Der Detektiv
Kriminalerzählungen
von
Walther Kabel.
Band 150:
Verlag moderner Lektüre G. m. b. H.
Berlin 26, Elisabeth-Ufer 44
Nachdruck verboten. – Alle Rechte, einschl. das Verfilmungsrecht, vorbehalten. – Copyright 1925 by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin.
Druck: P. Lehmann G. m. b. H., Berlin.
Es war eine sehr vergnügte Gesellschaft an Bord der Jacht Hudson …
Kein Wunder auch: wir hatten Bombay hinter uns, und in Bombay waren in den letzten zwei Tagen Dinge geschehen, die leicht für Mr. Thomas Orlington, Milliardär und Besitzer der Hudson, ein böses Ende hätten nehmen können.
Nun lag die Küste im Abenddunst drüben am östlichen Horizont, und die Hudson wiegte sich graziös und sicher auf den langen Wogen des Indischen Ozeans …
Im Speisesaal der Luxusjacht große Abendtafel … Die Herren im Smoking … Frau Orlington strahlend und fast übermütig … – Der Leser besinnt sich wohl auf Joe Billwaker aus dem vorigen Band – auch auf den Lederkoffer, die Tschergin-Kleinodien und all das andere …
Harst hatte das Ehepaar Billwaker, in Wahrheit ja Sir Archibald Hasting nebst Gattin, nördlich von Chotar in den Dschungel entweichen lassen …
Und jetzt, als der Mokka gereicht wurde und die Stewards verschwunden, als die still-behagliche Stimmung nach einer tadellosen Mahlzeit uns alle in Bann schlug, da sagte er unvermittelt zu Thomas Orlington:
„Ich möchte Sie bitten, Befehl zu geben, daß die Hudson nordwärts steuert, den Golf von Cutch anläuft und vor der Mündung des Luni-Flusses ankert … habe Frau Hasting nämlich versprochen, sie und Sir Archibald von dort abzuholen. Sie sind ohne Geldmittel, könnten nicht einmal irgendwie sich eine neue Existenz gründen und werden schon Mühe genug haben, sich bis zur Luni-Mündung durchzuschlagen … Wir haben die sittliche Pflicht, uns ihrer anzunehmen. Sir Archibald ist es wohl wert, daß Sie, Mr. Orlington, Ihre Reise nach Europa für ein paar Tage unterbrechen …“
Die Folge dieser Erklärungen Haralds war ein richtiges Schnellfeuer von Fragen, die er nun beantworten mußte. Selbst mir war es völlig unbekannt, daß er Frau Jenny Hasting eine solche Zusage gemacht hatte …
Er meinte kühl und bestimmt:
„Bitte, überlegen Sie sich die Sachlage … Ich ließ die beiden in die Wildnis flüchten … Ich konnte doch unmöglich dulden, daß zwei Europäer dort etwa aus Verzweiflung über ihre dunkle Zukunft umkämen! Ich mußte ihren Lebensmut durch dieses Versprechen wachhalten!“
Fürst Tschergin rief da:
„Sie haben als Mensch gehandelt, lieber Harst … Als Mensch, der ein Herz in der Brust hat!“ Und zu Orlington, dem Gatten seiner Kusine: „Tom, ich denke, in diesem Falle gibt es kein langes Überlegen …!“
Orlington erhob sich …
„Selbstverständlich nicht! Ich werde dem Kapitän persönlich Bescheid sagen … – Wera, vielleicht kommst Du mit an Deck …“
Frau Wera, geborene Gräfin Oligow[1], nahm den Arm ihres Gatten mit einem strahlenden zärtlichen Lächeln, nickte uns Herren zu und verschwand mit ihrem Tom, den sie jetzt vielleicht erst so recht von Herzen liebte, nachdem seine tolle Eifersucht ihn zu so übertollen Streichen verleitet hatte …
Wir Zurückbleibenden lächelten gleichfalls … Lächelten wie Männer, die mit leisem Neid das Glück der Liebe von ferne schauen – ganz von ferne …
Da waren Harst und ich … was konnten uns beiden Globetrottern Frauen sein?! Durften wir es je wagen, ein Weib für immer an uns zu fesseln?!
Da waren Weras beide Brüder, die Grafen Alexander und Peter Oligow, zwei Vaterlandlose – genau wie Fürst Tschergin, ihr Vetter …
Da war der Schiffsarzt Doktor Lampetter, ein Sonderling unbestimmbaren Alters … Und schließlich war da noch das Unikum an Bord, Orlingtons Privatsekretär Doktor Feuchter, ein geborener Deutscher, ehemaliger Rechtsanwalt – ein buckliges Männchen mit spitzem geistvollen Vogelgesicht …
Wir saßen in bequemen Klubsesseln und schwiegen …
Weras Lächeln des Glückes hatte uns allen die Herzen etwas schwer gemacht …
Doktor Lampetter seufzte kläglich …
Und deshalb seufzte Doktor August Feuchter noch kläglicher … Alles, was Lampetter tat, äffte er in höchst komischer Weise in der Übertreibung nach …
Lampetter warf ihm einen wütenden Blick zu …
Fraglos wäre es wieder zu einem grimmen Zank zwischen den beiden dicken Freunden gekommen, wenn nicht Harald unsere seltsame Stimmung durch die Bemerkung zerrissen hätte:
„Vielleicht – vielleicht habe ich auch noch aus anderen Gründen Frau Jenny Hasting meine Hilfe angeboten …“
Die Gesichter veränderten sich jäh …
Wir beugten uns in den Sesseln vor …
Harst führte das Mokkatäßchen zum Munde, leerte es … stellte es wieder hin, griff zur Zigarette …
Sein ernster Blick ging in die Runde …
„Meine Herren – ich habe mich überlisten lassen,“ sagte er leise …
Noch weiter beugten wir uns vor …
„Wie meinen Sie das, lieber Harst?“ fragte Tschergin zögernd …
„Wie ich’s sage … Ich habe heute am Spätnachmittag auf der Polizeidirektion in Bombay mir das Album der internationalen Hochstapler vorlegen lassen …“
„Und da …?!“ rief August Feuchter kreischend. „So reden Sie doch!“
„Nun – in diesem Album fand ich das Ehepaar Hasting vor …“
„Nicht möglich!“ brüllte Lampetter und schlug sich auf den Schenkel …
„Gar nicht möglich!!“ brüllte August Feuchter noch lauter und schlug sich knallend mit beiden Händen auf beide Schenkel …
„Albern!!“ zischte der Schiffsarzt ihn giftig an …
Harst sagte ruhig:
„Es ist so … Sir Archibald Hasting, dritter Sohn Lord Hastings, wird von drei Polizeiämtern seit drei Jahren gesucht … In drei Weltstädten hat er ungeheure Scheckschwindeleien verübt. Nach der letzten verschwand er mit seiner Frau so spurlos, als ob der Erdboden ihn verschluckt hätte … Und – dabei arbeitete er in Bombay als Kellner Joe Billwaker im Hotel Esplanade in aller Sicherheit, während seine Frau drei Straßen weiter eine Glanzplätterei betrieb. – Sagen Sie selbst, meine Herren, gibt es etwas Widerspruchsvolleres als dieses Pärchen, das genau anderthalb Millionen erbeutet hatte und dann … zwei volle Jahre in Bombay absolut ehrlich gearbeitet hat?! Wo sind die anderthalb Millionen geblieben?! Und – es gehört doch schon ein leidliches Quantum Verstellungskunst dazu, um mir derart Sand in die Augen zu streuen, daß ich aus reiner Menschenfreundlichkeit zwei Leute wie diese entweichen lasse!“
Tschergin schüttelte den Kopf …
„Und da glauben Sie, lieber Harst, daß dieses Pärchen sich an der Luni-Mündung einfinden wird?!“
„Ich glaube es … Die beiden fühlen sich eben sicher … Und ich – ich will dieses immerhin interessante Rätsel lösen, weshalb Archibald und Jenny Hasting zwei Jahre lang die braven fleißigen Leute gespielt und wo sie die anderthalb Millionen gelassen haben … – Wenn ich nicht in Gegenwart Orlingtons und seiner Gattin diese Neuigkeiten vorgetragen habe, so hat das seinen guten Grund. Frauen, also auch Frau Wera, sind in gewissen Fällen sehr schlechte Schauspielerinnen, so zum Beispiel, wenn es sich darum handelt, einer fragwürdigen Dame gegenüber nicht merken zu lassen, daß man diese Fragwürdigkeit kennt …“
„Allerdings!!“ trompetete Lampetter … „Sie sind Frauenkenner – man merkt’s! Jede ehrbare Frau kehrt diese Ehrbarkeit doppelt unterstrichen heraus. Wenn sie mit einer nicht ehrbaren zusammen ist, selbst wenn man’s ihr verbietet … – Also nur recht von Ihnen, daß Sie bloß uns eingeweiht haben. Wir Männer können uns zusammennehmen, wir sind Herr über Wort und Miene und …“
Ein schrilles Hohngelächter des kleinen Unikums von Privatsekretär schnitt ihm das Wort ab …
Lampetter schnellte wütend aus dem Sessel hoch … Es schien, als ob er sich auf Feuchter stürzen wollte … Dann richtete er sich kerzengerade empor …
„Sie … Sie sind ein … ein …“
„Stopp!“ rief Tschergin dazwischen … „Stopp – keine Verbalinjurien …!“
Und Lampetter setzte sich wieder, zuckte die Achseln …
Harst dann – sehr eindringlich:
„Wir sind uns also einig, meine Herren … Es bleibt unter uns, was ich Ihnen mitteilte … Sollten die Hastings an Bord kommen, so behandeln wir sie mit aller Liebenswürdigkeit …“
„Und ob!!“ nickte August Feuchter … „Ich werde Frau Jenny den Hof machen … Dann können Sie von mir lernen, Lampetter, wie man als Kavalier Damen behandelt …“
Er grinste … Sein hochintelligentes und doch so häßliches Vogelgesicht ließ schwer erkennen, ob dieses Grinsen mehr wehmütig als ironisch war …
Fürst Tschergin erhob sich …
„Ich denke, wir genießen den Rest des Abends an Deck, meine Herren …“
Harald jedoch meinte, er sei zu müde … Er würde sich nur noch von Orlingtons verabschieden und dann seine Kabine aufsuchen.
Fünf Minuten darauf waren wir denn auch in unserer Luxuskabine allein.
Gähnend begann Harald sich zu entkleiden …
Gähnend legte er sich nieder, streckte sich wohlig … Die Ventilatoren surrten … Die Jacht wiegte sich so regelmäßig, daß man diese Bewegung als seefester Fahrgast nur angenehm empfand …
Ich saß auf dem Bettrand und zog die Strümpfe aus … Der eine fiel herab … Ich bückte mich … Und – ganz zufällig sah ich da unter meinem Bett im Halbdunkel die verschwommenen Umrisse eines menschlichen Fußes und eines Beinkleides aus dunklem Leinen …
Das Blut schoß mir zu Kopfe …
Ein … Mann unter meinem Bett … Was – – bedeutete das?! Wer konnte das sein?!
Etwa … ein blinder Passagier?! Etwa ein Mensch, der sich in Bombay an Bord geschlichen hatte?!
Harst gähnte wieder …
Und ich … ich nahm mich zusammen, gähnte noch lauter, sagte halblaut:
„Wir werden wie die Ratten schlafen …!“
Meine Hand aber deutete nach unten … Mein Mienenspiel verriet das übrige …
Doch Harald lächelte nur …
Sein Mienenspiel bewies mir, daß er längst von der Anwesenheit dieses dritten Passagiers in unserer Kabine wußte – längst …!
„Haben wir eigentlich die Tür verriegelt, mein Alter?“ fragte er dann …
Ich verstand …
Ich ging zur Tür – im schwarzseidenen Schlafanzug … Auf dem Tische in der Mitte lagen unsere Pistolen …
Ich griff nach meiner Clement, warf Harald die seine zu. Er fing sie auf …
Vor der Tür pflanzte ich mich auf …
Dann schon Harald in englischer Sprache:
„Bitte – kommen Sie nur hervor, Master … Wir haben Sie bemerkt … Sie hätten nicht auf dem frisch gewachsten Linoleum diese Kratzer hervorrufen sollen …“
Nichts rührte sich …
Harald:
„Bitte – kriechen Sie nur hervor … Ich zähle bis drei … Dann schieße ich – wenn auch nur in die Beingegend, immerhin unangenehm für Sie, recht unangenehm.“
Nichts rührte sich …
„Hm,“ meinte Harst, „versuchen wir’s auf Deutsch … – Also, raus, mein Freund! Zeigen Sie Ihr Gesicht. Sie liegen dort unterm Bett zu hart …“
Nichts rührt sich …
„Na – dann französisch … – Monsieur, wollen Sie die große Liebenswürdigkeit haben und uns beiden Boches Ihr holdes Antlitz präsentieren …“
Nichts rührt sich …
„Ein Schwerhöriger vielleicht, mein Alter … Wollen das Bett von der Wand rücken …“
Mit einem Satz war er von seinem Lager …
Wir packten zu …
Stellten das Bett ein Meter nach links …
Das Licht fiel auf eine zusammengekrümmte Gestalt – auf ein erdfahles … Totengesicht und auf eine kleine blutige Stelle an der Stirn …
Wir standen wie die Bildsäulen …
Selbst Harald …
Ich fühlte kalten Schweiß auf der Stirn …
Ich dachte mit Entsetzen daran, daß ich vielleicht diese Nacht über einem Toten geschlafen hätte … –
Dieser Tote war ein jüngerer Inder, der mit einem dunkelblauen Leinenanzug bekleidet war … ohne Kopfbedeckung, mit noch recht neuen braunen Stiefeln.
Harald regte sich …
„Eine nette Überraschung, Max Schraut …!! – Noch weiter weg mit dem Bett … So …“
Er kniete neben dem Toten …
„Der ist vor kaum vier Stunden erschossen worden,“ erklärte er …
Dann durchsuchte er die Taschen …
Sie waren leer …
Aber ein Harst ist sorgfältig. Er befühlte auch die Nähte der Jacke und der Beinkleider …
Fand nichts …
„Merkwürdig, mein Alter,“ meinte er mit einem Gesicht, das angestrengteste Denkarbeit verriet … „Zur Besatzung gehört dieser Inder nicht … Es sind nur europäische Matrosen an Bord … – Wer hat den Inder ermordet, wo, weshalb – warum ist die Leiche hier versteckt worden – hier in unserer Kabine?!“
Er setzte sich auf den Bettrand dicht vor die Leiche, die eng an der Wand lag …
„Gib mir eine Mirakulum, bitte …“
Und rauchte fünf Züge …
Starrte in das erdfahle Antlitz …
Blickte mich an …
„Max Schraut, gesetzt den Fall, dieser Inder habe uns beide heimlich sprechen wollen … Heimlich mag er an Bord gekommen sein, um uns um Rat zu fragen, um uns etwas anzuvertrauen … Gesetzt den Fall, ein zweiter Mann wollte verhindern, daß der Tote dies täte … Er schlich ihm nach, fand ihn hier, schoß ihn nieder, entfernte sich, nachdem er die Leiche unter Dein Bett geschoben hatte … – Vor etwa vier Stunden haben wir im Speisesaal der Jacht soupiert. Da kann der Mord hier verübt worden sein. Der Mörder muß sich noch an Bord befinden … Möglich, daß es jemand von der Besatzung ist … Möglich, daß es ein Fremder ist. – Prüfen wir diese meine Theorie nach … Es müssen sich geringe Spuren finden lassen …“
Er – – fand sie: Auf dem Teppich zwei nur mit der Lupe wahrnehmbare Blutspritzer … Neben dem linken Fenster der Kabine einen blutigen Strich – auch kaum wahrnehmbar …
Mithin: der Mord war hier geschehen … Der Ermordete war neben dem linken Fenster zusammengesunken, hatte sich im Sturze gedreht und mit der Stirn die Wand berührt.
Wir wußten etwas – etwas … Harsts Theorie gewann also an Wahrscheinlichkeit …
Und Harald rauchte die zweite Mirakulum …
Saß wieder auf dem Bettrand, ließ seine Gedanken arbeiten.
Ich wünschte, ich würde jemals so rasche und gute Arbeit leisten wie er …
Er sagte:
„Wenn der Mörder zur Besatzung der Hudson gehört, dann wird er ohne Zweifel festzustellen versuchen, ob wir den Toten schon gefunden haben … Er wird also entweder bereits spioniert haben oder noch spionieren wollen … Durch das Schlüsselloch kann er nicht in unsere Kabine hineinspähen, da die Schutzklappe von innen vorhängt. Also muß er ein Löchlein in die Tür gebohrt haben.“
Jetzt – fand ich dieses winzige Löchlein an einer Ecke der oberen Zierfüllung.
Es war von außen durch ein Holzpflöckchen verschlossen.
„Licht aus!“ befahl Harst …
Ich schaltete die Deckenlampe aus …
Wir beide stellten uns neben die Tür, riegelten sie auf, und Harald ließ den Strahl der Taschenlampe, die er mit der Hand verhüllt hatte, als dünnen Strich auf den kleinen kaum erkennbaren Holzpflock fallen …
Wir warteten …
Nur etwa zehn Minuten …
Dann … sahen wir gleichzeitig: der Pfropfen aus dem Löchlein wurde von außen herausgezogen …
Harsts Taschenlampe erlosch …
Ich – – riß die Tür auf …
Sprang zu …
Und hing Doktor Lampetter am Halse …
Harald half …
Im Moment hatten wir ihn aus dem schwach beleuchteten Gang in unsere Kabine gezerrt … Die Tür flog zu … Die Deckenlampe flammte auf …
Lampetter sagte ärgerlich:
„Was sind Sie nur brutal, meine Herren …! Weshalb überfallen Sie mich in dieser unerhörten Weise?!“
Ich war starr …
Diese Frechheit war denn doch zu faustdick …!!
Wir gaben ihn frei und traten zur Seite … Er sollte den Toten sehen …
Er … sah ihn …
Sein mageres, faltiges Gesicht nahm den Ausdruck ungläubigen Staunens an. Er zog die Augenbrauen hoch, schob seine Hornbrille zurecht und fragte:
„Was bedeutet das, meine Herren?! Eine Leiche?!“
Spielte er Komödie?!
Wenn ja, dann tat er’s in der Vollendung …
Harald wollte die Sachlage recht schnell klären …
„Doktor, woher wußten Sie, daß das Holzpflöckchen ein Löchlein in der Ecke der Türfüllung verschloß?“ fragte er ohne jede Schärfe.
„Ich wußte es nicht … Ich kam den Kabinengang entlang, wollte in meine Kabine … Da bemerkte ich an Ihrer Tür in Augenhöhe einen feinen Lichtstrahl. Ich dachte unwillkürlich, daß es doch unmöglich sei, daß die Tür einen Riß habe … Ich trat näher und befühlte mit dem Finger die Stelle … So fand ich die Erhöhung – das Pflöckchen … Ich zog es heraus, war innerlich wütend, daß vielleicht einer der Stewards gewagt hatte, ein solches Guckloch herzustellen …“
Er sagte das mit absoluter Ruhe … Sein Gesicht verriet auch nicht die Spur von Verlegenheit.
Harald blickte ihn lange an …
„Doktor, entweder sind Sie ein tadelloser Schauspieler oder in der Tat über jeden Verdacht erhaben. Vorläufig mißtraue ich Ihnen … Wollen Sie bitte einmal den Inhalt Ihrer Taschen hier auf den Tisch legen …“
Lampetter lächelte …
„Mr. Harst, so beleidigend Ihr Verdacht gegen mich auch ist – warum sollte ich Ihrem Wunsche nicht entsprechen?“
Harald winkte mir …
„Das Pflöckchen wird im Kabinengang liegen, mein Alter … Stecke es wieder in das Löchlein …“
Ich ging hinaus. Nach einigem Suchen fand ich es auch …
Während ich es gerade in das Loch hineindrückte, tauchte im Gange vom Mittelschiff her einer der drei Stewards auf, ein junger Mensch von angenehmem Äußeren. Er musterte mich etwas erstaunt. Was ich an der Tür soeben getan hatte, konnte er kaum recht gesehen haben …
„Bringen Sie mir bitte ein Glas Eislimonade,“ sagte ich freundlich. Und fügte hinzu: „Sie haben doch vorhin beim Abendessen bedient … Dabei müssen Sie den Kabinengang hier wiederholt passiert haben … Bemerkten Sie etwas Auffälliges?“
Er dachte nach …
„Nein, Mr. Schraut, nichts … – Verzeihen Sie – ist denn etwas Besonderes geschehen?“
„Nichts Besonderes … Mr. Harst und ich glauben nur, daß sich jemand an unseren Koffern zu schaffen gemacht hat …“
Sein Gesicht veränderte sich plötzlich …
„Da fällt mir doch etwas ein, Mr. Schraut,“ erklärte er zögernd. „Als ich die Käseschüssel brachte, stand Doktor Lampetter hier vor Ihrer Tür und putzte seine Brille … Er kam ja auch später zum Souper, weil er noch den Finger des Matrosen Railling verbinden mußte …“
Ich schüttelte den Kopf. „Lampetter kommt hier nicht in Betracht … Ich danke Ihnen … Bringen Sie mir nach fünf Minuten die Eislimonade …“
„Sehr wohl, Mr. Schraut …“
Er machte kehrt und schritt dem Mittelschiff wieder zu.
Ich stand noch ein paar Sekunden regungslos da und starrte ihm nach …
Lampetter war bereits so gut wie überführt. Wir würden den jungen Steward nachher ihm gegenüberstellen … – Ich war stolz, daß ich zur Klärung der Dinge das Meine beigetragen hatte – sehr stolz! Und trat in die Kabine zurück, verriegelte die Tür und sah Harald gerade des Doktors großes Taschenmesser mit der Lupe prüfen …
„Wann ist diese kleinste der Klingen abgebrochen, Doktor?“ fragte er kühl …
Lampetter erwiderte sofort:
„Heute, als ich eine kleine Schraube an meinem Mikroskop mit dieser Klinge festziehen wollte …“
„Das ist nicht wahr, Mr. Lampetter …“ Und Haralds Stimme wurde geradezu eisig. „Wollen Sie mir das Mikroskop holen … Oder nein, lassen Sie nur … Ich sehe hier zwischen den Klingen ein paar winzige Holzfäserchen … – Eine Klinge, mit der man eine Schraube anzieht, verliert vielleicht die Spitze, bricht aber nicht in der Mitte durch … – Diese Holzfäserchen können erst ganz kurze Zeit zwischen den übrigen Klingen liegen. Sie hätten Sie entfernen sollen, Mr. Lampetter … Sie haben mit der kleinen Klinge das Löchlein gebohrt, dann die größere benutzt. Sie erschienen auch zum Souper bedeutend später …“
Lampetter zuckte die Achseln …
„Mr. Harst, Sie verschwenden Ihre Detektivfinessen ganz unnötig … Ich bohre keine Löcher in Türen … Ich bin seit einem Jahre Schiffsarzt hier auf der Jacht und war in derselben Stellung zehn Jahre lang auf einem Seedampfer … Mein Ruf ist tadellos. Sonst hätte Orlington mich wohl kaum in seine Dienste genommen. Er konnte wählen …“
Harald schwieg …
Ich freute mich auf den Moment, wo wir den Steward als Zeugen gegen Lampetter würden vernehmen können. Lampetter war offenbar ein ganz geriebener Schurke …
Harst hatte jetzt des Doktors Brieftasche in der Hand …
„Was ist dies?“ fragte er plötzlich und hielt ihm ein Stück Glanzleinwand hin, etwa von Spielkartengröße …
Schwarze Glanzleinwand war’s …
Und jetzt – – jetzt zum ersten Male wurde der Doktor unsicher …
Aber schnell gefaßt erklärte er:
„Ich brauche es als Unterlage für meine Briefmarken, Mr. Harst … Ich bin Sammler …“
„So … so …“ – Und Harald drehte das unscheinbare Stück Glanzleinwand um. Die Rückseite war schmierig und unappetitlich …
Da klopfte es …
Und nun war meine Stunde gekommen …
Ich schaute Lampetter an …
„Einer der Stewards ist’s …“ sagte ich … „Ich habe bei ihm Eislimonade bestellt … Der Mann behauptet, Sie haben vor unserer Tür Ihre Brille geputzt, Mr. Lampetter, bevor Sie an der Abendtafel erschienen …“
Es klopfte nochmals …
Harald schob den Riegel zurück, öffnete ganz wenig, nahm dem Steward das Glas ab und befahl ihm, draußen zu warten, riegelte wieder ab …
„Nun, Mr. Lampetter?!“ wandte er sich wieder an den Doktor … „Sie täten besser, jetzt endlich mit der Wahrheit herauszurücken …“
Lampetter zuckte wieder die Achseln …
„Man nennt so etwas ja wohl Indizien, Mr. Harst … Mögen diese gegen mich sprechen. Ich bleibe bei meinen Behauptungen. Ich habe mit dieser Sache nichts zu tun, kenne den Toten nicht und wüßte auch nicht, aus welchem Grunde ich den Inder ermordet haben sollte.“
Harst schaute vor sich hin …
Dann: „Sie besitzen doch natürlich eine Schußwaffe, Mr. Lampetter?“
„Nein … bedauere. Ich habe eine ausgesprochene Abneigung gegen Schußwaffen, wie Ihnen jeder hier an Bord bestätigen wird …“
Haralds Lippen wurden schmal. Ein harter Zug erschien um den Mund …
„Sie haben den Inder mit dieser Pistole erschossen …“ und er hob seine eigene Clement vom Tische auf … „Hier – die Mündung riecht nach frischem Schuß … Hier – es sind nur noch acht Patronen im Laderahmen. Als Schraut und ich zum Abendessen gingen, ließen wir unsere Repetierpistolen hier auf dem Tische liegen … Beide waren gereinigt, die Rahmen gefüllt … Die Kabinentür haben wir nicht verschlossen … – Bitte – hier sind am dunklen Metall der Waffe Fingerabdrücke … Sie leiden an etwas feuchten Händen, Mr. Lampetter. Ich werde diese Fingerabdrücke mit den Ihrigen vergleichen … Schraut, schicke den Steward weg … Wir brauchen ihn nicht mehr …“
Ich tat’s …
Und als ich mich wieder umdrehte, war mit Lampetters Gesicht eine schreckliche Veränderung vor sich gegangen …
Es war verfallen, grau, schlaff … Auch des Doktors Körperhaltung war die eines Menschen, der jede Hoffnung, sich aus einer äußerst gefahrvollen Lage noch herauswinden zu können, aufgegeben hatte …
Mit hängenden Schultern, gesenktem Kopf stand er da … Seine Hände öffneten und schlossen sich in nervösem Spiel …
Ein trauriges Bild – ein überführter Mörder … Die Detektivfinessen hatten ihn doch zu Fall gebracht …
„Nun?!“ sagte Harst mit schwerer Betonung …
Lampetters Lippen zitterten …
Dann stieß er heiser hervor:
„Tun Sie mit mir, was Sie wollen …! Ich … ich … bin … unschuldig, wenn auch der Schein vielleicht gegen mich spricht …“
Merkwürdig: das hatte wirklich wie der trostlose Aufschrei einer gequälten Seele geklungen!
Auch Harst schien dies deutlich zu empfinden …
„Inwiefern sind Sie unschuldig?“ fragte er … „Doktor, reden Sie sich die Seele frei … Es müssen hier bei diesem Morde ja höchst geheimnisvolle Nebenumstände mitspielen … Reden Sie …!“
Lampetter schwieg …
Nur ein Stöhnen kam aus seiner Brust …
„Dann,“ sagte Harst wie bedauernd, „dann muß ich durch Schraut den Kapitän holen lassen, der hier an Bord die Polizeigewalt hat …“
Lampetter duckte sich wie unter einem Schlage zusammen.
Schwieg trotzdem …
Harst winkte mir …
Als ich die Tür aufriegelte, machte der Doktor eine hastige Bewegung …
Er stierte mich an …
Ich wartete …
Sein Gesicht war verzerrt. Er kämpfte mit sich …
Ich wartete …
Da legte Harald ihm die Hand auf die Schulter …
„Lampetter, Sie gelten hier als Sonderling … Sie sind verschlossen, meist trübsinnig … In Ihren weltfremden Augen liegt meist ein Ausdruck eines stillen Grauens. Ich habe Sie beobachtet. Was lastet auf Ihrer Seele, Mann?!“
Der Doktor wandte langsam den Kopf …
Seine Blicke ruhten auf dem Toten …
Und als ob er gleichsam durch diese Leiche neue Kraft gewonnen, richtete er sich energisch auf und rief halblaut:
„Der da und ich – nur wir beide wußten’s! Und außer uns wird es keiner erfahren – keiner …“
Er hob die rechte Hand …
Blitzschnell hatte er seine Nadel, eine kostbare Perle, aus der Krawatte gerissen …
Hatte sich die goldene Spitze in die linke Halsseite gestoßen …
Ließ sie dort stecken …
Ein furchtbares Lächeln umspielte den zuckenden Mund … – Ich liebe so kräftige Ausdrücke nicht … Aber – dieses Lächeln war furchtbar …
„Geben Sie sich keine Mühe mehr, meine Herren …“ sagte er dumpf … „Die Spitze der Nadel habe ich selbst mit Rillen versehen und diese mit einem kristallinischen Gift gefüllt – – für alle Fälle … In drei Minuten bin ich tot … Vielleicht ist es schade um mich …“
Dann trat ein gehässiger Zug in das erdfahle Gesicht …
„Ich könnte Ihnen, Mr. Harst, jetzt ja die Wahrheit eingestehen … – Aber – Sie sind mein … Mörder! Und deshalb: meine Rache ist mein Schweigen! Mögen Sie jetzt Ihren spitzfindigen Kopf sich zerbrechen …!“
Er lachte schrill …
Das Lachen wurde zum gurgelnden Stöhnen …
Er taumelte … Wir fingen ihn auf …
Im Rohrsessel starb er – ohne Todeskampf …
Und wir beide standen dabei, bleich, erschüttert …
Zwei Lebende in der Kabine, zwei Tote …
Und ein dunkles Geheimnis … – –
Ich holte den Kapitän und Tschergin. Das Ehepaar Orlington hatte sich schon in seine Kabinen zurückgezogen. In aller Stille wurden die Leichen nach unten in eine Kammer geschafft …
Dann saßen wir vier in unserer Kabine an dem schmalen Sofatisch und sprachen über diese letzten traurigen Geschehnisse, die uns alle aus heiterer, sorgloser Stimmung herausgerissen hatten.
Harald blieb dabei, daß der Inder sich in Bombay an Bord und in unsere Kabine geschlichen habe, daß Lampetter dies wußte und den Inder dann erschoß, damit dieser nichts verraten könne. Die Leiche hatte der Doktor hier in der Kabine lassen müssen. Er hatte sie unter mein Bett geschoben. Hatte gehofft, daß niemand ihn verdächtigen würde und daß er vielleicht Gelegenheit finden würde, den Toten über Bord zu werfen …
Tschergin und der Kapitän fragten dann wie in einem Atem, was es mit dem Stück Glanzleinwand auf sich habe.
Harald zeigte auf die blanke Seite des spielkartengroßen Stückes …
„Glanzleinwand bricht mit der Zeit … In der schwarzen Schicht entstehen Rillen … Aber – diese Rillen hier sind künstlich hervorgerufen worden … Es ist – eine Zeichnung, meine Herren … Diese Zeichnung werde ich auf Papier übertragen … Vielleicht werden wir dann etwas klüger … etwas …!“
Tschergin seufzte …
„Wera wird entsetzt sein, wenn sie erfährt, daß zwei Tote an Bord sind …“
„Die können sofort nach Seemannsart bestattet werden,“ meinte der Kapitän. „Hätten Sie dagegen etwas einzuwenden, Mr. Harst?“
„Nein … Nur der Inder müßte photographiert werden … Auch Lampetter … Nehmen wir am besten hier sofort das Protokoll auf, Kapitän … Nachher das stille Begräbnis … Dann – bleibt nur noch das Geheimnis übrig … Auch das stirbt, wenn ich es aufgeklärt haben werde …“
Fürst Tschergin rauchte bedächtig seine dunkle Importe … „Wie heiter waren wir bei Tisch, lieber Harst … Auch Lampetter war nichts anzumerken.“
„Ihm war immer etwas anzumerken, Fürst, immer … Als ich ihn gestern, nein, vorgestern kennenlernte, sagte ich mir gleich, daß dieser Mann Böses erlebt haben müsse – etwas, das selbst einen Arzt für Jahre aus dem seelischen Gleichgewicht bringt … Seine Augen waren so merkwürdig …“
Tschergin nickte … „Das stimmt … So, als ob der Mann immer … rückwärts schaute … als ob er stets hinter sich Gespenster vermutete …“ –
Der Kapitän bereitete das Protokoll vor.
Harst diktierte …
Zum Schluß:
„… Der Selbstmord ließ sich nicht verhindern. Durch diesen Selbstmord und die Äußerungen, die Doktor Lampetter kurz vor seinem Tode getan hat, gab er den Mord zu, der ihm im übrigen auch durch Indizien genügend nachgewiesen ist.“
Eins war bei diesem Protokoll auffallend: Harald erwähnte nichts von dem Glanzleinwandstück!
Der Kapitän und Tschergin beachteten dies nicht weiter … Wir vier unterzeichneten … –
Inzwischen hatte der Schiffsingenieur die Toten mehrfach photographiert.
Gegen Mitternacht wurden die Leichen dann in üblicher Weise ins Meer versenkt. Der Kapitän sprach ein kurzes Gebet, und in wenigen Minuten war alles vorüber …
Jetzt gingen auch wir zu Bett. Ich ließ meine Nachttischlampe brennen … Das Bewußtsein, daß der ermordete Inder unter meinem Bett gelegen hatte, war für mich doch so unangenehm, daß ich nicht einschlafen konnte. Harald atmete längst tief und ruhig …
Mich litt es schließlich nicht mehr im Bett … Die Hitze in der Kabine war unerträglich. In Schweiß gebadet stand ich auf und setzte mich an den Sofatisch. Das Stück Glanzleinwand lag neben unseren Pistolen …
Ich nahm es … Um mich abzulenken, begann ich die künstlich eingekratzten Rillen in vergrößertem Maßstabe nachzuzeichnen, eine Arbeit, die mich immer mehr interessierte …
Ich zündete mir eine Zigarre an und erfrischte mich durch ein halbes Gläschen indischen Madraswein …
Sehr bald entwickelte sich denn auch auf dem Bogen Papier die Skizze einer Landschaft … – Oder – war es ein Küstenstrich mit vorgelagerten Inseln?! Das ließ sich schwer entscheiden.
Als ich fertig war, verglich ich nochmals, verbesserte hier und dort und kam endlich zu der Überzeugung, daß es eine bestimmte Meeresgegend sein müsse, ein buchtenreicher Strand mit einer nicht allzu weit entfernten Gruppe von zwei größeren und acht kleineren Inseln …
Und – das wichtigste: das kleinste der Inselchen, das am weitesten nach der offenen See zu lag und das wie die anderen auf dem Glanzleinwandstück durch ein unregelmäßiges Oval dargestellt war, zeigte in der Mitte ein kaum wahrnehmbares Kreuz!
Wenn man nun in Betracht zog, daß Lampetter auch früher Schiffsarzt gewesen, dann gewann meine Ansicht, daß es sich um einen bestimmten Küstenstrich handelte, sehr an Wahrscheinlichkeit, obwohl die Ovale ja auch Berge oder Hügel darstellen konnten, weil ja alles nur durch einfache Striche wiedergegeben war.
Während ich noch grübelnd über das Papierblatt gebeugt dasaß, – plötzlich von Haralds Bett eine leise Stimme.
„Nun, mein Alter?! Wie weit bist Du?!“
Ich schrak leicht zusammen …
Ich blickte auf … Harst erhob sich, reckte sich …
„Ich habe scheußlich geträumt … Immer von Lampetters Krawattennadel, von dieser wahrhaft prachtvollen Perle, die wir nun dem Protokoll beigefügt haben … Ich weiß nicht recht, wie der Doktor mal in Besitz dieser Perle gelangt sein mag. Sie ist ein Exemplar, wie es wenige gibt … Als ich sie zum ersten Male sah, glaubte ich an eine Imitation, denn ich schätze sie, falls echt, auf ein Vermögen … Und Du hörtest ja, daß Tschergin und der Kapitän sie ebenfalls für unecht hielten – ein verzeihlicher Irrtum übrigens. Sie ist echt. Und deshalb: wo hat Lampetter sie her?! Wo nur?!“
Er nahm meine Zeichnung in die Hand …
Drehte sie hin und her …
Ich beobachtete ihn …
Er stutzte …
Dann öffnete er schnell einen unserer Koffer …
Holte unsere Seekarten hervor und legte die eine auf den Tisch …
„Bitte …!“ sagte er nur …
Ich beugte mich über die Karte …
Es war der Nordostteil des Arabischen Meeres, es war rechts oben der Küstenstrich zwischen der Grenzstadt Karachi und dem Hafen von Surat, der nördlich von Bombay liegt.
Und in der Mitte dieses Landstreifens der Golf von Cutch – unser Ziel …!!
Unser Ziel, um das Ehepaar Hasting abzuholen …!!
Ich bitte den Leser nun, selbst einmal einen Atlas zur Hand zu nehmen. Dann wird ihm das Verständnis des Folgenden wesentlich erleichtert werden …
Unschwer wird er südlich des Golfes von Cutch die Küstenstadt Dwarka finden. Nördlich davon liegen kleinere und größere Inseln, außerdem nach Westen zu Riffbänke …
Und diese Inselgruppe entsprach der Anordnung der einzelnen Eilande nach genau der Skizze, ebenso die Küstenbildung …
„Glaube nicht, mein Alter,“ sagte Harald da, „daß ich das Bild dieser Küstengegend so genau im Kopfe hatte … Nein, ich konnte Dich nur deshalb so schnell auf die richtige Spur bringen, weil ich eben diese Karte gestern schon der Hastings wegen in der Hand gehabt habe – nur deshalb! – Es ist ein seltsames Zusammentreffen, daß wir hier abermals auf den Golf von Cutch stoßen … Aber das Leben ist scheinbar ja überhaupt nichts anderes als eine Reihe von Zufällen – von Zufällen, die sich bei näherer Betrachtung immer als eine Kette ineinander greifender notwendiger Ereignisse entpuppen … immer! Es gibt überall innere Zusammenhänge, die sich nur unseren stumpfen menschlichen Sinnen entziehen. Vielleicht hat Archibald Hasting, wenn er als Kellner seinen Urlaub verlebte, sich droben in den Dschungeln bei Chotar als Jäger mit seiner Frau umhergetrieben … Die Gegend dort kannte er ja genau. Vielleicht ist er auch von Chotar aus südwärts gekommen, bis zur Luni-Mündung, bis zum Golfe von Cutch … Wir wissen ja so wenig von ihm … Vielleicht hat er auch die Dwarka-Inseln besucht, die einst als Perlenbänke berühmt waren … Und – vielleicht stammt Lampetters Prachtperle von diesen Bänken – – wer kann’s verneinen, wer kann’s bejahen?! Vorläufig niemand – sehr bald vielleicht wir beide, mein Alter – vielleicht …“
Er langte nach seinem Zigarettenetui … Er war so in Gedanken, daß er die unangezündete Mirakulum zwischen die Lippen schob …
Bis ich ihm das Feuerzeug hinhielt …
Da lächelte er ebenso versonnen … – Rauchte drei Züge …
Drei nur …
Und – – hob jäh den Kopf …
Die Augen weit geöffnet …
„Schraut, gehen wir in Lampetters Kabine … Schraut, das hätten wir längst tun sollen … Jetzt stört uns niemand … Hier liegt noch des Doktors Kabinenschlüssel … Also – – vorwärts, mein Alter … Es müßte doch sehr seltsam zugehen, wenn wir dort nicht etwas fänden, das zu Lampetters Geheimnis irgendwie in Beziehung steht …“ –
Wir hatten es nicht weit – im selben Kabinengang die dritte Tür linker Hand …
Harald schloß auf … Wir traten ein … Ich ließ das Licht aufflammen … Ich verriegelte die Tür …
Es war ein Raum von vier Meter im Quadrat. Es roch hier nach Arzt. An der einen Wand stand der große Schrank, die Schiffsapotheke …
Über dem Schreibtisch ein doppeltes Bücherbrett … Die Bücher sämtlich medizinische Werke … Nur eines war darunter, das durch seinen bunten Einband gegen die übrigen abstach …
Harst zog es heraus … Ein englisches Buch mit einer grellbunten und doch geschmackvollen Illustration auf dem Deckel … – Titel:
Geheimnisvolle Schiffskatastrophen
von Rudyard Wißpoor.
Erscheinungsjahr: 1924, Erste Auflage …
„Hm …!!“ machte Harald … „Schiffsarzt – – Schiffskatastrophen!! Hm …!!“
Und blätterte in dem gut illustrierten Band …
Klappte ihn zu … ließ ihn von selbst wieder aufklappen.
Da waren zwei Seiten, beschmutzt, befaßt, Spuren von Nikotin, Spuren von Tabaksasche …
Und links eine Überschrift:
„Orinoko, das Pestschiff.“
So – – fanden wir einen weiteren Teil des Geheimnisses Doktor Lampetters, denn der Aufsatz über den Dampfer Orinoko lautete:
„Am 4. November 1923 verließ der 5000-Tonnen-Dampfer Orinoko, der Reederei Goswilld in San Franzisko gehörig, nach zehntägiger Quarantäne den Hafen von Bombay, wo gerade wieder ein paar Pestfälle im Hafenviertel die Behörden zu strengsten Vorbeugungsmaßnahmen veranlaßt hatten. Der Orinoko war nach Port Said bestimmt und hatte außer einer Ladung Reis noch zweihundert arabische Pilger an Bord.
Am 12. November, als der Dampfer längst in Aden einen Teil der Pilger hätte gelandet haben müssen, begegnete das Barkschiff Maifax halbwegs zwischen Bombay und Aden einem steuerlos treibenden Dampfer, der Notsignale gehißt hatte. Als die Bark dem Dampfer bis auf fünfzig Meter nahe gekommen, trug der Wind einen so starken Verwesungsgeruch herüber, daß der Kapitän der Maifax einen Mann auf den Besanmast schickte. Inzwischen war auch der Name des Dampfers, Orinoko, festgestellt worden. Der Matrose meldete, daß das Deck des Dampfers voller Leichen liege. Sofort wendete die Maifax und fuhr davon. Auf dem Orinoko hatte sich kein lebendes Wesen gezeigt. – Der Kapitän der Bark meldete dieses Zusammentreffen mit dem Dampfer den Hafenbehörden von Bombay. Man schickte einen Polizeikutter aus, der jedoch unverrichteter Sache zurückkehrte. Der Orinoko blieb bis zum 11. Januar 1924 verschollen. Dann landeten im Hafen von Surat die beiden einzigen Überlebenden des Orinoko, der Schiffsarzt Dr. George Lampetter und ein junger Perlentaucher, ein Inder namens Ramsa Kari. Auch sie waren wie die ganze übrige Besatzung und die Passagiere an Pest erkrankt gewesen. Sie genasen wie durch ein Wunder. Sie erholten sich langsam – erholten sich inmitten eines Leichenfeldes …
Was Doktor Lampetter über diese Wochen auf dem führerlos treibenden Dampfer berichten konnte, war wie ein Kapitel aus einem grauenvollen Roman.
Schließlich gelang es den beiden Unglücklichen, das kleinste Rettungsboot zu Wasser zu bringen und die Küste zu erreichen. Was aus dem Orinoko geworden, wußten sie nicht. Wahrscheinlich ist der Dampfer in einem Sturm irgendwo gescheitert. Bisher hat man nichts von ihm entdeckt, nicht einmal treibende Wrackteile.“
An diesen Aufsatz schloß sich der Bericht Doktor Lampetters an, wie dieser ihn vor dem Hafenamt in Surat zu Protokoll gegeben hatte. Ich kann ihn hier aus Raummangel nicht wiederholen. Er enthält auch nichts Wesentliches. Der Leser wird sich unschwer selbst ausmalen können, was es heißt, auf einem Pestschiff als einzige Gesunde wochenlang vegetieren zu müssen. –
Harst stellte das Buch an seinen Platz zurück und sagte:
„Also Ramsa Kari heißt der Ermordete, und Perlentaucher war er … Perlentaucher! – Mein lieber Alter, so wahr ich Harald Harst heiße: das, was Lampetter über seine und des Inders Rettung angegeben hat, kann niemals stimmen – niemals! Da fehlt etwas … Da fehlt gerade das, was für uns am wichtigsten ist … – Nun, auch das wird sich allmählich aus dem Dunkel der Vergangenheit herausschälen lassen – auch das! – Jetzt wollen wir weitersuchen … Das Buch war der erste Fund. Ich hoffe, es wird noch anderes hinzukommen …“
„Und – worauf hoffst Du?“
„Das will ich Dir sagen, wenn es so weit ist …“
Wir nahmen Lampetters Schreibtisch vor … Wir haben damals in aller Ruhe nicht nur den Schreibtisch, sondern auch alle übrigen Behältnisse durchsucht …
Zuletzt den Apothekenschrank …
Was wir fanden, war ohne Bedeutung … Und was wir alles taten, um vielleicht ein Geheimfach, ein besonderes Versteck zu ermitteln, kann ich hier nicht im einzelnen wiedergeben.
Nun schien auch Harald überzeugt, daß alle weitere Mühe umsonst …
Noch standen die beiden Türhälften des großen Holzschrankes offen …
Unzufrieden ruhte Harsts Blick auf den Schiebladen, den Reihen von Flaschen jeder Größe, die alle ihr besonderes Fach hatten, das ausgepolstert war …
Unzufrieden sagte er: „Damit Du es nun weißt, mein Alter: ich suche Perlen – Perlen! Ich behaupte, daß Lampetter und Ramsa Kari damals mit dem Orinoko bis zu den Cutch-Inseln getrieben sind, daß sie dort dann eine Perlenbank entdeckten und ausbeuteten … Ich …“
Er verstummte …
Sein Kopf schob sich etwas vor …
Sein Oberkörper gleichfalls …
So starrte er in den Schrank hinein …
Dann:
„Bitte – die dritte linke Flaschenreihe, mein Alter …“
Ich schaute hin …
In den Flaschen, die nicht völlig gefüllt waren, schwappten die Flüssigkeiten je nach den Schiffsbewegungen hin und her …
Der Inhalt der Flaschen kam nie zur Ruhe, da auch die Hudson sich andauernd auf den Wogen wiegte …
Nie zur Ruhe …
Stete Bewegung war in den Flaschen …
Und – – dann hatte ich’s bemerkt – – endlich …!!
Rief: „Die vierte Flasche!! Das ist eine …“
„… eine Täuschung – ja! Auf dem Schildchen steht „Kupfervitriol“ … Aber der grüne Inhalt ist nichts als grünes Glanzpapier, das vielleicht mit Eiweiß an der Innenwand festgeklebt ist … Es ist dies die einzige Flasche, deren Inhalt nicht hin und her schwappt – eben, weil keine Flüssigkeit darin ist. – – Man sieht, mein Alter, worauf man alles achten muß …!“
Und er ging und nahm die große Flasche mit dem dicken Hals und dem eingeschliffenen Stöpsel heraus …
Stellte sie auf den Schreibtisch …
Als auch der Stöpsel entfernt war, sahen wir, daß in der Flasche vier kleine Leinenbeutel lagen …
Harst schüttelte sie heraus …
Und jeder der Beutel enthielt etwa vierzig Perlen – Perlen, von denen jede viele Tausende wert war … –
Unseren Fund taten wir wieder in die Flasche zurück …
Gingen in unsere Kabine … Zwei Uhr morgens war’s geworden. Nun schliefen wir ein … Wir konnten mit dem Ergebnis dieses Besuchs in Lampetters Kabine zufrieden sein …
Lampetters Geheimnis war zur Hälfte gelöst … Oder des Perlentauchers Geheimnis … Denn das blieb sich gleich … Vielleicht nur insofern nicht, als ich überzeugt war, daß Lampetter den Inder um diese Perlen, die ein großes Vermögen darstellten, betrogen hatte …
Und jetzt, lieber Leser, wollen wir einen Zeitraum von vier Tagen überspringen …
Es ist Abend – ein glühend heißer Abend … Die Luxusjacht Hudson ankert in der Luni-Mündung …
Schmutzig-gelbe Fluten wälzt der breite Strom in das große Wasserbecken von Cutch, das nicht viel geringer an Umfang ist als etwa ein Viertel der Ostsee – ein Meer für sich, mit Inseln, Inselchen, mit Stürmen und Windstillen …
Heute regt sich kein Lüftchen …
Wir sitzen unter dem Sonnensegel auf dem Achterdeck …
Haben soeben soupiert … Und haben nun jeder ein Fernglas bereit, spähen zu den grünen Ufern hinüber, zu den Sandbänken, auf denen sich faule Krokodile gelagert haben …
Wir alle sind gespannt, was sich nun ereignen wird …
Werden die Hastings sich einfinden? Werden sie uns Zeichen geben, damit wir sie an Bord holen?!
Am rechten Ufer ein großes Dorf … Viele Fischerkähne … Armes braunes Volk ist zur Jacht herübergerudert, hat Obst und Gemüse, Hühner, Eier – alles Mögliche angeboten … Orlington hat sie alle beschenkt, aber keinen an Deck gelassen. Diese Gegend ist zu ungesund. Cholera und Beulenpest erlöschen in diesen Landstrichen niemals ganz …
Frau Wera Orlington sitzt neben mir … Sie hat Lampetters Tod bereits überwunden … vollkommen … Nur einer trauert dem Doktor noch nach: das ist August Leuchter, der bullige geistvolle Privatsekretär. Lampetter hat seinem Herzen nahe gestanden, obwohl er ihn dauernd hänselte …
Frau Wera stöhnt leise über die Hitze …
„Es gibt ein Gewitter, Herr Schraut … Meine Nerven sind für Gewitterstimmung so überaus empfänglich …“
Harst ist plötzlich aufgesprungen …
„Dort – gegenüber dem Dorfe, wo die kahle Landzunge sich in den Fluß hineinreckt!“ ruft er …
In dem niederen Gestrüpp dieser Landzunge ist ein schlanker junger Palmenstamm aufgerichtet worden. Vorhin war er noch nicht vorhanden … Oben an der Stange flattert etwas Weißes …
Wir alle drängen uns an die Reling … Die Ferngläser werden eingestellt …
Im Gestrüpp neben dem Signal keine lebende Seele … Falls dort jemand anwesend, hält er sich sorgfältig verborgen …
Harald wendet sich an Orlington …
„Lassen Sie bitte die Barkasse fertigmachen … Schraut und ich fahren hinüber …“ –
Fünf Minuten später durchfurcht die Motorbarkasse die gelben trägen Fluten …
An der Spitze der Landzunge ist eine Menge Bäume angeschwemmt – ein Riesenfloß … Dort legen wir an. Die drei Matrosen bleiben in der Barkasse …
Wir balancieren über die Stämme, springen ans Ufer.
Harald nimmt die Clement aus der Tasche, entsichert sie …
„Nur alle Fälle, mein Alter …“
Wir vermeiden das dichte Gestrüpp, nähern uns auf sandigen lichten Stellen dem schlanken Palmenbaum … Als Flagge weht da oben ein … weißes Hemd, das mit den Ärmeln um die Stange geschlungen ist …
Die ganze Geschichte kommt mir durchaus nicht geheuer vor … Ich habe unangenehme Vorahnungen …
Auch Harst ist überaus mißtrauisch …
Noch fünf Meter …
Aber hier überall Gestrüpp …
Harald beschreibt einen Bogen um das Signal …
Und – so finden wir wieder eine offene Stelle …
Noch zwei Meter …
Dann – zu unseren Füßen eine Vertiefung … Und in dieser ein kleines braunes Zelt. Davor sitzt Sir Archibald Hasting und … rupft eine Wildente …
Tatsache: Rupft eine Wildente, nickt uns freundlich zu, ist wie Indianer so braun …
„Tag, die Herren …“ sagt er leise und deutet auf das Zelt. „Jenny schläft … Wir haben böse Tage hinter uns …“
Er winkt, und wir reichen ihm die Hand …
Aus dem Zelt eine müde verschlafene Stimme:
„Archi, mit wem sprichst Du?“
„Das könntest Du Dir eigentlich denken, mein Liebling …“ meint er fröhlich lachend. „Du kleines Murmeltier hast Dich ausgeruht, und ich …“
Der Zeltvorhang wird etwas gelüftet. Frau Jennys blonder Kopf erscheint …
„Oh – Herr Harst – – Herr Schraut …! Wie sollen wir Ihnen danken, daß Sie Wort gehalten haben[2] …! – Verzeihen Sie – ich muß erst ein wenig Toilette machen … Wir sind in der Wildnis fast zu Landstreichern geworden …“
„Und mein einziges Hemd spielt Fahne,“ sagt Sir Archi kläglich …
Jennys Kopf verschwindet wieder …
Wir setzen uns neben Hasting in den Sand …
„Seit gestern sind wir hier,“ erzählt er … „Wir haben nichts Besonderes erlebt … Nur anstrengend war der Marsch … Und dann – die Zigaretten fehlten mir. Ohne Zigarette bin ich nur halb Archi Hasting …“
Wer ihn in seiner gemütlichen nachlässigen Sicherheit hier beobachtet, wer seine grauen ehrlichen Augen sieht, hätte nie geglaubt, daß dieser Sohn eines schottischen Lords zum Scheckfälscher herabgesunken sein könnte …
Harst hält ihm das Zigarettenetui hin … „Bitte …!“
Archi Hasting greift zu – raucht mit Andacht …
„Oh – ein Genuß!! Eine Mirakulum des berühmtesten aller Detektive! – Vielen Dank … Wirklich ein Genuß …“
Wir sitzen mit dem Rücken nach dem Zelt hin …
Frau Jenny ruft: „Archi, Deinen Taschenspiegel …!“
„Sofort …“ Er reicht Harald das Spiegelchen …
„Eitelkeit, Dein Name ist Weib! – Werfen Sie ihn doch ins Zelt, Herr Harst …“
Harald tut’s … Sagt dann: „Sie beide sind also auf der Hudson willkommen, Sir Archibald … Sie werden dort rasch die Strapazen vergessen …“
Hasting nimmt die Zigarette aus dem Munde …
„Wirklich willkommen, Herr Harst …?“
„Gewiß …“
„Hm – –“ und er schaut Harald seltsam durchdringend an …
„Treiben Sie auch kein falsches Spiel, Herr Harst …“
„Nein!“
Kaum ist dieses energische Nein über seine Lippen, als sich von hinten zwei Hände um meinen Hals legen …
Ich werde niedergerissen – halb erwürgt … Harald ergeht es ebenso …
Wir sind wehrlos … Auf jedem liegen drei Inder …
Kerle, die im Zelte verborgen, Kerle, die uns fesseln, die uns Knebel in den Mund pressen …
Alles in Sekunden …
Lappen bindet man mir über die Augen … Schleift mich durch Sand und Gestrüpp … Trägt mich im Dauerlauf weiter … Wirft mich in einen Korb …
Ich höre den Zuruf eines Mahuts, eines Elefantenführers … Der Korb schwankt … Der Elefant erhebt sich.
Gebüsch rauscht … Bäume rauschen unter den ersten Windstößen eines heraufziehenden Gewitters …
Der Elefant trabt …
Ich werde hin und her geworfen … Ich spüre Harald neben mir …
Genau wie vor sechs Tagen … genau so … Genau wie im Dschungel von Chotar …
Es beginnt zu donnern – zu regnen … Es gießt in Strömen …
Dann plötzlich Stille …
Hallende Schritte …
Kein Regen mehr … Kühlere Luft – etwas dumpfig.
Der Mahut ruft …
Der Elefant kniet nieder … Man hebt uns aus dem Korbe … Wir stehen auf den Füßen … Man nimmt uns die Augenbinden ab …
Ich schaue – – starre … staune …
Schließe die Augen …
Öffne sie wieder …
Das Märchenbild bleibt dasselbe …
– – – Märchenbild … – Das war’s in der Tat …
Eine Felsengrotte, vielleicht zwanzig Meter hoch … Im Hintergrunde ein burgähnlicher Bau aus weißem Marmor, beleuchtet durch zahllose, an den Grottenwänden angebrachte Glühbirnen …
Vor der breiten Freitreppe des Marmorschlößchens ein rauschender farbiger Springbrunnen – eine Leuchtfontäne … Bis zur Grottendecke empor sandte sie ihre schillernden Strahlen, deren Tropfenregen wie sprühende Diamanten in das Bassin zurückfielen …
Und oben auf der Freitreppe zwei Menschen …
Ein Liebespaar – eng umschlungen – die Hastings … Beide weiß gekleidet, beide lächelnd …
Ein stolzes glückseliges Lächeln … –
Inder in sauberen Leinenanzügen nehmen uns die Fesseln, die Knebel ab …
Gehen davon … Neben uns kniet noch der Elefant …
Wir drehen uns um …
Und überall Gestein … Nichts von einem Eingang – nichts …
Wir schreiten langsam auf das Schloß zu …
Langsam die Marmortreppe hinan …
Sir Archi hält seine Frau an der Linken, verbeugt sich …
„Ich heiße Sie in meinem Heim willkommen, meine Herren …“
Wir beide sind noch immer nicht recht der Situation gewachsen. All das kam zu plötzlich, zu unerwartet …
Archibald Hasting fügt hinzu:
„Ich kann es durchaus begreifen, daß Sie sich erst in dieses Neue hineinfinden müssen, meine Herren … Ich möchte Ihnen nur hier sofort erklären, daß ich Ihnen damals nach Bombay gefolgt bin und daß ich Sie, Herr Harst, beobachtet habe, als Sie in der Polizeidirektion das Hochstapleralbum einsahen … Sie wissen also, daß Jenny und ich steckbrieflich verfolgt werden … Wenn Sie also vorhin am Luni erklärten, wir seien auf der Hudson willkommen, so kann das wohl nur bedeuten: daß Sie uns verhaften wollten! – Würde ich Ihnen beiden nicht zu Dank verpflichtet sein – von Chotar her, dann wäre jetzt Ihre Behandlung eine andere … So aber will ich vergessen, daß Sie uns … überlisten wollten … Sie werden unsere Gäste sein … Und – Sie werden schweigen, wenn Sie dann wieder frei sind …“
Wieder verneigte er sich …
„Folgen Sie mir bitte … Das Abendessen wartet …“
Harst blieb stehen …
„Einen Augenblick noch, Sir Hasting …“
„Nun?!“
„Ich möchte einen Irrtum richtigstellen … Ich hätte Sie und Ihre Gattin niemals der Polizei übergeben. Sie beide sind mir interessante Erscheinungen … Ich wollte feststellen, weshalb Sie zwei Jahre in Bombay ehrlich gearbeitet haben …“
Sir Archi unterbrach ihn …
„Verzeihen Sie, Herr Harst, all das können wir doch bei Tisch besprechen … Wenn Sie so liebenswürdig sein wollen und meiner Frau den Arm reichen …“
Märchen … Märchen …
Frau Jenny und Harald voran … Archi und ich hinterdrein …
Ein Diener stößt die Flügeltür des Marmorschlößchens auf …
Wir betreten eine Halle …
Mildes Licht fällt aus dünn geschliffenen Marmorschalen auf allerlei seltsame Dekorationen, zumeist Schiffsgeräte …
Merkwürdig – merkwürdig …!!
Ein zweiter Diener öffnet rechts eine Tür …
Ein behaglicher mittelgroßer Raum … Ein Tisch, für vier Personen gedeckt … Blumen, Tafelaufsätze, Weinkühler … Sektkelche …
Ich staune …
Staune um so mehr, als hier in der Gegend der Luni-Mündung die Hunde vor Unkultur mit dem Schwanz bellen und mit dem Kopf wedeln …
Ein Diener bringt Handschalen mit parfümiertem Wasser – schneeige Tücher …
Wir tauchen die Hände ein … Die unsrigen haben es nötig …
Dann – erster Gang: Schildkrötensuppe in Täßchen, dazu wundervoll duftende Pasteten …
Sir Archi füllt die Sherrygläser …
Märchen … Märchen …!! Harst und Schraut und ein Gaunerpaar …!!
Frau Jenny spielt Hausfrau, eröffnet die Unterhaltung: über moderne Opern – Richard Strauß, Rosenkavalier, – – ganz Dame von Welt – – Tochter eines Londoner Hotelportiers, wie der Leser aus dem vorigen Bande noch wissen dürfte …
Zweiter Gang: ein delikater lachsartiger Fisch mit zerlassener Butter und Meerrettich … –
Harst ist schweigsam …
Er fühlt sich unbehaglich. Ich sehe es ihm an … Er weiß nicht recht, wie er all das deuten soll … Vielleicht traut er dem Frieden nicht recht …
Ich … esse, plaudere, trinke …
Harst taut langsam auf …
Wir werden vergnügt …
Und doch …: zuweilen beschleicht auch mich das Gefühl, als ob hier irgend etwas nicht in Ordnung ist, als ob irgendwo böse Überraschungen lauern …
Das Gespräch meidet alles, was die Stimmung stören könnte … Wenn nicht dieses scheußliche Gefühl der Ungewißheit uns beiden wie ein Alp auf der Seele liegen würde, wäre es ein Genuß, mit diesem liebenswürdigen Paare zu plaudern …
Dann erhebt Frau Jenny sich, wünscht gesegnete Mahlzeit. Der Mokka soll nebenan eingenommen werden.
Dieses Nebenan ist ein ebenso geschmackvolles Herrenzimmer mit weichen tiefen Klubsesseln, in denen man förmlich versinkt …
Ein Diener bietet Liköre, Zigarren, Zigaretten an …
Dann sind wir vier allein – und jetzt beginnt Sir Archi ganz von selbst zu sprechen …
Und wie er beginnt, ist äußerst kennzeichnend für diesen Mann …
„Das Leben setzt sich zu drei Viertel aus Unwahrhaftigkeit und zu einem Viertel aus Ehrlichkeit zusammen … leider … – Als meine lieben Brüder kaum ermittelt hatten, daß ich eine nicht standesgemäße Ehe eingegangen war, legten sie es mit aller Perfidie, deren sie fähig waren, darauf an, mich von meinen Eltern, die mich als Jüngsten stets ein wenig bevorzugt hatten, vollends zu verdrängen. Es gelang ihnen. Ein altes Familiengesetz half ihnen dabei. Da wir Hastings nun sehr begütert sind – die Kohlengruben von Hastinglane sind berühmt – habe ich mir erlaubt, das mir zustehende Erbe im Betrage von anderthalb Millionen durch kleine Scheckmanipulationen an mich zu bringen. Um dieses Erbe hatten meine lieben Brüder mich betrügen wollen.
Ich selbst, Herr Harst, fühle mich frei von jeder Schuld … Ich habe nur genommen, was mein war. Natürlich denken die Gerichte und die Polizei anders darüber. Jenny und ich werden steckbrieflich verfolgt. Mein Schwiegervater verschaffte mir die Papiere eines jung verstorbenen Kellners Joe Billwaker, und als Billwaker trat ich die Stellung im Esplanade an. Niemand traute einem steckbrieflich verfolgten Scheckfälscher die Frechheit zu, ehrlich und öffentlich zu arbeiten.
Meine Frau hat dann unter anderem Namen hier in der Nähe der Luni-Mündung weite Ländereien erworben und aus den Marmortrümmern eines indischen Fürstenpalastes dieses Schlößchen in aller Stille in dieser kühlen Grotte erbauen lassen.
Sie, meine Herren, werden nachher das Schlößchen, die Grotte und unsere in der Nähe gelegene Plantage besichtigen können. Wir sind hier unter dem Namen Cramioux bekannt und gelten für Franzosen.
Die Möbel dieses unseres Heims stammen zum Teil aus dem Wrack eines Dampfers, den ich im Januar 1924 auf einem Motorkutterausflug zwischen den einsamen Cutch-Inseln fand …“
Harst und ich machten gleichzeitig eine Bewegung der Überraschung …
Sir Archi sah’s …
„Ja – in der Tat, meine Herren – aus einem Wrack … Es war der Dampfer Orinoko – ein Totenschiff …
Die Pest hatte Besatzung und Passagiere hinweggerafft. Das Deck bot einen entsetzlichen Anblick … Nur halb verweste Leichen … Und im Innern sah es nicht viel anders aus … Unter den nötigen Vorsichtsmaßregeln haben meine Leute die Toten in den Raum hinabgeworfen … Zwei Fässer Karbollösung haben sie verbraucht, um alles zu desinfizieren. Nachdem wir alles Wertvolle aus dem Wrack entfernt hatten, brachte ein Orkan im Juli 1924 das Wrack vollends zum Sinken. Es rutschte von dem Riff, auf dem es hing, in die Tiefe …“
Ich hörte atemlos zu …
Ich dachte an Haralds Worte, daß es überall gewisse Zusammenhänge zwischen scheinbar völlig getrennten Ereignissen gebe …
Hier nun die Bestätigung: Zwischen Doktor Lampetters und des Perlentauchers Geheimnis bildete Archibald Hasting das bis in die Gegenwart reichende Verbindungsglied. –
Sir Archi fuhr fort:
„Ich möchte jetzt noch einige kurze Erklärungen über die Vorgänge im Chotar-Dschungel abgeben. Es ist richtig, daß ich den Koffer mit den Familienkleinodien des Fürsten Tschergin und den Juwelen Frau Orlingtons an mich bringen wollte. Ich war tatsächlich sehr erbittert, weil man mich des Mordes an dem Diener James beschuldigte. Aber ich kann Ihnen, Herr Harst, auf mein Wort versichern, daß ich den Koffer nachher abgeliefert hätte – das sollte eben mein Triumph sein! Die Dinge verliefen jedoch zu meinen Ungunsten, und Jenny und ich waren gezwungen, Sie zu belügen, um einer Verhaftung zu entgehen.
Sie ließen uns in den Dschungel entweichen. Sie versprachen uns, mit der Hudson uns an der Luni-Mündung abzuholen. Ich errichtete auf der Landzunge den Signalmast. Ich wollte Sie sprechen, um Ihnen beweisen zu können, daß ich den Koffer nicht stehlen und behalten wollte. Ich bin reich, Herr Harst … Und wenn Sie mich nicht scheinbar hätten auf die Hudson locken wollen, wäre unser Zusammentreffen auf der Landzunge anders verlaufen – ganz anders …“
Harald sagte schlicht: „Ich hätte Sie beide niemals den Behörden übergeben, wie ich schon einmal betonte. Ich ahnte, daß Ihre Scheckangelegenheit besonderer Art sein müsse.“
Sir Archi verbeugte sich höflich. „Ich würde es nie wagen, die Worte eines Harald Harst anzuzweifeln … Sie sind als Menschenfreund bekannt, Sie haben uns damals auf der Lichtung im Chotar-Dschungel gezeigt, daß Sie es in Wahrheit sind. Ich bitte Sie und Ihren Freund hiermit um Verzeihung, weil wir Sie in falscher Würdigung der Sachlage so brutal hierher schleppten …“
Harst reichte ihm die Hand …
„Erledigt, Sir Hasting …“
Und auch ich tauschte mit dem merkwürdigen Menschen einen festen Händedruck.
Alle Zweifel an seiner Aufrichtigkeit waren geschwunden, ebenso das Gefühl, als könnte uns hier doch noch Unangenehmes zustoßen.
Harald nahm eine Zigarette …
„Sir Hasting, jetzt möchte ich Ihnen erzählen, was ich über den Dampfer Orinoko weiß … Es ist eine ziemlich lange und aufregende Geschichte …“
So schilderte er nun all das, was sich auf der Hudson ereignet hatte: die Ermordung des Perlentauchers, Lampetters Selbstmord, den Fund der Perlen in der Flasche …
Und schloß mit den Worten:
„Meiner Ansicht nach haben Lampetter und Ramsa Kari damals, als der treibende Dampfer Orinoko auf jenem Riffe strandeten, dort eine Perlenbank entdeckt. Der Taucher hat die Perlenmuscheln emporgeholt, und um diese Perlen hat Lampetter den Gefährten betrogen. Der Inder wieder besaß nicht die Mittel, dem Ungetreuen nach Amerika zu folgen. Aber in Bombay sah er ihn wieder, schlich an Bord der Hudson in unsere Kabine und wollte offenbar Schraut und mich bitten, Lampetter zur Herausgabe der Perlen zu zwingen. Lampetter erschoß ihn … Alles weitere wissen Sie bereits, Sir Hasting … – Nur eins ist unklar bei alledem: Weshalb haben Lampetter und der Inder vor dem Hafenamt in Surat insofern falsche Angaben gemacht, als sie behaupteten, der Dampfer sei von ihnen auf offenem Meere verlassen worden?! Man könnte denken, sie wollten verhüten, daß die Perlenbank entdeckt würde. Aber dies kann nicht zutreffen. Nein, die Perlenbank hatten sie ja ausgebeutet … Weshalb also entstellten sie die Tatsachen?!“
Sir Archi sann vor sich hin …
Dann sagte er lebhaft …
„Herr Harst, wollen wir mit meinem großen Motorkutter die Cutch-Inseln besuchen und uns einmal an Ort und Stelle gründlich umsehen? Ich besitze eine tadellose Taucherausrüstung, die ich gleichfalls auf dem Orinoko fand … – Schreiben Sie ein paar Zeilen an Mr. Orlington und verabschieden Sie sich von den Amerikanern, bleiben Sie meine Gäste … Wir werden gemeinsam diesen Dingen auf den Grund gehen …“
Harst war sofort einverstanden.
Sein Brief an Orlington, den dann ein zuverlässiger verschwiegener Diener an Bord der Jacht brachte, lautete folgendermaßen:
Mein lieber Mr. Orlington,
bestimmte Umstände lassen es ratsam erscheinen, daß Schraut und ich die Angelegenheit Lampetters allein erledigen. Das Glanzlederstück, die Zeichnung, ist wertlos, da ich bereits bestimmt weiß, daß der Orinoko bei den Cutch-Inseln nicht mehr zu finden ist. Ich bin mit den Hastings zusammengetroffen und habe die Gewißheit erlangt, daß das Ehepaar auch durch die Scheckfälschungen nicht belastet wird. Ich bitte Sie alle, die Sie sich auf der Hudson befinden, das Ehepaar Hasting zu vergessen und zu schweigen.
Wir, Schraut und ich, danken Ihnen herzlich für die liebenswürdige Aufnahme, die wir auf Ihrer Jacht gefunden hatten. Wir wünschen Ihnen glückliche Reise und werden Ihnen später nach Neuyork über das Ergebnis unserer Nachforschungen genau berichten.
Mit Gruß Ihr sehr ergebener
Harald Harst.
Der Bote, der dieses Schreiben ablieferte, meldete uns am Morgen, daß die Jacht davongedampft sei.
Am Morgen …
Inzwischen hatten wir in unserem Gastzimmer im Marmorschlößchen eine sehr angenehme Nacht verbracht. Die herrliche Kühle unseres Quartiers ließ uns bis gegen acht Uhr fest schlafen. Wir waren wie neu geboren, als wir auch noch ein Bad genommen hatten.
Nach dem gemeinsamen Frühstück zeigte uns Sir Archi zunächst alle Räume des Schlößchens und die Grotte.
Diese lag in einem Vorberge des Kwala-Bergrückens und hatte zwei Eingänge, die durch große Tore verschließbar waren. Ein sauberer Weg führte durch Palmenhaine nach den Plantagengebäuden.
Wir waren erstaunt über die Größe der Plantage der Frau „Cramioux“ …! Es war eine Musterwirtschaft … Hundert indische Kulis waren hier beschäftigt und wohnten mit ihren Familien in sauberen Hütten …
Hasting betonte, daß die nächste Ortschaft über fünfzig Meilen entfernt sei …
„Niemand kümmert sich hier um uns,“ erklärte er. „Die Plantagenerzeugnisse werden mit Elefanten zum Luni geschafft und auf Schiffe verladen. Wir besitzen eine kleine Flotte von Frachtbooten. Wir haben hier in einer Wildnis ein Unternehmen gegründet, das sogar von Regierungsvertretern gefördert wird. Frau Jenny Cramioux – –“ – er lächelte fein – „ist eben ein Genie …!“
Und nach kurzer Pause: „Sie werden zugeben, Mr. Harst, daß ich die anderthalb Millionen gut angelegt habe … Ich bin ein Mann, der eine geregelte Tätigkeit braucht. Während ich Kellner spielte, habe ich immer noch Zeit gefunden, in den Abendstunden für Frau Cramioux die Korrespondenz zu erledigen und meine Pläne zu fördern … Frau Cramioux wird sich sehr bald für die Öffentlichkeit verheiraten – – mit mir …! Dann bin ich nicht mehr lediglich ihr Berater wie jetzt …“ Er lächelte wieder – winkte dann einem kleinen, pfiffig aussehenden Japaner …
Stellte ihn vor:
„Hier – Mr. Okiro Sawuma, der den Bau des Schlößchens und der Plantagengebäude geleitet hat – Frau Cramioux’ rechte Hand …!“
Der Japaner grinste …
„Rechte Hand und – eine ehrliche Hand,“ sagte er … „Die Plantage Cramioux ist meine Heimat geworden …“
Er machte einen tadellosen Eindruck, dieser kleine Jap. –
Mit Freuden denke ich an jenen friedlichen, schönen Tag zurück, den wir dort bei den Hastings verlebt haben. Wie eine Oase war diese Musterwirtschaft – jeder Meter fruchtbaren Bodens der Wildnis abgerungen. Die Kulis alle vergnügt, alle bereit, für ihre Herren durchs Feuer zu gehen.
Man denke: zwei steckbrieflich Verfolgte waren Herren eines Gebietes, das vielleicht halb so groß wie eine deutsche Provinz! – Man denke: zwei Scheckfälscher Begründer eines großzügigen Unternehmens, das hohen Gewinn abwarf!
Ja – das Leben dichtet seltsame, zum Nachdenken anregende Geschichten! –
Abends dann bestiegen wir an der Landungsbrücke am Luniufer, die zur Plantage gehörte, den großen Motorkutter.
Frau Jenny begleitete uns. Außer uns und dem Ehepaar waren noch fünf Inder an Bord.
Vor Dunkelwerden passierten wir die Flußmündung mit ihren zahllosen Sandbänken. Das riesige Wasserbecken des Rann of Cutch nahm uns auf. Fischerbarken begegneten uns. Ein kleiner Frachtdampfer tauchte auf … Von der Jacht Hudson war nichts mehr zu bemerken.
Es wurde dunkel. Der Mond ging auf. Der Kutter, der etwa vierzehn Knoten lief, konnte erst am folgenden Abend bei den Cutch-Inseln eintreffen.
Ich habe über diese Fahrt nichts Besonderes zu berichten. Sie war eine angenehme Fortsetzung des frohen Tages auf der Plantage Cramioux.
Sir Archi erzählte Einzelheiten über die Auffindung des Wracks des Orinoko … Unsere kleine Kabine war behaglich … Die Mahlzeit tadellos, unsere Reisebegleitung zufriedene, glückliche Menschen …
So nahte denn der folgende Abend. Wir fuhren jetzt in dem eigentlichen Golf von Cutch dahin … In der Ferne sahen wir die Lichter des Hafens von Nawanagar in der Abenddämmerung blinken. Der Schiffsverkehr war hier lebhafter. Ein Zolldampfer hielt uns für Minuten auf.
Erst gegen elf Uhr erreichten wir die Korallenriffe, von denen die Cutch-Inseln umgeben sind. Eine leichte Brandung warnte vor den gefährlichen Untiefen.
Aber der Inder, der das Steuer bediente, hatte diese Reise nach dem Wrack sehr häufig gemacht und wußte genau Bescheid …
Wir kamen im Mondlicht an den einzelnen, zum Teil felsigen Inseln vorüber … Einige ragten steil wie Mauern aus dem Wasser empor … Und überall Klippen, Korallenbänke – ein böses Fahrwasser! Kein Wunder, daß sich niemand unnötig in diese Inselgruppe hineingetraute.
Dann offene See – wieder Riffe – stärkere Brandung …
Und jetzt deutete Sir Archi geradeaus …
„Dort – das ist die namenlose Insel, an deren Nordwestküste der Orinoko gesunken ist …“
Wir benutzten neugierig die Ferngläser …
Ein hohes, zerklüftetes Felsgestade … An der Nordwestküste mächtige Klippenreihen – ein Labyrinth von Riffen … Wenn der Orinoko durch eine Strömung hier hineingetrieben worden war, konnte er allerdings kaum bemerkt worden sein …
Nun war auch unser Kutter inmitten dieser Felsmassen, zwischen denen die Wasser in schmalen Kanälen gurgelten und schäumten …
Der Scheinwerfer am Bug flammte auf. Wir fuhren nur noch mit halber Kraft … Wir näherten uns der breiteren Rinne, wo der Pestdampfer auf ein Riff geworfen war.
Dann stoppte der Kutter …
„Hier liegt der Orinoko in etwa zwölf Meter Tiefe,“ erklärte Sir Archi … „Wir werden drüben an der großen Klippe landen, die man schon mehr als Inselchen bezeichnen kann …“
Diese Klippe war keine fünfzehn Meter entfernt … In den steilen Felsmassen öffnete sich eine enge Einfahrt. Der Kutter glitt hinein und wurde neben einer flachen Uferstelle vertäut.
Es war jetzt Mitternacht geworden. Wir aßen noch schnell an Deck zu Abend und zogen uns dann in unsere Kabinen zurück. Der nächste Tag sollte dann den Nachforschungen nach der Perlenbank dienen. Harald wollte auch persönlich im Taucheranzug das Wrack besichtigen.
Bisher hatte sich unser Unternehmen vollkommen als harmloser Ausflug dargestellt. Wir dachten auch nicht im entferntesten, daß hier diese Klippe gegenüber der Nordwestküste der namenlosen Insel mehr Geheimnisse barg, als uns je begegnet waren.
Ich lag noch eine Weile wach …
Ich hörte oben an Deck den Inder hin und her gehen, der die Wache hatte. Harst schlief bereits.
Dann verstummten die Schritte plötzlich …
Unsere Kabinenfenster waren offen … nur die Gazeeinsätze waren eingeschraubt. Ich vernahm einen lauten Anruf … Wurde noch munterer …
Die Wache rief nochmals …
Da war fraglos etwas nicht in Ordnung … Ich im Schlafanzug leise hinaus – auf Strohpantoffeln, die Clement für alle Fälle in der Hand …
Der Inder sah mich aus dem Treppenniedergang auftauchen, kam mir rasch entgegen …
„Sahib, es war dort drüben ein Mann …“ meldete er atemlos und zeigte auf die Mitte der gegenüberliegenden Buchtwand. Sie war vielleicht zehn Meter hoch, steil, aber voller Zacken und Risse …
„Wo?“ fragte ich … „Dort in halber Höhe der Wand?“
„Ja, Sahib … Ein nackter Mann – nur Turban und Hüfttuch … Ein Greis mit weißem Bart …“
Der Mond stand schräg über der kleinen Bucht und beleuchtete die Wand …
„… Sahib, es war gerade dort, wo die breite Spalte über der Felsnase deutlich zu erkennen ist … Ich habe mich nicht getäuscht … Der Mann trat aus der Spalte hervor und schaute zu mir herab … Dann drohte er mir mit der Faust … Ich rief ihn an … – und er ging wieder in die Felsspalte hinein …“
Ich überlegte …
Sollte ich Harald wecken?! Sollte ich nicht lieber selbständig handeln?!
„Ich werde im Beiboot hinüberrudern,“ erklärte ich dem Matrosen, einem jungen stillen Burschen …
Er erwiderte ernst:
„Verzeih, Sahib … Ich habe Dir keine Vorschriften zu machen … Aber – es ist Gefahr dabei! Der Greis drohte mir … Es war ein hagerer, großer Mann … Ein einziger Steinwurf könnte Dich töten …“
Ich zuckte die Achseln …
Kletterte in das kleine Boot hinab, machte es los und trieb es rasch zur anderen Buchtwand …
Hier lag Felsgeröll am Fuße der Wand. Ich zog das Boot aufs Trockene und versuchte nun den Abhang zu erklettern. Bis zu der Spalte waren es nur fünf Meter. Ich fand genügend Halt für Hände und Füße und schwang mich auf die Felsnase, die wie ein Balkon vor der dunklen Kluft lag …
In der Rechten die gespannte und entsicherte Clement, in der Linken die eingeschaltete Taschenlampe – so drang ich in das Felsloch ein …
Die Spalte war ein Kamin, der sich schräg nach oben zog und immer breiter wurde …
Plötzlich stutzte ich …
Der grelle Lichtkegel war auf zwei menschliche Gerippe gefallen, die links an der Wand lehnten – in sitzender Stellung …
Zeugfetzen hingen noch um die Gebeine … Und vor den Skeletten standen zwei Opferschalen aus Bronze, in denen Räucherwerk schwelte …
Ein angenehmer Duft erfüllte hier den Felskamin …
Und – noch mehr bemerkte ich … Neben den Gerippen sah ich kleine Altäre aus Steinen errichtet … Auf jedem ein paar plumpe Götzenstatuen aus gebranntem Ton …
Nun – diese Knochenmänner beunruhigten mich nicht weiter … Ich schritt wieder vorwärts … Noch steiler ging’s nach oben, bis mit einem Male über mir der ausgestirnte Himmel sich wölbte und der alte Vater Mond mich freundlich anlächelte.
Ich stand oben auf dem Plateau – einer glatten Fläche … Von einem Menschen keine Spur …
Umschritt das Plateau … Es fiel nach allen Seiten schroff ab …
Ich sah rundum die nächtliche Szenerie der einsamen Inseln und Klippen, sah die weißen Brandungsstreifen und spürte den kühleren Seewind … Möwen schwebten in der Luft … Und so weit mein Blick reichte, war nirgends etwas von einem fremden Fahrzeug zu bemerken …
Nochmals suchte ich das kleine Plateau ab, stieg dann wieder in den Felskamin hinab …
Näherte mich der Stelle, wo die Gerippe saßen …
Stutzte …
Licht dort – – eine Taschenlampe … – Ein Mann in triefendem seidenen Schlafanzug …
Harst …!!
Er wandte den Kopf …
„Das nächste Mal mußt Du die Kabinentür leiser schließen, mein Alter …!“
Und schaute wieder auf die Skelette …
„Die sind, behaupte ich, aus dem Wrack herausgeholt worden,“ meinte er nun. „Sind Angehörige des Greises, der dem Matrosen drohte …“
Ich nickte …
„Du magst recht haben …“
„Ich habe recht … Der Greis hat die beiden Gerippe an besonderen Kennzeichen herausgefunden … Er muß Taucher sein … Er muß gewußt haben, daß der Orinoko hier gesunken ist … Nur Ramsa Kari kann es ihm mitgeteilt haben. Vielleicht ist Ramsa Kari ein Verwandter von ihm gewesen …“
Nur ein Harst wird mit so verblüffender Selbstverständlichkeit solche Schlüsse ziehen …
„Es müssen Angehörige von ihm sein …“ fügte er hinzu. „Er hat ihnen hier die kleinen Altäre errichtet … Er brennt Weihrauch für sie ab …“
Dann bückte er sich über die Skelette, beleuchtete sie …
„Hier – ein Merkmal, mein Alter … – Hier – diesem Manne haben zwei Finger an der rechten Hand gefehlt … Da – schau her …“
Es stimmte …
Und wieder nach einer Weile …
„Dies zweite Gerippe stammt von einer Frau … Die Zeugfetzen verraten es, außerdem die Backenknochen … dieser Frau fehlen sämtliche oberen Vorderzähne …“
„Allerdings …“
„Wenn der Greis ein Verwandter Ramsa Karis, etwa der Großvater gewesen ist, dann hat er auch Kenntnis von der Perlmuschelbank … Und weil der Mann sich vor uns verbirgt, treibt er hier Dinge, die er verheimlichen will … Wir werden vorsichtig sein müssen … Gehen wir …“
Wir kletterten zum Beiboot hinab, ruderten zum Kutter …
In unserer Kabine zog Harst den nassen Schlafanzug aus und einen anderen an …
Halb zwei Uhr war’s, als wir wieder im Bett lagen. Jetzt schlief ich ein. Nichts störte uns mehr. –
Um sieben Uhr saßen wir mit Hastings beim Frühstück und sprachen über unser nächtliches Erlebnis …
Sir Archi ließ durch seine Inder die Klippe absuchen. Natürlich ohne Ergebnis. Nach dem Frühstück, als die Sonne die zerklüftete Felsmasse in hellstes Licht tauchte, suchten Harst, Hasting und ich … natürlich ohne Ergebnis.
Dann begannen wir mit den Vorbereitungen für Haralds ersten Abstieg zum Wrack.
Der Kutter wurde genau über dem Wrack verankert. In dem klaren Wasser sah man die verschwommenen Umrisse des Pestschiffes … Wenn nicht ein Schleier von Wasserpflanzen das Wrack umgeben hätte, würden wir es noch deutlicher gesehen haben. –
Harald ließ sich nicht zum ersten Male den wasserdichten Taucheranzug anlegen, nicht zum ersten Male den schweren Kupferhelm über den Kopf stülpen …
Lächelnd sagte er noch, bevor der Helm festgeschraubt wurde:
„Nach mir kann Schraut hinab … Er liebt Unterwasserspaziergänge …“
Ich … lächelte ebenfalls, nur sehr süßsauer … Denn ich habe eine unüberwindliche Abneigung gegen Taucherkunststücke …
Dann kletterte Harald langsam über Bord … Die Strickleiter reichte fast bis zur Bordwand des Wracks, das völlig auf der Seite lag.
Wir sahen den Lichtschein der ihm vor der Brust befestigten Laterne in der Tiefe immer schwächer werden …
Ich hielt die Signalleine … Drei Inder bedienten die Luftpumpe …
Wir starrten ins Wasser … Wir konnten nichts erkennen … Harald mußte neben dem Wrack den felsigen Grund erreicht haben.
Vier Minuten vergingen …
Hasting hielt die Taschenuhr in der Hand …
Dann spürte ich an der Leine einen scharfen Ruck …
Das hieß: „Gefahr! Schleunigst emporziehen …!“
Ich rief den Indern zu …
Sie zogen an dem starken Tau …
Und brüllten plötzlich:
„Kein Gewicht mehr …!!“
Zogen … das Tau nach oben …
Es war … abgeschnitten …
Ich riß in meiner Angst um Harst an der Signalleine.
Auch sie kam empor: abgeschnitten!! – ebenso der Luftschlauch.
Wir oben an Deck des Kutters starrten uns aus entsetzten Augen an …
Frau Jenny standen Tränen in den Wimpern …
Sir Archi war vielleicht noch blasser als ich …
„Was … bedeutet das?!“ – und er bekam die Worte kaum über die Lippen …
Unsere Inder waren gleichfalls völlig verstört …
Ich prüfte die Schnittflächen des Taues, der Leine und des Schlauches. Ein haarscharfes Messer hatte hier gearbeitet …
„Ein … Überfall!“ sagte ich dumpf … „Harst war nicht allein dort unten … Man hat ihn angegriffen …“
Und ich fühlte, wie mir das heiße Naß in die Augen stieg … Harald war verloren – war tot …!
Hasting rief:
„Wenn dort noch andere Taucher unten waren, müssen sie auch wieder empor …! Gebt auf das Wasser rund um den Kutter acht, Leute! Und wir, lieber Schraut, wir steigen ins Beiboot und suchen die Klippen ab, die dieses Becken einrahmen! Schnell – damit die Schufte uns nicht entwischen …! Harst soll gerächt werden, so wahr ich Archibald Hasting heiße!“
Wir sprangen ins Boot …
Sir Archis Tatkraft verscheuchte meine trostlose Schwäche.
Nun – wir haben damals alles getan, was wir tun konnten, um die Leute abzufangen, die diesen feigen Mord begangen hatten …
Wir stellten einen Posten auf das Plateau der großen Klippe …
Wir suchten unermüdlich …
Wir müßten doch wenigstens irgendwo Spuren auf den Riffen finden – Spuren, daß dort ein Fahrzeug gelandet war …
Nichts – nichts …
Es wurde drei Uhr nachmittags … Ich gab alle Hoffnung auf. Dieses Verbrechen unter Wasser trotzte all unseren Bemühungen … Es blieb ein Rätsel – mehr als ein Rätsel … Es war unfaßbar … Wenn, woran ja nicht zu zweifeln – ein oder mehrere Taucher, Inder natürlich, Harald auf diese entsetzliche Weise ermordet hatten, indem sie ihn in seiner Ausrüstung ertränkten – wo waren diese Mörder geblieben?! Sie hätten doch wieder emporkommen müssen aus der Tiefe – wir hätten sie sehen müssen!
Alle Hoffnung gab ich auf …
Der Kutter lag wieder in der schmalen Bucht vertäut …
An Bord unheimliche Ruhe, bedrückte Gesichter – Grabesstimmung …
Frau Jenny Hasting bewies jetzt ihr gutes Herz, tröstete mich und weinte viel …
Alle hatten Harald liebgewonnen. Er versteht es ja, sich die Herzen zu erobern … Er war stets noch Sieger in dem schweren Kampf, Menschenseelen zu gewinnen, die vielleicht sogar in Haß seiner zunächst gedachten … Er war der große Zauberer, der jedes Dunkel mit dem Licht seines Geistes erfüllte …
Ich saß in dem Liegestuhl auf dem Achterdeck … Stierte ins Leere …
Mein Hirn war heiß – heiß vom ewigen Grübeln …
Wenn wir nur einen zweiten Taucheranzug an Bord gehabt hätten! Ich wäre zum Wrack hinabgestiegen … Ich wollte Gewißheit haben …
Aber – ohne Ausrüstung war’s unmöglich! Keiner unserer Matrosen konnte tauchen, wie es etwa die Perlentaucher verstehen, die nackt in die Tiefe schießen, indem sie sich an einem Seil festhalten, an dem ein Stein befestigt ist.
Ich saß … grübelte …
Und doch litt es mich nicht untätig … Ich bestieg das Beiboot …
Allein entfernte ich mich, umrundete die große Klippe.
Eine Unruhe war in mir, als ob ich einer schweren Krankheit entgegenginge … Ich hatte keine Hoffnung mehr … Und doch hoffte ich – etwa so, als wenn man nach der Todesnacht eines teuren Menschen erwacht und sich sagt: „Nein – es kann nicht wahr, es muß ein Wunder geschehen sein, er muß noch leben – wieder leben …!!“
Es war nicht das erste Mal, daß ich in dieser Weise um Harald trauerte, daß ich ihn für tot gehalten … Bisher freilich waren die Begleitumstände immer günstiger als hier gewesen … Denn – wie soll ein Mensch unter Wasser ohne Zufuhr frischer Luft weiterleben?! – Unmöglich – unmöglich!
Ich trieb das kleine Boot in eine Bucht der Nordseite der Klippe – keine Bucht, eine enge Rinne … Das Boot konnte gerade passieren …
Ich stieg an Land. Ich wollte von hier aus das Plateau erklettern und in den Kamin eindringen … Ein besonderer Gedanke war mir gekommen …
So betrat ich denn die Felsspalte, beleuchtete die Wände …
Ah – die beiden Gerippe waren noch vorhanden …
Ebenso die Götzen …
Ebenso das Räucherbecken …
Und – es qualmte …
Würzige Rauchwölkchen entstiegen ihm …
Meine Augen hingen an dem schwelenden Räucherwerk, das zu einem Häufchen in dem Becken aufgeschüttet war …
Und – ganz frisches Räucherwerk …! Dasjenige, was nachts hier geglüht hatte, war längst verkohlt …
Dieses Häufchen war erst unlängst angezündet worden! Und – das hatte ich feststellen wollen – – gerade das!!
Denn – jetzt war’s ja klar, daß der weißbärtige Inder noch immer in der Nähe … da er hier auf der Klippe ein sicheres Versteck hatte …
Langsam zog ich meine Zigarrentasche hervor …
Setzte mich auf ein Steinstück …
Rauchte …
Nein – ich qualmte …
Und wandte den uralten Trick an, der schon in Sherlock Holmes’ genialen Abenteuern eine Rolle spielt …
Ich bestreute den glatten Felsboden, der keine Spuren annahm, mit Zigarrenasche …
Rund um die Gerippe …
Drei Zigarren paffte ich in die Luft … Meine Zunge brannte …
Drei genügten …
Dann kehrte ich zum Boote zurück …
Als ich mich an Bord des Kutters wieder einfand, half mir Sir Archi an Deck …
Sagte:
„Lieber Schraut, wir werden hier auf der Klippe bleiben und den Kutter nach Nawanagar schicken, den dortigen Hafentaucher samt Ausrüstung zu holen …“
Und ich sagte:
„Nein, Sir Hasting, wir alle werden davonfahren … wenn es dunkel geworden … Ich aber werde mich in einiger Entfernung von der Klippe über Bord gleiten lassen – ganz heimlich … Ich werde die Nacht allein hier verbringen … Am Morgen können Sie wieder zurück sein … Und bis dahin hoffe ich mehr zu wissen als jetzt … Ich habe Asche gestreut …“
Als ich ihm dies näher erklärte, drückte er nur stumm und fest meine Hand …
Und wie geplant, so geschah’s …
Bevor der Mond noch aufging, war ich, ein kleines Bündel auf dem Kopf festgebunden, schwimmend wieder an der Nordseite der Klippe – in dem engen Kanal …
Bevor ich an Land stieg, schaute ich mich vorsichtig um.
Splitternackt …
Rasch das in Ölleinwand gehüllte Bündel geöffnet … Rasch ein Hemd über – rasch den dunklen Schlafanzug, rasch die weichen Morgenschuhe …
Und die Clement in die Tasche – die kleine elektrische Lampe – die Lebensmittel und das Fläschchen Kognak aber in eine Felsspalte …
Dann in einem dunklen Winkel gewartet …
Wie ein Hoteldieb – schwarz gekleidet – mit der Finsternis in eins verschmelzend …
Und beobachtend, spähend, horchend, jede Felszacke musternd …
Eine Stunde ließ ich so verstreichen. Dann war ich sicher, daß mich niemand bemerkt hatte …
Dann begann ich den Anstieg zum Plateau …
Behutsam – behutsam … Kein Steinchen rollte … Kein einziges …
Dann oben … hinter einem Randblock – zusammengekauert …
Wieder beobachtend – lauschend – spähend …
Nichts …
Der Nachtwind nur …
Brandungsgeräusch …
Heisere Schreie von Seevögeln …
Nichts …
Weiter also …
Dem Felskamin zu …
Die Clement bereit …
Wehe dem, der mir hier in den Weg trat …
Ich würde feuern …
Ohne Bedenken …
Harald rächen … – Blut um Blut …! Lächerlich alle Gefühlsduselei … Ein Fingerdruck – und Harst war nicht der einzige Tote!
Ich kroch auf die Felskluft zu …
Erreichte den Eingang – die Vertiefung … Schräg abwärts ging’s …
In pechschwarze Finsternis hinein …
War mir nur lieb …
Nur lieb … Schwarz wie meine Gedanken …
Fester die Finger um die Pistole …
Und nun mit tastendem Schritt abwärts …
Fuß für Fuß …
Ohne das geringste Geräusch … Zur Biegung des Kamins … Hinter dieser die Stelle, wo die Gerippe saßen …
Wo die Räucherschale schwelte … Wo der aromatische Rauch mich umwehte …
Ich lugte um die Ecke.
Ich prallte zurück …
Neben dem Räucherwerk hockte ein Inder – mit dem Rücken nach mir hin …
Ein Kerl mit schmierigem Turban, schmierigem Kittel …
Neben ihm eine große brennende Schiffslaterne …
Der Lump saß wie eine Statue …
Ah – dort, wohin der Laternenschein nicht reichte, hockte eine zweite Gestalt …
Das war der weißbärtige Greis …
Ebenfalls Statue …
Der andere rauchte … Hatte eine kurze Seemannspiep im Munde … Ich sah nur die Tabakswölkchen hochflattern …
Ich stand – überlegte …
Der Greis, mit dem Gesicht nach mir hin, konnte mich unmöglich bemerken … Der andere erst recht nicht …
Ob ich jedem der beiden eins auf den Pelz brannte?!
Mir war ganz danach zu Mute … Mein rechter Zeigefinger zuckte förmlich, sich um den Abzug der Pistole zu krümmen …
Zuckte …
Jetzt regte sich der, der mir den Rücken zukehrte …
Er nahm die Pfeife aus dem Munde … Sein Schädel mit dem unförmigen Turban lag im Halbschatten …
Er klopfte die Pfeife aus, stopfte sie von neuem, rieb ein Feuerzeug an und … rauchte …
Versank wieder in die bisherige Reglosigkeit …
Des alten Inders Augen aber glühten förmlich im Dunkel …
Noch nie habe ich Menschenaugen derart leuchten sehen.
Diese Augen hingen an dem anderen Inder – ohne je abzuschweifen …
Ich spürte förmlich, daß diese beiden Männer dort einen stummen Kampf ausfochten …
Ich war so durch dieses Bild in Bann geschlagen, daß ich mich ebenso wenig regte.
So … verging wohl eine halbe Stunde …
Ich hatte Geduld … Sagte mir, daß diese Schufte doch schließlich einmal den Mund öffnen würden …
Aber … sie blieben stumm …
Seltsam das alles …
Der mit der Pfeife legte diese jetzt zur Seite …
Gähnte laut …
Schien sich erheben zu wollen …
Schien …
Ich zauderte nicht länger … Zielte …
Zielte …
Auf den rechten Ellenbogen des Rauchers …
Da – wandte er den Kopf …
Ich sah sein Profil … Ich war wie versteinert …
Dieses Profil …!! Eine Täuschung war ausgeschlossen.
Dieses Profil fand man nicht oft …
Es war … Harald!! Der tote Harald!! Und – – wie lebendig er war, sollte ich nun mit eigenen Ohren hören.
Er wandte den Kopf wieder nach dem greisen Inder hin …
„Ich denke, Du gibst diese Versuche, mich zu hypnotisieren, endlich auf …“ sagte er gleichmütig … „Es ist zwecklos … Du magst ja ein sehr berühmter Fakir sein, der vieles kann, was anderen ein Rätsel … Bei mir verfängt das nicht … Wenn wir beide unsere Willenskraft gegeneinander ausspielen wollten, würdest Du unterliegen.“
Und jetzt endlich erkannte ich, der heimliche Beobachter dieser Szene, daß der alte Inder gefesselt war – – endlich!
Ein Gefangener war er … Haralds Gefangener …
Und sagte nun seinerseits – mit einer hochmütigen Verachtung, wie sie selten ein Inder einem Europäer gegenüber zu äußern wagt:
„Wer Du auch bist, Sahib … Du wirst diese Stunden, wo Du Dich an mir vergriffen hast, bitter bereuen … Nie wirst Du die Wahrheit ermitteln … Nie werde ich auch nur eine einzige Deiner Fragen beantworten … Und wenn Du mich der Polizei übergibst, wenn man mich aufknüpft an einem Galgen zur Strafe dafür, daß ich Dir scheinbar ans Leben wollte: ich werde nicht sterben! Was man vom Galgen abschneidet ist nur das Unwesentliche von mir, die äußere Hülle … Was weiterlebt, ist der innere Mensch, die Seele, das Unsterbliche … Und – die Seele wird Dich bestrafen! Ihr Europäer dünkt Euch erhaben über uns Farbige, und doch seid Ihr nur armselige Nichtwisser …! Nur wer zu Füßen Brahmas, des Weltodems, gekniet und seine Seele durch Wanderung von Leib zu Leib geläutert hat, ist ein wahrer Weiser … – Ich warne Dich …!“
Harst erwiderte nichts …
Ich wollte mich schon melden, wollte in der Freude meines Herzens hervortreten und den Totgeglaubten begrüßen, als ein einziges Wort durch den kleinen Raum hallte …
Ein Wort von Haralds Lippen …
Sakirawa!!
Ich horchte auf …
Sakirawa – das war der uralte heilige Tempel unweit der Stadt der Wallfahrer, unweit des heiligen Dehli …
Sakirawa – das war die Sehnsucht aller Hindus – das war der Ort, wo ein Gebet zu Brahma die Anwartschaft auf das glückselige Jenseits gab … –
Ich starrte in das Halbdunkel, wo der hagere Greis hockte …
Der hatte sich jäh vorgebeugt …
Ganz weit …
Ein pfeifender, zischender Laut kam über seine Lippen.
Aber – – nichts mehr …
Er beherrschte sich, bog den Oberleib wieder zurück …
„Es genügt mir trotzdem …“ meinte Harald und nickte dem Greise zu … „Es genügt vollauf … Sakirawa war für Dich wie eine Ohrfeige, wie tausend Geißelhiebe, wie ein Ruf der schmerzhaftesten Erkenntnis … – Es genügt mir … Und weil ich nun alles weiß, alles, will ich Dir erzählen, wie ein junger Inder starb, dessen Name Dir nicht ganz fremd sein dürfte …“
Er machte eine kleine Pause …
Dann …
„Ist Ramsa Kari, der Taucher, Dein Enkel?“
Jetzt schnellte der Greis empor …
Sank wieder zurück …
Ah – das hatte gesessen …!! Der Name hatte noch ärger gewirkt als Sakirawa …!!
„Wo … woher … kennst Du Ramsa Kari?“ fragte der Alte stockend …
„Ramsa Kari ist Dein Enkel … Auch das weiß ich nun … Und die beiden Gerippe dort sind die Überreste von Ramsa Karis Eltern … – Bestätige es, und ich will Dir erzählen, wie Dein Enkel den Tod fand … Denn – er lebt nicht mehr …“
Ein dumpfes Stöhnen kam aus dem Halbdunkel …
Ein Stöhnen, das mich erschütterte …
Der Greis verlor seine straffe, stolze Haltung … Wie kraftlos sackte der Leib in sich zusammen …
„Es … waren … seine Eltern,“ flüsterte er leise und trostlos … „Es war mein Sohn und sein Weib …“
„Gut … Ehrlichkeit gegen Ehrlichkeit … – Wie heißt Du?“
„Mansur Kari, Sahib …“
„Nun denn, Mansur, Dein Enkel wurde auf einem Schiffe von Doktor Lampetter erschossen – auf der Jacht Hudson, wo er sich eingeschlichen hatte …“
Mansur nickte wie ein Automat …
„Ja, Sahib … Er wollte Lampetter bestrafen … Er wollte sich an einen berühmten Sahib aus Europa wenden, der alle Geheimnisse aufdeckt … Dieser Sahib sollte Lampetter zwingen …“
„… die Perlen herauszugeben …“ vollendete Harald. „Und Dein Enkel wollte diesen Sahib belügen und ihm erklären, die Perlen stammten von ihrer Perlmuschelbank.“ –
Ich, Max Schraut, unsichtbarer Lauscher, verlor in diesem Augenblick die Herrschaft über meine hastenden Gedanken …
Was in meinem Hirn als dunkle Frage brannte, formten die Lippen unwillkürlich zur Frage:
„Wie – es gibt keine Perlmuschelbank?“
Der Greis stieß vor Schreck einen leisen Schrei aus …
Harald wandte gemächlich den Kopf …
„Du hättest Dich schon früher melden können, mein Alter … Dein Hoteldiebkostüm ist ja ganz schön, nur die Perlmutterknöpfe Deines bastseidenen Hemdes an der Brust glitzerten zu sehr im Widerschein der Laterne … Und diese berußte Scheibe der Laterne wirkte als Spiegel … Ich habe Dich längst bemerkt … – Nein – es gibt keine Perlmuschelbank …“
Nun – meine Herzensfreude über Haralds Wohlbefinden hatte soeben eine ziemlich eisige Dusche erhalten …
So ward denn auch das Wiedersehen lediglich durch einen Händedruck gefeiert …
Ich ließ mich neben Harald nieder …
Und er, als ob nichts geschehen, wiederholte:
„Nein, es gibt keine Perlmuschelbank in der Nähe, die von Lampetter und Ramsa Kari ausgebeutet worden wäre … Es gab aber trotzdem Perlen hier – die köstlichsten Perlen, die je von fremden Pilgern vor der Statue Brahmas im Sakirawa-Tempel als Opfergabe niedergelegt worden sind …“
Aus dem Halbdunkel erneutes Stöhnen …
Der Greis murmelte wie geistesabwesend:
„Sahib, Sahib, wer bist Du, daß Deine Augen in die Vergangenheit dringen und …“
„Ich bin der, den Dein Enkel auf der Jacht Hudson sprechen wollte, Mansur Kari … Ich bin Harald Harst, der Detektiv …“
Der Alte seufzte tief auf … „Ich ahnte es – seit kurzem, Sahib … – Gestatte, Sahib, daß ich jetzt von dieser Welt Abschied nehme und meine Seele aus[3] meinem unwürdigen, verdammten Leibe hinüberwandern lasse in ein Tier, das jeder verachtet … Das soll meine Strafe sein …“ (Die Hindu-Religion, der Brahmanismus, hat bekanntlich die Seelenwanderung als wesentlichstes Merkmal in ihr Glaubenssystem aufgenommen. Je nach dem Verdienst ihrer Toten fährt die Seele in den Leib eines höheren oder niederen Tieres.)
Harst griff schnell nach der Laterne, beleuchtete den Greis …
Der lehnte an der Felswand mit geschlossenen Augen.
Plötzlich fiel sein Kopf zur Seite … sein Oberkörper glitt nach vorn …
Er lag regungslos …
Ich war aufgesprungen …
„Harald, er muß Gift genommen haben …!“ rief ich. „Wir …“
„Gift?! Seine Hände sind im Schoße festgebunden … Er ist tot, weil er … ein Yogi ist … Er hat seinem Herzen geboten stille zu stehen … Sein Herz schlägt nicht mehr. Bemühe Dich nicht, mein Alter … Mansur ist tot, hat sich selbst gerichtet …“
Und in anderem Tone:
„Ich will Dir nun des Rätsels Lösung dort mitteilen, wo ich mich wiederfand, nachdem Mansur mich überfallen hatte …“
Ich war dennoch zu dem Greise herangetreten und hatte mich über ihn gebeugt. Als ich nach seinem Puls fühlte, war die Hand bereits eiskalt und nichts mehr von Herzschlag zu spüren. Ich drehte seinen Kopf zur Seite. Auch die Augen waren glasig und leicht verdreht. – Ich richtete mich wieder auf …
Harald nickte mir zu … „Das Leben ist entflohen. Mansur Kari hat eins der schlimmsten Verbrechen begangen, die ein Hindu begehen kann … – So, nun folge mir …“
Ich war ein wenig verstört, dachte trotzdem an die Zigarrenasche, die ich hier verstreut hatte …
„Ich weiß, daß Mansur hier einen Schlupfwinkel besaß … Ich wollte …“
„… dieses Versteck finden … – ja, mein Alter, es war sehr klug von Dir, die Asche umherzustreuen, zumal der Eingang zu dem Versteck keine fünf Meter entfernt ist. Du hättest ihn auch ohne mich gefunden … So geht es schneller …“
Schräg gegenüber den beiden Skeletten an der anderen Wand hob Harald nun aus dem Felsen eine flache, große, unregelmäßige Steinplatte heraus, die in Farbe und Struktur genau der Umgebung entsprach und ein Loch verdeckt hatte, das uns das Hindurchschlüpfen gestattete. Harst ging mit der Laterne voran. Die Klippe war zum Teil nach Osten hin hohl, und diese Höhle erstreckte sich abwärts und mündete im Wasser, so daß man, wenn man tauchte und eine Strecke unter Wasser schwamm, in das von Riffen eingeschlossene Becken gelangen konnte, wo wir vormittags den Kutter über dem Wrack vertäut hatten.
Nachdem Harst mir dies erklärt und mir in dieser Höhle Mansurs Lagerstatt und verschiedene Gerätschaften gezeigt hatte, fügte er hinzu:
„Kaum war ich in der Taucherausrüstung zum Wrack hinabgestiegen, kaum hatte ich mich unten mit Hilfe der elektrischen Laterne etwas umgesehen und in der Bordwand des Dampfers ein klaffendes Loch bemerkt, hinter dem ein ganzer Haufen menschlicher Gebeine zu erkennen war, als ganz unvermutet Mansur Kari mich angriff … Blitzschnell hatte er die Signalleine zerschnitten, auch das Tau und den Luftschlauch. Im Taucheranzug ist man so sehr unbeholfen. Bevor ich das Dolchmesser, das ich für alle Fälle zur Abwehr von Haifischen mitgenommen, aus der Scheide gezogen hatte, riß der nackte, sehr kräftige und gewandte Mansur mich hintenüber … Wasser drang mir in den Mund … Ich hätte ertrinken müssen, wenn der Inder mich nicht ebenso rasch mit fortgezogen hätte – das heißt, er brachte mich unter Wasser hier in sein Versteck. Inzwischen hatte ich tatsächlich das Bewußtsein verloren. Als ich wieder zu mir kam, lag ich gefesselt ohne Taucherhelm dort an jener Stelle, und Mansur hockte neben mir …“
„So bist Du in Wahrheit dem Tode nur wie durch ein Wunder entgangen!“ meinte ich tief aufatmend und ergriff seine Hand. „Du ahnst nicht, welche Angst wir alle auf dem Kutter um Dich ausgestanden haben …! Frau Jenny hat bitterlich geweint, und Sir Archi war geradezu untröstlich.“
Harst lächelte mir herzlich zu … „Laß gut sein, mein Alter … Das ist nun ja alles überstanden … – Höre den Schluß … Als Mansur sich einmal entfernte, konnte ich an einer Felskante die mürben Stricke meiner Hände durchreiben … Wir, Mansur und ich, tauschten dann die Rollen … Er wurde mein Gefangener …“
„Und – und die Perlmuschelbank, die Perlen?“ fragte ich ein wenig ungeduldig … Denn noch immer begriff ich nicht, weshalb Doktor Lampetter zum Verbrecher geworden.
„Die Perlen, mein Alter, stammten aus dem Sakirawa-Tempel, waren aus der Schatzkammer dort gestohlen,“ erklärte Harald bereitwilligst. „Die Diebe waren Ramsa Kari, seine Eltern und sein Großvater Mansur. Ramsa und seine Eltern wollten mit der Beute auf dem Dampfer Orinoko nach Arabien fliehen und hatten sich unter die Pilger-Passagiere gemischt. Dann brach die Pest an Bord aus. Nur Lampetter und Ramsa entgingen ihr. Ramsa vertraute sich Lampetter an. Dieser aber stahl dem Gefährten die kostbaren Perlen …“
„Und – was tat der greise Mansur hier?“
„Das sahst Du ja: er büßte den Diebstahl, suchte die Götter zu versöhnen, indem er vor den Gebeinen seines Sohnes und seiner Schwiegertochter seine Gebete verrichtete … Außerdem aber suchte er auch noch in dem Wrack nach dem Rest der Diebesbeute … Wahrscheinlich dürfte noch ein großer Beutel mit Perlen irgendwo dort in dem Dampfer liegen …“
„Und – wie bist Du auf den Sakirawa-Tempel und den Diebstahl gekommen?“
„Hierdurch …!“ – Er hob vom Boden einen seidenen zerknitterten Beutel auf, der außen mit Schriftzeichen bestickt war. „Dieser Beutel stammt aus dem Tempel … Und vor zwei Jahren berichteten alle Zeitungen von der frechen Beraubung des Heiligtums: vier seidene Beutel mit kostbaren Perlen waren gestohlen worden! – Hast Du noch irgend etwas zu fragen, mein Alter?“
„Nein … Nur freuen darf ich mich, daß ich Dich lebend wieder habe …! – Am Morgen kehrt Sir Archi mit dem Kutter und dem Hafentaucher von Nawanagar hierher zurück … Dann – sind wir frei, Harald …!“ – –
Die Priester des Sakirawa-Tempels haben die vier gestohlenen Beutel mit Perlen zurückerhalten … Der Taucher aus Nawanagar fand noch zwei Beutel in dem Wrack. – Von dem Ehepaar Hasting kann ich berichten, daß die Plantage am Luni-Fluß noch heute dieselbe Musterwirtschaft ist und daß Sir Archi und Jenny noch glücklicher sind als früher schon: denn … ein kleiner Archibald kräht jetzt vergnügt die Wände des kleinen Märchenschlößchens an … –
Hiermit verabschiede ich mich für heute von dem geneigten Leser und rufe ihm zu: Auf Wiedersehen in
denn so will ich unser nächstes Abenteuer betiteln.
Verlagswerbung:
Der Detektiv Eine Reihe höchst spannender Detektivabenteuer. Bisher sind folgende Bände erschienen: |
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Band |
40: |
Die Gespenster-Rikscha. |
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– Preis pro Band 20 Pf. – Zu beziehen durch jede Buchhandlung oder vom Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin SO 26, Elisabeth-Ufer 44. |
Anmerkungen: