Wir kletterten so von Baum zu Baum … stets über dem Erdboden. Zum Glück wurde es sehr bald dunkel. Dann hörten wir auch schon das Rufen der Verfolger, sahen Fackeln aufleuchten, hörten auch Hundegebell …

Harst war stets voran. Harst suchte für uns den gangbarsten Weg durch die Baumkronen …

Es wurde wieder still …

Die Verfolger hatten sich täuschen lassen. Der Wald zog sich die Ostwand des Tales hinan. Wir wagten uns wieder auf den Boden, gelangten in das nächste Tal …

Wir glaubten uns schon geborgen, schlichen jetzt nach Westen zu, um in die Ebene, in die bebauten Felder entschlüpfen zu können …

Zu früh gefreut …!!

Lichtschein hinter uns – Fackeln, das wütende Aufheulen der Rüden …

Sie waren auf unserer Spur … Wir schienen verloren. Kein Baum – nur Büsche …

Wir jagten weiter.

Tuan taumelte …

Harst nahm ihn in die Arme …

Abwärts ging’s …

Ein Licht leuchtete dort in der Tiefe – ein Bauerngehöft … Rechts davon eine Umzäunung … Tiere bewegten sich dort … Maultiere, zwei Dromedare, ein Pferd …

Und links ein Gewässer, ein Bach, von Gestrüpp umrahmt …

Wir hinein in das Wasser …

Weiter – weiter …

Hier würden die Hunde unsere Spur verlieren … Hier wateten wir fünf Minuten vorwärts …

Ein breiterer Wasserlauf … Es war die Dschamada, der Nebenfluß des Mandawi …

Ein plumper Kahn lag am Ufer … Zwei Stoßstangen darin …

Harst legte Tuan auf den Boden des Bootes … Wir nahmen die Stangen …

Und zwei Stunden später sahen wir in der Ferne die Hafenlichter von Goa … Lenkten in einen Bewässerungskanal ein, fanden inmitten von Reisfeldern eine verlassene Steinhütte …

Wir drei Sträflinge waren nun wirklich geborgen.

 

4. Kapitel.

In der Mine Tissanders.

Gegen ein Uhr morgens war es jetzt. Wenigstens berechnete Harald diese Stunde aus dem Stand des Mondes. Denn – Uhren?! Nein, die hatten wir in unseren Koffern gelassen, als wir vor vier Tagen das einsame verfallene Gehöft als Kulis verließen. Und unsere Koffer?! Nur der Baron Leo Tissander wußte, wo die geblieben!

Nichts hatten wir in den Taschen unserer Sträflingsbeinkleider …

Nichts hatten wir auf dem Oberkörper als unsere Sträflingshemden …

Im Dunkeln lagen wir in der elenden Steinhütte und ruhten aus. Tuan Leng war körperlich erledigt.

„Ich tot sein … Tuan nicht mehr leben!“ stöhnte er immer wieder.

Der arme Kerl konnte einem wirklich leid tun.

Als Harst dann aber nach einer halben Stunde erklärte, wir beide wollten nun sofort wieder aufbrechen, um in Goa etwas Wichtiges zu besorgen, da schnellte der Chinese förmlich hoch …

„Tuan mitkommen … Tuan auch etwas besorgen. Freund besuchen … in sein Schloß …“

„Heißt Dein Freund vielleicht Baron Tissander?“ fragte Harald lachend …

Wir standen im Eingang der Hütte. Der Mond beschien Tuans gelbe Gaunervisage.

Und – dieser Tuan fuhr leicht zurück …

„Woher wissen Nummer 101 von Tissander?“ rief er kopfschlackernd. „Gar nichts wissen …! Tissander meine Freund sein … Oh – wenn Tuan reden wollten … Könnten viel erzählen …“

Harald nickte. „Glaube ich gern, lieber Tuan … Der Tissander hat eben eine reichbewegte Vergangenheit …“

Der alte Verbrecher grinste …

„Nummer 101 alles wissen … Schon stimmen so … Aber Tuan nichts verraten … Tuan holen werden von seine Freund Geld und Kleider … Oh – Freund uns drei verbergen werden …“

Er ahnte ja noch immer nicht, wer wir in Wirklichkeit waren. Für ihn blieben wir seinesgleichen, die Sträflinge Nummer 101 und 102 …

„Nun gut – dann komm mit,“ erklärte Harald nach kurzem Überlegen. „Aber ich warne Dich: Sage Tissander nichts davon, daß Du mit zwei Europäern entflohen bist. Sage, es sind Inder … Verspricht es mir …“

„Oh – ganz wie Nr. 101 wollen,“ versicherte Tuan.

Wir stiegen in das Boot … Wir waren in dem Nachen am sichersten. Außerdem würden die Verfolger auch kaum annehmen, daß wir uns gerade hier nach Goa gewandt hätten.

Es mochte zwei Uhr morgens sein, als wir über die Schloßparkmauer kletterten. Tuan riet uns, hier oben auf der Mauer zu warten. Er würde sehr bald zurück sein. – Irgendeine Verräterei von seiner Seite war nicht zu fürchten.

„Geh nur … Wir warten,“ flüsterte Harald.

Und doch hatte er anderes im Sinn …

Wir blieben Tuan auf den Fersen …

Wir waren vorsichtiger denn je. Heute ging es für uns um Leben und Freiheit. Das wußten wir.

Und sehr bald hatte denn auch einer der Parkwächter Tuan gestellt …

Wir standen fünfzehn Schritt zurück im Gebüsch …

Tuan verlangte den Baron zu sprechen. Der Wächter wurde grob. Tuan drohte, daß der Wächter es sehr bedauern würde, ihn so übel behandelt zu haben …

Jedenfalls: es wurde eine recht lebhafte Szene. Der Hund des Wächters bellte in einemfort … Andere Parkwächter kamen hinzu, und wir mußten in den Wassergraben flüchten …

Der ganze Trupp zog dann mit dem Chinesen dem Schlosse zu.

Wir sahen, daß die unteren Fenster des Prachtbaus zum Teil erleuchtet waren. Das fiel uns auf. So mitten in der Nacht eine Reihe erhellter Fenster – das war merkwürdig.

Harald, in dem Graben neben mir kniend, flüsterte:

„Wir hätten Tuan doch nicht gehen lassen sollen … Wenn Tissander womöglich schon telephonisch von unserer Flucht benachrichtigt worden ist – die Strafkolonie hat ja Fernsprechverbindung mit Goa –, dann wird der Chinese bei seinem „Freunde“ einen schweren Stand haben …“

Und kaum hatte er diesen Satz beendet, da … tönte von dem wundervollen Marmorbau der harte Knall eines Schusses herüber …

Die Hunde heulten auf …

Männerstimmen brüllten …

Und über den Rasenplatz sahen wir Tuan wie gehetzt davonstürmen – hinter ihm die Hunde – und eine schlanke Gestalt in hellem Anzug: Tissander selbst!

Fürwahr: dieser Baron machte trotz seiner sechzig Jahre Sprünge wie ein Schnelläufer …

Und dann – schoß er nochmals …

Und Tuan warf die Arme hoch …

Stürzte …

Und über ihm nun ein Knäuel von Hunden …

„Fort mit uns …!!“

Harst riß mich hoch …

Wir krochen rasch quer über die Allee – hinein in die Büsche …

Mein seitwärts irrender Blick umfing noch die Schaukel.

Und – die Schaukel war wieder besetzt … drei Inder schwebten hin und her … –

Wir liefen …

Kletterten über die Mauer … Rannten durch die Felder – abwärts zur Stadt … –

Harald fiel in Schritt …

„Stopp – – genug …!“

Ich konnte kaum mehr atmen … Ich hörte das Blut in meinen Ohren brausen … Mein Herz hämmerte …

„Sennor Torbido muß helfen,“ sagte Harald dann. Seine Augen waren überall. Er fürchtete heimliche Verfolger wie damals, als wir zum ersten Male in Tissanders Park gewesen.

Wir schlichen weiter, dem kleinen idyllischen Europäerviertel Neu-Goas zu …

Der Morgen zog schon herauf.

Und wieder sagte Harst: „Torbido hat mir für alle Fälle die Rückseite seines Gartens beschrieben. Eine Kiesgrube soll sich an das Grundstück anschließen …“

Wir fanden uns wirklich zurecht. Es war die höchste Zeit. Es wurde immer heller …

Und als wir den Garten betraten, löste sich aus den Büschen eine hohe Gestalt: der Oberrichter Torbido!

Er winkte … „Ich habe Sie erwartet. Ihre Flucht ist längst gemeldet …“

Er war erregt und gereizt. „Tissander hat seine Spione überall … Der Gouverneur steht ganz unter seinem Einfluß, ist blind …“

Und er führte uns in das Stallgebäude … Er hatte für alles gesorgt, obwohl er selbst Gefahr lief, unseretwegen Unannehmlichkeiten zu haben.

Harst drückte ihm die Hand. „Es wird Ihr Schade nicht sein, Sennor Torbido … Tissander soll noch heute gestürzt werden … Der Gouverneur wird staunen. Fragen Sie nichts …“

Da lagen hier im Stall zwei Kulianzüge, Perücken, Bärte, braune Beize für die Haut …

Nicht zehn Minuten dauerte es, und wir waren so vollkommen verändert, daß wir uns getrost überallhin wagen konnten.

„Wir brauchen noch zwei elektrische Taschenlampen, Ersatzbatterien und zwei Revolver oder Repetierpistolen,“ meinte Harald.

Der Oberrichter hob den Deckel einer anderen Kiste.

„Bitte …“

Selbst starke Taschenmesser hatte er besorgt. –

Wir verabschiedeten uns. Und im Abstand von hundert Schritt wanderten wir nun einzeln wieder den Bergen zu. Die Straßen waren belebt. In den Feldern benutzten die Leute die Morgenkühle zur Arbeit. Niemand achtete auf uns. Gestalten wie wir waren hier keine Seltenheit: Kulis ohne Arbeit – halbe Vagabunden …

Harald bog dann nach rechts ab – in die Berge hinein. – Die Sonne ging auf … Hinter uns leuchtete das Meer. Vom Hafen her das Heulen von Dampfersirenen …

Ich wußte nicht recht, was Harst vorhatte … Ich ahnte nur: es handelte sich um die Schaukel des Barons!

Die Felder hörten auf … Die Vorberge begannen. Und dort in einem Tale eine kleine Kapelle, uralt, ein Kreuz auf dem Dache …

Harald verschwand hinter dem verwitterten Gebäude, wartete auf mich. Ringsum Stille, Einsamkeit. Kein Mensch zu sehen – kein Gehöft … Nur nach Osten zu, wohl vierhundert Meter entfernt, der Park Tissanders …

Harst sagte: „Dies ist die Kapelle des heiligen Franz Xaver. Sie stammt noch aus dem Jahre 1721, als die Jesuiten hier in Goa die erste Buchdruckerei einrichteten. Und dies ist dieselbe Kapelle, die auf dem Stein erwähnt war – also die in dem Tagebuch des alten Boeter genannt wird. Fünfhundert Meter von hier nach Osten zu hat Boeter „sein Geheimnis begraben“. Und wenn Du fünfhundert Meter in der angegebenen Richtung zurücklegst, mein Alter, befindest Du Dich in des Barons Schloßpark. Mithin …“

Ich schaute ihn an. Jetzt würde endlich wohl die Schaukel an die Reihe kommen.

„… Mithin kann es sich nur um – eine Höhle handeln – nur … Und in der Höhle um – Diamanten! Indien ist wie Brasilien und Südafrika von jeher das Land der Edelsteine gewesen. Und hier in Indien hat man früher Prachtexemplare von Diamanten aus brüchigem Gestein geschürft … – Suchen wir … Diese Höhle hat hier in der Nähe der Kapelle einen Eingang, behaupte ich … Suchen wir …“

Er kletterte die Talwand nach Osten zu empor. Wenn ein Harald Harst etwas sucht, tut er es mehr mit dem Verstand als mit den Augen.

Da war nun auf halber Höhe der Talwand eine breite Terrasse, gestrüppbewachsen, schwer zugänglich … Und hier blieb Harst vor einer bestimmten Stelle des schroff ansteigenden Felsens stehen. Hier deutete er auf ein roh eingemeißeltes

B,

einen einzigen Buchstaben. – Man sah, daß unter dem Buchstaben noch etwas eingemeißelt gewesen … Man hatte jedoch dieses Etwas wieder entfernt. Nur eine tiefe lange Rille war übriggeblieben.

„Es war ein … Pfeil,“ nickte Harald. „Und er zeigte abwärts – nach links …“

Langsam schritt er nach links …

Ein hoher Haufe von Steinen und Geröll lag hier – wie zufällig entstanden … Und doch merkte man, daß die Steine aufgeschichtet waren, wenn man nur genauer hinschaute.

Wir knieten … Das Gestrüpp deckte uns … Wir legten Stein für Stein beiseite …

Und unter dem Geröllhügel kam nun ein größerer Block zum Vorschein.

Wir packten zu … All unsere Kraft war nötig, um den Stein zu bewegen. Endlich hatten wir ihn herausgezogen. Ein breites Loch … Wir schlüpften hinein, zogen den Stein wieder vor die Öffnung, so gut es ging … –

Die Ghats, die Gebirgszüge der Westküste Vorderindiens, sind bekannt durch ihren Höhlenreichtum, durch ihre Höhlentempel …

Und hier hatten wir eine Grotte entdeckt, in der wir dicht hinter dem Eingang an glatter Stelle der Wand abermals einen Beweis fanden, daß Ethel Boeters Vater hier der erste gewesen, der diese unterirdische Welt betreten hatte.

Ein neues eingemeißeltes B, dahinter die Zahl 1899. –

Vorsichtig gingen wir vorwärts – nach Osten zu …

Und waren noch nicht fünf Minuten beim Lichte der halb verdeckten Taschenlampen gewandert, als wir hinter einer scharfen Biegung Geräusche hörten …

„Licht aus!“ flüsterte Harst …

Und noch behutsamer schlichen wir dahin …

Dann dicht vor uns Laternen, Gestalten …

Vier Inder bedienten Gesteinbohrer …

Und von oben her durch die Höhlendecke ragten eiserne runde Stangen herab – zwei Eisenstangen, die sich drehten, die eine Anordnung von Zahnrädern bewegten …

Und da – begriff ich …

Die Eisenstangen mußten in dem hohlen Gerüst der Schaukel entlanggeführt sein, wurden durch die obere Befestigungsstange der Schaukel und durch Zahnräder bewegt.

Kurz: die Schaukel war eine besondere Art Kraftmotor, und die Pendelbewegung der Schaukel wurde hier unten in eine rotierende umsetzt! –

Wir lagen hinter einem Schuttberg und beobachteten …

Tissander hatte hier, ohne durch Ankauf und Aufstellung größerer Maschinen Verdacht zu erregen, wohl seit Jahren das Gestein abgebaut …

Die Steinbohrer arbeiteten unausgesetzt: Das Gestein selbst war bröcklig. Keinerlei Lärm konnte nach oben dringen. Ohne viel Geräusch war hier eine kleine Diamantenmine im Betrieb.

Mit einem Male erschienen von der anderen Seite her vier weitere Inder mit Tragkörben. Schaufelten das losgewuchtete Geröll in die Körbe und verschwanden wieder.

„Kehrt!“ flüsterte Harald …

Wir traten den Rückweg an …

Wir bauten draußen auf der Terrasse den Höhleneingang wieder zu.

„Und jetzt – zum Gouverneur,“ sagte Harst. „Jetzt werde ich dem Grafen Rapsoldi etwas die Augen öffnen!“

Abermals begaben wir uns in vorsichtigem Abstand von hundert Schritt zur Stadt hinab.

Das neue Gouvernementshaus liegt unweit des Hafens auf einem Hügel. Von der breiten Freitreppe kann man den ganzen Hafen überblicken.

Und jetzt – entdeckte ich etwas, das den Dingen eine andere Wendung gab …

Da ankerte links am Bollwerk eine Jacht … Sie kam mir so merkwürdig bekannt vor …

Sollte es wirklich unsere Atlantis sein?! Sollte der alte brave John Trolby doch hierher gesegelt sein?!

Mit ein paar Schritten war ich neben Harald …

„Harald – die Atlantis!“

Er fuhr herum …

„Wir haben Glück …“ sagte er dann tief aufatmend … „Es ist unsere Jacht … – Hinab zum Hafen!“

Und doch – wir hatten kein Glück …

Nein: die Sträflinge 101 und 102 waren trotz ihrer Verkleidung erkannt worden! Der Kommissario Alvarez, der uns damals verhaftet hatte, mußte soeben das Gouvernementshaus verlassen haben … Wir standen mitten auf der Freitreppe, den Rücken nach dem Gebäude hin …

Wollten gerade wieder die Stufen hinab, als ein lauter Ruf hinter uns mich zurückschauen ließ …

Alvarez …!! Und die beiden Posten vor dem Eingang …

„Steht …! Ich lasse schießen!“ brüllte der Kommissario …

Harald begann zu laufen …

Und hinter uns jetzt zwei, drei Schüsse …

Harst stürmte in den nächsten Lagerschuppen am Hafenkai hinein …

Ich hinterher … – Arbeiter, Stauer, Kulis – eine gröhlende Rotte verfolgte uns …

Der lange Schuppen war an der anderen Seite ebenfalls offen …

Und doch schlüpften wir nur hinter einen Stapel Fässer, ließen die farbige Bande und Sennor Alvarez vorüber, schlichen wieder zur ersten Tür hinaus, sprangen in ein Boot …

Jetzt hatten wir Glück. Unbemerkt kamen wir zur Atlantis. Unter dem Sonnensegel auf Achterdeck saß John Trolby, rauchte … Und die Malaien brachten vorn ein paar Taue in Ordnung.

Trolby rief uns zu: „He, was wollt Ihr …?! Schert Euch zum Teufel. Ich brauche nichts …“ – Er hielt uns für Händler.

Harst packte die Reling …

„’n Morgen, alter Trolby!“

Und dem braven Gefährten rutschte vor Schreck die Pfeife aus dem Munde … –

Dann in der Kajüte große Begrüßungsszene … Atiru und Sikiri freuten sich wie die Kinder …

„Sind erst gestern abend hier eingetroffen,“ erklärte Trolby. „Wußte ja, daß Sie hierher uns ausgerückt seien, lieber Schraut …“ –

Unser dritter Koffer war hier an Bord der Atlantis.

Eine Stunde später begaben wir beide uns in tadellosen weißen Leinenanzügen abermals nach dem Gouvernementshaus – als Europäer, als Harst und Schraut …

 

5. Kapitel.

Die große Abrechnung.

Die beiden Posten vor dem Haupteingang ließen uns ohne weiteres durch. Vielleicht waren es dieselben Leute, die vorhin auf die beiden „Sträflinge“ geschossen hatten.

Unten in der Vorhalle empfing uns ein farbiger Portier – sehr höflich …

„Wir möchten Seine Exzellenz sprechen,“ erklärte Harald.

Der Portier schrieb unsere Namen auf einen Zettel und gab uns einen uniformierten Boy mit. Der kleine Kerl führte uns in den ersten Stock und in ein elegantes Wartezimmer. Mit dem Zettel in der Hand verschwand er durch eine Flügeltür.

Was würde nun geschehen?! Und was beabsichtigte Harst?! – Ich war doch ein wenig beunruhigt.

Harald selbst schaute zum Fenster hinaus, gähnte … wahrhaftig: er gähnte …!

Dann trat ein älterer Herr sehr hastig durch die Flügeltür ein.

Musterte uns …

„Verzeihung, Sennor Harst …?“

„Allerdings …“

„Exzellenz ist leider vorläufig besetzt, Sennor Harst …“

Er hatte den Zettel zwischen den Fingern.

„In welcher Angelegenheit, Sennor Harst?“ fragte er ebenso vertattert.

„Persönlich … Wer ist bei Exzellenz?“

„Baron Tissander!“

Harald winkte mir …

„Komm …!“

Und an dem völlig versteinerten Herrn vorüber ging er in den Vorraum – auf die Flügeltür zu – klopfte, öffnete.

Ich drückte die Tür hinter uns ins Schloß … Ich sah, daß die beiden Herren dort aus den Klubsesseln hochgeschnellt waren …

Der Gouverneur freilich mit einem ganz anderen Gesichtsausdruck als der vornehme graubärtige Tissander.

Und Seine Exzellenz rief denn auch empört:

„Sennores, was erlauben Sie sich?! Ich begreife nicht, wie …“

Harald fiel ihm ins Wort …

„Exzellenz verzeihen … Ein Blick auf den Baron sagt Ihnen so ziemlich alles …“

Tissander war in der Tat aschfahl geworden.

Der Gouverneur, ebenfalls ein älterer Mann von typisch südländischem Aussehen, schaute den Baron fragend und mit steigender Unsicherheit an.

„Was – gibt es eigentlich, Leon?!“ meinte er mißtrauisch. „Wer sind die Sennores?“

„Harst und Schraut, Exzellenz,“ erwiderte Harald jetzt prompt. „Oder auch – die Sträflinge 101 und 102 …“

Graf Rapsoldi biß sich auf die Lippen. Ihm schien jetzt eine sehr unangenehme Erkenntnis aufzugehen, zumal Harald ihm das Empfehlungsschreiben des Vizekönigs von Indien hinhielt, auf dem sich unsere gestempelten Lichtbilder befanden.

Tissander suchte zu retten, was noch zu retten war …

„Bitte – laß Dich durch diese beiden Schwindler nicht täuschen, Rapsoldi,“ rief er in recht hochfahrendem Tone. „Es sind in der Tat die flüchtigen Sträflinge, und –“

Harald trat mit zwei raschen Schritten dicht vor ihn hin.

„Sie – sind nicht Baron Tissander!“ sagte er eisig. „Sie sind – ein Betrüger, der hier nur seit Jahren diese Rolle spielt … Sie haben in der verflossenen Nacht den einzigen Mann, der Ihr Geheimnis kannte, kaltblütig erschossen – den Chinesen Tuan Leng!“

„Unerhört –! Unerhört!“ fuhr der Baron auf. „Rapsoldi, ich verlange, daß Du diese Schufte sofort –“

Da hatte Harald schon blitzschnell den Arm vorgestreckt. Hatte dem angeblichen Tissander die Perücke vom Kopfe gerissen …

Ein kurz geschorener blonder Schädel kam so zum Vorschein …

„Bitte, Exzellenz, – so sieht das natürliche Haar dieses Burschen aus! Der Bart ist grau gefärbt … Dieser Mensch ist höchstens dreißig Jahre alt …“

Und ebenso plötzlich hatte Harald einen Revolver in der Hand – drohte:

„Rühren Sie sich nicht! Ich warne Sie! – Ich habe im Verwaltungsgebäude der Sträflingsstation die Papiere Tuan Lengs durchgesehen … der Chinese hatte bereits fünf Jahre Zwangsarbeit in Bombay hinter sich. Und dort in Bombay werden Sie ihn kennengelernt haben …“

Tissander lachte schrill …

„Eine Unverschämtheit!“

Und doch mußte jeder merken, daß er um eine verlorene Sache kämpfte. Dicke Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, und sein verächtliches Lächeln war nur ein verzerrtes Grinsen …

Graf Rapsoldi stand mit ablehnend kalter Miene da.

„Sprechen Sie bitte weiter, Sennor Harst,“ sagte er höflich …

„Wo und wie dieser Schwindler und Mörder den Personenwechsel vorgenommen hat, weiß ich noch nicht, Exzellenz. Jedenfalls hat er hier eine Diamantenfundstelle unrechtmäßig und heimlich abgebaut. Diese Fundstelle wurde einst von dem früheren Kolonialbeamten Boeter entdeckt, der später nach England übersiedelte und seinem einzigen Kinde ein Tagebuch hinterließ, in dem er in einer Geheimschrift wahrscheinlich sein ganzes abenteuerliches Leben geschildert hat …“

Harst erwähnte nun all die Ereignisse auf Sokotra, erwähnte Ethel Boeters Tod und unsere Reise nach der Vulkaninsel Taletta, seine Entführung und die Vorgänge in der Tempelruine …

„Dieser Verbrecher, Exzellenz, wollte also das Tagebuch deshalb um jeden Preis an sich bringen, damit niemand jemals etwas von der Diamantenmine erfahren sollte. Ich bin Ethel Boeters Erbe … Ich –“

Abermals ein schrilles Lachen …

„Hören Sie auf!“ rief der angebliche Baron. „Hören Sie auf, Herr Harst … Ich gebe das Spiel verloren … Ich bin Baron Tissanders Kammerdiener Armand Bretteuil, den er in Paris vor vier Jahren engagierte. Kurz darauf verstarb der Baron in Trouville. Und ich hatte die Kühnheit, mich an seine Stelle zu setzen … Er starb eines natürlichen Todes … Die Papiere besitze ich noch …“

Der Gouverneur schaute den Schwindler mit einem vernichtenden Blick an …

Dann läutete er …

Und Armand Bretteuil wurde von zwei Soldaten abgeführt. – Vier Wochen später endete er – am Galgen. –

Graf Rapsoldi entschuldigte sich bei uns, suchte gutzumachen, was er infolge der Beeinflussung durch den Betrüger grob versehen hatte.

„Eine Frage müssen Sie mir beantworten, Sennor Harst,“ bat er dann. „Wie sind Sie dahintergekommen, daß dieser Verbrecher hier lediglich den Baron Tissander spielte und daß die Schaukel im Park nichts als einen Kraftmotor darstellt?“

„Sehr einfach,“ erklärte Harald liebenswürdig. „Die Freundschaft zwischen Tuan Leng und diesem „Baron“ deutete schon darauf hin, daß der „Baron“ ebenfalls eine sehr bewegte Vergangenheit haben müsse. Dann sah ich den angeblichen Tissander in dieser Nacht hinter dem Chinesen herstürmen – und dies in so jugendlicher Art, daß die sechzig Jahre des Barons doch sehr zweifelhaft waren. Und die Schaukel, Exzellenz, – diese famose Schaukel war ja stets in Betrieb, wenn ich im Parke war – stets! Zum Vergnügen für seine Diener konnte der Baron sie doch kaum haben errichten lassen …“ –

Der Gouverneur lud uns zu sich in seine luxuriöse Wohnung ein, wo wir auch drei Tage als seine Gäste weilten. –

Das Boetersche Riesenvermögen und die Diamantenmine hat Harst damals dem internationalen Hilfskomitee zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit zur Verfügung gestellt.

Durch Graf Rapsoldi kamen wir dann zu einem neuen interessanten Fall, der mit rätselhaften Vorfällen in der Familiengeschichte der Grafen Rapsoldi eng zusammenhing. Das Erbbegräbnis der Rapsoldis führte uns in eine andere Gegend des indischen Märchenlandes und brachte uns die Bekanntschaft mit einem der elegantesten und vielseitigsten Hochstapler, die jemals die Welt des Reichtums in geradezu genialer Weise gebrandschatzt haben.

 

Nächster Band:

Das Erbbegräbnis.

 

 

Verlagswerbung:

Der Goldschatz der Azoren.

In den Bänden 129 und 130 gaben wir unseren Lesern den Anfang des Romans „Der Goldschatz der Azoren“ und hatten dann im Band 134 einen ganz kurzen Hinweis auf die weitere Entwicklung dieses aufsehenerregenden Romans gebracht. Inzwischen sind weitere Bände vom „Goldschatz der Azoren“ erschienen, weitere interessante und aufregende Ereignisse haben sich abgespielt. Wir wissen, daß sich Agnes Sanden an Bord der geheimnisvollen Sphinx befindet. Sie wird aber von der Fürstin Mafalda erkannt und von ihr in das Wasser gestoßen. In ihrer Not ruft Agnes den alten Einsiedler von Sellenheim zu Hilfe, und er hilft wirklich auf eine ganz geheimnisvolle Weise. Doch die Handlung drängt weiter. Das gesunkene Unterseeboot mit den Goldmilliarden wird von unseren Freunden gefunden und mit Hilfe der Sphinx nach der Insel Christophoro gebracht. Und hier auf Christophoro spielen sich Ereignisse ab, so seltsam, so eigenartig, daß der Leser nicht aus dem Erstaunen, nicht aus der Aufregung herauskommt. Der Goldschatz wird in einer Höhle geborgen. Unser Freund Hartwich findet einen Teil des verschollenen Volkes der Azteken, findet in deren Gewalt eine junge Amerikanerin, die gleich ihm zum Tode verurteilt ist. Doch weiter drängt die Handlung, die hier leider nur kurz angedeutet werden kann. Die Fürstin Mafalda und Lomatz, welche den Goldschatz für sich erringen möchten, sind nicht untätig. Mit allen Mitteln kämpfen sie. Sie verbinden sich mit dem Präsidenten der Republik Patalonia, der ebenfalls seine gierige Hand nach dem Azorengold ausstreckt. Doch ihm ergeht es wie allen anderen, die sich unrechtmäßig bereichern wollen, seine Goldgier bringt ihm das Verderben.

So weit der kurze Inhalt bis etwa zum 20. Heft. Die Handlung gestaltet sich so hochinteressant, die Ereignisse spielen sich in so rascher und packender Weise ab, daß wir unseren Lesern nur dringend raten können, den Roman „Der Goldschatz der Azoren“ zum Preise von 30 Pf. pro Band (bei freier Zustellung ins Haus 35 Pf.) bei ihrem Buchhändler zu bestellen. Sollte derselbe die Bestellung nicht übernehmen, schreibe man an den

Verlag moderner Lektüre, Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Der Detektiv

Eine Reihe höchst spannender Detektivabenteuer. Bisher sind folgende Bände erschienen:

 

Band
































74:
75:
76:
77:
78:
79:
80:
81:
82:
83:
84:
85:
86:
87:
88:
89:
90:
91:
92:
93:
94:
95:
96:
97:
98:
99:
100:
101:
102:
103:
104:
105:
106:
107:

Das Geheimnis der Kabine 24.
Das Rätsel der Trollhätta-Insel.
Lord Plemborns Verbrechen.
Die Leiche im Gletschertunnel.
Sechs leere Briefbogen.
Das Geheimnis des Elefantenjägers.
Lady Myntors letzter Wunsch.
Der Giftpfeil des Wedda.
Der Schlangenbeschwörer von Agra.
Das Patent des Doktor Murphison.
Die Buschklepper der Thar-Wüste.
Das blinde Hindumädchen.
Die Wundergeige des Virtuosen.
Der Geisterspiegel.
Das Geheimnis des Wannsees.
Giftkonfekt.
Schatten an der Wand.
Der tote Zigeuner.
Das Rätsel der Schonerjacht.
Die tote Karawane.
Das Wunder von Patna.
Frau Inges Tränen.
Der tote Kanarienvogel.
Der Obstkahn am Elisabethufer.
Das geheimnisvolle Fenster.
Anita Armands Verhängnis.
Unser 100. Abenteuer.
Die Piraten der Havelseen.
Der Napoleon aus Wachs.
Der dritte Schuß.
Das Zimmer ohne Fenster.
Das Paket im Urbanhafen.
Der unheimliche Mieter.
Das Känguruh der Miß Dolling.

– Preis pro Band 20 Pf. –

Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26,

Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Anmerkung:

  1. In der Vorlage steht: „nd“.