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Der Schlangenbeschwörer von Agra

 

 

 

Der Detektiv

 

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 82:

 

Der Schlangenbeschwörer von Agra

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte einschließlich Verfilmungsrecht vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26, – 1923.
Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin

 

1. Kapitel.

Der gefälschte Zettel.

Ende Februar 19… brachte die indische Zeitung „Bombay Post“ folgenden Artikel:

Dem Leben wiedergegeben. Der hier bei uns in Indien ebenfalls rühmlichst bekannte deutsche Liebhaberdetektiv Harald Harst hatte vor einigen Tagen ein neues Verbrechen aufgeklärt, indem er den Aufenthaltsort der vor acht Jahren scheinbar verstorbenen einzigen Tochter des Forschungsreisenden Doktor Ramand ermittelte und das seiner Zeit im Alter von vierzehn Jahren durch die Verbrecherbande Doktor Austin Greebracs entführte junge Mädchen unter höchster eigener Lebensgefahr aus dem Felsentempel von Ellora auf Ceylon befreite. Leider ist Austin Greebrac und seine Schwester Adelaide, kurz Adi genannt, mit den meisten Mitgliedern der weitverzweigten Bande entkommen. Wie wir hören, hatte es Greebrac bei der damaligen Entführung Lydia Ramands auf fünf goldene Götzenstatuen abgesehen, die der Forscher insgeheim vergraben und deren Versteck er seinem Kinde auf besondere Art anvertraut hatte.

Harald Harst, sein Freund und ständiger Begleiter Max Schraut und Lydia Ramand sind gestern hier in Bombay eingetroffen und haben im Myntor-Palais bei Miß Honoria Myntor Wohnung genommen, wo die Großmutter Miß Lydias, Mistreß Busselt, seit Jahren die Stellung einer Hausdame innehat. – Morgen hoffen wir unseren Lesern weitere Einzelheiten über diese Entführungsgeschichte berichten zu können.

Die Bombay Post hatte ihren Lesern nicht zu viel versprochen. Am folgenden Tage brachte sie einen neuen Artikel unter der Überschrift „Der Fall Lydia Ramand“.

Leider müssen wir in Ergänzung unserer gestrigen Meldung von der glücklichen Befreiung Lydia Ramands heute von einigen ernsten Verwickelungen berichten, die es stark in Frage stellen, ob die fünf goldenen Götzen jemals in Miß Ramands Besitz gelangen werden.

Austin Greebrac, der verbrecherische Arzt, hat nämlich aus dem Sarge, in dem die scheinbar tote Lydia damals beigesetzt wurde, einen Ring mit einem großen Rubin entweder selbst gestohlen oder stehlen lassen. Dieser Ring, bei dem man den Rubin herausschrauben konnte, enthielt eine winzige, unter dem Stein verborgene Mikrophotographie eines Schriftstücks von Doktor Ramands Hand. Der Inhalt des Schreibens bezieht sich auf den Ort, wo Doktor Ramand die Götzen verborgen hat. Nur mit Hilfe dieses Ringes ist also der Ort zu finden, und den Ring hat jetzt Austin Greebrac.

Außerdem hatte Greebrac aber in den Sarg eine für Harald Harst bestimmte Mitteilung gelegt (oder legen lassen), deren Wortlaut sehr geheimnisvoll gewesen sein soll.

Zum Schluß das wichtigste, unerklärlichste: Harst und Schraut sind in der verflossenen Nacht spurlos aus ihrem Schlafzimmer im Erdgeschoß des Myntor-Palais verschwunden. Ihre Anzüge, ihre Uhren, ihre Pistolen, kurz alles, was sie mit in das gastfreie Haus Miß Honoria Myntors gebracht hatten, ist noch vorhanden, mit Ausnahme der beiden schwarzseidenen Schlafanzüge, die sie zur Nacht angelegt hatten. Unser Detektivinspektor Boßwell, ein guter Bekannter Harsts, hatte gestern abend noch mit den beiden Herren eine längere Beratung über die zur Ergreifung Austin Greebracs einzuleitenden Schritte. Heute um neun Uhr vormittags ließ Miß Myntor ihn nach dem Palais bitten. Die Polizei steht hier vor einem vollkommenen Rätsel. Boßwell ist überzeugt, daß Greebrac die beiden deutschen Detektive hat entführen lassen.

Man kann gespannt sein, welche weiteren Überraschungen der Fall Lydia Ramand noch bringen wird. Zur Zeit ist die Polizei fieberhaft tätig, das Verschwinden des Freundespaares aufzuklären. Jeder, der auch nur irgend eine auffällige Wahrnehmung in der verflossenen Nacht gemacht hat, wird gebeten, dies Inspektor Boßwell zu melden (Zimmer 18 der Polizeidirektion). Miß Myntor hat sofort 1000 Pfund Sterling Belohnung für den ausgesetzt, der wichtige Angaben, die auf die Spur der Verschwundenen leiten, glaubhaft zu Protokoll gibt. –

Ich, Haralds Freund und Privatsekretär, habe dieser Schilderung unseres mit dem Falle Lydia Ramand in Verbindung stehenden Detektivabenteuers absichtlich diese beiden Zeitungsnotizen vorangestellt, um den Leser auf die kürzeste Art in die Vorgeschichte des Ringdiebstahls einzuweihen.

Ich beginne nun die eigentliche Handlung in unserem Wohnsalon des Myntor-Palais gegen zehn Uhr abends, als Boßwell uns soeben verlassen hatte, also am Abend vor unserem Verschwinden.

Auf dem ovalen Tisch vor dem altmodischen, steiflehnigen Brokatsofa lag das Blatt Papier, welches wir im Sarge vorgefunden hatten, als wir den Ring herausnehmen wollten. Der Ring war nicht mehr da. An seiner Stelle nur das Papier mit folgender Aufschrift:

Geh besch ihm wir zu wör als ddir Ag er Aus all ras Chil weis es ber ka die weit ühm Rag Blei ere test an mün mit em und ze tei Schlan zei Chil len gen ge ka

– – – – – – – –

Wer ist nun der Sieger, Mr. Harst?! Sie oder ich?! Wem werden nun die fünf goldenen Götzen gehören?! Miß Lydia oder mir?!

Ich lache! – Austin Greebrac.

Harald saß in der Sofaecke, rauchte eine Mirakulum und sagte nun leise, als ich dieses Papier wieder zur Hand nahm, über dessen ersten Teil, die Geheimschrift, Freund Boßwell wohl eine halbe Stunde lang ohne Erfolg nachgegrübelt hatte:

„Bitte, mein Alter, äußere Dich. Du hast etwas auf dem Herzen.“

„Allerdings. Mir scheint, Boßwell ist an dieser höhnischen Mitteilung etwas entgangen.“

„Ganz recht, nämlich, daß die Geheimschrift nicht von demselben Manne geschrieben wurde wie der ironische Nachsatz.“

„Ja, das behaupte auch ich,“ meinte ich voller Überzeugung. „Außerdem aber scheint mir der ironische Nachsatz auch erst ganz kürzlich geschrieben zu sein, etwa heute früh, während der erste Teil meines Erachtens vor längerer Zeit entstanden ist. Um dies zu verheimlichen, hat man das ganze Papier nachher in Wasser getaucht und mit einem heißen Plätteisen wieder geglättet. Hierauf deutet die stark verlaufene Schrift hin. – Schließlich ist von Austin Greebrac in dem ironischen Nachsatz die Handschrift desjenigen, von dem der Chiffreteil stammt, mit leidlichem Geschick nachgeahmt worden.“

„Bravo! Mehr könnte auch ich nicht über diesen Zettel und seinen Inhalt sagen. Höchstens – höchstens könnte ich Dir die Chiffreschrift vorlesen. Boßwell hat wenig Erfahrung, was Geheimschriften betrifft. Daher –“

Ich lächelte etwas. Harst sah es. „Hast Du die Silben ebenfalls bereits richtig vereinigt?“ fragte er.

„Vielleicht. Diese Chiffreschrift ist von einem blutigen Anfänger in der Kunst des –“

„Lies vor!“ unterbrach Harald mich.

Ich tat es. Denn der Anfang, das „Geh“, das doch als „Gehe!“ zu deuten war, hatte mich vorhin nach einer diesem „Gehe!“ entsprechenden Silbe suchen lassen. So war ich auf die fünfte Silbe „zu“ gestoßen. „Gehe zu“ – das hatte Sinn. Als ich dann von „zu“ gerechnet stets wieder die jeweils fünften Silben vereinigte, fand ich folgendes heraus:

Geh zu Agras berühmtesten Schlangen –

Dann von der zweiten Silbe der ersten Zeile in derselben Weise weitergelesen:

beschwörer Chilka Ragan und zeige –

Dann von der dritten Silbe:

ihm als Ausweis die Bleimünze. Chilka –

Nun von der vierten:

wird Dir alles weitere mitteilen

Als ich diese Lösung Harst vorgelesen hatte, nickte er nur und meinte:

„Jetzt kommt das Wichtigste: Was soll das Ganze?“

Ich zuckte die Achseln. „Weiß ich nicht –“

Harst blies drei schöne Rauchringe, faßte in die Tasche und warf mir einen zerknitterten Brief in den Schoß.

„Den nahm ich mit, als wir Greebracs Bungalow durchsuchten. Du siehst, es ist ein Brief, den er an jemand geschrieben hat, der ihm Geld schuldete, ein Mahnbrief, – einer Spielschuld wegen. Der Schuldner wird über den groben Ton des Briefes empört gewesen sein und hat ihn samt dem Gelde Greebrac zurückgeschickt, wie aus einer kurzen Mitteilung des Schuldners am Rande hervorgeht.“

Ich verglich Greebracs Schrift und Unterschrift des Briefes mit der des Zettels.

„Hm,“ meinte ich, „der Zettel scheint gar nicht von Greebrac herzurühren. Die Schrift des Zettels ist von der des Briefes völlig verschieden.“

„Stimmt. – Was folgerst Du daraus?“

„Das muß ich mir erst überlegen –“

„Was gibt’s dabei zu überlegen? – Daß Austin Greebrac den Ring nicht selbst aus dem Sarge herausgeholt hat, ist doch klar. Er hätte denn gerade uns vorauseilen müssen, etwa im Flugzeug. Und ein solches stand ihm auf Ceylon nicht zur Verfügung. Nein, die Sache ist so: Als er uns mit seiner Bande und seiner Schwester im Ellora-Tempel entwischt war, hat er an einen seiner hiesigen Vertrauten, mit dem er Brieftaubenverbindung hatte, eine Taube mit einer Depesche etwa folgenden Inhalts abgesandt:

„Aus dem Sarge Lydia Ramands sofort den Ring mit rotem Rubin verschwinden lassen und sorgfältig aufbewahren. Außerdem in den Sarg Zettel legen, der auf mich als den Dieb hinweist und darauf, daß die fünf goldenen Götzen nun mir gehören werden.“

Diese Brieftaube – vielleicht schickte Greebrac zur Sicherheit auch mehrere ab – traf hier ein. Der Beauftragte Greebracs besaß nun von früher her einen Zettel mit einer Geheimschrift, die er nicht enträtseln konnte. Durch den in den Zeitungen so gründlich erörterten Fall des Testaments Lady Myntors (vergl. Band 80 „Lady Myntors letzter Wunsch“) mag dieser Beauftragte auf den Gedanken gekommen sein, durch mich diese Chiffreschrift lösen zu lassen, wie dies damals schon Mr. Albert Dracon mit Erfolg versucht hat. Er legte also den Originalzettel mit der Geheimschrift in den Sarg, nachdem er unten den anscheinend von Greebrac herrührenden Nachsatz hinzugefügt hatte, und hoffte, daß es ihm ähnlich wie Dracon gelingen würde, mit unserer Hilfe sich Kenntnis von dem Inhalt der Chiffremitteilung zu verschaffen.“

All dies wurde zwischen uns mit stark gedämpfter Stimme verhandelt.

Nun aber hob Harald den bis dahin über das Papier gebeugten Kopf, brachte die linke Hand, die bisher harmlos auf seinen Schenkeln geruht zu haben schien, zum Vorschein und – zeigte mir die mattschwarze Clementpistole, an der er bereits den Sicherungsflügel herumgeschoben hatte.

Und jetzt sprach er ganz laut – so laut, daß ich ihn noch überraschter anschaute:

„Wenn der Mann sich diese Kenntnis verschaffen wollte, dann mußte er sich am besten hier einschleichen und verbergen, damit er hörte, was wir über die Chiffreschrift sprachen. Und – er hat sich hier eingeschlichen – mit einer unbegreiflichen Frechheit! Er hat sich ein Versteck ausgewählt, das nur einen Nachteil hat: es pendelt!“

 

2. Kapitel.

Der Zwerg Sistri.

Sein Blick eilte schräg aufwärts zu dem von der Mitte der Decke des großen Raumes herabhängenden Kronleuchter, der zum Schutz gegen Staub und Fliegen von einem mächtigen blauseidenen Beutel verhüllt war.

„Der Größe der Schutzhülle nach kann der Mensch, der sich dort oben verborgen hat, nur ein Kind oder ein Zwerg sein. Ein Kind wäre für einen derartigen gefährlichen Auftrag kaum zu gebrauchen.“ Harst sprach auch dies sehr laut. Und – jetzt sprach er englisch. „Also wird es ein Zwerg sein. Indien besitzt etwa drei Zwergenstämme, von denen die Talinganas im Nordteile des Reiches des Fürsten von Haidarabad die kleinsten sind, durchschnittlich nur etwa 1,10 bis 1,20 Meter. Dieser Zwerg muß, worauf ich als besondere Eigentümlichkeit gleich hinweisen will, recht gebildet sein und sogar Deutsch verstehen. Vielleicht gehörte er mal einer Akrobatentruppe an, die längere Zeit in Deutschland weilte. Deutsch also: denn wie hätte er sonst, wenn wir beide uns in unserer Muttersprache über die Chiffreschrift unterhielten, verstehen können, was –“

Oben am Kronleuchter ein leises Klirren.

Die Hülle fiel auseinander.

Auf dem einen Bronzearm hockte ein winziges braunes Kerlchen mit struppigem kurzen Bart ganz in schmieriges Leinen gekleidet. Unter buschigen Brauen funkelten ein Paar listige Äuglein über einer winzigen, platten Nase.

Harst zielte bedächtig auf den Eindringling.

„Komm’ herab!“

Der Zwerg schwang sich mit wahrer Affengewandtheit auf eine Sessellehne und stand nun in demütiger, ängstlicher Haltung dicht vor unserem Tische.

Sein faltiges, altes Gesicht zeigte einen Ausdruck wachsender Verzweiflung. Seine Augen stierten mit glänzenden Pupillen auf die Waffe in Harsts Hand.

„Wer bist Du?“ fragte Harald streng.

„Sistri, Sahib, heiße ich, Sistri –“ Er sprach ein sehr mäßiges Englisch. „Ich – ich wollte hier stehlen, Sahib. Da hörte ich Euch kommen, und in meiner Angst –“

„Du lügst,“ fiel Harst ihm ins Wort. „Sage die Wahrheit. Du bist ein Diener, ein Verbündeter Doktor Austin Greebracs.“

Dem kleinen Kerl schlugen jetzt die Zähne vor Furcht klappernd zusammen. Er heuchelte diese Furcht nicht. Das merkte man.

„Nein – nein, Sahib!“ kreischte er förmlich. „Ich kenne keinen Sahib Greebrac. Ich – ich bin ein Dieb.“

„Deine Angst, Sistri, verrät Dich. Du fürchtest Dich nicht vor uns, sondern vor dem, der Dich herschickte. – Wo hast Du den Ring?“

„Ich weiß nichts von einem Ringe –“ Er faßte in sein Obergewand und legte mit zitternder Eile mein silbernes Zigarettenetui auf den Tisch.

„Sahib,“ heulte er kläglich, „ich will nie wieder stehlen.“

„Du stahlst zur Verheimlichung Deiner wahren Absichten. – Schraut, binde ihm die Arme auf dem Rücken zusammen.“

Doch – im selben Augenblick schoß der kleine Halunke wie ein Pfeil zur Tür.

Harst schien mit einem Fluchtversuch gerechnet zu haben, hatte schnell die auf dem Tische stehende noch halb volle Weinflasche ergriffen und schleuderte sie wie eine Keule mit solcher Wucht dem Zwerge in den Rücken, daß Sistri stolperte und mir auf diese Weise Zeit blieb, ihn dicht an der Tür zu packen.

Dann geschah etwas, das selbst Harst nicht vermutet hatte.

Der Kleine faßte in die Tasche seiner Leinenhosen, brachte einen Revolver zum Vorschein und – hielt ihn sich gegen die Stirn.

Mein Fausthieb kam gerade noch zurecht.

Ich schlug die Waffe zur Seite. Der Schuß ging los, und die Kugel fuhr in eine Schranktür.

Harst war schon neben mir. Der Zwerg wehrte sich wie ein Wahnsinniger. Als er dann auf einem Stuhl festgebunden worden war, als nun im Flur draußen Miß Honoria Myntors angstvolle Stimme fragte, was denn geschehen sei, sie habe soeben einen Schuß gehört, rief Harst zurück:

„Schrauts Pistole entlud sich beim Reinigen, Miß. Es hat nichts zu bedeuten.“

Dann schloß er die Tür ab und steckte den Schlüssel zu sich. –

Wir durchsuchten Sistri aufs genaueste. Aber den Ring fanden wir nicht. Der Zwerg hatte jedoch außer dem Revolver noch ein Fläschchen mit Gift bei sich gehabt.

Harald streifte des Zwerges rechten Ärmel hoch.

So klein der Bursche auch war, er besaß Muskeln wie aus Stahl.

„Seine Kraft dürfte hingereicht haben, den Sargdeckel beiseite zu schieben,“ meinte Harst zu mir, indem er sich der – französischen Sprache bediente. „Er hat natürlich den Ring gestohlen. Ich werde mal Boßwell anrufen –“

Er schritt zum Schreibtisch, wo das Telephon stand.

„Sahib – Sahib!“ kreischte der Zwerg. „Ich – ich weiß nichts von einem Ring! Nur nicht die Polizei, Sahib!“

Harst wandte sich um.

„Ah – Du kannst auch Französisch! Dann verstehst Du auch Deutsch! Und wer Boßwell ist, kann Dir auch nicht fremd sein, sonst hättest Du soeben nicht gebeten, daß ich die Polizei aus dem Spiele lassen soll.“ Er trat vor den Gefesselten hin. „Sage doch die Wahrheit, Sistri. Oder – hast Du so furchtbare Angst vor Austin Greebrac?“

Er sprach jetzt Deutsch. Und Sistri in seiner Aufregung achtete nicht darauf, sondern winselte wieder:

„Ich – ich kenne keinen Doktor Greebrac.“

Harald lächelte gutmütig:

„Du hast Dich verraten, Sistri. Du hast meine in deutscher Sprache an Dich gerichtete Frage richtig oder besser mit einer Lüge, wie man’s nimmt, beantwortet.“

Der Zwerg senkte hilflos den Kopf.

Harst winkte mir. Wir gingen nebenan ins Schlafzimmer, ließen die Tür offen.

„Sistri ist ohne Zweifel ein Helfershelfer Greebracs,“ flüsterte Harst. „Den Ring hat er natürlich schon gestern oder vorgestern gestohlen und bis zum Eintreffen Greebracs oder weiterer[1] Befehle gut versteckt. Wir müssen ihn überlisten. Halte Dich nachher im Bett jeden Moment bereit, Sistri folgen zu können. Damit er nicht etwa argwöhnisch wird, müssen wir uns richtig entkleiden und die Schlafanzüge anziehen. Unsere Morgenschuhe genügen für die Füße. Sie lassen sich leicht überstreifen.“ –

So begann die raffinierte Komödie.

Harald band Sistri im Schlafzimmer auf einem anderen Stuhle fest, tat es aber so, daß der Zwerg bei seiner Affengewandtheit sich leicht freimachen konnte.

Dann gingen wir zu Bett. Sistri sah, daß wir uns entkleideten, daß wir in die schwarzseidenen Schlafanzüge schlüpften.

Bevor Harst das Licht ausdrehte, öffnete er noch das eine Fenster, hob den Flügel aus und setzte dafür den mit engmaschiger Drahtgaze überzogenen Rahmen ein, der nur durch zwei kleine Riegel gehalten wurde. Dann trat er nochmals vor Sistri hin.

„Willst Du die Wahrheit sagen?“ fragte er drohend. „Noch ist es Zeit. Morgen früh übergeben wir Dich der Polizei.“

Der Kleine schwieg.

Die Deckenlampe erlosch.

„Gute Nacht, mein Alter,“ rief Harst mir zu. –

Ich war gespannt, wie dieser Überlistungsversuch enden würde.

Im Hause schlug eine Uhr zwölf.

Durch die Fenstervorhänge fiel von draußen ein matter Lichtschimmer in das Schlafgemach. Die Nacht war hell und heiß. Im Parke kreischten hin und wieder verschlafene Affen auf, die hier halb zahm hausten und am Tage allerlei possierlichen Unfug trieben.

Eine Stunde verging. Ich lag mit etwas zugekniffenen Augen da und beobachtete den grauen Fleck dort auf dem Stuhle neben der Tür. Der graue Fleck war Sistri.

Wieder schlug die Uhr – halb zwei.

Harst schnarchte zum Schein.

Da – der Fleck bewegte sich, huschte zum Fenster.

Ein Riegel kreischte ganz leise.

Sistris Gestalt zeichnete sich gegen die weißgestrichene Drahtgaze des eingesetzten Rahmens deutlich ab.

Er hob den Rahmen heraus, stellte ihn lautlos beiseite. Nun schwang er sich auf das Fensterbrett – verschwand.

Im Nu waren wir auf den Beinen, spähten ihm nach. Er lief über den Rasen der Hauptpforte der Parkmauer zu.

Wir blieben hinter ihm. Harald hatte nur noch rasch ein Päckchen Banknoten zu sich gesteckt.

Durch die nächtlich stillen Straßen der Villenvorstadt ging es Bombay zu.

Sobald Sistri in der Ferne einen patrouillierenden Polizeibeamten erblickte, machte er kehrt und bog in eine andere Straße ein. Unsere schwarzen Anzüge kamen uns sehr zustatten. Der Zwerg nahm auch nicht im entferntesten an, daß er verfolgt würde.

Je mehr wir uns der Stadt näherten, desto schwieriger gestaltete sich diese nächtliche Hetze. Bombay ist Weltstadt, und am Hafen und in den Geschäftsvierteln schläft der Verkehr nie ein.

Endlich fanden wir einen leeren Mietwagen. Der indische Kutscher begriff schnell, worauf es ankam.

So konnten wir Sistri auf den Fersen bleiben, ohne uns weiter anzustrengen. Er wandte sich dem Nordbahnhof zu. Hier erkannte Harst einen von Boßwells Beamten, einen Geheimpolizist namens Barcam, einen Eurasier (Mischling), den Boßwell sehr schätzte. Der Mann hatte Bahnhofsdienst, war in Zivil und erklärte sich sofort bereit, uns in jeder Weise behilflich zu sein.

Wir warteten im Wagen vor dem Bahnhof. Barcam kehrte nach einer halben Stunde zurück und meldete, daß der Zwerg im Wartesaal mit einem verschleierten Weibe zusammengetroffen sei, anscheinend einer wohlhabenden Inderin. Diese habe ihm Geld gegeben. Dann hatte Sistri in der Poststelle des Bahnhofs eine Depesche geschrieben und zur Beförderung dem Schalterbeamten ausgehändigt. Kaum war er dann wieder im Wartesaal verschwunden, als Barcam am Postschalter sich legitimierte und die Depesche zur Durchsicht verlangt hatte.

„Ich habe sie abgeschrieben und befohlen, daß sie vorläufig zurückbehalten wird, Mr. Harst,“ fuhr er hastig fort. „Hier ist die Abschrift. Sistri hat nun zwei Fahrkarten nach Agra für den Morgenzug genommen, der um halb fünf abgeht. Er sitzt nun mit der Frau in einer Ecke des Wartesaals.“

„Gut, Barcam. Hören Sie genau hin. Wir beide fahren zu Boßwell, der uns mit Anzügen aushelfen wird. Schweigen Sie jedem gegenüber, Barcam. Schraut und ich wollen als verschwunden gelten. Nur Sie und der Inspektor sind also eingeweiht. In einer Stunde sind wir wieder hier.“ –

Der Wagen brachte uns zu Freund Boßwell. Alles ging nach Wunsch. Eine halbe Stunde vor Abfahrt des Zuges erschienen zwei graubärtige Europäer auf dem Bahnhof und sprachen Barcam, der vor dem Wartesaal aufpaßte, heimlich an.

„Dank’ Ihnen, Barcam,“ flüsterte der größere der beiden. „Gehen Sie zu Boßwell. Er hat Befehle für Sie.“

Der Inspektor hatte uns auch mit Wäsche, Taschenlampen, Revolvern und je einem kleinen Handkoffer ausgeholfen. Wir nahmen Fahrkarten erster Klasse bis Agra. Wir wußten nun ja, daß der Rubinring, dem wir nachjagten, dorthin unterwegs war, denn Sistris Depesche hatte folgenden Wortlaut gehabt, war aber nicht abgegangen:

Mr. Austin Adelaid, Agra, Windsor-Hotel.

Gewünschtes postlagernd dorthin vorgestern abgesandt für Sie. Abdullah.

Das „Gewünschte“ konnte ja nur der Ring sein, und „Austin Adelaid“ war fraglos Austin Greebrac, dessen Schwester Adelaide oder Adi den neuen Vatersnamen für den Verbrecher geliefert hatte. Auch Boßwell war hiervon überzeugt gewesen.

Kein Wunder, daß wir voller Hoffnungen diese Reise antraten. Die Depesche war ja zurückgehalten worden, und unser erster Gang in Agra sollte der zur Post sein.

Hoffnungen trügen oft. Wir hatten nicht mit Greebracs Schlauheit gerechnet.

Zwei Tage Eisenbahnfahrt – durch halb Vorderindien. Zwei langweilige Tage, während derer unsere einzige Zerstreuung darin bestand, aufzupassen, ob Sistri und seine Begleiterin nicht etwa den Zug auf einer Station wechselten.

Nein – sie taten es nicht. Sie taten gar nichts. Sie waren ganz arglos und offenbar bester Laune. In Jhansi, dem großen Eisenbahnknotenpunkt, konnte sich Harald am Bahnhofsbüfett dicht an sie heranpirschen. Als er zu mir in unser Abteil zurückkehrte, sagte er kopfschüttelnd:

„Du wirst es kaum glauben, mein Alter: die beiden sprechen Deutsch miteinander!“

Allerdings – das war wirklich eine Überraschung!

„Ob denn etwa das so vorsichtig verschleierte Weib eine Deutsche ist?“ meinte ich.

„Ausgeschlossen ist es nicht. Jedenfalls ist ihr Deutsch völlig akzentfrei.“

Wir hatten durch ein reichliches Trinkgeld dafür gesorgt, daß wir in unserem Abteil stets allein blieben. Reisegesellschaft ist für Leute unseres Schlages meist lästig.

„Wahrscheinlich sind die beiden auf dem Wege zu Chilka Ragan, dem Schlangenbeschwörer,“ spann ich die Unterhaltung fort.

„Ganz bestimmt sogar. Sistri hat ja mit angehört, wie Du mir die Lösung der Chiffreschrift vorgelesen hast. Wenn Du auch die Stimme dämpftest, er wird doch alles verstanden haben. Bis zum Kronleuchter waren es von Deinem Sessel keine drei Meter.“

Ich war froh, daß Harst endlich das Nebenproblem des Schlangenbeschwörers zu erörtern bereit war. Bisher hatte er diese Sache als nebensächlich kaum erwähnt.

„Du meinst also, Sistri reist in eigener Angelegenheit nach Agra?“ fragte ich wieder.

„Ja. Sein Herr und Meister Greebrac, vor dem er eine so greuliche Angst hat, daß er sich lieber erschießen oder vergiften als uns in die Hände fallen wollte, dürfte kaum ahnen, daß Sistri nach Agra fährt.“

„Hm – etwas fällt mir dabei doch auf: daß Greebrac ausgerechnet nach Agra geflüchtet ist, wo auch dieser Chilka Ragan haust.“

„Allerdings, etwas auffallend ist das.“

„Vielleicht war die Geheimschrift Eigentum der Verschleierten und Sistri nur deren Werkzeug.“

„Das dürfte zutreffen. Die Verschleierte und der Zwerg kennen sich fraglos schon längere Zeit. Da mag die Frau, die von jemand anders die geheime Mitteilung erhalten hatte, sich ratsuchend an Sistri gewandt haben, der dann sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe schlug, indem er auf Befehl Greebracs, des Verbrecherfürsten, den Ring holte und, wie ich schon einmal ausführte, die Chiffreschrift mit dem ironischen Nachsatz uns finden ließ.“

„Mithin haben wir in Agra zweierlei zu erledigen: den Ring an uns zu bringen und Greebrac festzunehmen, und zweitens festzustellen, was es mit dieser Verschleierten und Chilka Ragan auf sich hat.“

„Natürlich müssen wir das.“

Hiermit endete dieses Gespräch.

 

3. Kapitel.

Die blonde Frau.

Agra, die wunderbare Stadt am rechten Dschamnaufer, war uns bekannter Boden. Abends gegen neun Uhr trafen wir dort ein. Gleich auf dem Bahnsteig fragte Harst einen der gewerbsmäßigen Fremdenführer, ob es hier einen Schlangenbeschwörer namens Chilka Ragan gäbe.

Der Inder blickte uns erstaunt an.

„Ja, Sahib. Aber er ist jetzt –“ Das andere verstand ich nicht.

Das genügte Harst. Er drückte dem Manne ein Trinkgeld in die Hand. Wir schritten dem Vorplatz des Bahnhofs zu.

„Merktest Du?!“ meinte Harald. „Mit diesem Chilka Ragan hat es eine besondere Bewandtnis. Der Fremdenführer machte ein Gesicht, als fragte ich nach Beelzebub.“

Ein anderer Inder drängte sich plötzlich an uns heran.

„Sahib, eine Frage,“ flüsterte er. „Ich bin Geheimpolizist. Ich habe eine Depesche von Inspektor Boßwell aus Bombay. Ich möchte erst wissen, ob Ihr die richtigen seid –“

„Harst und Schraut,“ sagte Harald leise.

„Gut, Sahib. Ich erkannte Eure Handkoffer schon der Beschreibung nach. Hier ist die Depesche.“

Sie lautete:

Bitte mit dortigem Kollegen Lockpor zuerst Rücksprache nehmen. Gruß Boßwell.

„Sahib, ich habe ein Auto für Euch bereit,“ flüsterte der Beamte wieder. „Sahib Lockpor erwartet Euch!“

„Vorwärts denn!“ Und zu mir: „Es muß etwas Unangenehmes geschehen sein. Sistri und die Verschleierte finden wir noch.“

Der braune Geheimpolizist brachte uns zu einem abseits haltenden eleganten offenen Kraftwagen. Wir stiegen ein. Der Beamte kletterte vorn neben den Chauffeur.

Wir sausten der Stadt zu, kamen durch das saubere Eingeborenenviertel, durch schmale Gassen, hörten hinter uns ein zweites Auto.

Kamen in kurzem Bogen durch ein Parktor in eine dunkle Allee.

Da sprang Harst auf. Seine Hand fuhr nach der Schlüsseltasche, nach dem Revolver.

„Verrat!“ rief er leise.

Und auch ich schnellte hoch.

Wir standen in der grellen Lichtbahn der Scheinwerfer des anderen Autos, sahen es heranjagen, hatten die Waffen kaum erst in der Hand, als zwei sandgefüllte Schläuche blitzschnelle Arbeit verrichteten.

Nur der Chauffeur und der angebliche Geheimpolizist konnten uns so von hinten niedergeschlagen haben. Wir knickten um, verloren nur für Sekunden das Bewußtsein – kostbare Sekunden, die uns wehrlos Austin Greebrac auslieferten.

Man fesselte uns, warf uns mehrere Decken über den Kopf; man drückte uns im Auto flach nieder.

Und wieder ratterte der Motor – lange, lange Zeit, bis der Kraftwagen mit einem Ruck hielt.

Man trug uns rasch in ein leise schaukelndes Fahrzeug. Dann flogen die Kopfhüllen herunter.

Eine Jachtkajüte, Mahagoniholz, Spiegel, kostbare Wandsofas.

Und in zwei Seidensesseln unsre Feinde – Austin und Adi Greebrac, daneben deren Leibgarde, uns von Ceylon her nur zu gut bekannt: der braune Athlet Tamar Dak, der Chinese und der andere braune Diener.

„Ich heiße Sie freudig willkommen,“ sagte Austin hohntriefend. „Tamar Dak, zwei Stühle für die berühmten Gäste!“

Man band uns auf die Stühle fest – mit dünnen, geteerten Stricken, und Greebrac höhnte weiter:

„Sie hatten eins vergessen, Mr. Harst: daß ich den kleinen Schuft, den Sistri, durch eine dritte Person ständig beobachten ließ. Ich bin stets so vorsichtig, niemandem ganz zu trauen. Und dieser Aufpasser erlebte so alles mit: die Verfolgung Sistris bis zum Bahnhof. Ihr Gespräch mit Barcam, dem Geheimpolizisten, die Zurückhaltung der an mich gerichteten Depesche, Ihre Abfahrt in dieser Verkleidung. Dann ging eine andere Depesche ab, aber nicht vom Bahnpostamt, und dieses Telegramm erreichte mich auch. Ich holte mir das eingeschriebene Päckchen von der Post ab, und – ich habe den Ring! Und – Sie beide dazu!“

Die letzten Worte spuckte er Harst vor wahnwitzigem Haß geradezu ins Gesicht. Seine Augen waren weit aufgerissen, das Weiße darin vollständig mit roten Blutäderchen durchsetzt. Sie quollen ihm förmlich aus dem Kopf, diese vor Rachgier, Mordgier, Haß und erstickender Wut glotzenden Augen.

„Sie haben mir meine unterirdische Residenz geraubt,“ zischte er weiter. „Sie haben mich aus dem Ellora-Tempel vertrieben! Das sollen Sie büßen! Sie werden tausend Tode sterben! Das schwöre ich Ihnen!“

Ein Eiseshauch kroch mir über den Rücken hin.

Von diesem kultivierten, mit satanischer Schlauheit und Gewissenlosigkeit begabten Untier war keine Gnade zu erhoffen.

Oben an Deck jetzt allerlei Geräusche.

Greebrac horchte. Man sah ihm an, wie er den Haß und die Mordgier gewaltsam zurückdrängte.

„Tamar Dak,“ sagte er mit ganz anderer Stimme. „Es wird das kleine Scheusal und die Verschleierte sein. Man wird sie abgefangen haben wie diese beiden berühmten Herrschaften. Hole sie!“

Der braune Athlet eilte die Kajüttreppe hinan.

Dann Poltern auf der Treppe; dann flog die Tür wieder auf. Eine Kugel rollte herein, von Tamar Daks Fußtritt getrieben, eine menschliche Kugel, – prallte gegen Haralds Stuhl, ward zum Menschen, entknäulte sich, stand aufrecht: Sistri!

Und hinter ihm kam die Verschleierte, von Tamar Daks Fäusten gehalten, kam wie ein wankendes Bündel, sank vor dem Tische zusammen, ward hochgerissen und in einen Sessel geschleudert.

„Runter mit dem Schleier!“ brüllte Greebrac.

Der Riese griff zu.

Schleier, eine schwarzhaarige Frauenperücke flogen in den Winkel.

„Ah!“ machte Greebrac erstaunt. „Unbekannt!“

Das jetzt unverhüllte, von blondem Haar gekrönte schmale Gesicht des Weibes war von rührender Schönheit. Graublaue, große Augen irrten in wilder Angst über die Anwesenden hin. Die Blässe der Wangen, die bebenden Lippen, der starre trostlose Blick wirkten erbarmungswürdig.

„Ah – eine Fremde!“ wiederholte Greebrac und beugte sich vor. „Wer sind Sie? Heraus mit der Sprache!“

Sie schwieg und senkte den verängstigten Blick.

Greebrac, der jetzt einen blonden Spitzbart vorgeklebt und eine moderne Hornbrille vor sich auf dem Tische liegen hatte, faßte in die Tasche und hielt der Unbekannten das Blatt Papier hin, das wir im Sarge gefunden hatten.

„Gehört der obere Teil des Wisches Ihnen?“ fragte er die Frau mit seiner gewalttätigen Stimme.

Sie rührte sich nicht.

Da drehte er den Kopf halb nach Harst, höhnte:

„Sie sehen – auch das Blatt habe ich aus Ihrem Salon stehlen lassen. Der kleine Schuft Sistri hat gegen meinen Befehl gehandelt, als er nicht nur die an Sie zu richtenden Worte im Sarge zurückließ. – Was soll der obere Teil, die Geheimschrift?“

Die Frage galt dem Zwerge.

Sistris bärtiges, faltiges Kindergesichtchen war jetzt von der Farbe der Asche. Ganze Bäche Schweiß liefen ihm von der Stirn über Nase und Schläfen. Sein Leib war ohne Halt, schlotterte, wankte. Seine Augen flackerten im halben Irrsinn höchster Todesangst.

„Sprich, Du Hund!“ brüllte Greebrac. „Sprich – oder ich werde –“

Man hörte einen gräßlichen Ton. Sistri hatte die Zähne so fest aufeinander gebissen, daß sie knirschten.

„Ah – Du willst nicht! – Das Kohlenbecken, Tamar Dak –!“

Sistri war ungefesselt.

Sistri schien zu wissen, wie Greebrac Geständnisse erpreßte.

Er war mit zwei Sätzen wie eine Schlange unter das andere Wandsofa geflogen.

Austin und Adi lachten schallend.

Das Lachen verstummte jäh.

Der behaarte Affenarm des Zwerges schleuderte ein Fläschchen auf den Tisch.

Sistri kroch wieder hervor.

„So, Sahib Austin, nun brenne mir die Fußsohlen!“ lallte er wie ein Trunkener. „Zwei Fläschchen Gift hatte ich – Dein Gift, Sahib Austin! Eins nahm mir Sahib Harst ab. Sahib Harst wird Dich bestrafen!“

Er beugte die Knie, hockte sich auf den Teppich hin, schaute auf die Fremde, sagte lauter – wie befehlend:

„Schweig’! Verstehst Du mich, – schweige! Erkaufe Dir Dein Leben durch das Geheimnis, das ich nicht kenne!“

Sein Oberleib begann hin und her zu pendeln. Ein Krampf packte ihn. Schaum trat ihm vor den Mund. Dann sank er nach hinten über. Seine Beine zitterten wie die Fühler eines sterbenden Käfers.

Dann lag er still.

„Werft ihn in den Fluß! Mögen ihn die Krokodile fressen,“ befahl Greebrac mit einer verächtlichen Handbewegung. „Geht – laßt uns allein!“

Die Leibgarde verschwand mit der kleinen Leiche.

Draußen ein Aufklatschen des Wassers.

Da weinte die Fremde laut auf. –

Greebrac schmunzelte und strich das Blatt Papier glatt.

„Also ein Geheimnis, Miß! Wohl ein wertvolles Geheimnis, wie?!“

Die blonde Frau blieb stumm.

„Miß, ich vergreife mich ungern an Frauen,“ sagte Austin mit dem liebenswürdigen Ton des Weltmannes. „Zwingen Sie mich doch nicht dazu, Ihre zarten Füßchen zu beschädigen. Glauben Sie mir: es ist ein sehr unangenehmes Gefühl, wenn einem die bloßen Sohlen auf das Kohlenbecken gedrückt werden. Das löst die Zunge, Miß. Glauben Sie es mir.“

Gerade die höflich-harmlose Art, wie er dies sagte, steckte voll gemeinster Ruchlosigkeit.

Da mischte sich Harst ein.

„Miß, auch ich gebe Ihnen den Rat, diesen Schurken nicht zu reizen,“ meinte er.

Die halb irren Augen des blonden Weibes ruhten auf Haralds gleichmütigem Gesicht.

Wieder lachten die Geschwister.

„Sie wollen sich wohl bei mir einschmeicheln, Mr. Harst?!“ höhnte das Untier. „Gut denn – wenn Sie die Frau dazu bewegen, ihr Geheimnis preiszugeben, soll Ihnen und Schraut alles andere erspart bleiben. Dann werde ich Sie beide nur vergiften und mit Steinen beschwert in der Dschamna versenken.“

Die Blonde holte ein paarmal hastig Atem. Sie rang mit einem Entschluß.

Dann – dann hörten wir ihr Geheimnis.

 

4. Kapitel.

Die Perlenkette der Herzogin von Ixstadt.

„Ich bin Waise, bin Deutsche, bin die Tochter eines Zauberkünstlers, der in Deutschland einst sehr berühmt war. Mein Name ist Ozeana Wattner. Mein Vater ließ mich zur Artistin ausbilden. Ich war Drahtseilkünstlerin. Als meines Vaters Ruhm im Erlöschen war, mußte er Engagements bei Zirkussen als Klown annehmen. So lernten wir Sistri, den Zwerg, kennen, der damals mit einer indischen Gauklertruppe Europa bereiste.

Eines Tages erschienen Kriminalbeamte in unsere Wohnung. Wir weilten damals in Dresden, waren bei Sarrasani engagiert. Die Beamten wollten meinen Vater verhaften. Man beschuldigte ihn, vor sechs Jahren nach einer Zaubersoiree[2] im Schlosse der Herzogin von Ixstadt die Perlenkette der Herzogin gestohlen zu haben, eine Doppelkette von 72 Perlen, deren Wert schon zu jener Zeit auf acht Millionen geschätzt wurde.

Mein Vater war jedoch nicht daheim, als die Beamten bei uns eindrangen. Er wurde auch nicht gefunden. Nur seine Leiche barg man vierzehn Tage später aus der Elbe mit von Dampferschrauben bis zur Unkenntlichkeit zerfetztem Gesicht.

Ich wußte nichts von dem Diebstahl. Die Polizei glaubte mir und ließ mich unbelästigt. Wieder ein Jahr später kam eines Morgens Sistri zu mir und gab mir einen kleinen versiegelten Brief.

„Er ist von Deinem Vater, Ozeana,“ sagte er.

Dann verließ er mich schnell.

Ich öffnete den Umschlag, der keine Adresse zeigte und fand darin zwei Blätter, zwei halbe Briefbogen. Auf dem einen stand oben die Chiffreschrift, auf dem andern:

Ich war der Dieb. Lebe wohl! Die Kette wird einst Dein sein.

Dies geschah vor etwa anderthalb Jahren.

Umsonst bemühte ich mich, die Geheimschrift zu entziffern. Umsonst suchte ich Sistris Aufenthaltsort zu erfahren. Ich hoffte, daß er mir über die Bedeutung der Geheimschrift Auskunft geben könnte. Seit acht Monaten hatte er ja mit der Gauklertruppe in Amerika geweilt. Ganz plötzlich war er bei mir erschienen.

Ich vertraute mich niemandem an. Ich hatte keine Verwandten, hatte keine Freunde. Ich blieb Artistin, lebte ganz für mich. Dann traf ich in London vor acht Wochen mit einem Inder zusammen, der mit zu der Truppe Sistris gehört hatte. Er erzählte mir, Sistri lebe in Bombay von seinen Ersparnissen.

Da hielt mich nichts mehr in Europa. Ich wollte Sistri sprechen. Ich belegte eine Kabine auf einem Dampfer und fuhr nach Bombay. Vor einer Woche traf ich dort ein. Mein erster Gang war zu Sistri, der ein kleines Häuschen im Eingeborenenviertel bewohnte.

Sistri war erst sehr bestürzt, als er mich sah. Dann behielt er mich aber doch als Gast bei sich. Nur bat er mich, eine Verkleidung anzulegen. Als Europäerin würde ich in seiner Hütte zu sehr auffallen.

Über den Brief, den er mir seiner Zeit so ohne jede nähere Erklärung übergeben hatte, konnte er mir nur folgendes mitteilen.

Mein Vater hatte gemerkt, daß die Polizei ihn dauernd beobachtete. Da hatte er eines Tages zu Sistri gesagt: „Ich weiß nicht, was die Geheimen von mir wollen. Sie spionieren dauernd um mich herum. Sollte mir etwas passieren, Sistri, dann gib Ozeana diesen Brief. Ich kenne Dich als verschwiegen und zuverlässig.“ – Sistri nahm den Brief, konnte ihn mir aber erst viele Monate später aushändigen.

Mehr wußte auch Sistri nicht. Ich hatte ihm von dem schriftlichen Geständnis meines Vaters nichts gesagt, hatte ihm nur die Geheimschrift gezeigt. Auch er versuchte vergebens, sie zu entziffern.

Er hielt sich sehr viel Tauben auf dem Boden seines Häuschens. Vor fünf Tagen war’s, als er sehr aufgeregt zu sein schien. Er deutete an, daß er eine Brieftaubennachricht erhalten hätte, einen Befehl, dem er unbedingt nachkommen müßte. Er äußerte dabei noch, daß er leider einer Art Geheimbund beigetreten sei, dessen Mitglieder jeden Befehl des Oberhauptes des Bundes blindlings und selbst mit eigener Lebensgefahr ausführen müßten.

Dies war am Morgen. Mittags verlangte er von mir die Geheimschrift und sagte: „Ich will zusehen, ob jemand sie entziffert, der in solchen Dingen sehr erfahren ist, Ozeana. Fertige für Dich eine Abschrift an. Abends nehme ich das Original mit.“

Er schloß sich dann ein. Abends verschwand er, kam erst um Mitternacht zurück und erzählte mir, er habe die Geheimschrift dem Betreffenden übergeben. Er würde sich demnächst Bescheid holen. Am folgenden Tage war er dann fast gar nicht daheim. Er hatte mich in den Wartesaal des Nordbahnhofs bestellt. Dort sollte ich von zehn Uhr abends bleiben, bis er käme. Sollte er bis zum Morgen nicht erscheinen, so sollte ich in ein Hotel gehen. Dann sei ihm etwas zugestoßen.

Er fand sich dann im Wartesaal erst nach Mitternacht ein und erklärte, alles sei in Ordnung. Er wüßte nun, was die Chiffreschrift enthielte. Kein anderer als des berühmten Detektivs Harald Harst Freund Schraut habe die Lösung gefunden. Er gestand auch ein, daß er den beiden Herren das Blatt in die Hände gespielt und sich in ihrem Zimmer versteckt hatte –“

„Schon gut,“ rief Austin Greebrac da. „Schon gut! Und die Lösung? Sie lautet?“

„„– Geh’ zu Agras berühmtestem Schlangenbeschwörer Chilka Ragan und zeige ihm als Ausweis die Bleimünze. Chilka wird Dir alles weitere mitteilen.“ So lautet die Lösung, Mr. Greebrac. Nun wissen Sie alles.“

Austin und Adi blickten sich an.

„Ein seltsamer Zufall!“ murmelte Greebrac. „Dieser Chilka Ragan ist ein Mitglied meiner Bande, ein untergeordnetes Mitglied, während ich im übrigen hier viele vertraute Freunde habe. Deshalb bin ich auch hierher gekommen, als – als Sie“ – und ein Haßblick traf Harst – „mich aus Ceylon verscheuchten. – Miß, kennen Sie diesen Ragan von früher her?“

„Ja. Er arbeitete einst mit meinem Vater zusammen am Zirkus Busch in Berlin. Er war der beste Schlangenbeschwörer, den ich je arbeiten sah.“

„Das ist richtig. Er war lange Zeit im Ausland.“

Greebrac dachte eine Weile nach.

Dann wandte er sich an Harald.

„Was halten Sie hiervon, Mr. Harst?“

„Ich denke, daß Chilka Ragan die Perlenkette zur Aufbewahrung von Miß Ozeanas Vater bekommen hat,“ erwiderte Harald bereitwillig.

„Das nehme auch ich an. – Miß, wie steht es mit der Bleimünze?“

„Wir Artisten sind sehr abergläubisch, Mr. Greebrac. Ich fand einst als Kind eine alte, flache Bleimünze auf einem Kirchhof. Mein Vater meinte, ich solle sie als Talisman tragen. Deshalb habe ich mich auch nie von ihr getrennt.“

Sie zog eine an einem Bande befestigte Münze aus dem Halsausschnitt hervor.

Greebrac ließ sie sich geben, nickte zufrieden.

„Die Perlenkette werde ich sehr bald haben – sehr bald! Auch Chilka Ragan wird dem Kohlenbecken nicht widerstehen.“

Er flüsterte mit seiner Schwester, sagte dann, und sein Gesicht war wie durchglüht von Mordgier, Haß und Hohn:

„Sie drei müssen jetzt sterben. Es geht nicht anders. Aber – Sie werden schnell sterben.“

Ozeana Wattner schrie leise auf.

„Die Gifte, über die ich verfüge,“ fuhr er mit bestialischer Gefühlsroheit fort, „töten augenblicklich. Tamar Dak wird mir die Injektionsspritze bringen –“

„Halt, Greebrac, – Ihre Rechnung stimmt nicht ganz,“ rief Harst da. „Miß Wattner, ängstigen Sie sich nicht. Greebrac wird Ihnen nichts anhaben!“

Austin kniff die Augen zu. „Sind Sie verrückt, Mr. Harst?! Was soll das?!“

„Ich sagte ja schon: Ihre Rechnung stimmt nicht! Sie hoffen, aus Chilka Ragan herauszupressen, wo die Perlenkette sich befindet. Ich möchte Ihnen dagegen vorhalten, daß Chilka im Gefängnis sitzt. Als wir vorhin auf dem Bahnhof eintrafen, fragte ich einen Fremdenführer, ob es hier einen Chilka Ragan gebe –“

„Allerdings. Sie sprachen mit einem Fremdenführer. Das haben meine Leute beobachtet. Und weiter?“

„Der Mann erklärte, Chilka sei vor drei Tagen verhaftet worden. Da schickte ich ihn zur Polizei und ließ ihn dort bestellen, Harald Harst sei in Agra und bäte, Chilka auf das allerstrengste zu bewachen –“

Ah – Harst log – und sicher mit Absicht! Er hatte dem Fremdenführer nichts dergleichen aufgetragen.

„Sie können daher überzeugt sein, Greebrac, daß Chilka für Sie unerreichbar ist,“ fügte er hinzu.

Adi griff jetzt hastig nach einer der auf dem Tische liegenden Zeitungen.

„Mir fällt ein, ich las irgend etwas von einer Verhaftung,“ meinte sie.

Und sie fand die Notiz, las vor:

„Der Schlangenbeschwörer Chilka Ragan wurde vorgestern, als er eine besonders kostbare Perle zu veräußern suchte, verhaftet, da er den rechtmäßigen Erwerb der Perle nicht nachweisen konnte.“

„Verdammt!“ fluchte Greebrac.

„Ja – Sie werden auf die Perlenkette wohl verzichten müssen,“ meinte Harald kühl. „Es sei denn, daß wir einig werden.“

„Was heißt das?“

„Sie sollen uns drei freilassen, und ich verschaffe Ihnen die Perlenkette. Nur ich kann es. Mir wird man gestatten, Chilka in seiner Zelle zu besuchen. Ich werde ihm zur Flucht verhelfen, und er wird mir dafür die Kette aushändigen.“

Die Selbstverständlichkeit, mit der Harald dies vorbrachte, wirkte selbst auf Greebrac.

„Ja – Ihnen ist das schon zuzutrauen!“ sagte er ingrimmig. „Aber – selbst für die Perlen gebe ich Sie nicht frei. Niemals!“

„Wie Sie wollen, Greebrac. Ich möchte Sie jedoch noch auf etwas anderes aufmerksam machen.“ Er sprach sehr laut plötzlich. „Man ist Ihnen hier auf dieser Jacht bereits auf der Spur –“

Austin grinste. „Damit können Sie alte Weiber schrecken!“ meinte er verächtlich. „Auf solch plumpen Schwindel falle ich nicht herein.“

Harst sprach noch lauter: „Sie sollen einen Beweis erhalten, Greebrac. Die Oberlichtscheibe dort wird sofort zertrümmert werden –“

Greebrac stierte nach oben. Auch Adis Gesicht ward ängstlich.

Dann – dann zersplitterte das schmale Fenster. Die Scherben fielen auf den Tisch.

„Sehen Sie,“ sagte Harald. „Ich habe oben an Deck Verbündete. Noch ist es Zeit für Sie, auf den vorgeschlagenen Handel einzugehen. Was hätte es für einen Zweck, uns drei umzubringen und dann selbst zu baumeln. Sie unterschätzen mich, Greebrac. Auch ich habe stets Reservetruppen in Bereitschaft. Ich bin also bereit, Ihnen die Perlenkette zu verschaffen. Ich werde bis zu dem Zeitpunkt, wo ich sie Ihnen – sagen wir nach zwei Tagen abends neun Uhr am Bahnhof – aushändige, nichts gegen Sie unternehmen. Auch Sie müssen aber samt Ihrer Bande uns in Ruhe lassen. Drei Stunden nach Aushändigung der Kette beginnt der Kampf zwischen uns von neuem. Ich gebe Ihnen drei Minuten Bedenkzeit.“

Greebrac war blaß geworden. Er fürchtete sich. Man sah es ihm an.

Er schaute vor sich hin. Seine Hände öffneten und ballten sich.

„Tu’s!“ riet Adi eindringlich. Auch ihr Gesicht war farblos.

Greebrac sprang auf.

„Gut – es sei!“ keuchte er. „Sie – Sie sind ein Satan, Harst! Aber – wir werden quitt werden!“

„Hüten Sie sich, Greebrac!“ warnte Harald nochmals. „Sobald ich auch nur merke, daß Sie mich beobachten lassen, haben Sie das Übereinkommen gebrochen! Ich und Schraut und Miß Wattner werden bis übermorgen nacht schweigen – bis zwölf Uhr! Dann haben Sie die Kette drei Stunden in Händen; dann ist der Waffenstillstand zu Ende!“

Greebrac löste schon Harsts Fesseln.

„Keine Sorge!“ zischte er. „Übermorgen nach zwölf Uhr nachts sind Sie mein!“

Auch ich wurde von Adi losgebunden. Harst winkte Ozeana Wattner.

An der Tür drehte er sich nochmals um.

„Greebrac, was den Ring mit dem Rubin betrifft, – seien Sie vorsichtig damit!“

Dann gingen wir an Deck.

Adi war dicht hinter uns. Der Vollmond stand über der Dschamna. Wir sahen, daß das Fahrzeug nur innen als elegante Jacht eingerichtet war. Es machte von außen ganz den Eindruck eines Motorfrachtkutters. Es lag am waldigen Ufer in einer Bucht vertäut.

Auf dem Vorderdeck standen Tamar Dak und der Chinese. Sie kamen rasch herbei.

„Geht!“ rief Adi. „Die drei sind frei!“

„Eine Scheibe splitterte vorhin,“ meinte der braune Athlet.

Wir gingen schon über die Laufplanke, tauchten rasch in den Büschen unter.

Hinter uns Greebracs Stimme:

„Macht den Kutter, los – vorwärts!“

Dann das Knattern des Motors.

Dann vor uns eine Kindergestalt – eine andere Stimme:

„Sahib Harst, es ist gelungen!“

Es war Sistri, der Zwerg.

 

5. Kapitel.

Chilka Ragans letzte Zahlen.

Lautlos, wie er herbeigehuscht war, verschwand er wieder. Niemand fand Zeit, ihm irgendwie zu danken.

Wir eilten schweigend weiter. Harst voran, dann Ozeana, dann ich. Harald legte ein Tempo vor, das deutlich verriet, wie stark er mit einer Sinnesänderung Greebracs rechnete, vielleicht infolge der Einflüsterungen Tamar Daks, der bei ihm viel vermochte.

Wir kamen auf eine Landstraße, an ein größeres Gebäude. Es lag inmitten eines Riesenparkes, hatte zahlreiche barackenähnliche Nebenhäuser.

An der Gitterpforte machte Harald halt.

„So – nun können wir erst verschnaufen,“ meinte er. „Es ist das Seuchenkrankenhaus Agras. Bis zur Stadt sind es drei Kilometer. Der Direktor wird uns sein Auto leihen.“

Er tat es auch, äußerst bereitwillig. Harst sagte, wir hätten uns etwas verirrt, und Miß Wattner wäre ganz erschöpft. Ob der Arzt dies Märchen wirklich geglaubt hat, bezweifle ich. Wenn Harst und Schraut irgendwo in einer Verkleidung mit einer ebenfalls verkleideten Europäerin auftauchen, wird ein leidlich intelligenter Mensch nicht gerade annehmen, Verirrte vor sich zu haben.

Jedenfalls: wir fuhren nun direkt zu Detektivinspektor Lockpors hübschem Bungalow.

Lockpor, der dicke, gemütliche Lockpor und seine freundliche Gattin waren uns ebensowenig fremd wie sein Garten und sein weißes Haus mit der breiten, schattigen Veranda.

Es war jetzt kurz vor ein Uhr morgens. Wir mußten eine Weile an der Gartentür läuten, bevor das Haus hell wurde. Vier Fenster strahlten auf. Dann kam ein Diener und fragte – oder besser wollte fragen.

Der Diener war noch derselbe würdige Amibar, der uns vor zwei Jahren das Mittag bei Lockpors serviert hatte.

„Amibar, ich bin Harst,“ sagte Harald.

„Ah – endlich, Sahib, endlich! Wir sind Euretwegen schon sehr in Sorge gewesen. Sahib Boßwell hatte schon vorgestern telephoniert, und –“

„Nachher, Amibar, nachher. Melde uns an.“

Wir hatten das Auto schon eine Querstraße vorher verlassen. Wir wollten dem Chauffeur des Arztes verheimlichen, wo wir blieben. Greebrac sollte, falls er uns nachspionierte, wenig Glück damit haben.

Der dicke Lockpor vergaß sein gewohntes Phlegma vor Wiedersehensfreude.

„Lockpor,“ meinte Harald sehr bald, „es darf nicht bekannt werden, wo wir drei stecken. Bei Ihnen dürfen wir nicht bleiben. In einem Hotel oder Pensionat auch nicht. Wir müssen heimlich wo unterkommen.“

Amibar trat erregt ein. „Sahib Harst, man ist Euch nachgeschlichen. Es war ein Knabe auf der Veranda. Er entfloh. Es war ein Spion.“

„Ganz recht,“ nickte Harald. „Es war mein Spion. – Also, bester Lockpor, wohin mit uns?“

Frau Lockpor rief jetzt: „Ein Gedanke: unsere Motorjacht! – Wie wär’s damit?“

„Sehr gut. Ich kenne sie ja. Liegt sie noch vor dem Wasserpavillon vertäut?“

„Ja. Soll Amibar Sie sofort hinführen? –“

Amibar brachte uns durch den Garten, der sich bis zum Dschamnaufer hinzog, an die Wassertreppe, kettete das kleine Boot los und kehrte um. Wir ruderten die acht Meter bis zu den beiden dicken Pfählen, zwischen denen die Jacht Halinda vertäut war.

Nachher, als wir Ozeana die einzige Schlafkabine zugewiesen hatten, erschienen auch schon Lockpor, der jetzt völlig angekleidet war, und Amibar mit einem großen Korb voll Lebensmitteln und einem Ballen Schlafdecken und Kissen.

Harst reichte Ozeana einige Erfrischungen in die Kabine. Dann saßen wir mit Lockpor in der Kajüte, und auf dem Tische summte die Teemaschine, und des Inspektors Fragen stürmten wie Wellen über uns her.

„Boßwell hatte Sie beide angemeldet,“ erklärte er. „Zwei Beamte von mir waren auf dem Bahnhof, fanden Sie aber nicht heraus. Was ist denn nun eigentlich los? Boßwell tat so geheimnisvoll am Fernsprecher. Handelt es sich um die Verfolgung des Ihnen in Ceylon entwischten Greebrac, lieber Harst? Und – wer ist nun eigentlich das blonde Prachtweib, das Sie da mitgebracht haben?“

„Um Greebracs Verfolgung handelt es sich jetzt nicht,“ erwiderte Harst, „sondern um die vor Jahren gestohlene Perlenkette der Herzogin von Ixstadt. Die blonde Frau ist die Tochter des Diebes, eine Artistin, die alles aufbieten will, die Kette der Eigentümerin zurück zu verschaffen. Erst nahm ich an, sie wollte den Schmuck für sich haben. Im Auto auf dem Wege zu Ihnen, Inspektor, wurde dieser Irrtum aufgeklärt. Einzelheiten darf ich ihnen leider nicht mitteilen. Schraut, ich und unser Schützling Ozeana Wattner sind zum Schweigen verpflichtet. Immerhin kann ich Ihnen verraten, daß die Perle, die bei dem Schlangenbeschwörer Chilka Ragan von der Polizei beschlagnahmt wurde, sehr wahrscheinlich zu der Kette gehört.“

„Sieh da – sieh da!“ schmunzelte Freund Lockpor. „Also Chilka Ragan! Trotz seiner siebzig Jahre und trotz seiner Volkstümlichkeit ein böses Früchtchen! Wir waren auf ihn schon vor längerer Zeit aufmerksam geworden, weil bei ihm – er besitzt ein ganz hübsches Häuschen mit Garten – so allerlei dunkle Gestalten nachts verkehrten. Hier in Agra sind nämlich in den letzten acht Monaten genau acht größere Diebstähle verübt worden. Die Spitzbuben waren nie zu fassen. Der letzte Diebstahl vor zwei Tagen bei Oberst Dalcolm wäre so etwas für Sie, lieber Harst. – Durch diese rege Tätigkeit der Verbrecherzunft wurden auch wir staatlich bestellten Hüter der Ordnung etwas aufgepeitscht. So kam es, daß wir auf Chilka Ragan scharf wurden, und so kam’s weiter, daß wir ihn verhafteten, als er eine Perle verkaufen wollte, die so kostbar war, wie –“

„Schon gut, Lockpor. Sie haben bei Chilka dann natürlich Haussuchung abgehalten?“

„Ja, aber nichts Belastendes gefunden.“

„Könnten wir nachher Chilka mal im Polizeigefängnis besuchen? Ich möchte ihn allein sprechen, das heißt, Schraut soll mit dabei sein.“

„Aber gewiß. Ich fürchte nur, er wird nicht verraten, wo er die Kette verborgen hat.“

„Vielleicht doch!“ – Harst zog Ozeanas Talisman hervor. „Miß Wattners Vater hatte die Kette seiner Zeit Chilka anvertraut und ihm dabei wahrscheinlich gesagt, daß er sie nur jemand aushändigen solle, der sich durch diese Bleimünze ausweist.“

„Hm – das wäre allerdings etwas anderes.“ –

Gegen fünf Uhr morgens verließen wir die Jacht. Lockpor begab sich voraus ins Gefängnis. Als wir dort eintrafen, erwartete er uns schon mit recht bestürztem Gesicht im Büro des Verwalters.

„Denken Sie, Harst, der Kerl hat sich aufgeknüpft!“ rief er. „Das kann erst vor zwei Stunden etwa geschehen sein. Jedenfalls ist er tot. Aber – er hat etwas sehr Merkwürdiges in die Tünche der Zellenwand eingekratzt. – Kommen Sie. Sehen Sie selbst. Die Leiche habe ich ebenfalls hängen lassen, wie sie hing.“

So lernten wir nur noch den toten Chilka Ragan kennen. Harst durchsuchte die Zelle auf seine Art, prüfte den aus einer Wolldecke gedrehten Strick, in dessen Schlinge der weißbärtige Alte sein sicher sehr abenteuerreiches Leben ausgehaucht hatte, und meinte dann: „Es liegt wirklich Selbstmord vor.“

Das, was in die Wand eingekratzt war, sah so aus:

 

 

Harald stand wohl zehn Minuten regungslos vor dieser seltsamen Inschrift. Dann sagte er: „Gibt es in Chilkas Garten vielleicht eine Brahmastatue?“

Lockpor blickte Harst überrascht an. „Ja, das ist richtig. Im hintersten Winkel steht ein alter Steingötze.“

„Und der Garten zieht sich von Süden nach Norden, so daß der Götze am Nordende sich befindet?“

„Auch das trifft zu.“

„Dann lassen Sie sofort von dem Götzen zwanzig Schritt nach Süden, dann zehn Schritt nach Westen, von da acht Schritt nach Osten und von da zehn wieder nach Süden abschreiten. An dieser Stelle graben Sie nach, Lockpor. Sie werden, denke ich, so auf die Perlenkette stoßen. Chilka Ragan, der hier wohl eingesehen hat, daß er ohne ein Geständnis nicht freikäme und daß er dann ebenfalls bestraft werden würde, zog es vor, seinem Leben lieber ein Ende zu machen als hinter Kerkermauern – er, der berühmte Schlangenbeschwörer! – hinzuwelken. Vorläufig weiß ich keine einleuchtendere Erklärung für seinen Tod.“ –

Lockpor begab sich sofort mit zwei Beamten an Ort und Stelle. Nach einer Stunde kehrte er mit der in einer Blechschachtel liegenden Perlenkette zurück.

Harst schob sie in die Tasche. „Ich werde sie auf einem Umwege der Eigentümerin zurückgeben,“ sagte er leichthin.

„Wie Sie wollen, lieber Harst. Mir ist es recht.“

„Und dann, Lockpor: von der Kette darf vorläufig nichts in die Öffentlichkeit dringen, verstanden!“

„Wird gemacht. Meine Leute schweigen.“

Wir befanden uns noch im Büro des Gefängnisverwalters. Das Telephon schlug plötzlich an.

Lockpor wurde verlangt. Er nahm den Hörer, meldete sich, rief bald:

„Ah – Oberst Dalcolm! Ein Happen für Sie, Harst!“

Hiermit endete unser Abenteuer mit Chilka Ragan, das ja nur ein Zwischenspiel darstellte. – Austin Greebrac erhielt am nächstfolgenden Abend die Kette ausgehändigt. Dies will ich hier noch zum Schluß vermerken.

Und inzwischen – und nachher?

Der Leser wird zufrieden sein: Oberst Dalcolms Nachttischlampe gibt über alles Aufschluß.

 

 

Oberst Dalcolms Nachttischlampe

 

1. Kapitel.

Ein alltäglicher Fall?

„Ah – Oberst Dalcolm! Ein Happen für Sie, Harst!“

So hatte Detektivinspektor Lockpor am Telephon gesagt.

Wenn jemand Harst gegenüber in dieser Weise von einem Happen spricht, dann kann es sich dabei nur um einen Kriminalfall ganz besonderer Art handeln.

So war es denn auch. – Nachdem Lockpor Harald die Perlenkette übergeben hatte, kehrten wir beide auf die Jacht zurück. Der Inspektor wollte uns dort sehr bald wieder besuchen.

Inzwischen war es neun Uhr vormittags geworden. Harst und ich suchten die Bootsbrücke wieder auf, wo wir das kleine Beiboot vertäut hatten, mit dem wir bis in die Nähe des Polizeigebäudes gerudert waren.

Das Boot war noch da. Aber – es saß jemand auf dem Heckbrett, – eine kleine Inderin mit langem schwarzen Haar, ein Kind in einem nicht ganz sauberen langen blauen Gewand.

Das Mädchen drehte uns den Rücken zu und spielte mit einer Pappschachtel, die es als Schiffchen an einer Schnur im Wasser schwimmen ließ.

Harald rief das Kind an. Da drehte es langsam den Kopf und zeigte uns ein seltsam faltiges unkindliches Gesicht.

Es war Sistri, der Zwerg; Sistri, ohne Bart.

Er riß rasch die Pappschachtel an sich und kletterte auf den Steg, ganz so wie ein Kind, das bei etwas Unerlaubtem ertappt ist.

„Vorsicht!“ raunte Sistri uns zu, als er an uns vorüber an Land lief.

Dann verschwand er in einer engen Gasse des Uferviertels.

Auf der Heckbank aber fanden wir einen kleinen mit einer Stecknadel an das Holz gespießten Zettel, den Harst ganz unauffällig an sich nahm und ebenso unauffällig las, während ich das Boot loskettete.

Ich ergriff die Ruder und setzte mich. Langsam glitten wir zwischen den ankernden Kähnen hindurch auf den Fluß hinaus. Harst steuerte. Ich merkte jedoch, wie seine Augen dauernd hin und her flogen, als ob er auf irgend etwas wartete.

„Was stand auf dem Zettel?“ fragte ich schließlich, als er stumm blieb.

„Nur wenige Worte, mein Alter:

Ihr wurdet von der Jacht bis zum Polizeigebäude von zwei verschleierten Inderinnen verfolgt. Vorsicht!

Du siehst also, Sistri ist die beste Schutzwache, die man sich wünschen kann. Greebrac hat den Vertrag gebrochen. Nur seine Kreaturen können diese Spione sein! Ich werde mir mithin sehr genau überlegen, was ich tun werde –“

Eine kleine Pause.

Seine Augen hafteten auf einem offenen Motorboot, das pfeilschnell herbeigeschossen kam – offenbar auf uns zu. In dem Boote waren nur zwei Leute sichtbar, merkwürdigerweise zwei verschleierte Weiber, also mohammedanische Inderinnen, denn nur Mohammedanerinnen tragen dort den Gesichtsschleier.

Harst griff unauffällig in die Tasche.

„Schade, daß unsere Clementpistolen im Bombay geblieben sind,“ sagte er mit jenem Aufblitzen seiner grauen Augen, das stets irgend eine Katastrophe voraussagt – eine Katastrophe für andere.

„Rudere schneller!“ befahl er dann. „Unser Boot wird dem beabsichtigten Rammstoß nur durch geschicktes Manövrieren entgehen.“

Das Motorboot war noch zwanzig Meter entfernt, mußte uns so, wie wir fuhren, auf Backbord treffen.

Da – ein Druck des Steuers.

Unser Kahn flog herum, in ganz kurzem Bogen, dem Angreifer entgegen.

Sofort beschrieb auch das Motorboot eine Kurve, um uns wieder von der Seite packen zu können.

Und jetzt, wo kaum noch acht Meter die beiden Fahrzeuge trennten, bückte sich das Weib, das drüben steuerte, hob mit der Rechten einen kurzen Bootshaken auf und schleuderte ihn nach Harst.

Das ging so blitzschnell, daß Harald kaum Zeit fand, sich lang nach vorn fallen zu lassen.

Der Wurf war, trotzdem beide Boote sich in Bewegung befanden, so tadellos berechnet gewesen, daß die Spitze des Bootshakens sich in den Rand des Heckbrettes einbohrte.

Harald feuerte jetzt.

Da das Weib am Steuer sich tief zusammengeduckt hatte, mußte Harst die andere Verschleierte, die außerdem soeben aus dem faltigen Gewande ein blinkendes breites afghanisches Wurfmesser zum Vorschein gebracht hatte, aufs Korn nehmen.

Mit einem leisen Aufschrei taumelte das Weib zurück, stolperte über irgend ein Hindernis und fiel rücklings ins Wasser.

Das Motorboot flüchtete.

Bevor wir die Verwundete herausfischen konnten, waren ihre Kleider bereits voll Wasser gesogen. Sie versank.

Harst sprang über Bord, tauchte – und kam mit dem Weibe wieder zum Vorschein.

Wir zogen sie ins Boot. Dabei verrutschten Kopftuch und Gesichtsschleier.

Und wir sahen das braune, von einem kurzen krausen Vollbart umgebene Gesicht eines jüngeren Inders –!

„Wundert Dich das?!“ meinte Harald. „Glaubtest Du wirklich, daß zwei Frauen es auf die Perlenkette abgesehen gehabt haben könnten?! – Der Zusammenhang ist doch klar. Ich bin verpflichtet, Greebrac die Perlen zu verschaffen. Also läßt er mich trotz der entgegenstehenden Vereinbarung beobachten. Die Weiber, die verkleidete Getreuen Greebracs, haben fraglos auch mitangesehen, wie in Chilkas Garten der Kasten ausgegraben wurde. Sie sagten sich: in dem Kasten ist die Kette enthalten gewesen. Harst wird sie an sich nehmen. Also – rauben wir sie ihm!“

Ich ruderte bereits mit aller Kraft der Jacht zu. Harald fesselte den Inder, dem die Revolverkugel in die linke Schulter gedrungen war und im Gelenk saß, wie Harald rasch festgestellt hatte.

Der Vorfall war, obwohl einige Lastkähne in der Nähe lagen, nicht weiter beachtet worden. Ein Schuß auf dem Wasser ist nichts besonderes. Außerdem konnte auch niemand, der die Vorgänge nicht von Anfang mitangesehen, bei der blitzschnellen Aufeinanderfolge der Hauptereignisse irgendwelche Schlüsse ziehen, was eigentlich geschehen war.

Wir legten an der Jacht an.

Ozeana erschien an Deck.

„Oh – auch Sie haben etwas erlebt!“ rief sie. „Ich bin froh, daß Sie wieder hier sind, meine Herren!“

Sie half den Inder in die Kajüte tragen. Ich vertäute das Beiboot und stieg nun ebenfalls in die kleine Kajüte hinab.

Ozeana und Harald hatten den Verwundeten auf eine Decke auf das Wandsofa gelegt. Gerade als Harst nun die Wunde auswusch, fand sich Lockpor ein.

Der dicke Inspektor war sprachlos, als er hörte, was uns begegnet war.

„Lassen Sie jetzt erst Miß Wattner berichten,“ meinte Harald, da Lockpor wieder unzählige Fragen stellte.

„Das ist bald erzählt,“ sagte die blonde Artistin in ihrer frischen, kecken Art. „Ich hatte mich in Kleidern auf das Bett meiner Kabine gelegt, konnte jedoch nicht einschlafen. Nachdem Sie beide die Jacht verlassen hatten, stand ich sehr bald auf, setzte mich hier in die Kajüte, frühstückte und wollte dann an Deck, als ich hörte, wie ein Motorboot sich der Jacht näherte. Es saßen zwei verschleierte Weiber in diesem Boot. Sie bemerkten mich, fuhren im Bogen um die Jacht herum und wollten mir scheinbar den Weg nach dem Lande abschneiden, da ich das zweite Beiboot inzwischen an der Leine herangeholt hatte. Ich bin nicht ängstlich. Unsereiner lernt die Gefahr verachten. Ich faßte ruhig in die Tasche und entsicherte mein Spielzeug von Damenrevolver. Diese Waffe war den Weibern wohl unangenehm. Das Motorboot jagte davon. Das ist alles.“

Harst schaute den bärtigen Inder an.

„Also war das Motorboot vorher hier,“ meinte er nachdenklich. „Kennen Sie diesen Inder, Lockpor? Der Mann ist übrigens längst wieder bei Bewußtsein. Er heuchelt nur noch eine tiefe Ohnmacht.“

„Nein, ich kenne ihn nicht,“ erwiderte der Inspektor. Dann brüllte er den Mann an:

„Bursche, es wäre besser, Du würdest die Augen und den Mund aufmachen und ein Geständnis ablegen. Wer bist Du?“

Der Verwundete regte sich nicht. Und doch war er wach. Das sah man an dem Zittern seiner Augenlider, die er krampfhaft geschlossen hielt.

Lockpor richtete nichts aus. Der Kerl war für alle Drohungen unempfänglich.

„Lassen Sie ihn!“ sagte Harald. „Setzen wir uns. Schraut, ich würde Dir dankbar sein, wolltest Du noch Tee aufbrühen.“

Die Spirituslampe puffte auf.

„So – nun der Fall Dalcolm, lieber Lockpor,“ bat Harald.

Lockpor nickte. „Gern. – Hier sind meine Zigaretten, Harst. Bedienen Sie sich. Wollen Sie sich nicht erst umziehen?“

„In Agra? Vormittags? Bei 27 Grad Wärme? Nein, da sind nasse Sachen eine Wohltat.“

Auch Ozeana nahm eine Zigarette. Dann begann der Detektivinspektor:

„Oberst a. D. Dalcolm ist einer der vielen Engländer, die durch den Dienst auf einsamen Posten schließlich zu Sonderlingen werden. Er wohnt hier in Agra weit draußen in der Nähe des Seuchenlazaretts dicht am Fluß in einer alten Baracke von Bungalow zusammen mit drei Dienern. In der Stadt läßt er sich nie sehen. Er verkehrt mit niemandem. Seine Zerstreuung ist die Jagd und die Dressur von allerlei Getier. Ich selbst hatte Dalcolm bis vor zwei Tagen stets nur von ferne gesehen. Dann aber ereignete sich folgendes. Ein Diener Dalcolms kam morgens zu mir und meldete, sein Herr habe in der Nacht einen Einbrecher erschossen. Ich möchte doch zu Dalcolm kommen und den Tatbestand aufnehmen.

Ich fuhr also hinaus. Der tote Einbrecher, ein älterer Hindu, lag auf der Veranda vor Dalcolms Schlafzimmer. Der Oberst hatte den Mann bei der Flucht durchs Fenster niedergestreckt. Die Kugel war in den Hinterkopf eingedrungen.

Dalcolm, eine schlanke, straffe Erscheinung mit blondem Spitzbart, erklärte, daß er nachts gegen ein Uhr darüber aufgewacht sei, wie seine Nachttischlampe plötzlich aufflammte. Da habe er an einem Schrank rechts neben seinem Bett einen Mann bemerkt, der entsetzt nach der elektrischen Lampe hinstierte und dann zum Fenster sprang. Da rief Dalcolm dreimal halt und schoß. Das wäre alles.“

Nun – mir erschien dieser Fall recht alltäglich. Auch Ozeana Wattner meinte:

„Oh – ich bin enttäuscht, Mr. Lockpor!“

 

2. Kapitel.

Der Hauptpunkt.

Harald saß so, daß er von seinem Wandsofaplatz unseren stummen Gefangenen im Auge behalten konnte. Er hatte denn auch, während Lockpor die langweilige Geschichte vortrug, sich kaum bewegt und dauernd nach dem Verwundeten hingeblickt.

„Weshalb sind Sie enttäuscht, Miß?“ fragte er nun. „Entweder hat der Oberst gelogen oder der Fall liegt wirklich sehr merkwürdig.“

Lockpor lächelte. „Aha – Harst hat den Hauptpunkt natürlich herausgefunden!“

„Wenn Sie damit den Umstand meinen, daß die Nachttischlampe doch weder von Dalcolm noch von dem Einbrecher eingeschaltet worden sein kann, dann allerdings!“

„Stimmt! Dalcolm betonte wiederholt, es sei ihm unbegreiflich, wer dies getan haben könnte. Es war darüber sehr aufgeregt.“

„Worüber?“

„Daß noch ein anderer Mann im Schlafzimmer versteckt gewesen sein müsse, dem er infolge eigener Nachlässigkeit Zeit zum Entschlüpfen ließ. Als ihm einfiel, außer dem Diebe, der vor dem offenen Schranke kniete, sei doch fraglos noch ein weiterer Eindringling dagewesen, war es zu spät, nachzusuchen.“

„Wie war der Einbrecher ins Zimmer gelangt?“

„Durch das Fenster, dessen rechter Flügel nur mit Drahtgaze bespannt war. Diese hatte er zerschnitten.“

„Kannte jemand diesen Einbrecher?“

„Ja. Er gehörte mit zu den Leuten, die bei Chilka Ragan verkehrten.“

„Ah – das ist wichtig.“

„Es war ein Mann, der schon oft im Gefängnis gesessen hatte, ein gewerbsmäßiger Dieb, ein sehr gefährlicher Mensch. Er hieß Ahmed Ambak.“

„Was wollte er stehlen? Hatte er schon Beute zusammengepackt?“

„Nein. Offenbar gedachte er erst den Inhalt des Schrankes zu untersuchen. Er hatte eine Taschenlampe bei sich. Sie war ganz neu.“

„Was telephonierte der Oberst Ihnen vorhin, Lockpor?“

„Daß er einen zweiten Einbrecher erschossen hat – unter genau denselben Umständen.“

Nun gewann der Fall allerdings ein ganz anderes Aussehen.

„Sie werden sich zu Dalcolm begeben?“ fragte Harst den Inspektor nach kurzer Pause.

„Ja. Sofort. Wollen Sie mit?“

„Ich will mit Schraut allein hin, wenn es Ihnen recht ist, lieber Lockpor. Einer von uns muß den Gefangenen hier bewachen.“

„Oh, ich bin einverstanden. Wenn ich einen Harst als Vertreter sende, dürfte niemand dagegen etwas einzuwenden haben.“

„Gut, dann wollen wir aufbrechen.“ Das galt mir. „Legen wir die Bärte und Perücken ab, mein Alter. Mein Bart ist ohnedies halb abgeweicht.“

Gleich darauf bestiegen wir das Boot, nachdem Harald die Perlenkette Lockpor vorläufig übergeben hatte.

Wir hatten uns dann kaum dreißig Meter von der Jacht entfernt, als Harald, der wieder am Steuer saß, sehr ernst sagte:

„Der Fall Dalcolm ist wichtiger, als Du glaubst. Wir werden dort bei dem Oberst sehr auf unserer Hut sein müssen – sehr! Es ist falsch, was ich vorhin annahm: das Motorboot und die beiden verkleideten Männer gehören nicht zu Greebracs Garde.“

„Wobei weißt Du das?“

„Durch den Verwundeten. Frage jetzt nichts. Wir werden diesem Dalcolm sehr scharf auf den Zahn fühlen.“

Lockpor hatte uns den zu dem Grundstück des Obersten gehörigen Landungssteg genau beschrieben. Nach einer Viertelstunde waren wir angelangt. Wir vertäuten unser Boot. An dem weit ins Wasser reichenden Stege lagen drei Ruderboote und eine kleine Segeljacht.

Harst stand jetzt neben mir auf den Planken des Steges und meinte:

„Weit und breit kein zweiter Bootssteg! Diese kleine Bucht liegt für Leute, die im Trüben fischen wollen, sehr günstig!“

Und nach kurzer Pause: „Übrigens fehlt hier ein Fahrzeug, das sonst stets hier vertäut war. Da – die beiden Pfähle sind oben durch die Taue ganz ausgescheuert. Und – ja, hier haben Ölkannen auf den Planken gestanden. Sehr oft. Beachte das. Ölt man ein Ruderboot, eine Jacht?“

„Nein. Aber ein Motorboot zum Beispiel!“ sagte ich rasch, da ich Harsts Andeutungen sofort begriffen hatte.

„Ja – ein Motorboot fehlt. Und – und unser Gefangener zuckte vor Schreck zusammen, als ich sagte, wir beide würden uns zu Dalcolm begeben. Mithin –“

„– mithin kann Dalcolms Motorboot zu dem Überfall gegen uns benutzt worden sein.“

„Ja – und mithin kann Dalcolm, der Jäger und Freiherr, nebenbei sich noch als Pirat versuchen. Der Mann, der den Bootshaken so trefflich schleuderte, war – ein Europäer! Beim Werfen verschob sich der Ärmel. Die Haut des Unterarms war blendend zart.“

Haralds Blicke wandten sich dem Ufer und dem Garten Dalcolms zu.

„Wir werden beobachtet,“ meinte er dann. „Es ist Dalcolm. Ich halte es –“

Da – er hatte mich zur Seite gerissen – mit solcher Kraft, daß wir ins Wasser fielen, da der Steg nur an einer Seite ein Geländer hatte.

Und doch hatte ich noch das Pfeifen von drei – vier Kugeln gehört, – von Kugeln, die uns gegolten hatten.

Wir waren nun im Schutz der Pfahlreihe des Steges geborgen, standen bis zu den Schultern im Wasser und hatten nur eins zu fürchten: die Dschamnakrokodile, die im Gegensatz zu den gemütlichen Gangesbestien gleicher Art sich durch Angriffslust und steten Hunger unvorteilhaft auszeichnen.

„Es war Dalcolm,“ flüsterte Harald. „Er schoß mit einer Repetierbüchse. – Warten Sie, Herr Oberst, das soll Ihnen teuer zu stehen kommen.“

Dann schon ein lauter Ruf:

„Sie sind doch hoffentlich nicht verwundet!“

Schritte dröhnten auf den Planken.

Über uns stand ein vornehm aussehender Mann im weißen Leinenanzug.

„Wer sind Sie, meine Herren? – Ich bin entsetzt, daß ich beinahe Unheil angerichtet hätte,“ sagte er scheinbar ganz zerknirscht. „Ich werde Ihnen nach oben helfen.“

Nun schauten wir uns Oberst Harry Dalcolm aus nächster Nähe an.

Der Eindruck ruhiger Vornehmheit blieb.

„Ich feuerte auf eine Möwe,“ sagte er, indem er eine ungewisse Handbewegung nach dem Flusse hin machte. „Zu spät bemerkte ich Sie beide. Entschuldigen Sie –“

„Das tut nichts, Mr. Dalcolm. Sie gestatten: ich bin Harald Harst. Das dort mein Freund Schraut. Inspektor Lockpor schickt uns.“

„Weswegen, wenn ich fragen darf?“

„Des Einbrechers wegen –“

„Ah – deshalb! – Es freut mich, daß Sie die Sache untersuchen wollen, Mr. Harst. Bitte, gehen wir. Der Tote liegt noch auf der Veranda.“

Dieser Dalcolm mußte ein ganz gerissener Halunke sein. Er hatte sich tadellos in der Gewalt und schauspielerte in der Vollendung.

Als wir den Garten durchschritten, erzählte Dalcolm, daß er in dieser Nacht abermals durch das Aufflammen der Nachttischlampe geweckt worden sei und daß wieder ein brauner Kerl vor dem Kleiderschrank gekniet hätte. –

Jedenfalls war dieser zweite Einbruch mit den für den Dieb so traurigen Folgen in nichts von dem ersten verschieden.

Ich kann daher alles Nebensächliche weglassen.

Der Erschossene war wieder ein älterer Inder. Ein Polizist, den Dalcolm sofort nach dem blutigen Ausgang dieses Diebstahlversuchs von der Straße hereingerufen hatte, war jetzt wieder zur Stelle und erklärte Harst, es handele sich hier ebenfalls um einen gewerbsmäßigen Einbrecher, der auch zu Chilka Ragans nächtlichen Besuchern gehört hätte.

Als wir nun in Dalcolms Schlafzimmer standen, fragte Harald den Oberst:

„Haben Sie diesmal nach dem Manne gesucht, der die Lampe eingeschaltet hat?“

„Ja, Mr. Harst, – sofort! Aber ich fand niemand.“

Harald besichtigte die Nachttischlampe, die einen schweren Bronzefuß hatte und den elektrischen Strom aus einer Steckdose hinter dem Nachttisch erhielt.

Dalcolm versicherte nochmals, daß er die Lampe vor dem Einschlafen ausgedreht hätte.

Harst trat vor den Kleiderschrank, nachdem er unter das Bett gekrochen war und die Dielen dort abgeleuchtet hatte.

„Der Schlüssel steckt stets in diesem Schrank?“ fragte er.

„Ja. In dem Schrank hängen Kleider.“

Harald öffnete ihn.

„Kniete der Dieb wiederum vor dem geöffneten Schranke wie das erste Mal?“

„Ja. Genau so, Mr. Harst.“

„Was steht dort unten?“

Harald deutete auf ein paar Pappschachteln, die am Boden des Schrankes aufgeschichtet waren.

„Meine photographische Kamera und mein Vergrößerungsapparat. Ich bin sehr eifriger Amateurphotograph.“

Bei dem Worte Vergrößerungsapparat blickte ich Harald unwillkürlich an. Ich erinnerte mich an das, was Harst in Bombay Inspektor Boßwell geraten hatte: es sollten alle einschlägigen Geschäfte angefragt werden, ob in den letzten Tagen ein Vergrößerungsapparat verkauft worden sei. Greebrac brauchte ja einen solchen Apparat, wenn er die Mikrophotographie aus dem Rubinring lesbar machen wollte.

So kam endlich wieder der Rubinring zu seinem Recht. Endlich wurde er wieder durch diesen Kleiderschrank uns nähergerückt.

Harald hatte meinen Blick aufgefangen und durch ein unmerkliches Kopfschütteln erwidert. Ich verstand, was er damit ausdrücken wollte: der Ring sollte nicht erwähnt werden! – Ich hätte es auch ohne diesen Wink nicht getan.

„Ich begreife nicht, was der Dieb oder die beiden Diebe hier stehlen wollten,“ sagte Harald nun und drehte sich langsam um. „Es ist ja klar, daß sie es auf denselben Gegenstand abgesehen hatten. Sind in diesem Schranke vielleicht Wertsachen verborgen, Mr. Dalcolm?“

Harst spielte Komödie. Er wußte ebenso gut wie ich, worauf die Einbrecher es abgesehen gehabt hatten. Sie waren eben Mitglieder von Austin Greebracs Bande und wollten den Vergrößerungsapparat stehlen, den Greebrac nicht zu kaufen wagte, weil er damit rechnete, daß die Polizei jeden Käufer eines solchen Apparats nicht mehr aus den Augen lassen würde. Er mußte irgendwie erfahren haben, daß Dalcolm einen Vergrößerungsapparat besaß, und so hatte er denn so kurz hintereinander zwei seiner Getreuen, die sich hierzu eigneten, ausgeschickt, damit sie den für ihn so überaus nötigen Gegenstand holten. Wir wußten ja von Ceylon her, wie blindlings die Mitglieder dieser Bande ihrem Anführer ergeben waren, wußten auch durch unser Erlebnis mit Sistri in Bombay, daß es bei dieser Verbrechergenossenschaft keinen Widerspruch gegen einen Befehl gab. –

Der Oberst erwiderte auf Harsts Frage in seiner liebenswürdigen Art:

„Wirklich nicht, Mr. Harst. Auch nicht ein Wertstück ist darin. Was die Kerle in dem Schranke suchten, ist mir genau so schleierhaft wie Ihnen.“

Harald bat nun, die Diener Dalcolms verhören zu dürfen.

Dies geschah in Dalcolms Arbeitszimmer. Mochte der Bungalow auch noch so baufällig sein, die Inneneinrichtung war äußerst gediegen, geschmackvoll und verriet viel Sinn für ein hübsches Heim.

Die drei Diener des Obersten waren ältere Inder mit steinernen Asiatengesichtern. Da war alles Fragen und Bohren zwecklos.

Harsts Fragen hatten sich hauptsächlich in der Richtung bewegt, ob die Diener Beziehungen zu irgend welchen Leuten aus Agra unterhielten.

Dalcolm bot uns jetzt Zigarren, Zigaretten und ein Glas Eispunsch an.

Wir saßen in seinem Arbeitszimmer um einen türkischen Rauchtisch in behaglichen Sesseln und taten ganz so, als ob wir uns gegenseitig sehr sympathisch wären. Und dabei hatte der Oberst uns erschießen wollen, und wir beide wieder hatten ihn und seine Gefährlichkeit längst durchschaut.

Die Unterhaltung drehte sich noch immer um die beiden Einbrüche. Man merkte ganz deutlich, daß der Oberst stets sehr unruhig und erregt wurde, wenn die Rede auf die Nachttischlampe und den Mann kam, der sie angedreht hatte. Daß er zwei Menschen erschossen hatte, daß nun zweimal kurz hintereinander jemand bei ihm eingedrungen war, ließ den Oberst ganz kalt. Nur dieser rätselhafte Mann regte ihn auf. Immer wieder fragte er Harst, wie dieser sich den Zusammenhang der Dinge erkläre.

„Der Mann muß doch irgend ein Interesse daran gehabt haben, die Diebstähle zu verhüten,“ sagte Dalcolm unter anderem.

„Ganz gewiß!“ nickte Harst. „Leider kann ich die Sache jedoch vorläufig auch nicht aufklären. Sie müssen mir etwas Zeit lassen, Mr. Dalcolm.“

Dieser Oberst wurde mir in der Tat immer interessanter. Zuweilen, wenn ich so heimlich ihn und seine ganze so vornehm-ruhige Art beobachtete, wenn ich sein faltiges, tief gebräuntes Gesicht mit den müden, etwas schläfrigen Augen und dem bereits leicht ergrauten Spitzbart prüfend betrachtete, schien es mir undenkbar, daß dieser tadellose Gentleman ein Verbrecher sein sollte, noch undenkbarer, daß er vor kaum zwei Stunden auf dem Flusse unser Boot hatte rammen wollen und nach Harst den Bootshaken mit so unheimlicher Sicherheit geschleudert hatte. –

„Vielleicht unternehmen die Leute, die es hier auf Sie abgesehen haben, einen dritten Einbruch,“ fügte Harald hinzu. „Ausgeschlossen ist es jedenfalls nicht. Dann könnten wir auch den Mann abfassen, der die Lampe einschaltet.“

„Sie wollen sich dann also hier verbergen, Mr. Harst?“ fragte Dalcolm gespannt.

„Ja. In Ihrem Schlafzimmer. Und zwar in demselben Schrank.“

„Ah – ein glänzender Gedanke. Ich bin durchaus einverstanden damit.“

Die Unterhaltung ging weiter. Harst verabredete, daß der Oberst uns heute abend gegen elf Uhr heimlich einlassen sollte.

Im Laufe des Gesprächs erwähnte Harald auch den Überfall auf dem Flusse mit ein paar ironischen Redewendungen.

„Denken Sie, Mr. Dalcolm, man wollte uns vorhin auf der Dschamna so etwas in Grund bohren. Da waren zwei verkleidete Kerle in einem Motorboot, die nur vergessen hatten, daß wir beide an solche Scherze gewöhnt sind. Uns ist derlei nichts Neues.“

Dalcolm spielte den Neugierigen geradezu glänzend.

„Erzählen Sie doch!“ meinte er. „Also ein Attentat?“

„Ja. Einen der Burschen haben wir gefaßt. Er will seinen Kameraden nicht verraten. Aber ich werde ihm doch den Mund öffnen. Der Polizei sind ja Mittel wie Suggestion, also die Erpressung eines Geständnisses durch Hypnose, verboten. Für mich gibt es diese Verbote nicht. Ich suche die Wahrheit, wo und wie ich sie finde.“

Ich sah deutlich, wie Dalcolms Gesicht sich für einen Moment schreckhaft verzog.

Haralds Hieb hatte also gesessen. Der Oberst fürchtete nun, daß der Inder unter dem Zwange der Hypnose alles beantworten würde, was Harst ihn fragte.

Dalcolm war jetzt, bis wir uns verabschiedeten, sehr zerstreut. Es fiel ihm schwer, sich nicht anmerken zu lassen, wie stark ihn Harsts Äußerung beunruhigte.

Er begleitete uns dann bis zum Boot und drückte uns kräftig die Hand.

„Auf Wiedersehen, meine Herren,“ rief er uns noch nach.

 

3. Kapitel.

Das Giftfläschchen.

Als wir die Jacht erreicht hatten, war Lockpor gerade aus der Kajüte an Deck gekommen und fragte nun sofort, was wir bei Dalcolm ausgerichtet hätten.

„Wenig,“ meinte Harst achselzuckend. „Lassen Sie jetzt den Erschossenen fortschaffen, Lockpor. Und wenn Ihre Gattin Miß Wattner bei sich im Hause aufnehmen will, so wäre es mir lieb. Wir beide möchten auf der Jacht allein sein. Es könnte sich doch so allerlei ereignen, was nicht gerade für die Nerven einer Frau geeignet ist. Einen Vorgeschmack haben wir ja bereits durch den Überfall auf dem Fluß erhalten.“

„Gern, gern nehmen wir die Miß zu uns ins Haus,“ beteuerte der dicke Inspektor. „Was soll mit dem Gefangenen geschehen, Harst?“

„Ich möchte ihn nochmals ausforschen. Am besten ist, Sie nehmen Miß Ozeana gleich mit.“

Bereits fünf Minuten später waren wir auf der Jacht mit dem Verwundeten in der Kajüte allein. Der Mann lag noch immer mit geschlossenen Augen da. Harst sprach ihn an, erhielt keine Antwort.

Und wieder fünf Minuten später nahte ein Ruderboot. Darin saßen Dalcolm und zwei seiner Diener.

Wir standen auf der Kajütentreppe, blickten dem Boot entgegen. Dalcolm winkte.

„Die Hypnose treibt ihn her,“ flüsterte Harst. „Wir werden sehr vorsichtig sein müssen.“

Das Boot legte an. Dalcolm kletterte auf Deck.

„Ich habe Ihnen etwas Neues zu melden, meine Herren,“ rief er, und seine Augen waren durchaus nicht mehr so schläfrig wie bisher. „Wartet auf mich!“ befahl er seinen Dienern.

„Eine Bitte, Mr. Dalcolm,“ meinte Harald da. „Könnten ihre Leute uns nicht aus der Stadt Zigaretten holen? Unser Vorrat[3] ist verbraucht.“

„Gewiß, gewiß. – Ihr werdet für Sahib Harst die Besorgung erledigen. Beeilt Euch!“

So wurden wir das Boot los. Nun hatten wir es nur mit Dalcolm zu tun.

Harst bat ihn in die Kajüte hinab.

Der Oberst musterte den Verwundeten flüchtig.

„Ein richtiges Verbrechergesicht,“ meinte er und setzte sich. „Aber – ich muß den Mann schon gesehen haben,“ fügte er grüblerisch hinzu. Dann stand er plötzlich wieder auf und trat dicht an den Mann heran, beugte sich über ihn und sagte:

„Bursche, Dich habe ich doch zweimal aus meinem Garten verscheucht!“

Der Inder blieb stumm.

Dalcolm nahm wieder Platz. „Ohne Zweifel – es ist derselbe Kerl!“ erklärte er. „Der Mensch wollte bei mir damals wahrscheinlich nur die Gelegenheit zu einem Diebstahl auskundschaften.“

Harald hatte sich nicht gesetzt, sondern sich an die Tür gelehnt, und sagte nun:

„Was geschah denn bei Ihnen, Mr. Dalcolm?“

Der Oberst winkte. „Setzen Sie sich doch, Mr. Harst. Ich liebe es, alles in Ruhe zu erledigen.“

„Bedauere. Inspektor Lockpor hat mich gebeten, den Verwundeten nicht einen Moment aus dem Auge zu lassen. Wenn ich sitze, kann der Mann mit seiner einen nicht gefesselten Hand irgend eine Teufelei begehen. Er spielt noch immer den Bewußtlosen.“

Dalcolm zuckte die Achseln. „Sie beide waren doch soeben auf Deck.“

„Bitte, nur auf der Treppe, von wo aus ich den Inder sehen konnte. Was ist also geschehen, Mr. Dalcolm?“

Dieses kurze Gespräch bewies mir, daß Harald aus irgend einem Grunde ein noch stärkeres Mißtrauen als bisher gegen den Oberst und den Verwundeten hegte.

„Oh,“ erklärte Dalcolm nun, und abermals hatten seine Augen alles Müde verloren, „oh, da hatte sich ein kleines Eingeborenenmädel in mein Schlafzimmer eingeschlichen, als ich Sie beide zum Bootssteg begleitete. Einer meiner Diener faßte das Kind ab, als es wieder zum Fenster hinausstieg. Es entfloh jedoch mit unheimlicher Schnelligkeit.“

„Und das erscheint Ihnen so bedeutungsvoll?“

„Ja, natürlich. Vielleicht ist es gar dasselbe Mädchen gewesen, das die Lampe die beiden Male eingeschaltet hat.“

„Möglich wäre das –“ – Harst schien angestrengt nachzudenken.

Dann fragte er:

„War es ein größeres Mädchen?“

„Nein, ein Kind mit langem Haar, der Größe nach etwa sieben bis acht Jahre alt.“

Ich hätte Dalcolm ebenso gut wie Harst sagen können, wer das Kind gewesen: Abdullah Sistri, der Zwerg! – Aber ich hütete mich, auch nur durch meinen Gesichtsausdruck zu verraten, daß ich dieses „Mädchen“ sehr wohl kannte. –

Dann – dann kam für Harst und mich jedoch eine andere Überraschung.

Dalcolm erwähnte, daß er heute früh in Agra gewesen war, und er nannte genau dieselbe Zeit, zu der wir auf dem Flusse überfallen worden waren.

„Mir ist das erst nachträglich eingefallen,“ meinte er. „Ich hatte mich von meinen Dienern bis in die Nähe der India-Bank rudern lassen, wo ich Geld abhob. Das Gespräch mit dem Bankdirektor zog sich etwas in die Länge. Als ich, wieder im Boot, heimkehrte, muß ich doch ziemlich zur selben Zeit dort an jener Stelle gewesen sein, wo das Motorboot Sie rammen wollte.“

„Oh – die Sache dauerte ja alles in allem keine zwei Minuten,“ sagte Harald mit einem ironischen Lächeln. „Ebenso plötzlich wie der Angriff erfolgte, wurde er auch abgeschlagen.“

Es konnte keinem Zweifel unterliegen: Dalcolm war wirklich auf der Bank gewesen! Wie hätte er dies behaupten dürfen, wo wir uns dort doch jede Minute erkundigen konnten!

Nein – hier hatte Harald versagt, hier hatte er falsch kombiniert! Ob nicht vielleicht gar der ganze Verdacht hinfällig war? Ob wir Dalcolm nicht Unrecht taten?! –

Gleich darauf kehrte Dalcolms Boot zurück.

„Gib dem Oberst das Geleit an Deck,“ bat Harst mich.

Dalcolm drückte Harald die Hand. „Auf Wiedersehen, lieber Mr. Harst. Also dann heute abend – Jagd auf den geheimnisvollen Lampeneinschalter!“

Sollte das ein Witz sein?! Bisher hatte doch gerade dieser „Lampeneinschalter“ den Oberst sehr beunruhigt?! Was hieß das nun wieder?!

Der Oberst stand jetzt neben mir an Deck. Harald war in der Kajüte geblieben.

Dann – dann die neue Überraschung.

Dalcolm rief plötzlich – nein, er brüllte:

„Dort – dort, – sehen Sie!“

Er hatte den rechten Arm gehoben und auf den Fluß hinausgedeutet.

Nun ein Schrei.

Nun ein Hochwerfen beider Arme, und der Oberst stürzte ins Boot hinab, wo ihn seine Diener zum Glück auffingen.

„Harald! Hierher! – Harald!“

Kein Harst erschien.

Dalcolm saß jetzt zitternd auf einer Ruderbank.

„Was sahen Sie denn auf dem Flusse?“ fragte ich.

Er stierte mich blöde an.

„Harst – soll – kommen!“ lallte er.

Ich eilte die Treppe hinab.

„Komme schon!“ rief Harald mir zu. Und flüsterte: „Komödie! Hier!“

Und er zeigte mir in der linken hohlen Hand ein winziges Fläschchen mit Glasstöpsel.

Dann war er schon an Deck.

Ich blieb hinter ihm. Dalcolm schien sich bereits erholt zu haben.

„Ich – ich leide an – Sinnestäuschungen,“ stammelte er. „Ich habe die Kämpfe gegen Afghanistan seiner Zeit mitgemacht und in einer Nacht etwas erlebt –“ – er schauerte zusammen – „etwas erlebt, das mich als Schreckgesicht noch heute verfolgt. Entschuldigen Sie, daß ich mich nicht besser zusammennehmen konnte. Auf Wiedersehen!“

Er gab den Dienern einen Wink. Das Boot schoß davon.

Wir gingen wieder in die Kajüte. Dort lag noch der Inder. Aber – jetzt hatte er die Augen offen; jetzt ruhten seine Blicke voll unaussprechlicher Angst auf Haralds Gesicht.

„Ich habe ihm das Fläschchen wieder abgenommen, das Dalcolm ihm in die ungefesselte Hand gleiten ließ, als er sich über ihn beugte,“ sagte Harst, den Mann scharf fixierend. „Der Oberst ist nur deshalb hierher gekommen. Das eingeborene Mädchen gab ihm eine willkommene Veranlassung zu diesem Besuch, mit dem ich gerechnet hatte. Deshalb hatte ich ja auch von Hypnose gesprochen – nur deshalb! Der Verwundete sollte sich vergiften. Und die Komödie soeben, der Schrei, sollte mich an Deck locken, damit der Mann hier das Gift trinken könnte. Er hat sich wie ein Verzweifelter gewehrt, als ich ihm das Fläschchen abnahm. – Wie heißt Du?“ Das galt dem Inder.

Da – die Augenlider senkten sich herab.

Und – wir bekamen auch nicht ein Wort aus dem Manne heraus – nicht eins! –

„Rudere jetzt zu Lockpors Bootssteg,“ befahl Harald mir dann. „Dieser Inder soll zum Schein tot sein – soll als Toter, eingehüllt in eine Decke, in die Leichenkammer der Polizeidirektion geschafft werden. Bestelle Lockpor, daß sehr viel davon abhängt, daß der Oberst annimmt, sein Streich sei geglückt und der Mann eine Leiche.“ –

Als ich durch den Garten Lockpors dem Hause zuschritt, huschte plötzlich aus einem Gebüsch Sistri heraus, unser kleiner Sistri.

„Herr Schraut,“ raunte er mir zu, „ich hatte Sie drei bei Dalcolm im Schlafzimmer belauscht. Ich habe nachher den Schrank durchsucht. Es ist gelogen, daß sich dort in den Pappschachteln ein Vergrößerungsapparat befindet. In den Schachteln liegen allerdings eine Kamera, Kopierrahmen und dergleichen, aber kein Vergrößerungsapparat. Ich werde auch weiter aufpassen.“

Er tauchte ebenso rasch in den Büschen unter.

Lockpor war noch nicht wieder daheim. Ich bestellte seiner Gattin alles Nötige. Dann kehrte ich auf die Jacht zurück.

 

4. Kapitel.

Wie der Rubinring geholt wurde.

Als ich Harald in der Kajüte ganz leise mitteilte, was ich von Sistri erfahren hatte, sagte er nur:

„Das war unvorsichtig von Dalcolm – sehr unvorsichtig! Ein Vergrößerungsapparat hätte da sein müssen. Ich hätte ja die Schachteln öffnen können. – Komm’ an Deck. Ich habe dem Inder den freien Arm lose an den Schenkel geknotet. Er kann so nichts unternehmen.“

Wir setzten uns auf die vertiefte Bank am Steuer. Harald hatte die vier Zigarettenpäckchen, die Dalcolms Diener geholt hatten, in der Hand und besichtigte sie nun.

„Aha – alle vier sind geöffnet und wieder verklebt worden,“ meinte er. „Diese Bande arbeitet unheimlich schnell.“

Der Ausdruck „Bande“ weckte eine besondere Vermutung in mir.

„Wie – sollte Dalcolm etwa mit zu Greebracs Verbrechergesellschaft gehören?“ fragte ich.

Harald blickte mich merkwürdig an.

„Das merkst Du erst jetzt? Woher sonst seine Mordabsichten gegen uns? Woher sein Interesse an dem Tode des Inders, dem er das Gift zusteckte? – Gewiß, er selbst befand sich nicht mit auf dem Motorboot. Aber – er hat das Motorboot dazu hergegeben. Er war eingeweiht.“

„Von alledem bist Du fest überzeugt?“

„Ganz fest. Die Nachttischlampe ist der beste Beweis.“

„Das verstehe ich nicht ganz –“

„Glaube ich gern. Ist auch schwer zu begreifen.“

Ich dachte eine Weile nach.

„Greebrac hat mithin das Übereinkommen gebrochen,“ meinte ich dann.

„Das hat er. Aber wir können es ihm nicht beweisen und müssen daher unserseits den Vertrag erfüllen, das heißt, ihm morgen abend neun Uhr die Perlenkette übergeben.“

„Falls wir bis dahin noch leben!“ wagte ich zu bemerken. „Wenn wir heute bei Dalcolm sind, kann –“

„– kann uns gar nichts geschehen! Die Bande wird sich hüten, uns zu schaden. Ihr Plan ist feiner, mein Alter.“

„Da bin ich gespannt –“

„Mit Recht. Es wird sehr interessant werden. – Untersuchen wir jetzt die Zigaretten.“

Wir taten es.

In jedem Päckchen waren von der obersten Reihe sämtliche Zigaretten mit einem anderen Tabak zur Hälfte gefüllt worden.

Ich gebe zu: mir wurde beinahe etwas unheimlich zumute! Wenn Greebracs Genossenschaft so prompt und so geschickt arbeitete, konnten wir uns noch auf mehr derartige Überraschungen gefaßt machen.

„Es wird ein Betäubungsmittel sein,“ sagte Harald und warf mir einen besonderen Blick zu. „Das heißt: ein ganz leichtes Betäubungsmittel, also unschädlich!“

Nun wurde ich aus alledem erst recht wieder nicht klug.

„Woraus schließt Du auf ein leichtes Betäubungsmittel?“ meinte ich gespannt.

„Aus den ganzen Umständen, mein Alter. Genau so, wie der Oberst Dalcolm nur die Schüsse abgab, um uns ins Wasser zu scheuchen, nicht um uns zu töten, ebenso ist –“

„Halt – eine Zwischenfrage. Er wollte uns nur ins Wasser scheuchen?“

„Ja, nur das. Er wollte so feststellen, ob ich die Perlenkette bei mir hatte. Wir wurden bis zu den Schultern naß. Hätte ich die Perlen in der Tasche gehabt, wären sie ebenfalls naß geworden. Feuchtigkeit schadet Perlen. Nur Meerwasser ist ihnen zuträglich. Dalcolm hoffte, ich würde die Perlen abtrocknen, falls ich sie bei mir hatte. Da ich ganz ruhig die nassen Sachen anbehielt und da ich durch nichts verriet, daß ich mich um die Schönheit der Kette sorgte, wird er sich gesagt haben: er hat sie anderswo untergebracht.“

„Hm – das leuchtet mir nicht ganz ein.“

„Es wird Dir klar werden – morgen nacht! Nun wollen wir die Zigaretten vernichten.“ Er warf sie einfach ins Wasser.

Dann erschien auch schon Lockpor am Ufer, rief uns einen Gruß zu und kettete ein Boot los.

Was wir mit ihm verhandelten, ist für den Fortgang des Abenteuers uninteressant.

Der Inder wurde darauf genau so, wie Harst es gewünscht hatte, fortgeschafft. Dann gaben wir unsere schwimmende Villa, die Jacht, gleichfalls auf und bezogen bei Lockpor dieselben beiden Fremdenzimmer, die wir bereits vor etwa anderthalb Jahren bewohnt hatten.

Um fünf Uhr nachmittags nahmen wir mit dem Ehepaar, unserer Landsmännin Ozeana und Lockpors Kollegen Harping auf der Veranda die Hauptmahlzeit ein. Gegen halb sieben gingen wir beide in die Stadt. Harald wollte sich Bewegung machen.

Kaum hatten wir den Garten verlassen und waren ein Stück die Straße hinabgegangen, als uns ein bettelnder kleiner Inder überholte.

Es war Sistri.

„Vorsicht!“ flüsterte er.

Harst gab ihm ein Geldstück, und Sistri schob blitzschnell ein Papierkügelchen in Haralds Hand.

Nachher, als wir auf der Terrasse des Windsor-Hotels eine Eislimonade tranken, las Harst den Zettel.

Als der tote Inder weggebracht wurde, sind drei Spione auf Rädern dem Leichenwagen gefolgt. Oberst Dalcolm ließ sich heute nachmittag 3 Uhr bei Blunc u. Scarp photographieren. Das Haus Lockpors wird von sechs Leuten bewacht, drei auf der Wasserseite, drei auf der Straßenseite. Also Vorsicht bei jedem Schritt.

„Der brave Sistri! Ein reines Teufelskerlchen,“ meinte Harald. „Übrigens hat er recht: da drüben auf einer Bank der Anlagen sitzen zwei von den Spionen.“

Wir hatten noch einen Tisch dicht am Terrassengeländer bekommen. Unter uns flutete der rege Verkehr der London-Street, der Hauptstraße von Agra, entlang.

Harald legte Geld auf den Tisch.

„Wir müssen die beiden Kerle irgendwie loswerden,“ sagte er. „Sie sind mir jetzt unbequem. Wir wollen mal in der Leichenkammer der Polizeidirektion uns etwas umsehen. Lockpor erwähnte, daß sie leer sei und daß man den Inder dort ganz gut ein paar Tage einsperren könne. Ich hege nämlich die ernstesten Besorgnisse um das Leben des Verwundeten!“

„Weil die drei Radler dem Leichenwagen gefolgt sind?“

„Ja. – Wir werden jetzt folgendes tun: Drüben ist eine Autohaltestelle. Wir besteigen eines und lassen uns über die Dschamna-Brücke nach dem rechten Ufer des Flusses zum Tadschmahal[4] fahren, dem Mausoleum Schah Dschehans und seiner Gattin. In der rosigen Abendbeleuchtung habe ich dieses berühmteste Bauwerk der ganzen Welt noch nicht genossen. Außerdem können wir dort in der Touristenmenge bequem verschwinden.“ –

Als das Auto über die Brücke rollte, schaute Harst einmal flüchtig zurück und meinte dann:

„Nur ein Radler! Na – da können wir uns die Sache abkürzen.“

Er verhandelte leise mit dem braunen Chauffeur.

Nachdem wir die Brücke passiert hatten, wendete unser Auto. Der Radler war abgesprungen. Wir fuhren der Brücke wieder zu, kamen dicht an dem Radler vorüber.

Da – der Kraftwagen hielt.

Unser Chauffeur war mit einem Satz heraus, trat auf den Spion zu, gab ihm einen Stoß, packte das Rad und schlug es auf die Steine.

Wir sausten weiter.

„Das Vorderrad war verbogen. Das genügte,“ lachte Harald. –

Wir hielten an der Rückseite des Polizeigebäudes. Der Chauffeur wurde abgelohnt. Er hatte ein glänzendes Geschäft gemacht.

Der Kastellan der Polizeidirektion kannte uns von Ansehen.

„Führe uns in den Leichenkeller,“ befahl Harst dem alten Inder. „Ich möchte den –“

Er schwieg. Der Kastellan hatte eine Bewegung gemacht, als ob er in höchstem Schreck zurückprallte.

„Was gibt’s?“ fragte Harald rasch.

„Sahib, Du – Du warst doch schon vorhin hier – vor zwei Stunden – verkleidet. Oder – warst Du es nicht?“ stammelte der alte Mann. „Deine Stimme ist jetzt so anders, Sahib –“

„Ich war es nicht. – Erzähle!“

„Es war ein Mann bei mir, der einem reichen Inder glich, Sahib. Er sagte, er wäre Harald Harst. Ich sollte ihn zu dem Gefangenen lassen. Der Polizeiarzt, der den Mann frisch verbunden hat, war gerade weggegangen. Der – der Betrüger blieb etwa zehn Minuten bei dem Verwundeten, für den wir ein Bett in eine Ecke gestellt hatten. Dann kam er heraus. Ich schloß die Tür wieder ab und brachte ihn bis an die Hinterpforte. Er gab mir ein Trinkgeld. Das ist alles, Sahib.“

„Warst Du inzwischen schon wieder bei dem Gefangenen?“

„Nein, Sahib.“

„Dann vorwärts – schließe uns die Tür auf.“

Was wir dort fanden? Der Leser wird es ahnen: einen Toten!

Friedlich lag der Gefangene auf seinem Bett. Es schien, als ob ein hohnvolles Lächeln um seine Lippen spielte.

„Dieser Greebrac!“ sagte Harald gepreßt. „Der Mensch ist eine scheußliche Bestie! Das gefährlichste an ihm ist aber, daß seine Macht über seine Kreaturen so weit geht, daß sie gern für ihn sterben. Dieses Lächeln da gilt uns, will wohl andeuten: „Nun fragt mich doch!“ –“

Wir verließen die Polizeidirektion. Es war inzwischen dunkel geworden. Der Kastellan hatte Harald auf dessen Frage noch Bescheid gesagt, wo die Firma Blunc u. Scarp ihr photographisches Atelier hatte.

„Was willst Du dort?“ fragte ich Harst. „Glaubst Du, daß etwa Dalcolm den Leuten die Mikrophotographie aus dem Ring zum Vergrößern gegeben hat?“

„Diese Ironie kannst Du Dir sparen. Du weißt am besten, daß Greebrac das nie tun würde. Der Photograph würde ja sonst die Vergrößerung lesen. Nein, ich vermute nur einen ähnlichen Auftrag.“ –

Mr. Blunc war daheim. Harst nannte seinen Namen. „Wir wohnen hier bei Inspektor Lockpor, Mr. Blunc. Ich muß von Ihnen strengste Diskretion verlangen. Was wollte Oberst Dalcolm hier bei Ihnen?“

„Er ließ sich photographieren.“

„Gut. Fragte er so nebenbei, ob Sie einen Vergrößerungsapparat besäßen?“

„Allerdings. Das fragte er.“

„Wo wird der Apparat aufbewahrt?“

„Oben in meinen Atelier.“

Harst überlegte. „Fragte Dalcolm, wo der Apparat sich befindet?“ wollte er dann wissen.

„Ja. Ich zeigte ihm denselben, da er ja ganz offen in einer Ecke steht.“

„Mr. Blunc, wir werden diese Nacht in Ihrem Atelier bleiben. – Darf ich einmal Ihren Fernsprecher benutzen?“

Er rief dann Dalcolms Nummer an.

„Hier Harst. – Guten Abend, Mr. Dalcolm. Ich wollte Ihnen nur mitteilen, daß ich mir die Sache anders überlegt habe. Schraut und ich werden Ihre Schlafstubenfenster diese Nacht vom Garten aus als Inder verkleidet beobachten. Ich halte das für richtiger. Sollten wir diese Nacht keinen Erfolg haben, so werden wir morgen den Schrank benutzen. Sie verstehen. – Auf Wiedersehen –“

Dann ließ er sich mit Lockpor verbinden.

„Lockpor, Sie suchen zwei Ihrer intelligentesten Leute aus, einen Langen und einen Kleinen, die Schrauts und meiner Größe entsprechen. Die beiden sollen heute an unserer Stelle zu Dalcolm in den Park schleichen und sich vor den Schlafzimmerfenstern so etwas sehen lassen. Es soll der Eindruck erweckt werden, als wären wir es. Geben Sie den Leuten genaueste Instruktionen. Wir beide kehren erst morgens heim. Schluß.“

„Mr. Blunc,“ wandte er sich nun an den Photokünstler, „Sie haben alles mitangehört. Es handelt sich um folgendes. Dalcolm ist ein Verbrecher. Er glaubt uns in dieser Nacht beschäftigt. Er wird, da Sie Ihre Privatwohnung hier im ersten Stock des Hauses haben, nachts jemand in Ihr Atelier schicken, der eine Mikrophotographie mit Ihrem Apparat vergrößern wird.“

„Ich bin im Bilde,“ lächelte Blunc. „Sie beide werden diesen Jemand abfassen.“

„Ja. Bringen Sie uns bitte sofort nach oben und spenden Sie uns etwas gegen Hunger und Durst. Auch Sie müssen mitwirken.“

Mitternacht mochte es sein.

Durch die Atelierfenster grinste der Mond auf den großen Apparat herab, der friedlich in einer Ecke stand.

Wir hockten hinter einem gemalten Schirm in nächster Nähe.

Soeben hatten wir vom Vorraum her ein Geräusch vernommen.

Ich war begierig, wen Greebrac wohl zu dieser gefährlichen Mission von seinen Getreuen auserwählt haben mochte. Ob er selbst erscheinen würde?

Da – wieder ein Geräusch.

Die Tür zum Atelier hatte sich geöffnet.

Eine Gestalt trat ein.

Ein – Chinese! Es war einer der Vertrauten Greebracs, ein alter Bekannter von uns vom Ellora-Tempel her.

Lautlos, aber ohne jede Scheu schritt er auf den Vergrößerungsapparat zu. Dann schaltete er unbesorgt das Licht ein, zog den Apparat mehr nach vorn und nahm das Tuch ab, das den Kasten und das Objektiv bedeckte. –

Alles ging ganz programmäßig. Blunc und sein Kompagnon Scarp, die im Vorraum des Ateliers verborgen gewesen, stürmten jetzt herein. Blunc hielt dem Gelben einen Revolver vor die Brust.

„Schuft, Du wolltest stehlen!“ brüllte er.

„Ja –“ – Der Chinese winselte um Gnade. Man solle ihn doch nur laufen lassen.

„Nichts da!“ rief Scarp, dem die Sache ebenfalls großen Spaß machte. „Ich werde Dich binden, dann geht’s zur Polizei.“

Er packte ihn.

Im selben Moment ließ der Chinese ein kleines schwarzes Knäuel aus der linken Hand sehr geschickt unter ein Schränkchen rollen.

Dann wurde er gebunden und abgeführt. Er wehrte sich nicht. Er hoffte, das schwarze kleine Knäuel durch einen seiner Helfershelfer holen lassen zu können.

Doch – Harst holte es nun hervor! Es war ein schwarzes Tuchsäckchen. Und darin lag –:

der Rubinring!

So kamen wir in Besitz des Ringes, ohne daß Greebrac und seine Bande ahnte, wer diese Vergrößerung der unter dem Rubin festgeschraubten Photographie verhindert hatte.

Der Chinese wurde dann auf Harsts telephonischen Anruf hin nach kurzem Verhör von der Polizei gleich wieder entlassen.

Drei Stunden später versuchte ein Inder in das Atelier einzudringen. Aber Blunc, der dort aufpaßte, verscheuchte ihn.

Als wir um sechs Uhr morgens uns bei Freund Lockpor wieder einfanden und als dieser den Ring sah, blieb ihm der Mund offen stehen.

„Da – nehmen Sie ihn,“ sagte Harald. „Schließen Sie ihn in den Tresor der Polizeidirektion ein. Schraut und ich gehen zu Bett.“

 

5. Kapitel.

Als die Nachttischlampe aufflammte.

Gegen ein Uhr mittags wachte ich auf. Harst war aus unserem gemeinsamen Schlafzimmer schon verschwunden.

Als ich dann, fertig angezogen, die Veranda betrat, sah ich Harald auf dem nahen Tennisplatz mit Ozeana und Frau Lockpor Tennis spielen. Die drei waren sehr vergnügt, begrüßten mich mit „Langschläfer“, „Murmeltier“ und ähnlichen Scherzen und wurden erst still, wie sie Oberst Dalcolms schlanke Gestalt auf dem Hauptwege erblickten.

Dalcolm kam gemessenen Schrittes näher, ließ sich durch Harst den Damen vorstellen und bat uns beide dann um eine kurze Unterredung.

Wir schritten tiefer in den Garten hinein.

„Haben Sie in der verflossenen Nacht etwas Verdächtiges bemerkt, Mr. Harst?“ begann der Oberst dann.

„Nichts, Mr. Dalcolm.“

„Wie lange waren Sie bei mir im Park?“

„Von elf Uhr bis kurz vor Sonnenaufgang.“

Es war klar: Dalcolm war von Greebrac ausgeschickt, der natürlich argwöhnte, wir könnten die Geschichte im Atelier „befingert“ haben.

Harst tat so prachtvoll harmlos, daß der Oberst sich schließlich in der Überzeugung verabschiedete, wir ahnten nicht, daß der Ring noch (wie er glaubte) unter dem Spinde läge.

Der Rest des Tages verging ohne Zwischenfall. Nur Sistri warf uns nachmittags einen Zettel über die Seitenmauer des Parkes zu. Der Zettel enthielt folgendes:

Greebrac ist bei Dalcolm gewesen als Weib verschleiert. Dalcolm war vorhin bei den Photographen.

Harst verbrannte den Zettel. Lockpor, der mit uns gerade im Garten promeniert hatte, wurde nun von Harald mit einer Menge Instruktionen für die Nacht versehen.

Nach dem Abendessen gingen wir beide zu der mit Greebrac verabredeten Zeit nach dem Bahnhof.

Es war bereits dunkel. Auf dem Vorplatz sprach uns ein alter zerlumpter Bettler an.

„Ich bin’s, Greebrac –“

„Haben Sie auch das Übereinkommen gehalten, Greebrac?“ meinte Harald, indem er die in Seidenpapier gewickelte Perlenkette hervorzog.

„Das habe ich!“ sagte Austin kurz. „Her mit der Kette!“

„Da haben Sie sie. – Ich gebe Ihnen nun den guten Rat, Greebrac, mir die Perlen, nachdem ich den Vertrag getreulich erfüllt habe und die Kette in Ihrer Hand sich befindet, wieder auszuhändigen.“

Der Verbrecher lachte.

„Etwa aus Angst vor Ihnen?!“ höhnte er. „Sie machen sich lächerlich! Sie vergessen, daß Sie im Vergleich zu mir ein Nichts sind! Wenn ich gewollt hätte, lebten Sie beide nicht mehr. Viermal hätte ich Sie inzwischen beseitigen lassen können.“

Die maßlose Überhebung dieses Menschen war wirklich fast krankhaft.

„Gut, wie Sie wollen,“ meinte Harst. „Auf Wiedersehen, Greebrac. Ich werde hinter ihnen bleiben, und wenn Sie bis ans Ende der Welt fliehen sollten!“

„Und ich – ich werde Sie morgen den Dschamnakrokodilen als Nachtmahl servieren! Auf Wiedersehen.“ –

Wir gingen heim. – Kurz vor elf Uhr begaben wir uns zu Dalcolm.

Er empfing und überaus liebenswürdig.

„Wenn Sie nur das Rätsel meiner Nachttischlampe lösen, Mr. Harst, schenke ich jedem von Ihnen einen der kostbarsten Dolche meiner Waffensammlung,“ sagte er.

„Oh – wir werden es bestimmt ergründen, Mr. Dalcolm,“ lächelte Harst. „Waffen interessieren mich. Vielleicht können wir uns sofort die Dolche aussuchen.“

„Aber bitte – natürlich.“ – Er führte uns in sein Arbeitszimmer. Die Wahl war schwer. Schließlich entschieden wir uns für zwei weniger kostbare, aber sehr alte Dolche.

Dalcolm legte sie auf den Schreibtisch. „So – wenn die Sache in dieser Nacht glückt, sollen Sie Ihre Freude an den Klingen haben!“

Das war ohne Frage absichtlich so doppelsinnig gesagt. „Ihre Freude daran haben!“ Das hieß: „Mit den Klingen werden wir Euch kaltmachen!“

Dann begaben wir uns in Dalcolms dunkles Schlafzimmer. Wir kletterten in den Schrank und zogen die Tür halb zu.

Der Oberst schaute, nachdem er die Nachttischlampe eingeschaltet hatte, unter das Bett. Er begann sich zu entkleiden.

In dem Schrank standen jetzt zwei Schemel, so daß wir uns setzen konnten.

Da – die Nachttischlampe erlosch. Ich hörte das Bett knarren.

Ich wußte noch immer nicht, was diese beiden Einbrüche bei Dalcolm und der Mann, der die Lampe zum Schaden der Diebe eingeschaltet hatte, eigentlich zu bedeuten haben konnten. Eine bloße Erfindung waren sie nicht, denn Dalcolm hatte die Einbrecher ja erschossen. Was also war’s insbesondere mit dem geheimnisvollen Menschen, der das Licht angedreht hatte?!

Nun – die Aufklärung erfolgte etwa gegen halb ein Uhr morgens.

Dalcolm schien zu schlafen. Wenigstens schnarchte er. Dann hörten wir vom Fenster das scharfe Kratzen eines Messers, das durch Drahtgaze fährt.

Draußen war Mondschein. Harald drückte die Schranktür weiter auf. So sahen wir denn, wie sich nun eine Gestalt ins Zimmer schwang.

Im selben Moment ein Knacken –: die Nachttischlampe war eingeschaltet worden. Es wurde hell im Zimmer.

Wir hatten gerade noch einen Inder mit hellem Turban bemerkt, der unter dem Bett halb hervorgekrochen war und den Arm hochgereckt hatte.

Und – dieser Inder richtete sich jetzt völlig auf, riß den falschen Bart ab.

Es war Austin Greebrac.

Dann schon Harsts Stimme:

„Die Sache war zu plump, Greebrac. Die Einbrüche sollten uns hierher locken. Sogar zwei Menschenleben ließen Sie opfern, damit die Komödie ganz echt wirke! Die Einbrecher waren Ihre Kreaturen, die Sie in den Tod schickten!“

Auch Dalcolm hatte sich erhoben. Und durch das Fenster erschienen Tamar Dak, Adi und der Chinese, jeder mit einem Revolver in der Hand.

Greebracs Gesicht leuchtete im hellsten Triumph.

„Meinetwegen nennen Sie die Sache plump, Mr. Harst!“ meinte er achselzuckend. „Jedenfalls: wir haben Sie beide! Und keine Macht der Welt kann Sie retten. Ein Wink von mir, und Sie sinken dort im Schranke mit einer Kugel im Schädel zusammen.“

Der Schrank war ein altes Möbelstück, aus eisenhartem Pitchyholz gefertigt. Und Harald hatte vorhin im Dunkeln den Schlüssel lautlos abgezogen, dafür aber innen um das Schloß einen starken Draht befestigt.

„Sie irren, Greebrac,“ erwiderte Harst. „Bitte – Sie mögen sich hier für sicher halten. Sie mögen noch immer glauben, ich hätte den Schwindel nicht durchschaut. Wollen Sie mal nach den Fenstern schauen!“

Dann riß er mit Hilfe des Drahtes die Tür zu.

Im Zimmer zwei Schüsse.

Die Kugeln klatschten gegen das Holz, prallten ab.

Und nun Lockpors drohender Befehl:

„Hände hoch! Das Haus ist umstellt! – Ihr habt die Büsche abgesucht. Wir steckten in den Baumkronen!“

Abermals Schüsse. Ein paar Schreie. Wieder Schüsse.

Wir hatten die Schranktür aufgestoßen, warfen uns über Greebrac.

Stahlfesseln klappten zu.

Tamar Dak und der Chinese waren tot; Dalcolm schwer verwundet. Er starb vier Stunden später.

Austin und seine Schwester waren unser. Und Austin hatte die Perlenkette bei sich – diese kostbare Kette, die dann die Not so vieler gelindert hat. –

Unser Kampf gegen Greebrac ging weiter. Ein Austin Greebrac findet leicht ein Loch zum Entschlüpfen.

 

Nächster Band:

Das Patent des Doktor Murphison.

 

 

Verlagswerbung:

Der Detektiv

Eine Reihe höchst spannender Detektivabenteuer. Bisher sind folgende Bände erschienen:

 

Band


























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129:
130:
131:
132:
133:
134:
135:

Die Motorjacht ohne Namen.
Der Kampf gegen Lionel Barring.
Das Geheimnis der Tokkara-Höhle.
Die große Null.
Das Geheimnis des Bosporus.
Anna Karstens Amulett.
Der Mann mit dem Glasauge.
Der Kopf des Maharadscha.
Die Treppe des Todes.
Dr. Groupys Verhängnis.
Das Geisterschiff.
Der Tennisschläger der Rani.
Der Mann am Kreuze.
Tawa Burru, der Verrückte.
Das Piratendorf.
Die Hexenküche.
Das Geheimnis von H. O. 3.
Die Gräfin mit den Kormoranen.
Der Bouillonkeller 113.
Der tote Tümmler.
Das Erbe der Verschollenen.
Das Geheimnis der Dabri-Fälle.
Die Faktorei auf der Toteninsel.
Das gestohlene Auto.
Das Rätsel der Spielkarten.
Die Diamanten des Bettlers.
Die Photographien d. Sennor Trimaldo.
Der Kokain-Klub.

– Preis pro Band 20 Pf. –

Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder vom

Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26,

Elisabeth-Ufer 44.

 

 

Anmerkungen:

  1. In der Vorlage steht: „weitere“.
  2. Soirée: Abendgesellschaft.
  3. In der Vorlage steht: „Vorart“.
  4. In der Vorlage steht: „Tadschmachal“.