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Kapitel 61–70

61. Kapitel.

Das Observatorium auf dem Monte Rossa.

Agnes Sanden erwachte. Volle vier Stunden hatte sie fest geschlafen in der Schlucht am Südrand der weiten Hochebene, beschützt von den beiden mächtigen gelbfahlen Rüden …

Erwachte, weil die Hunde laut anschlugen …

War im Augenblick munter …

Griff unwillkürlich nach der Büchse, die sie oben auf der Kuppe des Bergkegels gefunden.

Und sah sechs Schritt vor sich einen Reiter auf tadellosem Rappen, einen Europäer mit hagerem, bartlosem, sonnengebräuntem Gesicht, dessen Linien eine eigenartige Mischung von Intelligenz und rücksichtsloser Energie verrieten.

Der Reiter schaute das Mädchen unverwandt an. Und – Agnes tat dasselbe …

Dann lüftete der Weiße den Strohhut, verneigte sich knapp …

„Sie entschuldigen, Miß,“ sagte er in englischer Sprache. „Wie sind Sie hier in die Wildnis geraten, und wie kommt es, daß Sie diese beiden Hunde bei sich haben, die ich von meinen Ausflügen her längst kenne?“

In seinen grauen stahlharten Augen schimmerten jetzt deutlich Mißtrauen und etwas wie heimliche Abneigung – mehr noch – geradezu Feindseligkeit.

Agnes rief zunächst die noch immer drohend knurrenden Rüden neben sich und erwiderte dann:

„So in kurzem könnte ich Ihnen diese Frage kaum beantworten. Jedenfalls bin ich von meinen beiden Begleitern abgekommen, mit denen ich hier in der Wildnis von San Miguel einen Freund suche, den man gewaltsam von der Südküste ins Innere verschleppt hat.“

Das Gesicht des Reiters nahm einen merkwürdig gespannten Ausdruck an.

„Dürfte ich wissen, wer dieser Freund ist?“ fragte er bedächtig …

Agnes befand sich hier diesem Fremden gegenüber in einer sehr unangenehmen Lage. Die volle Wahrheit durfte sie ihm nicht sagen. Sie hätte ja sonst den Goldschatz mit erwähnen müssen. Andererseits fühlte sie, daß dieser so plötzlich aufgetauchte Reiter, der nach Benehmen, Kleidung und Äußerem zu den gebildeten Ständen gehörte, sie irgendwie beargwöhnte. Immerhin konnte es dem wertvollen Geheimnis des Goldschiffes kaum etwas schaden, wenn sie Gaupenbergs Namen hier preisgab.

„Es handelt sich um einen Grafen Viktor Gaupenberg,“ erklärte sie ein wenig unsicher. „Seine Entführerin ist eine Frau von sehr zweifelhaftem Charakter, eine Abenteurerin, die mit Hilfe eines Marokkaners …“

Da unterbrach der Reiter sie …

„Ein Kabyle – nicht wahr? – Nun, der Mann ist tot … Tot, wie auch die beiden Hirten der Maultierzüchterei. Die Leichen fand ich vorhin dort im Nordosten …“

Agnes war bleich geworden. Ihr Herz krampfte sich zusammen in besinnungsloser Angst um Viktor, den Geliebten.

Der Fremde deutete dieses Erblassen falsch.

„Haben Sie oder Ihre Freunde die Hirten ermordet, Miß? – Bitte – die Wahrheit!!“

Das – war eine Drohung … Das genügte, Agnes’ gerechte Empörung zu wecken.

„Wir sind weder Mörder noch Verbrecher,“ meinte sie mit gewissem Stolz. „Auch ich habe die Leichen gesehen. Die beiden Hunde schlossen sich mir an.“

Der Fremde machte eine kurze herrische Kopfbewegung.

„Sie werden mir folgen,“ befahl er. „Dort weidet das noch gesattelte Maultier, auf dem Sie offenbar hierher gekommen sind. – Keine Widerrede! Der Tod der beiden Hirten und manches andere muß … genauer untersucht werden!“

Agnes ahnte bereits dunkel, daß vielleicht die Fürstin Mafalda Sarratow diesen Mann gegen sie irgendwie aufgehetzt hätte.

Sie durfte diesen Platz vorläufig nicht verlassen. Gottlieb und Pasqual würden ja bestimmt hierher zurückkehren

In voller Ruhe erwiderte sie dem Fremden:

„Mit welchem Recht wollen Sie mir Befehle erteilen?! – Sie sind kein Gentleman, sonst müßten Sie merken, daß Sie einer Dame gegenüberstehen, die wohl kaum den Eindruck einer Verbrecherin macht. Ich – – bleibe!“

Und im Vertrauen auf ihre beiden zottigen Rüden legte sie nun dem prächtigen Cäsar, der sich dicht an sie gedrängt hatte, leicht die Hand auf den Kopf, fügte hinzu: „Wenn Sie meine Begleiter kennen würden, dürften Sie uns kaum noch verdächtigen, die Hirten ermordet zu haben. Ich bleibe …!“

Die dicken blonden Augenbrauen des Fremden zogen sich über der Nasenwurzel enger zusammen.

„Oh – ich werde Sie zu zwingen wissen!“ meinte er noch drohender.

„Versuchen Sie es!“

Agnes richtete sich höher auf. „Versuchen Sie es doch! Hüten Sie sich aber vor den Hunden!“

Der Reiter biß sich auf die Lippen. Er war unbewaffnet. Er sah ein, daß sein Verhalten lächerlich wirken mußte, da er keinerlei Mittel besaß, dieses Mädchen zum Gehorsam zu bringen.

Seine grauen Augen glitten in die Runde … blieben am Nordausgang der Schlucht haften …

Dort war soeben eine Reiterin erschienen …

Ein schlankes Weib im hellen Männeranzug – mit wehenden schwarzen Haaren – eine Schönheit von so faszinierendem Reiz, daß Männer vor diesem vor Lebensfreude sprühenden Antlitz zu Sklaven wurden.

Ein unmerkliches Lächeln glitt über das braune Gesicht des Fremden …

Und den Kopf dem Mädchen wieder zuwendend sagte er mit leichtem Spott:

„Die Fürstin Mafalda Sarratow hat einen Revolver bei sich … Da werden Ihre bissigen Beschützer wohl bald kapitulieren, Miß … Sanden, – ja, Miß Agnes Sanden …!“

Agnes hatte jetzt ebenfalls Mafalda erkannt …

Helle Glut schlug ihr in die Wangen …

Ihre Gedanken jagten …

Sie sah voraus, was nun folgen würde …

Und ohne Zögern tat sie einen Sprung rückwärts, drehte sich, erklommen die zackige Schluchtwand, rief gleichzeitig die Hunde hinter sich her. Die Büchse hatte sie fallen lassen. Erreichte ohne Mühe die erste Abstufung der Steilwand, die in vielfachen schmalen Terrassen sich nach oben fortsetzte …

Der Reiter war sofort aus dem Sattel geglitten. War im Nu den beiden geschickt der Herrin folgenden Hunden dicht auf den Fersen. Bis Pluto, der kräftigere der Rüden sich jäh herumwarf und in richtiger Erkenntnis der Vorgänge dem Fremden die prachtvollen Zähne wies, sich zusammenduckte zu verderblichem Angriff.

Der Fremde kehrte um, rief Mafalda zu:

„Fürstin – schießen Sie die Hunde nieder! Wir müssen das Mädchen fangen! Ich bin’s meinem Freunde, dem Maultierzüchter, schuldig!“ – –

* * *

Mafalda Sarratows Katzenaugen hatte sich nach dem Sturz aus dem Kraterschacht in die dunkle Tiefe wieder einmal bewährt.

Obwohl die Abenteurerin den Grafen Gaupenberg umklammert gehalten hatte und gemeinsam mit ihm hinab in das gurgelnde, hoch aufspritzende Wasser des rasch dahinschießenden Flusses gefallen war, obwohl auch die äußerst heftige Strömung beide dann gegen das starke Eisengitter geschleudert hatte, welches in der Westecke der Höhle den Eingang zu dem Tunnel versperrte, in dem die Wassermassen schäumend verschwanden, – obwohl beide durch den Anprall dann vollständig die Besinnung verloren hatten und unfehlbar ertrunken wären, so hatte doch jenes unsichtbare Walten höherer Mächte, das der Mensch in seiner Gedankenlosigkeit so gern als ‚Zufall’ bezeichnet, einen baumstarken Neger mit einer großen Karbidlaterne an diese Schleuse geführt und ihn die weiße, aus dem Wasser herausragende Hand Mafaldas bemerken lassen.

Der Schwarze stieg ohne Besinnen in den Fluß, tauchte und bekam zunächst Gaupenberg zu packen, brachte den Ohnmächtigen aufs Trockene und holte dann auch Mafalda heraus.

Als die Fürstin bereits nach einer Stunde erwachte, lag sie in einem blendend sauberen eisernen Bett in einem schlicht, aber doch mit verwöhntem Geschmack eingerichteten Schlafzimmer, durch dessen große Fenster gerade die ersten Strahlen der Morgensonne hereinlugten.

Neben dem Bett, das frei in der Mitte des Zimmers stand, hockte auf weißlackiertem Rohrstuhl eine uralte mumienhafte Negerin.

Mafalda war rasch über das, was inzwischen geschehen sein mußte, im klaren, soweit sie hierzu durch einfache Überlegungen imstande war. Sie fühlte sich schwach, doch keineswegs so erschöpft, daß sie nicht sofort sich an die Negerin mit allerlei Fragen hätte wenden können.

Die erste Frage war: „Wo befinde ich mich?“

Die Schwarze deutete ihr durch Zeichen an, daß sie des Spanischen nicht mächtig sei.

Mafalda wiederholte die Frage in englischer Sprache. Da nickte die mumienhafte Alte.

„Miß sind hier gut aufgehoben,“ meinte sie grinsend. „Miß befinden sich hier im Observatorium der amerikanischen Gesellschaft zur Erforschung der Witterungsverhältnisse über den mittleren Teile des Atlantik. – Darf ich Miß irgendeine Erfrischung bringen. Mister Goulden meint, Miß dürften alles genießen.“

„Wer ist Mister Goulden, und liegt das Observatorium denn auf San Miguel, der Azoreninsel?“

„Ja, Miß, – an den Südabhängen des Monte Rossa auf San Miguel, und Mister Doktor Goulden ist der Leiter des Observatoriums, gleichzeitig auch der Erbauer, und ich bin Nanna, die Wirtschafterin und Köchin …“

„Wie bin ich gerettet worden, Nanna?“ forschte Mafalda begierig weiter, denn die zugängliche Schwarze schien ihr recht geeignet, sich hier sofort über alles genau unterrichten zu können.

Die in einem sehr sauberen blauweiß gestreiften Leinenkleide steckende Schwarze, auf deren grauem Kopf ein ebenso sauberes weißes Häubchen die Ebenholzschwärze der runzligen Züge noch mehr hervorhob, verlor jetzt die bisher so vertrauenswürdige Redefreudigkeit, schaute verlegen zur Seite und meint ausweichend:

„Oh – das weiß ich nicht so recht, Miß … Aber Mister Goulden wird darüber schon Auskunft geben können …“

Mafalda witterte sofort mit dem feinen Instinkt der Abenteurerin irgendwelche Dinge, die ihr vorenthalten werden sollten.

Trotzdem tat sie so, als berühre sie diese Antwort der Schwarzen nicht weiter merkwürdig und fragte mit derselben Freundlichkeit:

„Das Observatorium muß doch hier in der Wildnis ganz einsam liegen … Wer bewohnt es außer Mister Goulden und Ihnen noch, Nanna?“

„Nur noch meine beiden Söhne, Miß … Und einsam ist’s hier schon, Miß … Bis zum nächsten Hause, das dem Maultierzüchter gehört, sind’s fünf Stunden Wegs …“

„Wie lange steht das Observatorium denn schon? Ich habe noch nie davon gehört …“

„Es wurde 1917 während des Weltkrieges erbaut, Miß. Im Oktober 1917 war es fertig. Mister Goulden gab das Geld dazu her. Er ist sehr reicht.“

„Er ist also Meteorologe, Nanna?“

„Auch das, Miß, auch das … Aber auch anderes … Er hat eigentlich alles studiert …“

„Ist er alt, jung, Nanna?“

„Vierzig, Miß … Ich selbst habe schon bei seinen Eltern gedient. Die besaßen große Plantagen in Texas. Oh – Mister Goulden ist ein sehr guter Herr …“

„Wie geht es meinem Begleiter? Er ist doch auch gerettet worden, nicht wahr?“ – Mafalda nahm dies für gewiß an. Absichtlich fragte sie auch jetzt erst nach Gaupenberg. Sie wollte es sich nicht anmerken lassen, daß sie allerlei Befürchtungen hegte, Gaupenberg könnte hier bereits Doktor Goulden gegenüber allerlei ausgeplaudert haben, was ihre Person in ein schlechtes Licht rückte.

Nanna erwiderte zögernd:

„Der blonde große Mister hat den linken Arm gebrochen und sich auch eine Verletzung am Kopf zugezogen. Es ist jedoch nichts Gefährliches. Das Fieber wird bald wieder vorübergehen, meint Mister Goulden.“

„Ein Wunder, daß ich beim Sturz in die Tiefe so ohne Schaden weggekommen bin,“ sprach Mafalda mehr wie zu sich selbst. „Wir sausten aus dem Krater hinab in ein reißendes Gewässer – in eine offenbar doch sehr große Höhle. – Liegt die Höhle in der Nähe des Observatoriums?“

Nanna schüttelte eifrig den Kopf.

„Oh – das haben Sie wohl nur geträumt, Miß …! Eine Höhle?! Ich weiß nichts von einer Höhle.“

Mafalda mußte innerlich lachen. Die Negerin log – log und war dabei wieder so verlegen, daß sie die Augen unstät hin und her gleiten ließ.

„Aber den Bergkegel mit dem Kraterloch kennen Sie doch,“ bohrte Mafalda weiter. „Den Kegel auf der Hochebene, wo im Südteil die Maultierherden weiden.“

„Mister Goulden kennt ihn. Ich nicht. Dort oben auf dem Berge haben Sie gelegen, Miß, – bewußtlos wie der blonde große Mister, der nun in meinem Zimmer untergebracht ist.“

„Auf dem Berge?! – Aber Nanna, mein Begleiter und ich waren doch abgestürzt und …“

„Nein, Miß … Nein, das kann nicht sein … Mein Sohn Jack fand sie beide oben – oben – auf dem Berg!“

Sie erhob sich rasch, wollte die Unterhaltung beenden. „Was darf ich Miß also bringen? Ein Frühstück? Miß können alles haben …“

„Zunächst möchte ich das Bett verlassen,“ erklärte Mafalda kurz. Es drängte sie, recht bald diesen Doktor Goulden persönlich kennen zu lernen, damit sie ihn über sich und Gaupenberg als erste Aufschluß geben könnte – natürlich in der Weise Aufschluß, wie es die Umstände und ihr persönlicher Vorteil verlangten …

Nanna knickste ergeben.

„Miß werden den neuen Flanellanzug anlegen müssen, den mein Herr noch nicht getragen hat … Die Sachen, die Miß anhatten, sind so verdorben, daß ich sie ins Feuer werfen mußte …“

Mafalda lachte. „Wenn’s nicht anders ging …!“

Nanna grinste. „Auch seidene ganz neue Wäsche von Mister Goulden ist da … Ein Nachthemd tragen Miß ja schon …“

Wieder lachte die Fürstin war.

Und stellte sich sehr lebendig vor, wie dieser Goulden geholfen hätte, sie zu entkleiden …

Hoffte, auch hier einen leichten Sieg zu erringen. –

Eine Stunde später stand sie an einem der Fenster des Schlafzimmers und blickte hinab in die bewaldeten Schluchten und Täler des Rossa-Berges, erspähte auch in weiter Ferne die Küste und das Meer.

Sie war nun wieder völlig Mafalda Sarratow, Abenteurerin, Intrigantin …

Fühlte sich sehr behaglich in dem leichten eleganten Herrenanzug und wußte durch den hohen Spiegel des Ankleideschrankes, daß diese schicke Tracht all ihre Reize nur noch mehr hervorhob. Das prächtige blauschwarze Haar, noch feucht von dem Sturz in das unterirdische Gewässer, hatte sie nur ganz lose hochgebunden.

So wartete sie auf Nanna, die sie hinüber in Gouldens Arbeitszimmer führen sollte.

Es klopfte, und die alte Negerin steckte den Kopf durch die Türspalte …

„Ah, Miß sind fertig … Bitte – wenn Miß vorangehen wollen … Dort die Treppe hinab …“

Im Erdgeschoß des schräg am Bergabhang auf breiter Terrasse erbauten Steingebäudes fand Mafalda dieselbe gediegene Einfachheit des Mobiliars.

Doktor Percy Goulden, stattlich, bartlos, mit verschlossenem Gesicht, dem Intelligenz und eiserne Willenskraft einen besonderen Stempel aufgedrückt hatten, lehnte am Schreibtisch, als Mafalda eintrat. Er ging ihr entgegen mit ruhigem, etwas schwerem Schritt. In Sprache und Bewegungen zeigte sich die gleiche kühle Gemessenheit.

„Ich heiße Sie in meinem Hause willkommen,“ sagte er und streckte seinem Gast die Hand hin.

Ein etwas kräftiger Händedruck, und er fuhr fort:

„Es freut mich, daß es gerade mein Diener war, der Sie und Ihren Begleiter oben auf der Kuppe des Kraterberges entdeckte …“

‚Aha, auch er lügt! Und Nanna mußte lügen!’ schoß es Mafalda durch den Kopf …

„Wenn Sie nur Platz nehmen wollten, Miß … Mit wem Sie es hier zu tun haben, wird Ihnen die alte Nanna bereits mitgeteilt haben …“

Er deutete auf einen gepolsterten Rohrsessel.

Die Fürstin setzte sich, spielte die Verlegene, Verwirrte …

Schaute zu Boden … Meinte zaudernd:

„Es ist dies eine Lage, in der ich mich befinde, die mir so völlig neu ist, daß ich wirklich nach Worten suchen muß, um Ihnen zu danken, Mister Goulden …“

„Nicht nötig …“ Er rückte einen zweiten Sessel heran.

„Besonders dieses … dieses … operettenhafte Kostüm stört mich, Mister Goulden …“ Und ohne Übergang, gleichsam als wollte sie hervorheben, daß gerade für eine Dame von ihrer gesellschaftlichen Stellung dieser Herrenanzug höchst unangebracht sei, „ich bin die verwitwete Fürstin Mafalda Sarratow, Mister Goulden …“

Triumph! Das hatte doch auf den Amerikaner gewirkt! Gerade auf den Amerikaner, die für Titel empfänglicher sind als andere Nationen – vielleicht nur deshalb, weil sie den Wert alter Familien mit reinem Stammbaum zu schätzen wissen … –

Goulden verneigte sich ehrerbietig …

„Doppelte Ehre für mich, Eure Durchlaucht bei mir beherbergen zu dürfen …“

„Das … Durchlaucht schenken Sie sich bitte, Mister Goulden. Es paßt so wenig hier in die Wildnis hinein …“

„Wie Sie wünschen, Fürstin …“

„Sie haben wohl ein Recht darauf,“ erklärte Mafalda nun, und sie war jetzt trotz des Operettenkostüms in allem die wahre Durchlaucht, „– ein Recht darauf, von mir zu erfahren, welche besonderen Ereignisse mich und meinen Verlobten, den deutschen Grafen Viktor Gaupenberg, hier in die Wildnis verschlagen haben … –

Wir befanden uns auf einer Forschungsreise, über deren Zweck ich mich nicht näher äußern darf. Jedenfalls gibt es Leute, die dem Grafen feindlich gesinnt und noch jetzt bemüht sind, ihn und mich zu verderben. Eine schwere Nervenüberreizung befiel meinen Verlobten infolge der unaufhörlichen Nachstellungen seiner Gegner. Wir waren gerade in der Nähe des Kaps Retorta im Süden von San Miguel, als wir auf unserem Schiff überfallen wurden. Wir flüchteten an Land, und ein mir ergebener Marokkaner half mir, meinen fast von Tobsuchtsanfällen heimgesuchten Verlobten den Feinden zu entziehen …“

Pause …

Mafalda wartete … Nun mußte Goulden ihr ja erklären, ob der Kabyle noch am Leben und daher noch zu fürchten sei …

Und Goulden sagte auch im Tone tiefen Bedauerns:

„Leider ist der Marokkaner umgekommen, Fürstin … Seine Leiche lag am Fuße des Berges … Wir haben sie bereits begraben …“

Mafalda deckte die Linke über die Augen …

Eine eindrucksvolle Geste des Schmerzes um den angeblich so treuen Muley Nassam, – um den so schnöde betrogenen Nassam!

Pause …

Dann wieder Mafalda – leiser nur, wie in trübem Erinnern an den Toten:

„Armer Nassam …! Und gerade er war’s, der uns noch rechtzeitig vor den Verfolgern warnte, so daß wir noch auf die Berkuppe flüchten konnten …“ –

Nana trat ein, meldete, daß der Frühstückstisch gedeckt sei – auf der Terrasse …

Goulden stand auf. Ganz Gentleman, reichte er der Fürstin den Arm, führte sie durch die Bibliothek und das Speisezimmer auf die breite Terrasse, wo helle Korbmöbel um den reich gedeckten Tisch gruppiert waren …

Mafalda blieb stehen …

Schaute verzückt in die Täler hinab …

Eine andere Aussicht hier als drüben aus den Schlafzimmerfenstern …

Ein Haupttal, das nach dem Ozean sich öffnete – ein Panorama von einer Großartigkeit, wie es kaum je der Abenteurerin Augen bewundert hatten.

Sie heuchelte nicht … Niemand hätte hier zu heucheln brauchen …

„Wie schön …!“ flüsterte sie. „Nun begreife ich, daß Sie es hier so alleine in der Einsamkeit aushalten, Mister Goulden …“

Ein rätselvolles Lächeln spielte blitzartig um die vollen Lippen des Amerikaners …

Und er sagte – im Widerspruch zu diesem Lächeln:

„Ich liebe die Natur … Sie gibt mir Anregung, vieles andere noch …“

Und mit einer Verbeugung: „Bitte, Fürstin … Sie müssen sich stärken, obwohl Sie überraschend gut den Überfall auf der Bergkuppe überstanden haben …“

Mafalda wußte, daß sie unmöglich länger zu dieser Darstellung der Vorgänge auf dem Kraterberg schweigen dürfe … Ihr Schweigen hätte Goulden dann deutlich gezeigt, daß sie ihm nicht glaube und nur aus Höflichkeit auf Fragen verzichte. Jedenfalls wäre er mißtrauisch geworden. Und das sollte nicht sein.

Sie hatte sich gesetzt, nahm eins der Röstbrötchen, strich goldgelbe Butter darüber und nahm einen Löffel Kaviar …

Sagte dann, Goulden fest anblickend:

„Sie befinden sich da in einem Irrtum. Wir wurden auf dem Berge nicht überfallen. Wir flüchteten in die Krateröffnung, weil wir fast ohne Waffen waren, kamen auf der abschüssigen Bahn ins Gleiten und fielen schließlich in eine Höhle, in einen unterirdischen Fluß, prallten gegen ein Hindernis und versanken. Mehr weiß ich nicht.“

Goulden schenkte die Weingläser voll …

„Verzeihen Sie, Fürstin … Das kann nicht sein … Das müssen Sie in Ihrer tiefen Bewußtlosigkeit geträumt haben … Der Kraterberg hat zwar eine Öffnung, aber diese reicht nur etwa vier Meter tief hinab. Es ist also einfach unmöglich, daß Sie und der Graf, dem es übrigens schon bedeutend besser geht, in eine Höhle abgestürzt sind …“

Mafalda lächelte wie verwirrt …

„Dann – dann weiß ich wirklich nicht, was ich von alledem halten soll …“

„Wahrscheinlich eine Trübung des Gedächtnisses infolge der tiefen Ohnmacht, Fürstin. Nachher, wenn Sie ein paar Stunden geruht haben, können wir ja zum Kraterberg hinüberreiten und dann werden Sie sehen, daß der eigentliche Krater unten mit Geröll ausgefüllt ist …“ –

Und wieder eine halbe Stunde drauf lag Mafalda in Gouldens Schlafzimmer auf dem Diwan …

Überdachte die letzten Ereignisse. War sehr zufrieden mit sich. Besonders das eine hielt sie für eine diplomatische Feinheit höchster Art, daß sie Goulden eingeredet hatte, der Graf sei zurzeit nicht recht zurechnungsfähig! Wenn Gaupenberg jetzt dem Amerikaner die Geschehnisse am Kap Retorta anders schilderte und von einer gewaltsamen Entführung sprach, würde Goulden bestimmt annehmen, daß Gaupenberg … wahnsinnig sei! –

Sie schlief ein … Erwachte um neun Uhr vormittags …

Ritt dann mit Goulden, nachdem sie leise in Gaupenbergs Krankenzimmer geschlichen war und einen Kuß auf seine Stirn gehaucht hatte, zur Hochebene hinab – hin nach dem Kraterberge …

Fand hier wirklich den Krater unten mit Geröll angefüllt …

Wußte, daß Goulden durch die Neger das Loch hatte verstopfen lassen …

Weswegen aber – weswegen?! Was bard die Höhle dort unten?! Weshalb log Goulden, weshalb mußten Nanna lügen, – weshalb nun diese Riesenarbeit des Ausfüllens eines solchen Schachtes mit Felsblöcken und Steinen?! –

Sie ritten weiter …

Und da bemerkte Goulden die beiden Leichen der Hirten …

Da führte das dunkle Schicksal Goulden und Mafalda später auch zu jener Schlucht, in der Agnes Sanden, bewacht von den mächtigen Rüden, vor Erschöpfung eingeschlafen war …

Da ereignete es sich weiter, daß Mafalda, die ein Stück zurückgeblieben, nun von Goulden aufgefordert wurde, die Hunde zu erschießen …

Sie schoß auch … Schoß absichtlich vorbei … Sie hatte Agnes erkannt … Sie wollte nicht, daß ihre gefährlichste Feindin Goulden in die Hände geriete. Sie fürchtete Agnes. Hoffte schon Mittel und Wege zu finden, sie hier in der Wildnis zu vernichten…

Schoß vorbei … Dreimal …

Rief ärgerlich: „Da – meine Hand ist unsicher! Nehmen Sie den Revolver, Mister Goulden!“

Ein schlauer Trick …

Denn Agnes und die Hunde verschwanden soeben im Randdickicht der Schlucht … –

Und zur selben Zeit sagte Gottlieb Knorz, über dem jetzt eine Decke von Baumstämmen, Felsen und Geröll lag, die mit wüstem Poltern allmählich von oben herabgerasselt waren, zu seinem halbblinden Teckel, den er in der engen Einbuchtung der Kraterwand auf den Schoß genommen:

„Kognak, Kognak … über uns ein Hindernis, das wir nie beseitigen können … Unter uns die tiefe Höhle und der gurgelnde Fluß … – Das ist das Ende, Kognak!!“

Und, als wollte die gütige Vorsehung den alten Mann trösten, – kam da aus der Finsternis eine leise Stimme – Pasquals Stimme:

„Freund Knorz – – gerettet! Ich habe mich aus dem Flusse herausgearbeitet, bin an dem Lampenmast emporgeklettert … Bald sollen auch Sie und Kognak in Sicherheit sein …!“

 

62. Kapitel

Das Geheimnis der Insel Christophoro.

Die Südinsel der drei Robigas-Eilande …

Riffgürtel … Haushohe Brandung ringsum … Sanddünen, aus denen dunkles Gestein hervorgrinste …

Und sonst nichts als Seevögel, einzelne Bäume, unendliche Dickichte, unendliches mannshohes Dornengestrüpp …

In der Mitte eines Dornenfeldes eine sandige Lichtung, ein Tal, in dem zwei seltsame Fahrzeuge lagen: die Sphinx und das Goldschiff U 45, mit Seetang bewachsen, mit Muscheln bedeckt, die sich auf der Stahlspindel angesiedelt hatten – auf der von Granaten zerlöcherten Stahlspindel, deren Leid die Goldkisten barg …

Und dort inmitten des Gestrüpps zwei Männer …

Der eine ohnmächtig: Alfonso Jimminez …!

Der andere, Edgar Lomatz, ebenso zerstochen von giftigen Dornen …

Verschwollen Gesicht und Hände bis zur Unkenntlichkeit …

Wimmernd vor Schmerzen …

Jimminez beneidend, dem das Grauen vor der entschwindenden Leiche der Spanierin alles Blut aus dem Hirn getrieben hat, der nichts spürt von den unzähligen Wunden … –

Und noch zwei Männer auf der Insel …

Zwei, die soeben Silvia Gonzalez’ Gebeine bestattet haben, die nun an der Westseite der turmhohen Felsgruppe vor dem Geheimnis des Eilande stehen …

Vor einer riesigen Felsplatte, in deren geglättete Oberfläche rauhe, rote Schriftzeichen eingemeißelt sind …

Eine Inschrift …

„Spanisch …!“ sagte Fator zur Steuermann Hartwich …

„Und ganz unten eine Jahreszahl,“ nickte dieser. „1682 – nein, 1683 …!“

„Versuchen wir, die Inschrift zu übersetzen …“ meinte Fator. „Leider hat der vom Sturm herübergepeitschte Flugsand schon vieles fast unleserlich gemacht …“

Hartwich zog sein Notizbuch hervor …

„Schreiben wir mal zunächst die Worte auf, die unzweifelhaft sind …“

Doch Fator, der plötzlich den Kopf gewandt hatte, flüsterte überhastet:

„Hören Sie …?! … Hören Sie …?! Was bedeutet das, Hartwich …?!“

„Schüsse … Schüsse aus einer Signakanone … Ein Schiff in Not …“

Und er begann schon, die mächtige Felsanhäufung zu erklettern …

Fator folgte ihm. Bald hatten sie freien Ausblick über die Insel …

Und dort nach Norden zu, wo die Riffgürtel und die Brandung eine trügerische offene Stelle zeigten, – – dort hing mitten im weißen Gischt der donnernden Wogen offenbar auf scharfe Klippe geschleudert ein Doppelschoner …

Ein Schoner – mit geknickten Masten …

Und dennoch unschwer am schlanken Bau als die ehemalige Jacht „Otritis“ zu erkennen, die von den Kabylen gekapert worden war …

„Die … ‚Mauretania’!“ rief Hartwich. „Abd el Sarfa mit seinen Kriegern! Also doch hinter uns her!“

„Und – verloren! Aus der Brandung kommt niemand lebend heraus – niemand …!“

Zeitweise war von dem Schoner in der Tat nichts mehr zu sehen … Unaufhörlich stürmten die Wellen gegen das hoch aufgerichtete Heck an …

Und wenn eine Atempause in diesen wütenden Angriffen des Ozeans erfolgte, dann sahen Hartwich und Fator an den Maststümpfen die Gestalten der Kabylen sich drängen …

Sahen die winkend geschwenkten Tücher …

Notsignale – Notzeichen derer, die dem Tode verfallen waren …

„Wir … könnten sie retten,“ sagte Steuermann Hartwich mit einem Male … „Wir haben ja die Sphinx …! Wir brauchen nur aufzusteigen, brauchen uns bis dicht über das Deck der ‚Mauretania’ herabzusenken … An Tauen könnten die Kabylen dann emporklettern …“

Fator schaute Hartwich an.

„Ich kenne Sie … Sie lassen auch den Feind nicht armselig ertrinken! Vorwärts.! Wir retten sie!“

Und sie hasteten abwärts …

Liefen den geschlängelten Pfad durch das Dickicht entlang …

Sahen Lomatz und Jimminez noch immer in den Dornen stecken – wehrlos – besser gefangen als im festen Kerker …

Waren an Bord der Sphinx … Und Hartwich schon an den Schalthebeln … Riß den einen herum…

Und das Luftboot stieg …

Stieg … Bis die Propeller pfeifend die Luft durchrasten …

Minuten nur, und die Sphinx nahte der ‚Mauretania’ …

Gischt bespritzte ihren Aluminiumleib. An Deck stand Fator, warf drei an der Reling festgeknotete Taube hinab …

Und wie die Katzen kamen die acht Kabylen empor, drei Azorenfischer folgten, die Abd el Sarfa am Tage vorher angeworben …

Elf Menschen an drei pendelnden Tauen …

Und oben an Deck Fator, den Revolver in der Hand, weit sich über die Reling beugend …

„Niemand betritt das Boot!“ rief er hinab. „Wir bringen euch nach einer der nördlichen Inseln …“

Und elf Menschen hingen an drei Tauen – sausten mit durch die Luft – dicht über dem Ozean hinweg …

Eine Viertelstunden nur …

Endlos für die, deren Hände die Taue umkrallten …

Und doch hatten Hartwich und Fator keinen anderen Ausweg gefunden … Sie waren nur zwei … Der Feind elf an der Zahl! Durften sie da die elf an Deck lassen?! –

Die nördlichere Robigas-Insel kam in Sicht: Sand, Felsen, Gestrüpp …

Und bald senkte die Sphinx sich …

Bald konnten die Taue ihre lebendige Last zur Erde befördern.

Abd el Sarfa, Gentleman und Freiheitskämpfer, wilder Krieger marokkanischer Berge und Diplomat, rief Fator zu:

„Wir danken Ihnen unser Leben! Ich bin Abd el Sarfa, und ich schwöre beim Barte des Propheten, daß wir Kabylen von Stund’ an Ihre Freunde sind, daß ich jeden begehrlichen Gedanken an den Goldschatz aufgebe!“

Das war ehrlich gemeint …

Und Fators Antwort:

„Wir bringen euch in eure Heimat zurück, sobald wir anderes erledigt haben …!“

Und drei Kisten Proviant flogen auf den weichen Dünenboden …

Dann glitt die Sphinx wieder seewärts – gen Süden … – –

Und auf der Südinsel …?

… Mit verquollenen Augen hatte Edgar Lomatz die Abfahrt der Sphinx beobachtet.

Unbegreiflich war es ihm, daß das Luftboot sich entfernte …

Und doch, der Anblick der über den Baumkronen entschwindenden Sphinx hatte in die Adern des Verbrechers neuen Lebensmut gegossen …

Seine Energie erwachte … Seine Gedanken klärten sich …

Mühsam zog er sein Klappmesser aus der Tasche …

Mühsam schuf er mit scharfer Klinge durch die Dornen freie Bahn …

Schleppte Jimminez auf die Lichtung, rüttelte ihn so lange, bis der Riese erwachte …

Brüllte ihm in die Ohren, daß sie beide nun allein auf dem Eiland, auf der Südinsel der Robigas …

Und da kam Leben in den athletischen Körper des Geheimagenten der Republik Patalonier, die sich Herrin der Robigas-Inseln nannte.

Da kam Leben in das brutale, listige Gesicht …

Taumelnd erhob er sich … Lallte aus verschwollenen Lippen – ein Satan in der entsetzlichen Entstellung der zahllosen Wunden:

„Richtig – – Robigas! Robigas!! Südinsel …!! Die Patalonianer nennen Sie Christophoro-Insel …! Mit gutem Recht! – Da, stütze mich, Brüderchen … Ich kenne die Insel! Ob ich sie kenne! Dreimal war ich vor Jahren hier … Damals, als ich noch mein eigenes Schiff befehligte.“

„Als … Pirat …!“ lachte Lomatz.

„Als Kapitän eines Kapers aus dem Weltkriege … Meinetwegen als Pirat! – – Stütze mich … Dort muß ein Pfad durch die Dornen führen … Dort an den Felsen gibt es einen flachen Stein … Aber du sollst selbst sehen, Brüderchen … Komm’ – komm’ nur!“ –

Mit jeder Minute fand er seine Riesenkräfte mehr und mehr zurück …

Und dann standen nun diese beiden Verbrecher vor der Inschrift … Vor der Inschrift, die vorhin Hartwich und Fator hatten entziffern wollen …

„Da …!“ rief Alfonso Jimminez frohlockend, „da, Brüderchen, das las ich, als ich 1914 im Dezember nach dem Schiffbruch meines ersten Kapers aus der verdammten Brandung als einziger an Land gelangte … Da steht – sperr’ die Ohren gut auf:

Ich, Christophoro Velasquez, Sohn des berühmten Velasquez, scheiterte mit meinem Segler an dieser Küste auf der Rückfahrt von Mexiko. Seit sechs Jahren lebe ich hier als ein Einsamer. In diesen sechs Jahren habe ich die Insel kennen gelernt, wie niemand sie kennt. – Wenn du, der du vielleicht einst diese meine Inschrift findest, diesen flachen großen Stein nach vorn umkippst, wirst du dahinter in dem Gewirr der Blöcke einen engen Unterschlupf bemerken. Krieche hinein, und du siehst bald einen schrägen Schacht im Felsboden, gelangst so in eine Höhle, die sich westwärts hinzieht bis zum äußeren Riffkranz der Insel und dort in der einzelnen, größten Klippe einen Ausgang ins Freie hat. Dort stehst du dann bereits außerhalb der schlimmsten Brandung auf wogenumrauschter Plattform. Und in dieser Höhle habe ich bisher gehaust, werde dort auch weiter wohnen bis ans Ende meiner Tage! Die Hoffnung, daß ein Schiff mich befreien wird, habe ich aufgegeben!

Christophoro Velasquez,
auf einem unbekannten Eiland
im Sommer des Jahres 1683“

Jimminez lachte schrill …

„Brüderchen Lomatz, im Jahre 1918 war’s, als ich dies Geheimnis gut brauchen konnte. Da war mir ein englischer Kreuzer verdammt dicht auf den Hacken … Da habe ich meinen Kaper in windstiller Nacht dort an die Klippe gelegt und habe alles von Bord in die Höhle bringen lassen, was mich gefährdet hätte: drei Geschütze, Gewehre, Munition, geraubtes Gut! – Und als ich diese Ladung so gelöscht hatte, fuhr ich dem Kreuzer frech vor den Bug, ließ mich durchsuchen, war ein ehrlicher Kauffahrer … – Los denn – werfen wir den Stein um … Holen wir uns Waffen …!“

Lomatz verschwollenes Gesicht strahlte vor teuflischer Freude …

„Ja – – Waffen!! Und dann – hinein in das Wrack des Goldschiffes … Abwarten die Rückkehr der Sphinx … Und – Kugeln dann, daß keiner der Schufte, die uns in die Dornen jagten, noch einen Finger rührt …“ –

Polternd schlug der Stein um …

Jimminez kroch voraus …

Hinein in den engen Gang …

Fand noch am Anfang des Schachtes die Schiffslaterne … Fand die Blechbüchse mit den Zündhölzern.

Lichtschein flackerte auf …

Schatten tanzten über nackte, rissige, feuchte Höhlenwände hin.

Scharfe Zugluft fegte durch die schmale Grotte …

Und dort an der einen Seite Stapel von Kisten, Fässern …

Wieder lachte Jimminez …

„Brüderchen, bin nie mehr hierher gekommen sei 1918 … Plunder steckt in den Kisten – Konserven, Stoffe, dergleichen … Lohnte nicht das Abholen. – Hier sind die Waffenkisten … Für jeden zwei Militärgewehre, zwei Pistolen und je hundert Patronen … Das genügt …“

„Und – Konserven!“ mahnte Lomatz. „Man kann nie wissen, was geschieht …“ –

Fünf Minuten darauf stand der Stein mit der Inschrift wieder aufrecht da.

Jimminez hatte soeben die Felsgruppe erklommen.

Sprang wieder abwärts …

Keuchte …

„Die Sphinx kehrt zurück …!“

Und in wildem Lauf jagten die beiden durch den schmalen Pfad zur Lichtung – zum Goldschiff, das schräg im Sande ruhte, das zerfetzte Deck nach Osten gekehrt, so daß Lomatz und Alfonso bequem durch die offene Hauptluke hineinklettern konnten in den Kommandoturm, der noch zum Teil mit Waffen gefüllt war.

Drei Skelette hier …

Skelette braver deutscher U-Bootleute, die in jener Nacht des 29. November 1915 mit U 45 gesunken waren …

Drei Skelette – zwei bewaffnete Verbrecher, die zu allem entschlossen waren …

„Nun kann der Tanz beginnen!“ grinste Lomatz. „Hartwich und Fator sollen sich wundern!“ – Aber – jäh verstummte er …

Dachte an Fators Unverwundbarkeit, an die Szene vorhin, als er mit dem Karabiner auf den unheimlichen Menschen gefeuert hatte …

Ein paar Worte an Jimminez genügten.

Dem Geheimagenten der Republik Patalonier saß noch das Grauen in den Nerven – das ungeheure Grauen vor dem Bilde des in Sekunden zum Skelett dahinschwindenden Leichnams.

„Du meinst, wir könnten vielleicht mit … mit den Schußwaffen nichts ausrichten?“ fragte er unsicher.

„Gegen einen Mann, der doch offenbar kugelfest ist, würde selbst ein Maschinengewehr nur eine Kinderflinte bleiben!“ hastete Lomatz hervor.

Sein verschwollenes Gesicht war unfähig, irgendeinen besonderen Ausdruck anzunehmen. Aber in seinen Augen flackerte deutlich abergläubische Furcht.

Jimminez, geistig auch jetzt schwerfälliger als der vielseitige Hochstapler, blickte nach der Sphinx aus …

Die war noch nicht in Sicht. Nur das Knattern ihrer starken Propeller trug der Wind bereits von der See herüber.

Lomatz hatte schon einen anderen Plan entworfen. Und das, was er nun vorbrachte, ließ in des Geheimagenten entstellten Zügen ein satanisches Grinsen aufflackern. –

Vier Minuten später schwebte die Sphinx über der Lichtung des Dornenfeldes und über dem im Sande ruhenden Wrack des Goldschiffes.

Im Spiegel des Sehrohres erkannte der neben Hartwich im Führerstand stehende Fator die beiden Verbrecher, die noch immer mitten im stachligen Gestrüpp steckten.

Die Sphinx landete.

Hartwich und Fator kletterten an der Außenleiter hinab. Sie waren bereits vorher übereingekommen, jetzt zunächst die Inschrift des flachen Steines dort an der Felsgruppe zu entziffern, dann ein Versteck für die Goldkisten zu suchen und nachher Lomatz und Jimminez nach der nördlichen Insel zu bringen, damit die Kabylen, auf deren Dankbarkeit und Freundschaft sie nun bestimmt rechnen konnten, die beiden vorläufig bewachten.

Ohne zu merken, daß Lomatz inzwischen unter unerhörten Qualen einen Pfad durch die dornengespickte Wildnis geschnitten hatte, den die Verbrecher jetzt sehr geschickt wieder mit Sträuchern ausgefüllt hatten, rief Steuermann Hartwich ihnen zu:

„Wir werden euch später mit der Sphinx aus eurem stachligen Kerker herausheben … Wartet nur noch … Diese Strafe habt ihr reichlich verdient.“

Lomatz jammerte kläglich, daß er es vor Schmerzen kaum noch aushielte. Und Jimminez brüllte ihn darauf wütend an: „Teufel noch mal – halt’s Maul! Du wirst doch nicht um Gnade winseln!!“

Alles Komödie nur …! Alles fein ausgeklügelt …! – Und – es hatte Erfolg. Hartwich und Fator gingen weiter, waren überzeugt, daß die beiden Feinde nach wie vor nicht im Stande seien, sich selbst zu befreien …

Standen nun vor dem mächtigen flachen Felsstück, und in kurzem wußten sie, daß man den zwei Meter hohen Stein nur umzukippen brauchte, um in eine der merkwürdigsten Grotten zu gelangen, die damals eine Laune der Natur geschaffen hatte.

Hartwich lief rasch nach der Sphinx zurück und holte zwei Karbidlaternen.

Dann drangen sie in die Höhle ein, in der vor Jahrhunderten der spanische Seefahrer Christophoro Velasquez als Schiffbrüchiger gehaust hatte.

Staunend traten sie auf die Klippe hinaus, in der ein zweiter Zugang zur Grotte wieder ins Freie führte – mitten in die Brandung hinein …

Staunend musterten sie die Kisten, Fässer und Ballen, die in einer Ecke der Höhle aufgestapelt waren, sahen an den Signaturen, daß es sich um Schiffsgut handelte, das hier bereits zwei Jahre lagerte.

„Fraglos das Beuteversteck eines Piraten aus dem Weltkrieg,“ meinte Fator. „Wenn diese Piraten noch am Leben wären, hätten sie diese Frachtstücke längst abgeholt und zu Geld gemacht. – Wie wär’s, Hartwich, wenn wir in dieser Höhle das Gold verbergen würden? Ich halte sie für sehr geeignet. Wenn wir nachher den flachen Stein mit der Inschrift beseitigen, den Durchschlupf durch die Felsgruppe verrammeln und auch den Zugang durch die Klippe mit Steinen und Geröll sperren, dürfte kaum jemand die Grotte finden.“

Georg Hartwich war einverstanden.

Wenn die beiden Gefährten nicht so vollständig in trügerischem Sicherheitsgefühl jede genaue Prüfung der Höhle unterlassen hätten, dann würden ihnen wohl kaum all die verschiedenen Anzeichen entgangen sein, die hier darauf hindeuteten, daß noch vor kurzem Leute diesen seltsamen, teilweise unter dem Meere sich hinziehenden Schlupfwinkel besucht hatten. –

Die Sphinx stieg wieder auf, hob an den beiden armdicken Eisenketten das U-Boot mit empor und brachte es bis zur Westseite der Felsgruppe, wo beide Fahrzeuge dann wieder dicht nebeneinander lagen.

„Jimminez und Lomatz können uns hier nicht beobachten,“ nickte Hartwich zufrieden. „Jetzt ans Werk, Herr Fator! Hinein in das Wrack und – heraus mit dem Goldkisten!“

So fanden auch sie im Innern des Bootes die Skelette …

Drangen weiter in die dunklen Räume einen …

Laternenlicht enthüllte Bilder des Grauens. Im Innern noch mehr Skelette, teilweise dicht übereinander liegend, alles Überreste braver deutscher Seeleute, die in jener Novembernacht 1915 so urplötzlich zusammen mit dem Goldschiff am Kap Retorta versunken waren.

Und schließlich dann in den Kammern neben dem Maschinenraum das Gold …

Der Goldschatz der Azoren …! Achtunddreißig Kisten, sauber vernagelt, gefertigt aus dem nie faulenden Holze des afrikanischen Grigru-Baumes …

Achtunddreißig Kisten …

Milliarden …

Milliarden …!! –

Hartwich starrte auf diese so unscheinbaren Kisten.

Keine Spur von Goldrausch in seiner Seele!

Nein – nur eine gewisse Ergriffenheit hatte sich seiner bemächtigt …

Er – er war ja der letzte Überlebende von U 45! Er hatte jene Nacht an den Felsgestaden Kameruns mitgemacht, als die Familie des Deutschen Farmers Werter das Gold den U-Bootleuten übergab!

Er hatte des Goldes wegen drei Jahre auf Formigas als Robinson gehaust. Er hatte stets nur den einen Wunsch gehabt: Das Gold dem Vaterlande!

Nun war er geborgen, der Milliardenschatz! Nun würde er hier in der Höhle ruhen, bis Gaupenberg und er selbst mit der deutschen Regierung alles vereinbart hatten, wie die Goldkisten unauffällig nach Europa geschafft werden könnten!

Unauffällig!

Denn kein Staat des Feindbundes, der nun doch fraglos dem Deutschen Reiche unerhörte Friedensbedingungen diktieren würde, sollte etwas von diesen Milliarden erfahren! Nicht ein Lot dieses Geldes sollte dem Feinde zugutekommen! Nein – die Wunden des Krieges sollte der Schatz innerhalb der deutschen Grenzen heilen, sollte den Opfern des Krieges, den Verstümmelten, das Dasein erleichtern und deutschen Handel und deutsche Industrie wieder beleben!

Und neben dem in Gedanken versunkenen Hartwich sagte Fator nun leise:

„Verfluchtes Gold!! Verfluchtes Gold!! – In meiner Ruinenwohnung dort in der Heimat, im Laboratorium des Schülers des größten Alchimisten, fand ich das Rezept, wie man unedle Metalle in Gold verwandeln kann …! Ich habe in kleinen Mengen auch wirklich Gold hergestellt, und – – fand das andere Rezept, das des Lebenselixiers, das ewiges Dasein verhieß, Verjüngung, nimmer schwindende Kraft …! – Sie kennen ja die Tragik meines Daseins, Hartwich. Ich probierte das Elexier, nachdem ich das Goldrezept vernichtet hatte! Nun bin ich … verflucht wie das Gold, bin … unsterblich!!“

Er reckte die Arme wie flehend hoch …

„Tag für Tag bete ich zu den ewigen Gestirnen dort oben, daß sie den Fluch, als … Ewiger Jude bis an der Welt Ende über die Erde pilgern zu müssen, von mir nehmen … Was ich in blinder Vermessenheit getan, bereue ich tief … Und – – was dieses Gold hier noch an Unheil und Verbrechen hervorrufen wird, ahnen wir beide ebenso wenig, wie wir dieses Böse, das dem Golde wie ein verderblicher Hauch anhaftet, bannen können!“

Fators Augen starrten durch eins der zackigen Granatlöcher empor zum klaren blauen Himmel …

Seine Arme hielt er noch immer wie beschwörend hochgereckt …

In seinen Augen lag ein Glanz, der etwas von dem Blick jener Verzückten hatte, die einst in einem dunklen unmenschlichen Jahrhundert als Hexen und Zauberer dem Scheiterhaufen übergeben worden waren.

Wie ein Prophet stand er da…

Ein Prophet der magischen Macht des Goldes, der bösen Triebe, die das eitle Metall weckte und emporwuchern ließ in den Seelen der Schwachen … –

Hartwich überlief es kalt …

Wieder fühlte er, daß Fators Worte bestimmt in Erfüllung gehen würden …

Daß noch Unerhörtes geschehen würde, bevor das Azorengold seiner wahren edlen Bestimmung zugeführt werden konnte. –

Fator begann plötzlich zu flüstern …

Er, dessen Seele es gelernt hatte, Visionen zu schauen, die sich später in jeder Einzelheit verwirklichten, er, der Agnes Sandens Flucht aus den Händen der Mädchenhändler schon in Sellenheim vorausgeahnt, er stammelte jetzt in abgerissenen Sätzen …

„Agnes … Agnes … Engel der Reinheit … Prinzip des Guten, wie das Gold das Prinzip des Bösen … Agnes in der Gewalt seltsamer Geschöpfe … Ein Tal sehe ich – und große gelbe Hunde … Geschöpfe dazu, die nicht Mensch, nicht Tier sind … Geschöpfe wie Riesen … Behaart … Und Agnes mitten unter ihnen …“

Dann – schreckte er zurück vor dem, was die Vision ihm noch weiter zeigte …

Seine glänzenden Augen wurden starr …

„Gottlieb Knorz … und Pasqual … – Die Behaarten … – Sie wehren sich … Agnes – – Agnes – –!!“

Das letzte wie ein schriller Schrei …

Selbst Hartwich war bei dieser unheimlichen Szene unmerklich erblaßt …

„Was ist’s mit Agnes?“ fragte er angstvoll …

Da sanken Fators Arme herab.

Er lächelte traurig …

„Alles verschwand plötzlich … Die Rätselgeschöpfe stürzten sich mit Heulen auf Gottlieb und Pasqual, die in das Tal hinabstiegen … Agnes kam ihnen zu Hilfe … Dann verschwamm alles…“

Die Verzückung wich.

Und noch trauriger sagte Fator zu Steuermann Hartwich:

„Bin ich noch Mensch, gehöre ich noch dieser Welt an?! Unerklärliche Gaben verliehen mir die ewigen Gestirnen, an deren Allmacht ich genau so glaube wie es einst der berühmte Parazelsus getan, wie es auch der große Feldherr Wallenstein tat …! – – Doch – – zurück zur Gegenwart, Freund Hartwich! Die Pflicht ruft! Schaffen wir uns Tragriemen für die Kisten!“

Und die Arbeit begann …

Eine Arbeit, die fast die Kräfte der beiden Männer überstieg.

Zentnerschwere Kisten …

Achtunddreißig an der Zahl …

Und achtunddreißig Kisten hinabtragen in die Höhle, dort in einem Winkel aufschichten, dann eine unauffällige Barrikade von Geröll davor errichten, daß niemand vermuten könnte, was sich dahinter befand! Dann noch den Ausgang nach der Klippe hin verrammeln! Verrammeln, indem man mit dem aus den Patronen der Munitionskisten herausgenommenen Pulver die Klippe durch einen Sprengschuß halb zerstörte …!

Eine ungeheure Arbeit – und doch in kaum anderthalb Stunden erledigt!

Und doch … umsonst – – umsonst!!

Denn draußen lauerte das Verbrechen …!

Draußen lagen dicht an der Felsgruppe Lomatz und der Geheimagent …

Hörten den Sprengschuß …

Sahen die Felsmasse der zackigen Klippe drüben in der Brandung zusammensinken …

Lachten … lachten …

Hatten bereits den Eingang hier an dieser Seite verrammelt …

Wußten, daß das Gold nun ihnen gehörte … Brauchten nur zu warten, bis die beiden dort unten in der Grotte verdurstet oder verhungert waren!

Ihnen gehörte auch die Sphinx …

Herren des Luftmeeres waren sie …

Besaßen das genialste Fahrzeug, das je gebaut worden …

Lachten … lachten …!! –

Und drunten entdeckten Fator und Hartwich nun den spitzen Block, der in dem engen Ausgangsschacht steckte …

Das Geröll – die unüberwindlichen Hindernisse …

Sie schauten sich an …

„Die beiden … Verbrecher!“ rief Hartwich in aufflammendem Grimm. „Hätten wir sie nur beseitigt, einfach erschossen!“

Und Fator schüttelte den Kopf, während über sein Gesicht wieder ein Schimmer jener übernatürlichen Weltentrücktheit flog …

„Beseitigt – erschossen – –?! – Georg Hartwich, es sollte nicht sein! Es war uns beiden vorherbestimmt, daß wir hier die … Hüter der Schatzes als Gefangene spielen sollten!“

 

63. Kapitel.

Die Affenmenschen.

Und auf San Miguel, der Azoreninsel? Auf der Hochebene, wo die Maultierherden sich tummelten? In der Schlucht, wo soeben Mafalda absichtlich ihre Revolverkugeln ins Leere gefeuert?

Da war Agnes Sanden atemlos mit den beiden Riesenhunden Cäsar und Pluto am Rande der Schluchtwand angelangt und blindlings ins Dickicht geflüchtet …

Da hatte sie an der Berglehne einen Pfad entdeckt, den die Wildziegen benutzten, wenn sie von den Bergen herab zur Tränke kamen.

Diesen Pfad lief sie aufwärts …

Und hinter ihr her ihre vierbeinigen Beschützer …

Lief, bis ihr die Knie wankten …

Bis kahles Gestein ringsum ihr verriet, wie hoch sie bereits in den Randbergen der Hochebene emporgeklommen …

Schauerliche Einöde ringsum …

Kein Baum, kein Strauch …

Ein Felsental, aus dem eine enge Kluft wie ein Riß zur Spitze eines Höhenzuges hinaufführte …

Und als einzige Lebewesen inmitten des stummen Gesteins sie selbst, ihre Rüden und dort ein Rudel Wildziegen, das in toller Flucht vor den Hunden dahinstob …

Steine prasselten unter den harten Hufen des flüchtenden Wildes herab …

Cäsar hatte ein Ziegenlamm erwischt …

Tat es durch ein paar Bisse ab …

Und die Mutter des Zickleins – welch rührender Beweis von Mutterleibe! – sprang nun in Angst und Sorge vom sicheren Felsgrat wieder herab, ihr Kind zu schützen …

Pluto wollte sich auf das Tier stürzen. Zauderte … Agnes’ scharfer Zuruf genügte.

Hastig lief sie hinüber …

Packte das zitternde Muttertier am mächtigen Gehörn …

Streichelte es …

Sprach zu ihm … –

Und Pluto und Cäsar hielten nun die zweite blutige Mahlzeit an diesem Tage. Agnes wehrte ihnen nicht. Sie selbst war ja zum Umsinken matt vor Hunger und Durst …

Stand noch immer neben der Wildziege, deren schweres Euter prall gefüllt Nahrung und Trank darbot. –

Das Tier war eines jener Nachkommen zahmer spanischer Ziegen, die der Gouverneur der Azoren Don Martino im Jahre 1789 hier auf San Miguel hatte aussetzen lassen. Die Ziegen hatten sich vermehrt, belebten bereits dreißig Jahre später in ganzen Rudeln die Abgänge der zerklüfteten Inselbergerge.

Und hier jetzt erwachte in diesem Muttertier bei dem freundlichen Zuspruch des Mädchens instinktartig die Erinnerung an das, was der Mensch den Voreltern gewesen: ein Hausgenosse, ein Beschützer!

Agnes versuchte es, das Tier in eine höhlenartige Ausbuchtung zu leiten, die nur einen engen Zugang hatte, der sich leicht verschließen ließ.

Es gelang. Agnes klemmte Steine in den Eingang, war nun mit der Wildziege in diesem Gehege allein …

Kniete nieder, molk das Tier mit der einen Hand, benutzte die andere als Trinkbecher …

Ganz still hielt das Muttertier. Das pralle Euter verlangte Entleerung. –

Agnes fühlte sich kräftiger, war satt.

Streichelte die Ziegel … Sprach wieder zu ihr …

Und entfernte die Steine, trat ins Freie, versperrte den Zugang abermals und erklomm eine nach Nordosten gerichtete Kuppe der Talwand, duckte sich hinter Geröll und hielt Ausschau.

Nichts von Verfolgern …

Sie atmete auf …

Dann neben ihr das Schnaufen der Rüden, die sich liebkosend an sie drängten …

Und Agnes legte die Arme um die zottigen Hälse …

Ein tiefer Friede, eine gläubige Zuversicht erfüllte ihre Seele …

Sie war nicht allein …

Die Vorsehung hatte ihr Freunde und eine nahrungsspendende dritte Gefährtin ihrer Einsamkeit beschert …

Die Vorsehung würde sie auch zu den beiden treuen Männern zurückführen, die jetzt ohne Zweifel in Sorge und Angst sie suchten. –

Agnes beschloß, jetzt erst ein paar Stunden zu ruhen, bevor sie wieder in jene Schlucht hinabstieg, wo Gottlieb und Pasqual mit ihr nachts gelagert hatten und wo vorhin Mister Percy Goulden und Mafalda so jäh aufgetaucht waren.

Neben dem Gehege der Ziege fand sie eine Vertiefung, die mit Moos weich gepolstert war. Hier legte sie sich nieder. Schlief ein …

Und bei ihr wachten wieder die gelbfahlen prächtigen Rüden. – –

Und eine halbe Meile weiter nordwärts unten auf der Hochebene ragte stumm und düster wie ein dunkles Geheimnis jener Kraterkegel empor, dessen Öffnung in die noch dunkleren Geheimnisse einer unterirdischen Welt hineinführte.

Dieser Kraterschacht war jetzt mit Feldsstücken und Steinen ausgefüllt – auf Doktor Gouldens Geheiß – in aller Stille, um Mafalda Sarratow zu täuschen, die sich doch nicht hatte … täuschen lassen …!

Und unter dieser Decke aus Baumstämmen, Steinen, Felsbrocken saßen Gottlieb Knorz und sein Teckel in der Einbuchtung der Wand und sahen nun ein Zündholz dicht vor sich aufflammen, sahen im flackernden schwachen Lichtschein Pasqual Orettos, des Tauchers, biederes braunes Gesicht …

Hörten die zuversichtlichen Worte des an dem Lichtmast Hängenden. –

Und auch das weitere gelang. Pasqual befestigte ein Tau an einer Zacke, warf es dem treuen Gottlieb zu. Der band seinen Teckel daran fest, und so wurde denn der halbblinde Kognak als erster durch den Taucher in die Höhle hinabgebracht.

Gleich darauf kletterte auch Gottlieb Knorz an dem Mast hinunter, stand jetzt in tiefster Finsternis neben Oretto und roch mit leisem Schauern die scharfen Raubtierdünste, die diese unterirdische Welt erfüllten.

Hörte das Brausen und Rauschen des unterirdischen Flusses und das Surren und Fauchen eines fernen großen Ventilators.

„Die Käfige sind leer, soweit ich bisher festgestellt habe,“ flüsterte der Taucher …

Und Gottlieb wieder raunte dem Freunde zu:

„Haben Sie gemerkt, Pasqual, daß zwei Neger den Kraterschacht zuschütteten?“

„Gewiß … Ein paar Steine sausten ja herab … – Doch – was tun wir nun?! Wir müssen bedenken, daß wir hier von Gefahren umgeben sind. Es müssen merkwürdige Menschen sein, die sich hier in dieser Höhle eine Menagerie angelegt haben … Und fraglos Menschen, deren Taten das Licht scheuen, die hier in der Wildnis hausen und …“

Er schwieg jäh …

Urplötzlich waren die beiden Reihen von elektrischen Bogenlampen aufgeflammt.

Blendende Helle ringsum…

Das schäumende Wasser des Flusses glitzerte …

Und mit jähem Ruck riß Pasqual da den braven Gottlieb, der seinen geliebten Teckel im Arm hielt, in den schmalen Gang zwischen zwei der leeren Käfige.

„Es kommt jemand … Ein Neger …!“ hauchte er …

Vorsichtig lugte er dann um die Ecke des Käfigs …

Der riesige Neger stand vielleicht fünfzig Meter weiter vor einem Käfig und schob gerade durch das Gitter ein dunkles Etwas hinein …

Ein grauenvolles Gekreisch brach los …

Ein so dämonischer Lärm, daß Gottlieb rasch dem Teckel das Maul zuhalten mußte, weil der Hund laut zu winseln begann.

Das satanische Gekreisch erstarb in grunzendem Geschnatter, tiefen Kehltönen …

„Affen!!“ flüsterte Pasqual. „Große Affen … – Ich war 1912 mit einer Jagdexpedition Hagenbecks in Kamerun. Dort wurden Gorillas gefangen, Menschenaffen … Und wenn die Bestien gefüttert wurden, machten sie genau denselben Lärm. – Ich möchte nur …“

Da – erlosch das Licht wieder …

Stille …

Nur die Affen meldeten sich zuweilen …

Und Dunkelheit, die all den Geheimnissen dieser Höhle wieder undurchdringliche Schleier umlegte …

Zwei Männer, ein alter, halbblinder Hund – in atemlosem Lauschen, was nun weiter sich ereignen würde …

… Nichts geschah …

Die hallenden Schritte des Schwarzen entfernten sich …

Noch tiefer die Stille …

Bis Gottlieb, der das drohende Schweigen nicht mehr ertrug, flüsterte:

„Es müssen doch mehrere Gorillas sein …“

„Wir werden … sehen!“ erwiderte der alte Pasqual schlicht und rieb ein Zündholz aus seiner altertümlichen Schwefelholzbüchse an.

Das feine Flämmchen spiegelte sich in den Glasscheiben einer großen Petroleumlaterne, die an der Rückwand des Käfigs hing.

Pasqual nahm die Laterne …

„Wir müssen’s wagen, Freund Gottlieb … Der Ausgang der Grotte liegt nach dorthin, wo der Schwarze verschwand. Nach der anderen Seite ist die Höhle kaum mehr dreißig Meter lang. Der Fluß verschwindet in einem Kanal, vor dem sich ein enges, sehr starkes Eisengitter befindet … Und dort am Gitter gelang es mir ja auch, aus dem reißenden Wasser wieder aufs Trockene zu kommen.“

Die Laterne leuchtete auf …

Pasqual gab Knorz seinen Revolver. „Die Nässe wird ihm nichts geschadet haben,“ meinte er. „Und mit dem Ding verstehen Sie besser umzugehen als ich …“

„Ja – den meinen hat unser Liebling Agnes,“ seufzte Knorz … „Wenn wir sie nur erst wieder gefunden hätten … Mein Herz ist schwer vor Sorgen …“

Pasqual fror in den nassen Kleidern.

„Gehen wir …!“ Und er legte den Jackenzipfel halb über die Laterne.

Käfig an Käfig …

Riesige Käfige … Zwölf an dieser Seite des häufig durch Pfahlbrücken überspannten Flusses zählten die Gefährten …

Und in jedem zu ihrem Erstaunen Tische, Bänke und Stühle aus derbem Holz … In jedem auch an der Hinterwand bettartige Kasten, mit Gras gefüllt und mit wollenen Decken belegt …

Dann – – der dreizehnte …

Derjenige, vor dem der Neger soeben gestanden hatte …

Kaum fiel der Laternenschein durch die dicken Eisenstäbe in den Käfig hinein, als von dem hellen starken Holztisch vier behaarte Ungeheuer hochschnellten und brüllend gegen das Gitter flogen …

Vier Ungeheuer …

Gesichter, halb Neger, halb Affe … Lange Fangzähne noch in den breiten Mäulern … Tückische kleine Augen, flache Schädel, Affenarme …

Und doch nicht reinblütige Gorillas …

Untiere, halb Mensch, halb Affe …

Zitternd in maßloser Wut … Mit Riesenfäusten an den Stäben rüttelnd … Kreischend – helle Schreie ausstoßend …

Teufel in Wildheit und Kraft …

Geschöpfe, wie selbst der vielgereiste Pasqual sie nie gesehen …

Und Knorz und Oretto waren vor Schreck zurückgetaumelt …

Stierten die Untiere an …

Fürchteten, die Stäbe könnten knicken wie Strohhalme unter der Muskelkraft der Affenmenschen …

„Fort von hier!“ keuchte Gottlieb … „Fort von hier! Die Ungetüme verraten uns!“

Und sie eilten weiter …

Hinter ihnen wurde es still …

Pasqual, Schweiß auf der Stirn, flüsterte scheu:

„Freund Gottlieb, das waren keine Gorillas … Das waren halbe Menschen … Hörten sie, daßs der eine etwas auf englisch brüllte …?“

„Unmöglich …“

„Das waren englische Worte …! Ohne Zweifel …!“ behauptete der Taucher bestimmt.

Wollte noch mehr hinzufügen …

Die Höhle machte hier eine scharfe Biegung nach rechts …

Und hier, wo sie sich verengte, wo der unterirdische Fluß schäumend und brausend aus der gegenüberliegenden Felswand hervorbrach, hier brannten in weiten Abständen kleine Glühlampen … Hier gab es auch nur an jeder Seite der beiden Wände je einen vergitterten schmalen Gang, der offenbar von den Käfigen anderswohin führte und es den Wärtern der Affenmenschen möglich machte, die Bestien aus ihren Behältern an eine andere Stelle zu treiben.

Weiter eilten die Männer …

Wohl fünf Minuten lang …

Immer im Schoße der Erde, immer allmählich aufwärts in der schmalen, sanft ansteigenden Höhle …

Bis eine neue Biegung ihnen nicht mehr allzu weit voraus einen hellen Fleck zeigte. Tageslicht – den Ausgang!

Aber – nun standen sie vor diesem Ausgang – vor einem mächtigen Gittertor – blickten hinaus in einen Talkessel mit senkrecht ansteigenden himmelhohen Wänden …

In ein Tal, das der Tummelplatz von weiteren Bestien dieser unmöglichen Art – ihr Spielplatz war …

Auch hier Gitterwände, große Abteilungen, Gitterdächer, damit die klettergewandten Untiere nicht entschlüpften …

In jeder der vier Abteilungen sechs dieser Geschöpfe, in denen sich Neger und Gorilla zum abstoßenden Wesen vereinten …

In jeder Bäume zum Klettern, Tische, Bänke …

Und zwischen den vier Abteilungen ein sehr breiter Gang … –

Die Untiere hier waren verschiedensten Alters … In dem einen Käfig nur sechs ganz junge Geschöpfe … In einem anderen nur Männchen. Im dritten lediglich Weibchen, und im vierten – ja, das waren reinblütige Gorillas – auch nur Weibchen! Sofort sprang der Unterschied zwischen ihnen und den Affenmenschen ins Auge, wenn man nur genauer hinschaute. Sofort …

„Das da sind Gorillas!“ flüsterte nun auch Pasqual, und in seiner Stimme klang das Grauen mit, das seine Seele beim Anblick dieser zum Teil riesenhaften behaarten Ungeheuer erfüllte.

Gottlieb blieb stumm … Ihm verschlug das, was er schauen mußte, die Rede … –

Die sämtlichen Ungeheuer hatten die beiden Männer nun bemerkt, drängten sich an den Gitterwänden, die nach dem Gang zu lagen, schnatterten, winkten …

Und jetzt vernahm auch Knorz aus dem Chor der zum Teil recht kreischenden Stimmen menschliche Laute … Englische Worte …

„Mein Gott, – sie sprechen wirklich!“ rief er entsetzt … „Was für Geschöpfe sind das nun? Affen? Menschen? – Dort die sechs Gorillaweibchen erkennt man ja als Tiere …! Aber die anderen?! – Hören Sie nur, Pasqual, da rief doch eben eine der jungen Bestien ganz deutlich auf englisch Guten Morgen – guten Morgen!“

„Das tat sie,“ brummte Pasqual Oretto. „Heilige Jungfrau, – träumen wir etwa nur, Freund Gottlieb?! Oder – leben wir etwa gar nicht mehr?! – Mein Hirn begreift das alles nicht …! Sträubt sich gegen das, was die Augen sehen!“

Der halbblinde Teckel winselte …

Witterte Feinde …

Witterte halbgezähmte Wildheit … –

„Hier die kleine Gitterpforte nach dem Mittelgang ist verschlossen,“ meinte Pasqual hastig. „Verdammt, Freund Knorz, – was nun?! Wir sind eingesperrt.“

Gottlieb hatte rechts an der Wand bereits drei Griffe bemerkt, ähnlich wie Glockenzüge. Dicke Drähte liefen über Rollen nach der Außenseite des Gitters hin und weiter über die Käfige hinweg nach der anderen Talseite.

„Es ist ein Schnappschloß,“ meinte er. „Hier dieser Griff muß der richtige sein …“

Pasqual zog kräftig. Der Draht bewegte sich auch, aber die Tür blieb geschlossen.

„Ein Versehen,“ sagte der alte Knorz. „Dieser Griff ist es, lieber Oretto …“

„Hoffentlich …! Je schneller wir aus der Nähe dieser verwünschten Affenmenschen herauskommen, desto besser! – Da – hören Sie nur …! Wieder schnattert der eine Jüngling da sein ‚Guten Morgen’!“ Und aus Leibeskräften zog er nun an dem zweiten Griff.

Der Riegel sprang zurück …

„Ah – endlich!“ Und Knorz riß die Gitterpforte auf, packte seinen Kognak am Genick und eilte voran.

Scheue Blicke warfen die beiden Männer auf die seltsamen Geschöpfe …

Augen, in denen ein Schimmer menschlicher Intelligenz strahlte, schauten ihnen nach …

Nur die Gorillaweibchen zeigten auch jetzt das unverfälschte Affenblut, gerieten urplötzlich in wildeste Wut und stimmten ein wahres Höllenkonzert an …

Merkwürdig war’s, wie ansteckend dieser Ausbruch von urwüchsigem Grimm auf die Insassen der drei anderen Abteilungen wirkte …

All diese Tiermenschen, die sich bisher recht gesittet benommen hatten, wurden mit einem Male von der Wut der echten Affen gleichsam angesteckt und tobten wie die Unsinnigen durch ihre Käfige …

Ein satanisches Gekreisch, Geheul und … Getrommel erfüllte das enge Tal …

Getrommel – denn die männlichen ausgewachsenen Affenmenschen schlugen sich mit geballten Fäusten genau wie die wilden Gorillas in den Urwäldern Kameruns gegen die Brust, wodurch Töne entstanden, als führte man Hammerschläge gegen eine leere große Kiste.

Gottlieb Knorr war erbleicht …

Er begann zu laufen …

Dieses infernalische Konzert vertrug kein menschliches Ohr …

Dazu winselte noch der Teckel auf dem Arm seines Herrn in den höchsten Tönen …

Und hinter Gottlieb hastete der Taucher her. Gleichfalls grau im Gesicht, gleichfalls halb betäubt durch diese Bestien, die noch immer wie unsinnig umhertollten.

Zum Glück war die Gittertür an der anderen Seite des Mittelganges, die in einen dunklen Felstunnel führte, wahrscheinlich gleichzeitig mit der ersten durch den Zug am Griff aufgesprungen. So konnten Knorz und Oretto denn ohne Zeitverlust den Tunnel betreten, der offenbar ins Freie mündete, da weit hinten ein schwacher Lichtschein sichtbar war.

Ein Zufall wollte es, daß Pasqual, als er die Gittertür wieder ins Schloß werfen wollte, sich umschaute …

Und – was er schaute, ließ ihn einen gellenden Angstgeschrei ausstoßen …

Fraglos hatte der Griff, den der Taucher irrtümlicherweise zuerst in Bewegung gesetzt hatte, drei der Käfigtüren geöffnet …

Denn – – der Mittelgang war jetzt mit dunklen Gestalten angefüllt – mit den Affenmenschen, die erst jetzt gemerkt hatten, daß die Riegel ihrer Kerkertüren den Weg in die Freiheit nicht mehr versperrten … –

Pasqual war so verwirrt und entsetzt über den Anblick dieser wilden Rotte, daß er blindlings davonstürmte …

Und mit ihm Gottlieb Knorz …

Die Ausgangstür aber stand weit offen … Und soeben drückte einer der männlichen Affenmenschen sie vollends auf …

Starrte hinter den Fliehenden drein …

Kreischt etwas …

Ein Untier von über zwei Meter Höhe war’s, das auch darin nicht die Abstammung vom Gorilla verleugnete, daß es auf den kurzen Beinen recht gebückt ging, freilich ohne die Hände als Stütze zu benutzen …

Dieser Affenmensch lockte die anderen herbei, die zunächst noch etwas scheu und ungewohnt dieser neuen Freiheit nur schwerfällig in dem Gange hin und her gewandert waren …

Die ganze behaarte Rotte, alle die rostbraunen Gestalten mit der seltsamen Mischung von Tier und Neger in den gleichfalls leicht behaarten Gesichtern, – all diese Gefangenen stürmten nun mit überraschend flinken Bewegungen dem Führer nach, der plötzlich wie in toller Freude über den geglückten Ausbruch aus dem Käfig heulende Schreie ausstieß.

Das war das erneute Signal für die übrigen, ihre kräftigen Stimmen in derselben Weise zu erheben …

Der niedere Tunnel, ein natürlicher Felsengang, hallte wider von dem ungeheuren Lärm …

Den beiden Flüchtlingen aber erstarrte fast das Blut in den Adern vor Angst und Grausen …

Nebeneinander hetzten sie dahin …

„Sie kommen!“ rief Pasqual japsend. „Sie kommen! Wir selbst haben ihnen die Türen ahnungslos geöffnet!“

Der Vorsprung, den Oretto und Knorz gehabt hatten, verringerte sich immer mehr.

Als sie nun den Ausgang des Tunnels erreichten, war die heulende Schar der Affenmenschen keine hundert Meter hinter ihnen … –

Ein Waldstück nahm die Flüchtenden auf …

Im Nu hatten sie es durchquert …

Standen am Rande einer Schlucht, wandten sich nach links …

„Dort – – ein Haus mit einem Turm – – ein Haus aus Stein!“ keuchte Oretto …

„Bei Gott …!! Wenn wir dorthin gelangen, bevor die Bestien uns dicht auf den Fersen sind, werden wir mit dem Leben davonkommen …“ –

Und weiter jagten die Männer …

Und aus dem Walde brachen nun auch die Affenmenschen hervor. Allen voran das riesige Geschöpf, der Führer …

Knorz wagte einen Blick nach rückwärts …

Fünfzig Meter nur noch …!

Seine Knie wankten …

Schwarz wurde es ihm vor den Augen …

Und doch – mit letzter Kraft weiter – – weiter!! Mit rasenden Pulsen, mit pfeifenden Atemzügen …

Weiter – nur weiter …

Endlich das Haus – schon ganz nahe …

Eine hohe Steinterrasse an der Vorderseite …

Pasqual sprang die Stufen empor …

Knorz, den Teckel im Arm, war drei Schritt zurück.

Und hob schon den Fuß, um gleichfalls die Stufen hinaufzufliehen …

Da war der Riese, der Führer der behaarten Scheusale, bereits heran …

Streckte die Hand aus …

Packte Gottlieb bei der Schulter, riß ihn zurück …

So gewaltig, daß Knorz sich überschlug, auf den Boden rollte …

Und der Affenmensch raffte blitzschnell einen fast zwei Zentner schweren Stein wie ein Spielzeug auf …

Schwang ihn über dem flachen Schädel, wollte Gottlieb … zerschmettern …

Im selben Moment jedoch von der Terrasse herab ein kurzer harter Knall …

Das Untier taumelte …

Der Stein fiel nieder, und über dem Steine krachte die Bestie leblos mit Stirnschuß zusammen …

 

64. Kapitel.

Mafalda, die Verführerin.

„Entronnen!“ meinte Doktor Goulden, der Bewohner des einsamen Observatoriums an den Ostabhängen des Monte Rossa zu der Fürstin Sarratow mit leichtem Achselzucken. „Das Mädchen ist uns entronnen! Eine Verfolgung hätte keinen Zweck, da das Dickicht da oben tausend Verstecke bietet.“

Mafalda, die in dem hellen neuen Flanellanzug Gouldens eine tadellose Figur machte, sagte ärgerlich – und heuchelte wieder einmal aufs beste:

„Daß ich aber auch so schlecht geschossen habe!! Noch nie habe ich mit dieser Waffe ein erreichbares Ziel verfehlt! Noch nie!“ – Und in Wahrheit hatte sie absichtlich die Kugeln ins Blaue gejagt, denn Agnes sollte ja entkommen! Agnes als Gefangene Gouldens wäre Mafalda sehr unbequem gewesen, da doch Viktor Gaupenberg im Hause des Doktors krank darniederlag und vielleicht so mit Agnes zusammengetroffen wäre. Das aber durfte nicht sein! Niemals mehr! Dafür wollte Mafalda schon sorgen! –

„Reiten wir heim,“ meinte Goulden. „Ich werde nachher meine beiden schwarzen Diener das Mädchen suchen lassen. Jack und John finden den Flüchtling bestimmt. Und vor den Hunden fürchten sich meine beiden Neger wahrscheinlich nicht! Die sind es gewöhnt, mit ganz anderen Bestien umzuspringen, deren Kräfte …“

Da schwieg er, hüstelte …

Hatte fast schon zu viel verraten.

Mafaldas feine Ohren merkten, daß Goulden ihr soeben einen Teil des Geheimnisses der Höhle unter dem Kraterkegel, deren Vorhandensein er so hartnäckig leugnete, verraten hatte.

Die Fürstin erinnerte sich nur zu gut des dämonischen Lachens, das in jenem Augenblick aus der Tiefe des Kraterloches emporgeklungen war, als sie und Gaupenberg an der schrägen Wand ins Gleiten kamen und in die Finsternis hinabsausten.

Sie hatte erst recht nicht vergessen, daß Doktor Percy Goulden dieses Kraterloch heimlich in aller Eile hatte zuschütten lassen …

Fester denn je war sie nun überzeugt, daß Goulden dort in der Höhle eine ganze Menagerie unterhielt …

Doch – wozu dann wohl dieses Ableugnen, diese Heimlichkeiten?! – Eine Menagerie besonderer Art mußte es sein …! Oder – ob Goulden dort etwa … Menschen eingesperrt hatte?! Menschen, die er zu irgendwelchen Experimenten benutzte, die … den Verstand verloren hatten über diesem grauenvollen Schicksal, einem Forscher als Versuchskaninchen zu dienen …!

Mafalda ahnte nicht, wie nahe ihr reger Geist bereits der Wahrheit auf der Spur …!

Und wollte nun durch andere Mittel diese Wahrheit ergründen …

Durch ihre Sirenenkünste … Durch die Schönheit ihres Antlitzes, durch die Glutblicke ihrer Augen und durch die Reize ihres vollerblühten Leibes … –

Nebeneinander ritten sie dahin über die Hochebene …

Durch die Maultierherden …

An den Leichen der beiden Hirten vorüber …

Und Mafalda ließ die feinen Künste der Verführung spielen.

Blieb stets große Dame bei alledem …

Sprach von ihrer Liebe zu Gaupenberg, ihrem Verlobten, der leider ein Mann von allzu nüchtern kühlem Verstande sei …

Deutete an, daß der Graf wohl kaum geeignet sei, eine Frau von ihrem Temperament, ihrer geistigen Regsamkeit völlig zu verstehen …

Blieb … immer große Dame …

Und erreichte doch, daß Percy Goulden, dem ein Weib wie diese Fürstin noch nie begegnet war, allmählich Feuer fing, daß heimliche Wünsche und Hoffnungen in seinem Herzen aufkeimten und seine Sinne sich meldeten … –

Das Spiel, das Mafalda hier trieb, war meisterhaft in seiner Art.

Sie wußte, daß sie sich zunächst keine Blöße geben dürfe. Zu leicht hätte Goulden sonst ihre Dirnennatur durchschaut.

Als die beiden dann gegen ein Uhr mittags vor dem Steinbau des Observatoriums anlangten, als Jack ihnen die Pferde abnahm und nach dem Stalle brachte, als sie nun auf der Terrasse unter dem schattenden Leinwanddach in den bequemen Korbsesseln saßen und vor ihnen die sonnenbeschienene Gebirgslandschaft alle ihre zauberhafte Schönheit offenbarte, – als die alte Negerköchin Nanna ein paar Erfrischungen gebracht hatte und die Fürstin jetzt graziös eine Zigarette rauchte, verschlang Goulden mit begehrlichen Blicken die wundervolle Gestalt dieses berückenden Weibes …

Atmete immer hastiger …

Trank immer hastiger den eisgekühlten Sekt …

Sprang mit einem Male auf …

Trat hinter Mafaldas Sessel …

Beugte sich hinab zu der gefährlichen Zauberin …

Und sie bog den Kopf zurück …

Ihr voller Mund öffnete sich halb …

Und Goulden, völlig berauscht, sinnlos fast vor Gier nach dem Weibe, das seine Sinne aufgepeitscht hatte, – – Percy Goulden umschlang die Fürstin, stammelte mit bebenden Lippen …

„Ich liebe sie … Ich liebe sie …! Noch nie habe ich …“

Ein Lächeln – ein seltsames Lächeln ließ ihn verstummen …

„Sie wollen mich lieben, Percy?“ flüsterte die Verführerin. „Darf ich Ihnen denn glauben?! Haben Sie mich nicht heute schon mehrfach getäuscht …?! Haben Sie mir nicht einreden wollen, daß es keine Höhle unter dem Krater gebe …?! Haben Sie nicht den Krater zuschütten lassen …! – Die Wahrheit, Percy …! Zwischen uns soll keine Lüge stehen! Welcher Art sind die Geschöpfe, die Sie dort unten verborgen halten …?“

Goulden löste seine Arme von ihrem Nacken, richtete sich auf …

Sein Gesicht war finster und verschlossen geworden.

Eisig kühl verbeugte er sich leicht …

„Sie irren, Fürstin … Ich bin kein Lügner … Ich …“

Und da – da war’s, daß die alte Negerin auf die Terrasse gestürmt kam …

In den Augen wahnsinnige Angst …

Kreischend …

„Mister Goulden, – – sie sind frei!! Sie sind frei!! Sie verfolgen zwei Männer … Dort … dort! Und allen voran ist Herkules …“

Aschfahl wurde Goulden …

Stierte die zitternde Negerin an …

Und die machte schon kehrt – heulte:

„Ich schließe mich im Keller ein … im Keller!“

Goulden war jetzt mit einem Sprung an der westlichen Terrassenbrüstung …

Ein Blick …

Er sah das Furchtbare

Sah die Rotte seiner Geschöpfe … Sah die Fliehenden …

Sprang zum Tisch zurück …

Ein Griff nach Mafaldas Revolver …

Zurück zur Brüstung …

Ein Schuß – – im letzten Moment …

Herkules brach zusammen …

Gerade Herkules, auf den Doktor Goulden stets so stolz gewesen, auf dieses Prachtexemplar von Affenmenschen …! –

Pasqual Oretto drehte sich um …

Und machte kehrt … Eilte zu Knorz hin … Hob ihn empor …

Und dann erblickten beide gleichzeitig dort oben hinter der Brüstung Mafalda …

„Satan von Weib!“ brüllte der treue Gottlieb in einer Wut, die jede Gefahr vergaß … „Satan, wo hast du meinen Herrn gelassen …? Bestie in Menschengestalt, wo ist Agnes?“

Und seine Hand fuhr in die Tasche …

Nach dem Revolver …

Er kannte sich nicht mehr … Daß Mafalda gerade jetzt ihm hier zu Gesicht kam, wo er soeben ihretwegen von dem Affenmenschen beinahe zu Brei zerschmettert worden wäre, – das raubte ihm jeden Rest von Überlegung.

Und oben flüsterte Mafalda Goulden zu:

„Es sind die Begleiter des Mädchens … Die Mörder der Maultierhirten …“

Goulden achtete nicht darauf …

Sein Blick hing an der Rotte seiner Geschöpfe …

Dort standen sie – siebzehn behaarte Gestalten …

Standen und wagten sich nicht näher, da der Knall des Schusses und die Reglosigkeit ihres Führers sie in Angst versetzt hatten …

Standen und schnatterten …

Bis von den Ställen her plötzlich Jack auftauchte …

In jeder Hand eine moderne Repetierpistole …

Laufend … die Arme schwenkend … drohend …

Und noch verharrten die siebzehn am selben Fleck …

Heulten – stießen gellende Schreie aus …

Liefen hin und her, immer mehr in Wut geratend beim Anblick eines ihrer Bändiger …

Dicht vor ihnen machte der athletische Neger halt …

Drohte, rief:

„Zurück mit euch – zurück in die Käfige …! Sultan, wirst du wohl gehorchen …!“

Das galt einem der ausgewachsenen Männchen, das kaum weniger hoch und breitschultrig als der erschossene Herkules war …

Sultan jedoch bückte sich …

Hatte nun einen Stein in den muskelstrotzenden Händen …

Ein grausiges Geheul erklang …

Ein Schuß …

Sultan taumelte …

Aber über ihn hinweg stürmten schon die anderen …

Packten den Neger …

Zerrten ihn zum Rande des Abgrundes …

Ein Körper flog durch die Luft …

Und drunten in der Tiefe zerschellte Jacks Körper auf hartem Gestein … –

Die Rotte der Affenmenschen wälzte sich nun kreischend auf das Haus zu …

Goulden zog Mafalda rasch ins Zimmer, warf die Tür zu, ließ die Rolljalousie herabsausen …

Eilte zu den Fenstern …

Tat dasselbe …

Eilte in den Nebenraum … Auch hier flogen die Rollvorhänge herab …

Mafalda, zunächst leicht erblasst, dann rasch das Richtige kombinierend, half ihm …

So wurde in wenigen Sekunden das Haus im Erdgeschoß verrammelt.

Das elektrische Licht brannte nun. Die festen Türen waren geschlossen.

„Nach oben nun!“ rief Goulden. „Vor den Bestien ist nichts sicher …! Selbst das Dach nicht …“

Die beiden liefen die Treppe empor …

Wieder von Fenster zu Fenster …

Mafalda zuerst ins Krankenzimmer, zu Gaupenberg.

Der war fieberfrei und bei klarer Besinnung. Er richtete sich bei Mafaldas Eintritt im Bette auf und sagte verächtlich:

„Verlassen Sie mich sofort! Wir haben nichts mehr miteinander zu schaffen. Ihre Handlungsweise mir gegenüber reiht sich würdig Ihren sonstigen Verbrechen an …! Hinaus …!!“

Seine Stimme schwoll an …

Mafalda drückte rasch die Tür zu …

„Undankbarer! Wer war’s, der dich vor dem rasenden Kabylen rettete?! Wer war’s, der dich deinen falschen Freunden entzog?!“ Sie stand dicht an seinem Lager … Und ein unendlich trauriges Lächeln begleitete ihre Worte – dieses Übermaß von Heuchelei …

„Viktor, siehst du denn noch immer nicht ein, daß ich die einzige bin, die es ehrlich mit dir meint! Bin ich nicht auch jetzt, wo dieses Haus von grimmigen Feinden umringt, von Geschöpfen, die menschliche Intelligenz mit der Urkraft der wilden Bestien in sich vereinen, hier zu dir geeilt, um dich zu schützen …?!“

Und – sie hatte Glück, die kühne Abenteurerin …

Hatte Glück, denn urplötzlich war vor dem offenen Fenster der grauenvolle Kopf eines der ausgewachsenen Affenmenschen erschienen …

Gaupenberg starrte jetzt wie gelähmt auf dieses widerwärtige, wilde, behaarte Gesicht …

Sah, daß Mafaldas, der es wahrlich nie an persönlichem Mut gefehlt hatte, mangels einer besseren Waffe die große gefüllte Wasserkanne ergriff und, im Sprung sich vorwärtsschnellend, das schwere Gefäß dem Untier auf den Schädel schmetterte …

Das Geschöpf verlor den Halt …

Fiel … hinab …

Und Mafalda riß den Haken des Riemens der Rolljalousie zur Seite …

Der Rolladen glitt nach unten …

Dunkel war’s im Zimmer …

Das benutzte Mafalda …

Warf sich halb über den Geliebten, an dem ihr verderbtes Herz mit so unendlicher Zähigkeit hing … Küßte ihn, ließ ihm nicht Ruhe mit stürmischen Zärtlichkeiten, erhitzte ihr Blut in stürmischem Verlangen nach der Liebe letzter Erfüllung, flüsterte und fand Worte, die den Grafen noch mehr betäubten …

Gaupenberg suchte das Weib, das er verachtete, zurückzudrängen …

Und konnte doch nicht vergessen, daß ohne ihr Eingreifen das Untier ihn überfallen hätte …

Bis – – es klopfte …

Bis Mafalda sich rasch erhob …

Licht einschaltete … Goulden die Tür öffnete und überhastet berichtete, daß eins der Untiere hier hatte eindringen wollen … –

Goulden, selbst noch halb von Sinnen infolge des Ausbruchs seiner erst halb gezähmten Geschöpfe, führte Mafaldas Erregung auf diesen Angriff der Affenmenschen zurück …

Wußte nicht, daß die Lippen dieser verführerischen Circe soeben in heißer Inbrunst auf anderen geruht …

Zögerte noch, und sah doch ein, daß er nun notwendig die Wahrheit gestehen müsse …

„Kommen Sie, Fürstin …“ sagte er leise. „Unser Patient wird den Schreck hoffentlich schnell überwinden. Er braucht Ruhe …“

Mafalda beugte sich rasch nochmals über Gaupenberg …

„Viktor, du bist hier jetzt sicher … Fürchte nichts … Ich bleibe in der Nähe …“

Und küßte ihn …

Triumphierte … Denn – er duldete die Liebkosung, stieß sie nicht zurück … –

Im Flur blieb sie stehen …

Vor der Tür des Krankenzimmers, gerade neben einer der elektrischen Wandlampen …

Und blickte Goulden durchdringend an …

„Was für Wesen sind das, die Ihr Diener mit Namen rief?“ fragte sie drohend. „Mister Goulden – lügen Sie nicht länger. Es sind die Insassen der Höhle!“

Percy Goulden nickte …

„Es ist so, Fürstin … – Ich bin Ihnen einige kurze Erklärungen schuldig …“

„Zunächst beantworten Sie meine Frage. Handelt es sich um Affen oder um einen noch unbekannten Menschenschlag?“

„Es sind … Affenmenschen, Fürstin …“

„Was bedeutet das?“

„Sie wissen, daß ich auch Arzt hin, Fürstin … Seit jeher war es mein Wunsch nachzuweisen, daß wir Menschen mit den sogenannten Menschenaffen, den Gorilla, Orang Utan und den Schimpansen, ganz nahe verwandt sind. – Der beste Beweis naher Verwandtschaft im Reiche der Säugetiere ist die Möglichkeit der Paarung, der Fortpflanzung. Eine Paarung von Kuh und Pferd zu Beispiel ist ausgeschlossen. Sie ergibt keine Fortpflanzung. Ebenso wenig eine solche zwischen Hund und Ziege, um ein ganz krasses Beispiel zu wählen. Dagegen hat eine Paarung zwischen Hund und Schakal, auch Hund und Fuchs, Erfolg. Es zeigt sich also, daß stets nur zwischen Säugetieren derselben Gattung eine Fortpflanzung stattfinden kann …“

Mafalda wich unwillkürlich zurück …

Selbst sie erschreckte der ungeheuerliche Gedanke, daß Goulden etwa seine beiden Neger mit Affen gepaart haben könnte …

Goulden blickte zu Boden, sprach schneller…

„Sie ahnen wohl bereits das Richtige, Fürstin …“

„Wie – sollte es Wahrheit sein?! Etwa ihre schwarzen Diener und …“

„… weibliche Gorillas – – ja, es ist so! – Nur deshalb baute ich auf eigene Kosten dieses Observatorium und flüchtete hier in die Wildnis … – Ich bin ein Forscher, – nichts weiter! Ich habe den Beweis erbracht, daß all die Gerüchte, Gorillas hätten Negermädchen verschleppt und mit ihnen Kinder gezeugt, keine bloßen Phantastereien sind. – Ich ließ mir weibliche Gorillas hierher schaffen, sechs prächtige Tiere … Und die Schar von Affenmenschen, die nun dieses Haus belagern, sind … meine Geschöpfe, sind das Bindeglied zwischen Affe und Mensch – Affenmenschen!“

Mafalda lehnte an der Wand des Flures …

Strich mit der Hand über die Stirn …

Murmelte:

„Entsetzlich ist als …! Wie ein grauenvoller Traum …!“

„Oh – weshalb grauenvoll, Fürstin?!“ verteidigte Goulden sich eifrig. „Wissenschaftliche Versuche sind’s, weit weniger schlimm als die Vivisektion …! Bedenken Sie, ich schade niemandem dadurch, bereite niemandem Qualen! Ich hege und pflege meine Affenmenschen. Manche habe ich bereits soweit, daß sie einige Worte Englisch sprechen, denn sie sind intelligent, wenn auch wild und voller Launen …“

Mafalda wich vor Goulden noch weiter zurück …

Erneutes, verstärktes Grauen beschlich sie …

„Entsetzlich trotz allem!“ sagte sie leise. „Wenn ich mir überlege, daß Sie eine Anzahl Geschöpfe in die Welt brachten, die weder Mensch noch Tier sind …! Fürchterlich –!!“

Er lächelte jetzt …

„Und wenn meine Kollegen lebenden Kaninchen den Leib aufschneiden und versuchen, wie lange das Herz bei geöffnetem Brustkorb noch arbeitet, – ist das etwas weniger entsetzlich!“

Da – von draußen her ein wildes Geschrei …

Ein Schuß … noch einer …

„Ah – John muß es sein!“ rief Goulden. „John im Kampf mit den Ausbrechern!“

Und er stürmte die Treppe hinab …

 

65. Kapitel.

Die Frau im Möwenkleide.

„Der Goldschatz ist’s, der uns, die wir um ihn kämpfen, umhertreibt auf einem tollen Ozean unerhörten Erlebens …“

So hatte Steuermann Hartwich zu Fator, dem Geheimnisvollen, gesprochen …

Und der Südwind, der über die weltferne Insel Christophoro hinwegstrich, hatte die Begleitmusik zu diesen tiefernsten Worten gespielt …! –

Kämpfer um das Azorengold, um das verderbliche edle Metall, das nun in seinen verwitterten Holzkisten in der Höhle von Christophoro geborgen war, bewacht von zwei Männern, die durch die Hinterlist zweier anderer nun in dieser selben Höhle eingeschlossen waren – Gefangene jenes Edgar Lomatz und jenes Alfonso Jimminez, deren von Dornen zerfetzte Leiber und Gesichter verrieten, was sie hier auf dem Eiland an nur zu wohlverdienten Qualen durchgemacht hatten …

Das waren vier der Kämpfer um den Schatz …

Und weitere elf, Kabylen von wilder Tapferkeit, hatten zusammen mit ihrem Anführer Abd el Sarfa ihr flinkes Schiff an den Klippen von Christophoro scheitern sehen, befanden sich nun als Gerettete auf der nördlichen der drei Robigas-Inseln und erwarteten sehnsüchtig die ihnen von ihren Rettern verheißene Befreiung, ahnten nicht, daß diese beiden Männer jetzt selbst inmitten der nackten Steinwände einer Höhle eingeschlossen waren, daß die Sphinx, das Wunderschiff Gaupenbergs, wieder in die Hände zweier Verbrecher geraten war.

Und diese Verbrecher, Männer von unerhörter Verderbtheit, von tierischen Lüsten und brutaler Rachgier gegen die, denen sie nun ein steinernes Grab zusammen mit dem Goldschatz bereitet hatten, erklommen soeben an der Außenleiter das Deck der Sphinx und stiegen dann in den unter dem niederen Mittelturm liegenden Führerstand hinab …

Hier schaute Lomatz sich hohnlachend um …

„Das Glück ist eine feile Dirne, Freund Jimminez …! Wir sind wieder Herren der Sphinx, sind Herren des Goldschatzes, und – diesmal endgültig …! Den einen Ausgang der Höhle haben die beiden Narren, der Steuermann und dieser unverwundbare Fator, gesprengt und in einen Haufen von Felsblöcken verwandelt … Den anderen haben wir verrammelt, und zwar so verrammelt, daß keine Maus aus der steinernen Gruft herauskäme! – Und – – nun, Amigo Jimminez? Was nun?!“

Der riesenhafte Geheimagent der Republik Patalonia antwortete nicht sofort, sondern überlegte, strich wie spielend über die blinkenden Schalthebel hin und meinte schließlich:

„Gewiß, Brüderchen Lomatz, – wohl sind Schatz und Sphinx unser! Aber vergiß nicht, daß noch außer uns so und so viele Menschen leben, die genau wissen, daß das Azorengold sich hier auf der Insel Christophoro befindet. Denke an Gaupenberg, an Gottlieb Knorz, an Agnes Sanden, an den Taucher Pasqual Oretto und besonders an – – Mafalda, die Fürstin …! Sie ist die gefährlichste von allen! Denke endlich auch an diese verwünschten Kabylen, deren Schoner vor zwei Stunden hier in Stücke ging und deren Tod uns eine böse Meute vom Halse geschafft hätte …! Dem Namen nach sind sie wohl unsere Verbündeten. Doch – unbequem bleiben sie immer, und …“

Lomatz lachte schrill …

Beendete nun den Satz, den der Geheimagent schweigend und vielsagend nur in seinem eigenen Hirn vollendet hatte …

„… und – müssen daher gleichfalls verschwinden …!“ – Wie ein mordgieriges Fauchen waren die Worte …

Fügte hinzu, indem er die Augen halb zusammenkniff und des gelbbraunen Pataloniers kühnes Banditengesicht von der Seite musterte:

„Spielen wir nicht Versteck voreinander, Alfonso …! Deine Gedanken sind meine Gedanken …! Sterben sollen sie alle, die wir als unsere Konkurrenten, als Mitwisser betrachten müssen, – – alle!“

Da wandte der Mischling den Kopf …

Die Augen der beiden Verbrecher begegneten sich …

„Sterben!“ nickte Jimminez kurz. „Wir sind einig, Freund Lomatz! Erst wenn sie alle, die wir unsere Gegner nennen können, irgendwo … unschädlich gemacht sind und modern, werden wir das Gold in Ruhe für uns verwenden können! – Gegner sind’s! Ein Krieg ist dieser Kampf. Und wie man im Kriege den Feind nicht schont, so … dürfen wir’s auch in diesem Falle nicht! Ans Werk also …! Ich bin überzeugt, daß Hartwig und dieser unheimliche Fator die Kabylen auf die nördlichere der Robigas-Inseln gebracht haben … Zuerst also – – die Kabylen! Sie sind ohne Waffen, sind Schiffbrüchige … Und … das Maschinengewehr der Sphinx wird ganze Arbeit tun …! – Vorwärts!“ –

Die Sphinx stieg langsam aus ihrem weichen Bett von feinem Sande unter der kundigen Führung des deutschen Verräters Lomatz in die windgepeitschte, sonnendurchglühte Luft empor …

Ihrer beiden Propeller drehten sich mit pfeifendem Sausen, und nordwärts schoß das Luftboot der kaum fünf Meilen entfernten anderen Insel zu.

Während Lomatz im Führerstand vor dem großen Spiegel des Sehrohres das Meer und die noch ferne Insel beobachtete, hatte Jimminez in einer Kammer des Vorschiffes das Maschinengewehr gefunden und brachte es nun nach oben an Deck, holte noch einen Ladestreifen und legte sich dann neben den Kugelspeier flach auf die Deckplanken hinter die etwa ein Meter hohe Reling …

In seinem von Muskelwulsten durchfurchten Antlitz spiegelte sich nichts von dem wieder, was in seiner Seele vorging.

Daß er nun in kurzem eine Anzahl wehrloser, tapferer Männer schändlich niederknallen würde, das focht ihn, den früheren Piratenkapitän, nicht an … Er hatte während des Weltkrieges manch eine Schiffsbesatzung kaltherzig in die Tiefe geschickt, stets an das erbarmungslose Wort denkend: Tote reden nicht!

Nein – ein Blutbad war ihm etwas zu Alltägliches, um davon viel Aufhebens zu machen.

Anderes ging ihm durch den Sinn …

Er traute Edgar Lomatz nicht …

Schon einmal hatte dieser sich treulos bewiesen – damals auf dem Schlosse des Grafen Gaupenberg …

Und – würde dieser Elende nicht jetzt vielleicht auch schon wieder heimlich Ränke spinnen, um den Gefährten, den einzigen Anteilhaber an den Goldmilliarden, ebenfalls zu … beseitigen, wenn nur erst die anderen alle … verstummt waren für immer!

Wäre es nicht das beste, Lomatz zuvorzukommen und … ihn jetzt schon verschwinden zu lassen?

Doch nein …! Das war ja leider nicht möglich! Das mußte hinausgeschoben werden, denn er, Alfonso Jimminez, besaß nicht die nötigen technischen Kenntnisse, um ein so kompliziertes Schiff wie die Sphinx lenken zu können.

‚Also – – eine Gnadenfrist!’ dachte Jimminez und preßte die dicken Negerlippen, die seine Herkunft so klar andeuteten, ganz fest zusammen …

Überlegte weiter … Sagte sich mit Recht, daß Lomatz erst dann ihn selbst irgendwie beiseite zu schaffen versuchen würde, wenn die anderen Gegner … ausgeschaltet waren. Vorläufig brauchte er Lomatz also nicht zu fürchten. Die Gefahr begann erst später … Denn genau wie er diesen heimtückischen Genossen jetzt noch als Verbündeten nötig hatte, ebenso konnte Lomatz einen Gefährten und Helfershelfer nicht entbehren … –

Weiter und weiter schoß die Sphinx gen Norden …

Längst war das andere Eiland in Sicht, eine öde, felsige Inseln mit armseligem Baumwuchs, ähnlich wie Christophoro, die südlichere Insel …

Und auf diesem Eiland hockten zur selben Zeit in einer kleinen, schattigen und kühlen Schlucht neben den drei Proviantkisten, die Fator den Schiffbrüchigen gespendet hatte, zehn Kabylen, kühne braune Afrikaner mit stolzen, offenen Gesichtern …

Ihr Anführer aber, jener Abd el Sarfa, der die wilde Tapferkeit des Riffkabylen mit der kühlen Schlauheit des gewiegten europäischen Diplomaten in sich vereinte, hatte derweil einen Rundgang über die Insel gemacht und war dabei auch bis zu der Nordspitze des Eilandes, einer schmalen, brandungumtobten Halbinsel gelangt, hatte hier plötzlich mit scharfem Blick inmitten der zackigen Felsen ein seltsames Bauwerk bemerkt – eine kleine Steinhütte, die so wenig von der Umgebung sich abhob, daß nur der geübte Blick des Sohnes der marokkanischen Berge dieses einsame menschliche Heim als das erkannte, was es auch in Wirklichkeit war …

Und sofort dachte Abd el Sarfa da an die vielfachen eigenartigen Fährten, die ihm auf sandigen Stellen hier bereits aufgefallen waren …

Fährten freilich, die mehr denen eines Tieres als denen eines menschlichen Wesens in ihren Abmessungen glichen … –

Abd el Sarfa schlich näher …

Hob einen länglichen, keulenartigen Stein auf – als Waffe – für alle Fälle …

Sah nun auch, daß vor der Hütte Fischgräten, Knochen von Seevögeln und anderes verstreut lagen, was abermals auf Bewohntsein dieser Felsenbehausung hinwies.

Der schlanke, so hochmütig und stolz dreinblickende Marokkaner, dem der Aufenthalt in den Hauptstädten Europas nur eine tiefe Verachtung der lügnerischen Überkultur der sogenannten zivilisierten Staaten ins Herz gepflanzt hatte, war doch nicht ganz frei von Aberglauben.

Ihm erschien es sehr unwahrscheinlich, daß hier auf diesem Eiland in dem einen Maulwurfshaufen gleichenden Bau mit den beiden kleinen Fensteröffnungen und dem durch eine Steinplatte verschlossenen Türloch ein gewöhnliches Wesen in Einsamkeit und Entbehrungen seine Tage hinbringen sollte.

Er als Kabyle, als Mohammedaner und Nachkomme jener germanischen Wandervölker, die einst sogar Nordafrika mit der Klinge ihrer erbarmungslosen Schwerter sich untertan gemacht hatten, – er, dem das Mischblut nordischer Ahnen und tropischer wilder Bergbewohner in den Adern rollte, glaubte die Hochebenen und Gebirgszüge seiner Heimat von Geistern und unheimlichen Wesen belebt, die sich jedoch nur wenigen Auserwählten zeigten.

In seiner Vorstellung war noch die Erinnerung rege an allerlei Fabelwesen, von denen er in den Büchern der Europäer gelesen: von Seejungfrauen mit Fischschwänzen anstelle der Beine, von Nixen und Meeresgöttern, die die moderne Zeit aus heidnischer Glaubenslehre als Märchen übernommen hatte …

Er zögerte plötzlich …

Es war nicht Angst, was seine Schritte lähmte …

Nein, es war wie ein dunkles Ahnen in seiner Seele, daß er hier vor einem Erlebnis besonderer Art stände …

Vor einem Erlebnis, welches in sein Dasein hineingreifen würde mit unerbittlicher Hand …

Bei einer Schicksalswende … –

Er stand regungslos da … In dem stolzen offenen dunklen Gesicht war jetzt ein sinnender Ausdruck …

Dann … murmelte er ein einzelnes Wort in der Sprache seines Volkes …

Dschabuga – Fatum –!!

Fatum …!! – Das Unabwendbare, die Lebensbahn, die jedem Anhänger des Islam vorgezeichnet …

Und dachte, wie aus einem Traum erwachend: ‚Was dir bestimmt, dem entgehst du nicht, Abd el Sarfa …!’

Dachte – und war mit drei Schritten dicht vor der Steinplatte, vor der Tür …

Und – trat rasch wieder zurück, da diese Platte mit einem Male jäh zur Seite rollte …

Gebückt trat aus der armseligen Felsenbehausung … ein Weib heraus …

Nur bekleidet mit einem seltsamen losen Gewand, das um die Hüften durch einen Baststrick zusammengehalten wurde und die halbe Brust, Nacken, Hals und zierliche Füße freiließ …

Ein Gewand aus Vogelflügeln, aus den Schwingen der zahllosen Möwen, die hier auf der Insel ihre Brutplätze hatten.

Weiß und leicht schillernd hing der eigenartige Mantel um die schlanken Glieder dieser rotblonden Europäerin, die … vor dem Gesicht eine Maske aus gelblichem Rindenbast – mit Löchern für die Augen darin, mit einer scharfen Wölbung für die Nase.

Bis zu dem kirschroten üppigen Munde reichte die Maske.

Und diese Lippen waren halb geöffnet, und zwischen ihnen leuchteten prachtvolle weiße regelmäßige Zähne.

Hals, Nacken, Brust, ebenso die Kinnpartie zeigten den leichten bräunlichen Schimmer des dauernden Aufenthaltes im Salzhauch des Meeres.

So stand diese rotblonde Frau in all ihrer ebenmäßigen Schlankheit und weichen Fülle vor dem überraschten Kabylenführer.

Stand zwanglos, anmutig und doch auch unnennbar stolz – die Linke leicht in die Hüfte gestützt, die Rechte herabhängend … Und in der rechten Hand blinkte matt eine Waffe mit langem Lauf, ein amerikanischer Coltrevolver. –

Abd el Sarfa, der in seinem europäischen hellen Tropenanzug den Kabylen lediglich durch den weißen, um die Schultern gelegten Burnus verriet, verbeugte sich … etwas unsicher …

Fragte ebenso zaghaft in fließendem Spanisch, der Sprache seiner Todfeinde:

„Sennora, wer seid ihr? Wie kommt ihr hierher auf diese öde Insel?“

Sie musterte ihn kühl … Hinter den Löchern der Rindenmaske glühten dunkle lebendige Augen

„Ich betrachte mich als die Herrin dieser Insel,“ erwiderte sie dann. „Ich … bin Herrin der Insel Mala Gura …! – Was treibt ihr hier, Sennor?“

Der Kabyle, aufgewachsen in den Anschauungen seines Volkes, das dem Weibe nur Pflichten aufbürdet, entgegnete zurückhaltend:

„Wir sind Schiffbrüchige. Unser Schoner strandete. Gewährt uns Gastfreundschaft …“

„Wie viele seid ihr?“

„Elf, Sennora …“

„Seit Jahren ist hier kaum in Sichtnähe ein Schiff vorübergekommen. Die drei Robigas-Inseln liegen außerhalb jeder Verkehrsroute. Ich glaube euch nicht. Was treibt ihr hier?“

Abd el Sarfas Blicke flammten auf …

„Ein freier Kabyle ist kein Lügner, Sennora …! Wäret ihr ein Mann, würdet ihr diesen Vorwurf mit eurem Blute sühnen müssen …“

Ein Lächeln glitt um die vollen Lippen der Maskierten …

„Verzeiht,“ sagte sie in ganz anderem Tone. „Ich hielt euch für einen Südamerikaner, einen Mischling … – Ich habe viel von euch Kabylen gehört und bewundere euch. Ihr kämpft um eure Freiheit, ihr wollt die Oberherrschaft der Spanier nicht anerkennen. Ein jedes Volk, das noch in der Seele so viel Mannestum bewahrt hat, den Nacken nicht freiwillig unter ein verhaßtes Joch zu beugen, ist ein Edelvolk … – Euer Name, Sennor?“

„Abd el Sarfa …“

Sie nickte, wiederholte leise …

„Ab – – el – – Sarfa …! Das erinnert an den berühmten Abd el Kader, den Freiheitshelden …! – Führt mich zu euren Gefährten, Abd el Sarfa … Und erzählt mir indessen von euren Schicksalen … Seid ihr hier an den Gestaden von Mala Gura gestrandet?“

„Nein, Sennora …“

Sie schritten nebeneinander den felsigen Hügeln zu …

„Nein – im Süden an den Klippen der anderen Insel ging unser Schiff verloren … Zwei Europäer retteten uns. Wir hingen, dem sicheren Tode preisgegeben, im Tauwerk des Schoners. Da holten die beiden Männer uns mit einem fliegenden Boot aus der wütenden Brandung heraus und brachten uns hierher.“

Die Maskierte blieb stehen.

„Ein … fliegendes Boot, Abd el Sarfa? – Wohl ein Flugzeug?“

„Nein, Sennora … Ein großes Boot aus Aluminium … Es heißt Sphinx und gehört einem Deutschen …“

Von dem Goldschatz schwieg er. Er war dankbar. Er hatte Fator und dem Steuermann gelobt, fernerhin ihr Freund zu sein. Er schwieg ihretwegen.

Die Frau schüttelte langsam, ungläubig den Kopf, meinte dann:

„Also wirklich ein Luftboot …! Und aus Metall, sagtet ihr?“

„Aluminium, Sennora … Ich weiß es genau. Es gibt Leute, die es dem Besitzer und seinen Verbündeten rauben wollen, Männer, die aus schnödem Eigennutz den Grafen Gaupenberg verfolgen …“

Die Maskierte setzte den Weg fort, sprach dabei mehr zu sich selbst:

„Die Technik scheint in den letzten Jahren auf dem Gebiete des Flugwesens recht bedeutend vorwärtsgekommen zu sein …“ Und lauter: „Wo befindet sich das Luftboot jetzt?“

„Auf der südlicheren Insel wahrscheinlich …“

„Und – was tut es dort, Abd el Sarfa?“

„Ich weiß es nicht, Sennora …“ – Das war eine ausreichende Antwort … Den Kabylen war ja nur zu gut bekannt, daß die Sphinx das am Kap Retorta der Azoreninsel San Miguel gesunkene U-Boot mit der Goldladung nach dem Südeiland geschleppt hatte, daß also der Goldschatz der Azoren jetzt dort auf den von haushoher Brandung umtobten Inselchen lagerte …

Die beiden hatten die Schlucht erreicht …

Die enge, schattige Schlucht, in der Abd el Sarfas Gefährten neben den drei Proviantkisten in ruhiger Gelassenheit hockten und leise ihre Ansichten über die beiden Retter, die ihnen baldige Wiederkehr versprochen hatten, austauschten …

Die zehn Marokkaner erhoben sich …

Ihre schwarzen Augen hingen wie gebannt an der seltsamen Erscheinung der schlanken Frau …

Und gerade da geschah’s, daß die Sphinx mit abgestellten Propellern lautlos in niederem Gleitflug über die Felsenhügel hinwegstrich …

Gerade da hatte Alfonso Jimminez bereits den verderblichen Kugelspeier auf die wehrlosen tapferen Männer Nordafrikas gerichtet …

Aber – vergaß nun selbst vor Staunen den Abzugshebel des Maschinengewehrs zurückzudrücken …

Stierte nur immer auf den rotblonden, unbedeckten Kopf der flügelumhüllten schlanken Frau …

Murmelte selbstvergessen etwas vor sich hin …

Und – dann war die Sphinx bereits über die Schlucht hinaus, beschrieb einen Bogen …

In der Luke des flachen Mittelraumes erschien Edgar Lomatz …

Fluchte …

„Verdammt, Alfonso, weshalb knalltest du die Burschen nicht zusammen? Weshalb nicht?! Hast du geschlafen?!“

Wütend war er … Begriff nicht, daß Jimminez ihm jetzt mit eigenartig verstörtem Gesicht zuwinkte und aufsprang …

„Amigo,“ sagte der Geheimagent bedächtig, „da hat sich plötzlich so einiges geändert … – Wir können die Kabylen jetzt nicht auslöschen … Wir werden landen und …“

Lomatz brauste auf …

„Bist du verrückt, Alfonso?! Landen?! Damit die Kerle die Sphinx …“

„Stopp, Amigo …! Stopp! Alfonso Jimminez redeten nie ins Blaue hinein! – Die Kabylen werden wir uns schon vom Leibe halten …! Sahst du nicht durch das Sehrohr, daß da in der Schlucht auch ein Weib sich befand?“

„Ich schaute nicht genauer hin …“

„Nun – dieses Weib muß ich sprechen – unbedingt! – Also vorwärts – landen wir! Und damit die braunen Kerle uns nicht etwa allzu leicht über den Hals kommen, laß die Sphinx dort auf der flachen Kuppe jenes einzelnen Felsens niedergehen. Der ist gut sechs Meter hoch und so steil, daß ohne Leitern keine Seele nach oben gelangt! – Los denn, Amigo …!!“

Lomatz zögerte …

„Wer ist das Weib, Alfonso?“ fragte er gespannt …

„Das … geht dich nichts an! Tu’, was ich wünsche …!!“ Und des Geheimagenten starre Augen befahlen und drohten jetzt …

Edgar Lomatz stieg die Treppe wieder hinab …

Fluchte leise …

„Der Narr … der Narr …!! Die Gier nach Weibern sitzt ihm nun mal im Blute! Die Mafalda hat er umgirrt wie ein liebestoller Täuberich, und – – sie hat ihn genarrt …! Nun wieder ein Frauenzimmer …!! Die Pest über alle Unterröcke …!!“

Dann schaute er auf den Spiegel des Sehrohres, änderte die Fahrtrichtung der Sphinx …

Und schon drei Minuten später legte sich das glorreiche Luftboot leicht und graziös auf die Kuppe des mächtigen Felsblockes …

War kaum gelandet, als auch schon aus dem Gestrüpp Abd el Sarfa und die schlanke stolze Rotblonde hervortraten.

Jimminez hatte derweil seinen Verbündeten allerlei Verhaltungsmaßregeln gegeben …

Schwang sich nun an einem an der Reling der Sphinx befestigten Tau zur Erde hinab.

Stand hier den beiden gegenüber …

Die Maskierte zuckte leicht zusammen …

Trat rasch einen Schritt vor …

Flüsterte dem riesigen Geheimagenten, dessen Glieder wie von plötzlicher Lähmung befallen schienen, nur ein einziges Wort zu …

Ein einziges …

Die Wirkung war verblüffend …

Jimminez riß die Sportmütze vom Kopf, verneigte sich tief …

Die Frau winkte dann, ging ein paar Meter seitwärts.

Der Agent folgte …

Und mit einer Unterwürfigkeit, die bei einem Manne wie ihm doppelt Wunder nahm, fragte er ehrerbietig:

„Exzellenza befehlen?“

Und er benutzte jenes verdorbene Spanisch, das in seinem Vaterlande, der Mulattenrepublik Patalonier, sich mit der Zeit zu Umgangssprache herausgebildet hatte …

„Ich befehle, daß Sie die Kabylen mit an Bord nehmen – an Bord des Luftbootes, Alfonso Jimminez, daß Sie doch fraglos … gestohlen haben! Auch ich werde an Bord kommen … Und dann – werden Sie mir wahrheitsgemäß angeben, was es mit dieser Sphinx auf sich hat …!“

Jimminez war wie verwandelt …

Wieder verbeugte er sich … Die Mütze hielt er noch in der Hand …

Oben aber hinter der Reling der Sphinx kauerte Edgar Lomatz und beobachtete diese Szene mit steigendem Grimm …

Ahnte, daß hier eine neue Unbekannte in den Kampf um die Goldmilliarden eingegriffen hatte …

Eine Macht, vor der selbst der brutale Alfonso wie ein Lämmchen kapitulierte …

Und – faßte da im Moment den Entschluß, den Gefährten und dieses seltsame rotblonde Weib abzuschütteln – für immer …

Kroch rasch zur Seite, wo das Maschinengewehr stand …

Bleich vor Erregung, fiebernd vor dem eigenen blutigen Plane, griff er nach dem Hebel …

Der Lauf des Kugelspeiers schwenkte herum …

Und – – von unten Abd el Sarfas volle, tönende Stimme:

„Sennora – – Vorsicht – – Vorsicht …!! Gefahr …!!“

Lomatz … drückte ab …

Das Knattern des Maschinengewehrs mischte sich in das Brausen der Brandung, die Schreie der schwebenden Seevögel …

Aus dem Gestrüpp brachen die Kabylen hervor …

Gellendes Wutgeheul hallte über das bisher so friedliche Eiland hin …

Der Goldschatz, ein blutgieriger Drache, forderte neue Opfer …

 

66. Kapitel.

Die Macht der Stimme.

… Ein toller Ozean unerhörten Erlebens …!!

Ja – das war’s, – das sollten auch Pasqual Oretto und Gottlieb Knorz weiterhin erfahren … am eigenen Leibe …

Auch diese beiden Kämpfer um den Azorenschatz, diese beiden Alten, denen die Jahre bereits das Haar gebleicht hatten und in deren Adern das Blut doch noch so frisch und kraftvoll pulsierte …!

Ein Versehen war’s ihrerseits gewesen, durch das Doktor Percy Gouldens wilde unbändige Schar von Affenmenschen ihren Käfigen entfloh …

Percy Gouldens Geschöpfe, halb Mensch, halb Gorilla, lebendige Erfolge verwerflicher Züchtungsversuche …!

Wie eine Horde beharrter Waldteufel waren diese siebzehn riesigen Tiermenschen hinter den beiden Alten dreingestürmt – bis hin zur Terrasse des Observatoriums an den Westabhängen des Monte Rossa auf San Miguel, bis hin zu diesem hohen Steingebäudes, in dem Percy Goulden seit Jahren nur mit seinen drei Negern gehaust hatte …

Wie ein Wunder war’s gewesen, daß Gouldens Revolverkugel das stämmigste seiner Geschöpfe, das schon den zentnerschweren Stein gegen Gottlieb Knorz erhoben hatte, noch im letzten Moment von der Terrasse aus niederknallte …

Und diese Pause im Angriff der grimmigen Affenmenschen benutzte jetzt Pasqual Oretto, den Freund, der vor Erschöpfung umgesunken war, in die Arme zu nehmen und hinter eine nahe Felsgruppe zu flüchten.

Der jähe Tod ihres Anführers hatte die Horde vernunftbegabter, mit unheimlichen Körperkräften ausgestatteter zottiger Bestien für Minuten am selben Platze festgehalten …

Und des Negers Jack Erscheinen lenkte dann ihre Aufmerksamkeit völlig von den Flüchtlingen ab …

Jack flog in den Abgrund unweit der Terrasse … Jack, der schwarze Wärter, lag als formloses blutiges Bündel Kleider unten auf zackigem Steinboden …

Pasqual war, immer noch Freund Gottlieb in den Armen, der seinerseits den geliebten Teckel fest an die Brust preßte, im Laufschritt den Hohlweg weiter hinabgeeilt, der die einzige Verbindungsstraße des Observatoriums mit der meilenweit entfernten Besitzung des Maultierzüchters Sennor Rovenna darstellte …

Eine Straße, die keine Straße war …

Nur Wagenspuren verrieten, daß hier zuweilen ein Gefährt ins Tal hinabratterte, um von Sennor Rovenna dies und jenes abzuholen, was der Spanier für Goulden von der fernen Küstenstadt mitgebracht hatte … –

Pasqual lief bergab … ohne sich umzuschauen …

Unnennbares Grauen vor diesen Rätselgeschöpfen, deren Herkunft ihm noch immer unerklärlich war, erfüllte seine starke Seele …

Der Schweiß rann ihm in Strömen von der Stirn …

So hager Gottlieb Lorz auch war, so wenig der treue Diener des Grafen Gaupenberg auch wog, – mit der Zeit ward er selbst einem Pasqual Oretto zu schwer …

Keuchend, schnaufend machte der Taucher mit seiner Last nun halt …

Längst hatte er die Straße wieder verloren, befand sich inmitten einer steinigen Wildnis, deren romantische phantastische Eigenart jeden Naturfreund entzückt hätte.

Ein Tal war’s, wo Oretto nun Gottlieb Knorz auf das weiche dicke Moospolster am Fuße einer Rieseneiche gleiten ließ …

„Ich bin am Rande meiner Kräfte, Gottlieb,“ sagte er dumpf und blickte mit zaghaften Augen zurück.

Lorz hatte sich inzwischen wieder erholt. Sein mageres, scharf geschnittenes Wilderergesicht mit der kühn geschwungenen Nase und den hellen und scharfen Augen zeigte wieder eine gesunde Farbe …

„Ich danke euch, Pasqual,“ meinte er gerührt und streichelte den Hund, der noch immer leise winselte.

Auch dem halbblinden Teckel Kognak saß noch das Entsetzen vor der heulenden kreischenden Verfolgerschar in allen Gliedern. Er winselte weiter, schmiegte sich dicht an Gottliebs Brust und stierte mit den milchigen Augen unruhig in die Runde.

„Nichts zu danken,“ wehrte der Portugiese mit einer kurzen Handbewegung ab. „Nur zu bald werden diese Untiere uns hier aufgestöbert haben,“ fügte er mit einem gleichgültigen Achselzucken hinzu. „Was hilft’s, daß wir euren Revolver haben, Freund Gottlieb?! Gar nichts! Gegenüber diesen Riesengeschöpfen ist ein Revolver nur …“

Er schwieg …

Lauschte …

Von fern her der Klang von Schüssen …

„Ah, – die Leute in dem Steinhaus verteidigen sich gegen die Bestien!“ rief Pasqual lebhafter …

Und Gottlieb hob da drohend die Faust nach Norden zu, woher der schwache Knall herüberkam …

„Mafalda ist dort, Pasqual, – die Fürstin Mafalda Sarratow, die meinen Herrn gewaltsam entführte …! Und wenn tausend von diesen behaarten Teufeln, die nicht Mensch, nicht Gorilla sind und doch fast mehr Menschen als Tieren gleichen, das Gebäude dort belagern – ich kehre zurück, wo der Tod mich fast ereilt hätte! Ich werde meinen Herrn befreien – um jeden Preis!“

Er war aufgesprungen … Er schien wirklich wieder der Gefahr blindlings in die Arme laufen zu wollen.

„Gemach – – Gemach, Freund Gottlieb!“ meinte Oretto sehr ernst und sehr bestimmt. „Gewiß, wir werden den Grafen befreien! Wir wissen jetzt ja, wo wir ihn zu suchen haben. Aber – zuerst müssen wir uns Waffen holen, Gewehre …! Ich bin nicht der Mann, der leichtfertig sein Leben aufs Spiel setzt, wenn es um so große Dinge geht wie hier!“

Gottlieb lachte ärgerlich …

„Gewehre holen?! – Ich möchte wissen woher …!“

„Gemach – – Gemach …!! – Von der Hochebene dort im Westen, wo die Maultiere weideten! Denkt an die beiden toten Hirten, Freund Gottlieb, – an deren Hütte …! Dort werden wir finden, was wir brauchen. – Wandern wir also weiter … Da – wieder ein paar Schüsse …! Das Haus scheint von den Affenmenschen hart bedrängt zu werden …“

Gottlieb gab nach. Er sah ein, daß der Taucher mit seiner Warnung, nichts zu übereilen, nur zu recht hatte. Was sollte man gegen die Untiere ohne Gewehre ausrichten?!

So schritt er denn mit seinem Hunde im Arm wieder hinter Oretto drein – gen Westen … –

Die beiden Männer hatten eine Stunde später leider erkennen müssen, daß sie sich in den dichten Wäldern am Rande der Hochebene verirrt hatten. Als sie dann nach abermals einer Stunde endlich wieder die bereits sinkende Sonne als Kompaß benutzen konnten, lag vor ihnen ein kahler felsiger Höhenzug, der notgedrungen überquert werden mußte.

Beide waren jetzt jedoch derart erschöpft, daß Pasqual schon nach zehn Minuten mühseligen Kletterns wieder halt machte und erklärte, es wäre klüger, hier irgendwo die Nacht zuzubringen und dann morgens mit frischen Kräften das Befreiungswerk zu beginnen.

Gottlieb, hungrig, gepeinigt von Durst, trotzdem aber immer noch getrieben von dem einen Wunsche, den Grafen der gefährlichen Entführerin wieder zu entreißen, starrte jetzt wie verzweifelt vor sich hin …

Sagte dumpf:

„Pasqual, Pasqual, daß wir beide doch einige zwanzig Jahre jünger wären!! Ich fühle es ja an meinen zitternden Beinen, ich kann nicht weiter! Und doch wird der Gedanke, daß Graf Gaupenberg dort in jenem Steinhause zusammen mit …“

Oretto brachte ihn jäh zum Schweigen …

Hatte ihm plötzlich die Hand auf die Schulter gelegt, reckte die andere abwärts, in ein enges steiniges Tal zeigend, das zu ihren Füßen sich dehnte …

„Da … da …!“ flüsterte der Taucher wie in ungeheurer Aufregung … „Da – und der Heiligen Madonna sei Dank! – Wir haben die wiedergefunden, an der unsere alten Herzen mit treuer Hingabe hängen …! Die Vorsehung hat unsere Schritte gelenkt, Freund Knorz! Schaut hin – was sagt Ihr zu dem Bilde da …?!“

Und Gottlieb beugte sich vor …

Erkannte in der Schläferin, die dort im Tale auf weichem Mooslager neben zwei prächtigen gelbfahlen Rüden schlafend ruhte, seinen Liebling: Agnes – Agnes Sanden, Gaupenbergs einzige Verlobte, die von der Fürstin Mafalda so heimtückisch durch niederträchtige Intrigen in schmählichen Verdacht des Diebstahles jener Lederskizze gebracht worden war, jener Zeichnung, die den Liegeplatz des gesunkenen Goldschiffes so genau beschrieb …!

„Agnes!!“ jubelte der treue Diener …

Seine Stimme schwoll an …

„Agnes …!! Agnes …!! Wir haben dich wieder …!“

Ein vielfaches Echo ließ Gottliebs Ruf zu einem förmlichen Getöse anschwellen …

Die gelben Rüden fuhren empor.

Knurrten …

Da hob auch die holde blonde Schläferin den Kopf.

Abermals rief Knorz im Übermaß seiner Freude:

„Agnes, – – wir sind’s, Pasqual und Knorz!“

Jetzt hatte das Mädchen die beiden oben am Talrande erblickt …

Im Nu war sie auf den Füßen, winkte … rief:

„Kommt, Freunde, – – kommt! Hier meine bissigen Beschützer werden euch nichts anhaben!“

Und – kaum war das letzte Wort über die feingeschwungenen Lippen des jungen Weibes gekommen, als vom Südeingang des engen schluchtartigen Tales ein teuflisches Gebrüll zum rötlich strahlenden Abendhimmel emporstrebte …

Ein Gebrüll aus rauen, behaarten Kehlen …

Und – sieben … acht jener furchtbaren Menschentiere, dicke Knüppel als Keulen in den riesigen Pranken, stürmten vorwärts auf kurzen Beinen – gebückt, noch halb nach Art der Menschenaffen sich bewegend …

Pasqual hetzte schon den Abhang hinab …

Hinter ihm drein Gottlieb Knorz …

Beide ohne Bedenken dem Tode in die Arme rennend …

Nur um Agnes zu schützen …

Und beide kamen denn auch noch zur rechten Zeit unten an, stellten sich den acht Bestien entgegen …

Knorz hob den Arm – zielte auf den vordersten Angreifer, sah das entsetzliche wilde Gesicht, das die Merkmale der Negerrasse in scheußlicher Vermischung mit denen der Gorillas offenbarte …

Wollte schießen … Seine Hand flatterte …

Der Teckel heulte vor Angst …

Und – Agnes stand da, wohl leichenblaß vor Grauen, aber doch eingedenk einer ähnlichen Szene, wie die beiden mächtigen Rüden, in deren Genick sie jetzt die Hände eingekrallt hatte und die sie am dichten Haar kraftvoll festhielt, sie hatten zerreißen wollen – drüben auf der Hochebene …

Agnes rief Gottlieb zu:

„Zurück … zurück!! Überlaßt mir diese scheußlichen Tiere! Meine Stimme hat mehr Macht über diese wilden Kreaturen als ihr ahnt!“

Und die Hunde mit sich vorwärtsziehend, trat sie vor den beiden Männer hin …

Auge in Auge mit den Tiermenschen, die – seltsam genug! – durch die ihnen völlig neue Erscheinung dieses engelhaften blonden Wesens jäh verstummt waren …

Auge in Auge …

Hier das junge, zarte Weib, das in den bitteren Tagen endlosen Herzeleids ihre Seele gestählt hatte …

Dort die acht Affenmenschen, die aus eigenem Antrieb die Verfolgung der beiden Flüchtlinge wieder aufgenommen hatten und durch einen Zufall dann in dieses Tal geraten waren. –

Agnes begann zu sprechen …

Sanft, weich – mit streichelnder Stimme …

Wie damals, als Pluto und Cäsar gegen sie losgestürmt waren und dann bezwungen wurden durch die rätselhafte, oft erprobte Macht der menschlichen Stimme.

Ob es hier bei Agnes Sanden wirklich nur die Stimme war, dieses einschmeichelnde, edelste Herzensgüte aushauchende Organ?

Ob die Rotte der Affenmenschen wirklich nur durch diese Stimme bezwungen wurde?

Ob nicht auch die ganze Erscheinung des lieblichen Mädchens auf diese Geschöpfe jetzt noch einen stärkeren Eindruck machte als vorhin, wo sie im wilden Angriff wie vor etwas für ihre menschliche Intelligenz Unfassbarem gestutzt hatten?

Jedenfalls, mit grenzenlosem Staunen wurden Gottlieb und Pasqual hier nun Zeugen eines geradezu einzig dastehenden Vorganges …

Eines Geschehnisses, das wohl nur in den Legenden aus der Zeit der Christenverfolgung im alten Rom seinesgleichen hatte …

Dort in der Hauptstadt des gewaltigen Reiches der kaiserlichen Bestie, die den bluttriefenden Namen Nero für alle Ewigkeit in das Buch der Weltgeschichte unauslöschbar eingetragen hat, – dort, wo die ersten Christen in der Arena wilden Tieren preisgegeben wurden, hatte sich ja ein ähnliches Wunder häufiger zugetragen.

Da hatten die hungrigen Tiere der Wildnis, nur eingefangen zum Zwecke widerlicher, grausamer öffentlicher Schauspiele, zuweilen vor der rührenden schreckensbleichen Schönheit junger Christenweiberr ihre natürlichen Instinkte, Hunger und Mordgier, unterdrückt und waren scheu zur Seite geschlichen …

So auch hier nach vielen Jahrhunderten in ähnlicher Weise …

Freilich – nur in ähnlicher Weise!

Denn hier handelte es sich nicht um Löwen, Tiger oder Leoparden …

Hier stand Agnes vernunftbegabte Wesen gegenüber …

Hier handelte es sich um Geschöpfe, in denen Mensch und Gorilla ihr Äußeres in furchtbaren, abstoßenden Zügen vereint, aber auch der Verstand beider sich zu dem vermengt hatte, was man mit menschlicher Intelligenz bezeichnete.

Und diese Intelligenz kam nun, nachdem die erste sinnlose Wut der Affenmenschen vor diesem holden Bilde des Weibes langsam dahingeschwunden, immer mehr zum Vorschein. Das Tier trat gleichsam in Doktor Gouldens Zuchtprodukten in den Hintergrund, und mit weicheren Regungen meldete sich das Menschliche – eben der Mensch, dessen Blut gleichfalls die kraftstrotzenden Glieder dieser Wesen durchkreiste.

Der Mensch meldete sich …

Und dies auf eine Art, daß Agnes Sanden vor neuem Schreck, vor einem Grauen, das keine Worte kennzeichnen kann, plötzlich in die Knie sank und ihr Gesicht in das weiche Fell Plutos vergrub …

Da war einer unter den acht Affenmenschen, ein noch jüngeres Geschöpf offenbar, dessen leicht behaartes Gesicht und kleine Augen mehr noch als die der übrigen Verstand und Klugheit verrieten …

Ein Männchen, schlanker auch als die übrigen, mit weniger langen Affenarmen und aufrechterer Haltung.

Das war Murat, Gouldens Liebling …

Den hatte er mit unerhörter Geduld persönlich erzogen, hatte die Funken von Intelligenz in mühsamer Arbeit immer wieder angefacht und schließlich auch erreicht, daß Murat hinsichtlich der Erlangung der englischen Sprache weit schnellerer Fortschritte machte …

Murat trat einen Schritt vor …

In dem er nun die schenkeldicke Knüppelkeule auf den Boden legte, machte er vor dem Mädchen eine Art Verbeugung, wie Goulden ihm das beigebracht hatte.

Und – begann in tiefen Kehllauten, die noch stark an die wilde tierische Affensprache erinnerte, zu reden.

Da war’s, daß Agnes vor Entsetzen über dieses Unerhörte das Gesicht in Plutos dichtes Fell einwühlte.

Sie wußte ja noch nichts von Gottliebs und Orettos Erlebnisse in jener Vulkanhöhle, die Percy Goulden zu einem riesigen Käfig ausgestattete hatte …

Wußte nichts von all den übrigen letzten Vorgängen. Nichts davon, daß die beiden grauhaarigen Männer bereits in der Höhle zu ihrem ungläubigen Staunen aus den Käfigen menschliche Stimmen, einzelne englische Worte vernommen hatten …

Kein Wunder also, daß sie jetzt, von Grauen gepackt, da sie diese Geschöpfe notwendig nur für eine besondere Art von Riesenaffen halten mußte, zitternd den unbeholfenen Worten Murats lauschte …

Murat sprach langsam, suchte mühsam aus seinem geringen Wortschatz die passenden Ausdrücke zusammen.

„Weiße Miß,“ sagte er mit seiner dröhnenden, gurgelnden Stimme, „du brauchst uns nicht mehr zu fürchten, weiße Miß … Wir sind … Unglückliche, die unser Herr erschaffen hat – wie er behauptet aus Forschertrieb! –

Unglückliche sind wir, mit doppelten Gefühlen in der Brust, halb Tier, halb Mensch …! –

So hat Doktor Goulden mir unsere Art erklärt. Und weil wir hinausgewachsen sind über das rein Tierische, weiße Miß, weil Goulden unseren menschlichen Verstand noch schärfte in täglichen Lehrstunden, haben wir allmählich begriffen, was wir sind. Nicht mehr bloß Tiere, sondern auch Menschen, die ein Recht auf menschliche Behandlung haben! Nur – das hat man uns nicht gewährt, weiße Miß …“

Er schwieg …

Agnes hatte den Kopf gehoben …

Ihr hald irrer Blick überflog Murats Gestalt, Murats Gesicht …

Und da gewahrte sie denn so offenkundig in den blinkenden Augen dieses Geschöpfes Sanftmut und treue Hingabe, daß sie, wie befreit von entsetzlichem Alpdruck, ein gütiges Lächeln um ihre feinen Lippen zwang …

Da flüsterte auch der treue Gottlieb Knorz hinter ihr:

„Agnes, es sind keine reinblütigen Gorillas … Agnes, du hast Macht über sie … Werbe in ihnen Verbündete für uns … Wir haben den Grafen und Mafaldas gefunden … Wir müssen ihn befreien … Aus dem mächtigen Steinbau dort an den Abhängen des hohen Berges – aus der Fürstin verführerischen Händen …“

Agnes schoß das Blut in starker Woge in das zarte Antlitz …

Viktor – – Viktor gefunden!! Viktor sollte befreit werden!

Und mit einem Schlage war sie wieder die durch Leid und Trübsal erstarkte Agnes Sanden, die nur ein Ziel kannte, dem Geliebten beweisen, daß er sie zu Unrecht verstoßen!

Gewiß, er hatte dieses sein Unrecht bereits eingesehen, hatte vor Tagen an Bord der Sphinx liebreiche, demütige Worte von Reue und Begreifen gesprochen …

Und doch hatte Agnes schon damals dunkel empfunden, daß Gaupenbergs schwankendes Mannesherz noch immer nicht genügend gefestigt war, daß der Sinnenrausch, mit dem Mafalda ihn wie in einen goldenen Nebel eingehüllt, noch immer nicht seine unheilvolle Macht gänzlich verloren hatte … –

Sie lächelte Murat zu …

Und der sprach weiter:

„Weiße Miß, – nur wie Tiere hat uns Doktor Percy Goulden behandelt, hielt uns eingesperrt hinter Gitterstäben, züchtigte uns aufs brutalste, wenn wir in der Lehrstunde irgendwie auffällig wurden… Mit Schußwaffen, glühenden Eisenstangen, zackigen Speeren und Peitschen sind wir erzogen worden, weiße Miß. Und so wuchs denn langsam in uns ein glühender Haß gegen unsere Wärter und unseren Herrn empor. Diese Wut, die uns heute überkam, als wir endlich aus den Käfigen fliehen konnten, richtete sich auch gegen die beiden Männer, weiße Miß, die dort hinter dir stehen. Sie flohen … Wir glaubten, es seinen Freunde Doktor Goulden … Aber als wird dann vor Gouldens steinernem Hause die beiden Neger Jack und John, unsere Peiniger, getötet hatten, als Jack in den Abgrund geflogen und John von uns in Stücke zerrissen war, als wir das Haus stürmen wollten und weitere drei von uns dabei den Tod gefunden hatten, da habe ich, der ich vielleicht klüger bin als meine Artgenossen, eingesehen, daß wir unseren Peiniger Goulden ohne fremde Hilfe nicht bestrafen können … Da kamen mir auch Zweifel, weiße Miß, ob die beiden Männer, die jetzt dort hinter dir meinen Worten lauschen, wirklich nicht zu den Bewohnern des Steinhauses gehören, – da haben wir uns geteilt und sind nun, wir acht, hinter den beiden hergeeilt, um sie zu fragen, was sie mit Goulden zu schaffen hätten …

Vielleicht, weiße Miß, wäre mein Einfluß auf meine Artgenossen nicht groß genug gewesen, ihre wilden Instinkte zu bändigen und die beiden Männer vor ihren Keulen zu schützen … Nun aber, weiße Miß, hast du sie besiegt … Noch nie haben wir eine Weiße geschaut … Nur Nanna, die alte Negerin kannten wir … Und sie ist ebenso häßlich wie wir … –

Weiße Miß, du brauchst uns nicht mehr zu fürchten … Hilf uns, Goulden zu bestrafen … Und dann werden wir dir treu und tapfer dienen, wir Unglücklichen, wir Ausgestoßenen, wir elenden Zwittergeschöpfe …“

So unendlich traurig und rührend klangen diese letzten Worte, daß Agnes Sanden rasch vortrat und Murat die Hand hinstreckte…

Der Menschenaffen ergriff sie mit seiner ungeheuren kurzfingerigen Pranke, und dies so zart, als wage er kaum, die feine Hand der weißen Miß zu umklammern…

„Wir wollen gute Freunde sein, Murat,“ sagte Agnes in ihrer offenen herzlichen Art …

Und – kaum hatten die anderen sieben Affenmenschen nun begriffen, daß hier ein seltsames Bündnis soeben geschlossen war, als sie auch schon ganz wie ihre wilden Ahnen in den Urwäldern Westafrikas die Fäuste ballten und mit diesen kraftvollen Paukenschlägeln gegen die hochgewölbte Brust schlugen…

Das dumpfe Dröhnen dieses Trommelkonzerts hallte weit in den Bergen wider …

Weckte die Echos…

Schwoll an zu einem infernalischen Lärm …

Dazu heulten die beiden gelbfahlen Rüden, wollten sich auf die Affenmenschen stürzen. Aber Agnes’ gebieterischer Zuruf und kräftige Hände machten den prachtvollen Hunden klar, daß die rostbraunen behaarten Geschöpfe dort fortan als Freunde zu betrachten seien…

Und – – Kognak, der Teckel, winselte …

Und so gab das ein Gemisch von Lauten, als ob hier in dem engen Tale Satanas mit seinem Anhang sich belustigte …

Kein Satanas…

Nur Menschen und Halbmenschen – fortan verbunden in Treue und Ehrlichkeit durch … die Macht mädchenhafter, wahrer Reinheit …

 

67. Kapitel.

Die lohenden Schlangen.

Höhle am Westgestade des Robigas-Eilandes Christophoro …

Höhle und Wohnung eines Mannes, der hier Jahrzehnte als Schiffbrüchiger vor Jahrhunderten gehaust hatte, jener Christophoro Velasquez, an den hier auf der entlegenen Insel nur der große Stein mit der eingemeißeltent Inschrift erinnerte …

Und in dieser schmalen, langen, feuchten Höhle eingeschlossen der stämmige Steuermann Georg Hartwich und Fator, der Geheimnisvolle, Unheimliche, Unverwundbare, über den Tod Gebietende, der neue … Ewige Jude …!

Eingeschlossen durch die Heimtücke der beiden Verbrecher Lomatz und Jimminez, die nun wieder die Sphinx entführt hatten …

Einegekerkert zusammen mit den Goldmilliarden des Azorenschatzes, den sie aus dem von Seepflanzen und Muscheln bewachsenen Stahlleib des U-Bootes hierher geborgen hatten. –

Dort in der einen tiefen Ecke der Höhle hatten sie die Goldkisten aufgestapelt, hatten Steine darüber gehäuft, Felstrümmer – eine ganze Wand…

Saßen nun beim Lichte ihrer beiden Karbidlampen auf den anderen Kisten, auf den hier zurückgelassenen Beutestücken des einstigen Piraten und Kaperkapitäns Alfonso Jimminez …

In dumpfem Schweigen …

Hörten, wie die Wassertropfen von der Höhlendecke in gleichmäßigem Klatschen herabfielen …

Hörten sonst nichts – nichts …

Nur noch die eigenen Atemzüge …

Waren abgesperrt von der Oberwelt durch enorme Felsblöcke, die beide Eingänge verrammelten … Hatten bereits in stundenlanger Arbeit diese Hindernisse fortzuräumen versucht und hatten einsehen müssen, daß diese Mühe zwecklos war … –

Fator hob den Kopf …

Sein bärtiges hageres Schwärmergesicht zeigte nicht jenen verzweifelten Ausdruck, der des Steuermannes männlich frisches Antlitz verdüstert.

„Ich habe Hunger,“ sagte Fator schlicht. „Wir müssen an unseren Leib denken, Hartwich …! Wir haben die Pflicht, uns bei Kräften zu erhalten.“

„Ich denke nur an die Sphinx, die nun wieder in den Händen der beiden Schurken ist,“ erwiderte Hartwich seufzend. „Ich denke nur daran, wie wir beide uns haben überlisten lassen und daß nun auch unsere Freunde, die wir auf San Miguel zurückließen, verloren sind … – Wie wir!“

Fator stand auf …

Legte Hartwich die Hand leicht auf die Achsel …

„Georg Hartwich, wir sind nicht verloren …! Glauben Sie mir! Wir sind Werkzeuge einer höheren Macht, auserkoren und bestimmt zu weiterem Erleben! Wir werden wieder frei sein!“

Und er sagte es mit solcher Sicherheit und Überzeugung, daß der Steuermann aufsprang und den Rätselhaften wie schon so oft fragend anstarrte …

Sein Blick verriet, was in seiner Seele vorging …

Fator schaute zur Seite, meinte leise:

„Ich weiß, Sie wollen mich nun wieder bestürmen mit verständlichem Forschen, damit ich den Schleier meiner Persönlichkeit lüfte …! –

Mein Freund, soll ich Ihnen denn nochmals andeuten, daß ich jener Einsiedler von Sellenheim, jener Doktor Dagobert Falz, bin und – – doch nicht bin! –

Mein Freund, seien Sie froh, daß Sie meine Geheimnisse nicht vollends kennen! Ein Grauen würde sie beschleichen …! Wir sind Kinder einer Zeit, in der die menschliche Sprache über endlose Entfernungen getragen wird: drahtlose Telephonie! – in der die Luft als neuer Beförderungsweg sich uns auftut, in der besondere Strahlen das Fleisch der Leiber durchringen und das Innere der Organe enthüllen! – Und doch ist all das ein Nichts im Vergleich zu dem, was ich freventlicher Weise durch Experimente an mir selbst erreichte! –

Sie waren Zeuge, daß Edgar Lomatz’ Kugeln mich durchlöcherten und doch keine Spuren zurückließen, daß ich am Leben blieb, wo andere tot umgesunken wären …!

Sie sahen die Leiche der armen Silvia in Minuten in Staub zerfallen, – weil dieser Leib durch Geheimtränke der Zeit gespottet hatte …!

Sie hörten mich in jenem Zustande weltabgewandter Verzückung meinen Mund Szenen beschreiben, die ich als Vision schaute: Knorz und Pasqual Oretto bedrängt von seltsamen Wesen, und Agnes ihnen zu Hilfe eilend …! –

Mein Freund, soeben habe ich wieder die Gestirne befragt, was aus denen geworden, die wir lieben, die unsere Mitkämpfer sind … –

Hartwich, sie leben, sind wohl auf! Ich habe Agnes geschaut an einem Lagerfeuer mit acht behaarten menschlichen Geschöpfen, dazu Knorz, Pasqual, den Teckel und zwei große gelbe Rüden … Und neben dem Feuer eine Wildziege noch, – ein Bild des Friedens das alles! –

Verzagen Sie nicht! Sie wissen, in dem ungeheuren Berge von Gold dort schlummern Kräfte, die uns hin und her schleudern, wie der Magnet die Eisenteilchen wirbelnd anzieht und wieder abstößt!“

Und – in anderem Tone, weniger seherhaft, menschlicher:

„Brechen wir diese Kisten auf … Stellen wir fest, was sie enthalten!“

Hartwich stand da und fühlte noch immer das Wehen geheimnisvoller Mächte …

Raffte sich auf …

Und sie erbrachen die Kisten, fanden Waffen, Pulver, Blechbüchsen mit Sprengstoffen, andere Büchsen auch: Konserven!

Aßen schweigend … Tranken das herabträufelnde Wasser der Höhle … –

Hartwich erwachte wie zu neuem Leben. Die Konserven waren noch tadellos, und der durch die Nahrungsaufnahme gekräftigte Leib teilte sein Kraftgefühl auch dem Geiste mit.

Der Steuermann stellte die zweite Büchse Fleisch halbgeleert beiseite …

„Satt!!“ meinte er zu Fator. „Satt – und ein anderer Mensch, ein frisches Hirn! – Mir ist da soeben ein Gedanke gekommen, Fator …“

Und er deutete auf die Kiste, welche die Sprengstoffe enthielt …

„Vielleicht gelingt es uns, dadurch den Ausgang nach dem Felsenhügel hin freizulegen … Wenn wir eine Lunte herstellen und uns an das andere Ende der Höhle in Sicherheit bringen, kann uns selbst der Luftstoß kaum etwas schaden …“

Fator starrte in das Laternenlicht …

„Mir gewiß nicht!“ murmelte er wie geistesabwesend …

Und seine durchdringenden, tiefen Augen schlossen sich noch mehr …

Sein Gesicht bekam etwas Steinernes, Maskenhaftes.

Ein Ausdruck von finsterer Entschlossenheit prägte sich darauf aus …

So … saß er minutenlang da …

In seinem Hirn wogten die Gedanken wie aufgescheuchte dunkel Vögel …

Erinnerungen stiegen aus den Grüften der Vergangenheit auf … Er sah sich in Berlin als Arzt mit einer Praxis, die er allein kaum bewältigen konnte … Er sah sein glückliches Familienleben in bunten, zarten Bildern … Sein Weib, seine Tochter, die ihn liebten, vergötterten … Bis dann jener Kampf seiner neidischen Kollegen gegen ihn begann, bis ein Todesfall ihnen Gelegenheit bot, die Behörden auf den … Kurpfuscher zu hetzen … Verhaftung, Gerichtsverhandlung, Freispruch, – das waren die ersten düsteren Stationen seines Lebenspfades. Dann die Krankheit seiner Gattin, ihr langsames qualvolles Dahinsiechen … Und zu alledem eines Tages das spurlose Verschwinden seines damals fünfzehnjährigen Kindes, der bereits zur Jungfrau erblühten Melanie, die er stets nur Mela genannt hatte …

Und als einsamer, weltfremder war er in die stiller Abgeschiedenheit der Ruine Sellenheim geflüchtet, hatte diese Reste der alten Zwingburg gekauft und dort in den Geheimkellern das Laboratorium jenes Luithard Brandfels entdeckt, der als Lieblingsschüler des berühmten Alchimisten Parazelsus auch das Geheimnis des Elexiers des Lebens bewahrt hatte…

Das Elixier des Lebens …!!

Faktor dachte an den altersschwachen Jagdhund, mit dem er die ersten Versuche angestellt hatte …

Der Hund war verjüngt wie ein Phönix aus der Asche zu neuem Dasein aus der geheimnisvollen Kur hervorgegangen …

Und dann – hatte er selbst, Doktor Dagobert Falz, das Elixier am eigenen Leibe versucht …

Noch so genau besann er sich auf jene gewitterdurchgrollte Nacht, da er in dem verborgenen Laboratorium, während die Ruinen unter dem Widerhall eines ungeheuren Donnerschlages erzitterte, die roten Tropfen trank …

Und – wie ihn da ein Schwindel gepackt hatte, wie er jäh umgesunken war und zu sterben vermeinte …

Und erwachte an Bord eines Dreimasters – nicht mehr Dagobert Falz und doch Dagobert Falz, nur nicht ein Siebzigjähriger, sondern einer, dessen Alter dem Äußeren nach kaum zu schätzen war …

An Bord des Dreimasters ‚Connecticut’, als … Detektiv Fator …!

Und weiter: der Brand des gescheiterten Schiffes, auf dem ein ruchloses Giftattentat die ganze Besatzung hinweggerafft und den ‚Connecticut’ in einen Riesensarg verwandelt hatte …

Und weiter all die Vorgänge in der hohlen Dorgas-Klippe, die ihm die Gewissheit gaben, daß das teuflische Elixier ihn einen ewigen Fluch auf das Haupt geladen: den, nicht sterben zu können, sondern hinwandeln zu müssen über die Erde bis ans Ende aller Tage …!

Das war die Strafe der Vorsehung für menschliche Vermessenheit, der Natur in Sandberg pfuschen zu wollen:

Ewiges Leben!!

… Ewiges Leben …! – Vielleicht mochten viele Toren dies als unnennbares Glück betrachten …

Nur Toren …!

Denn der Kluge, der weiter schaut, weiß genau, daß dieser Zwang, als einsamer Pilger über die Erde schleichen zu müssen ohne Ziel und ohne Heimat, ein Fremder stets den neu heranwachsenden Geschlechtern, ein Gezeichneter unter denen, die das Leben liebten, weil es kurz war, – daß dieser Zwang des Lebenmüssens härter ist als die schlimmste Last …!

Und er – war solch ein Gezeichneter!

Nicht der einzige …! Dort in der Dorgas-Klippe hatte Steuermann Hartwich dem mit dem Tode ringenden Pasqual Oretto ebenfalls die Tropfen des dreimal verfluchten Trankes eingeflöst …

So war denn Pasqual Oretto, den festen Händen des Todes noch einmal entrissen, der zweite … Ewige Jude, der zweite Gezeichnete geworden …! –

All das flog Fator jetzt durch das Hirn wie ein Sturmwind …

Und aus all diesen Gedanken ballte sich ein anderer zusammen, noch einen Versuch wagen, ob der Tod ihn wirklich mied!

Der Gedanke wurde zum Entschluß …

Und Fator erhob sich …

Das Starre von seinem Antlitz wich …

„Freund Hartwich,“ sagte er, „gehen wir ans Werk …! Wir werden den Ausgang uns erzwingen …! – Her mit den Büchsen des Sprengstoffes …! Ich werde sie im Gestein verteilen, werde sie so anordnen, daß die Kraft der Explosion den Felsenkeil, den Lomatz und Jimminez in das Felsloch trieben, emporschleudern muß …! – Ans Werk!“

Seine Augen leuchteten in eigentümlichem Glanz …

Seine hohe kluge Stirn war wie verklärt …

So mögen vielleicht jene christlichen Märtyrer ausgesehen haben, die freudig und glaubensstark den Scheiterhaufen bestiegen … –

Während der Steuermann eine Lunte herrichtete, arbeitete Fator vorn in der Höhle an dem versperrten Ausgang.

Das, was vorhin hier in der Grotte bereits einmal geschehen war mithilfe von Dynamit, die Sperrung des Höhleneingangs nach der See zu! – das sollte nun abermals nur zum entgegengesetzten Zweck versucht werden.

Und Fator barg die Büchsen mit Sprengstoff in Spalten und Ritzen, verband sie untereinander mit Lunten, in die Schießpulver in dichter Lage eingewickelt war.

Eine Stunde …

Dann war alles bereit …

Dann standen die beiden Männer vor dem Steinkeil und beschauten beim Lichte der Laternen ihr Werk …

„Fertig!“ rief Hartwich. „Es muß Glücken, bestimmt glücken!“

„Gehen Sie, mein Freund,“ meinte Fator ernst und reichte dem Steuermann die Hand. „Gehen Sie, bringen Sie sich in Sicherheit. Ich werde die Hauptlunte anzünden … – Gehen Sie!“

Und er blickte Hartwich gebieterisch und doch freundlich an …

Eine dunkle Ahnung dessen, was der Rätselhafte beabsichtigte, stieg da in Hartwichs Seele mit unfaßbarem Grauen empor …

Und über seine Lippen schlüpfte halb ungewollt ein zages:

„Das – – wäre Selbstvernichtung, Fator! Das wäre ein Frevel!“

„Gehen Sie …!“

Noch ein Händedruck, und in weicherem Tone:

„Die ewigen Gestirne seien mit Ihnen, Hartwich!“ und Fator schob den Erblaßten, sich Sträubenden tiefer in die Höhle hinein …

Der Steuermann schlicht davon, als hätte er Blei an den Füßen …

Jetzt hatte er ja die Gewißheit. Fator wollte sich mit in Atome zerschmettern lassen!!

Und – er wußte nur zu gut, daß nichts den geheimnisvollen von diesem Vorhaben abbringen würde … Schritt weiter und weiter mit seiner Laterne, kam an dem Steinhügel vorüber, der das Azorengold barg …

Murmelte:

„Verfluchtes Gold …!! – Teuflische Macht, was wirst du uns allen noch bescheren, was droht uns armseligen Menschlein noch außer alledem, war schon hinter uns liegt!“

Der Lichtschein tanzte vor ihm her …

Von der Decke klatschten die Tropfen wie das Ticken unzähliger Uhren …

Und Hartwich erreichte das andere Ende der Grotte – eine kleine Seitenhöhle …

Hier blieb er stehen – wartete auf das Entsetzliche.

Fühlte den eisigen Schweiß auf der Stirn …

Wartete …

Wartete …

Qualvolle Minuten … –

Und drüben Fator, kniend vor der Lunte, ein Zündholz anreibend …

Knisternd fing sie Feuer …

Und die Glut fraß weiter …

Da lehnte der einsame Mann sich dicht vor dem mit Sprengstoff gespickten Felsblock an die Steinwand …

Beobachtete das Fortschreiten der Glut … Sah den feinen Qualmfaden emporsteigen …

Und – dachte an Agnes Sanden, die er liebte wie sein eigen Kind …

Ihr galten jetzt seine Gedanken. Ihr wünscht er alles, was nur an Erdenglück einem Weibe beschieden sein kann …

Und starrte auf das vorwärtsstrebende rote Pünktchen der Lunte …

Hoffte …

Hoffte …

Hielt plötzlich den Atem an …

Das Feuer hatte die Pulverabzweigung erreicht …

Fast erreicht …

Und dann – acht lohende Schlangen schossen empor.

Ein ungeheurer Knall …

Felsen barsten, Steine kollerten …

… Tageslicht, freundlicher Sonnenschein flutete durch eine riesige Öffnung in die Höhle hinab …

Flutete tiefer – bis dorthin, wo nun der geborstene Boden der Grotte anderes freigelegt hatte …

Anderes … –

Georg Hartwich aber, durch den rückflutenden Luftstoß der Explosion doch gegen das Gestein geschleudert, lag bewußtlos mit blutender Stirn auf dem feuchten Fels …

 

68. Kapitel.

Wie Goulden starb …

Das Observatorium Doktor Percy Gouldens auf den Westhängen des Monte Rossa …

Und oben im Flur des ersten Stockwerks die Fürstin Mafaldas Sarratow, an der Wand lehnend, – wie betäubt …

Betäubt von dem Ungeheuerlichen, das Goulden ihr soeben eingestanden hatte, seine Zuchtversuche, seine Erfolge. Affenmenschen!! Halb Gorilla, halb Mensch!! Und doch noch mehr im Körperbau, in der Beharrung dem Affengeschlecht zuneigend! –

Kaum war ihm dies Geständnis über die Lippen gekommen, kaum hatte er seine streng wissenschaftliche Verteidigung dieses widernatürlichen Beginnens vor der Fürstin beendet, als draußen ein Schuß einen neuen Angriff der Horde seiner Geschöpfe anzeigte …

Goulden war da die Treppe hinabgestürmt, hatte Mafalda Sarratow ihren flatternden, scheuen Gedanken überlassen …

Mit kraftlos herabhängenden Armen stand das schöne Weib in dem hell erleuchteten Flur …

Ihr Hirn sträubte sich noch immer gegen dieses Gräßliche, Frevelhafte …

Selbst ihr Hirn! – Und Mafalda Sarratow war keine jener Naturen, die Menschen- und Naturgesetz als etwas Unumstößliches irgendwie achten …!

Aber hier, wo sie selbst vor Minuten noch das grauenvolle Gesicht eines dieser riesenhaften Geschöpfe dort am Fenster des Krankenzimmers Gaupenbergs aus nächster Nähe geschaut und dann mit jener Entschlossenheit, die den Grundzug ihres so verderbten Charakters bildete, die schwere wassergefüllte Kanne dem Untier auf den Schädel geschmettert hatte, – hier, wo sie die Tatsache dieses verwerflichen Unterfangens in keiner Weise mehr anzweifeln konnte, überlief es sie wie ein Eiseshauch … –

Zwei weitere Schüsse lenkten ihre Gedanken von Gouldens ihr jetzt unheimlicher Persönlichkeit ab und ließen sie mit fiebernden Pulsen den gellenden Schreien lauschen, die offenbar von einem Menschen in höchster Todesnot ausgestoßen wurden …

Ihr Herz erbebte … Selbst ihr Herz! Sie ahnte, was vorging da draußen neben dem Steingebäude, wo bereits der eine der hühnenhaften Neger den Tod gefunden …

Und doch flog sie jetzt die Treppe hinab, Goulden zu Hilfe …

Sie wollte nicht feige erscheinen … Hier handelte es sich ja auch nicht allein um Doktor Percy Goulden, nein, – um die Sicherheit dieses Hauses und um Viktor Gaupenbergs Sicherheit! Gelang es den Affenmenschen, in das Gebäude einzudringen, so waren die Insassen verloren! –

Unten im Flur brannte gleichfalls das elektrische Licht, ebenso in allen anderen Räumen, deren Fensterrollvorhänge sämtlich schon beim ersten Ansturm der grimmen Schar herabgelassen worden waren.

Mafalda eilte bis zur Tür, die auf die Terrasse führte. Zwei schmale Sehsschlitze gestatteten ihr, einen Blick über den altanähnlichen Vorbau zu werfen …

Dort standen noch der reichgedeckte Frühstückstisch – die Korbsessel – der große bunte pilzartige Sonnenschirm …

Aber – in einem der Sessel hockte jetzt eins der widerwärtigen Geschöpfe und hielt die Nickelbüchse mit dem süßen Honig in der Linken, löffelte den Honig aus …

Und so unendliches Behagen über die seltene Delikatesse verriet das Gesicht des Tiermenschen da draußen, daß Mafalda unwillkürlich lächeln mußte …

Dieses Lächeln, dieser Anblick des Affenmenschen, der dort so feierlich und fast gesittet den Honig naschte, vollbrachten in Mafaldas Herzen langsam eine völlige Wandlung ihres bisher so abfälligen Urteils über Gouldens Zuchtversuche.

Sie prüfte nochmals in Gedanken all das, was er zu seiner Verteidigung erwähnt hatte: die Vivisektion, das Zerfetzen lebender Tierkörper zum Zwecke der Forschung!

Hatte Goulden nicht vielleicht doch mit Recht betont, daß er mit diesen seinen Versuchen niemandem wehetat, daß er niemanden dadurch schade …?! – Waren diese wissenschaftlichen Experimente einer Kreuzung zwischen den höchstentwickelten Affen und Negern wirklich so verwerflich?!

Und wiederum schaute die Fürstin durch den Sehschlitz …

Lächelte wieder …

Das Geschöpf da draußen hatte jetzt die Büchse mit kondensierter Milch in der Hand, kostete davon vorsichtig mit dem silbernen Löffel und … grinste befriedigt … –

Da – hinter Mafalda ein rascher Schritt … Percy Goulden, eine Repetierbüchse im Arm, blaß, verstört.

„Ah – Sie hier, Fürstin …,“ sagte er mit unnatürlich rauer Stimme und ging nach links zu seinem Gewehrschrank, öffnete ihn …

„Mein zweiter schwarzer Diener, der Neger John, ist nun ebenfalls von den tollen Bestien zerrissen worden. Drei habe ich durch Kopfschüsse niedergestreckt – leider nur drei … Die anderen stecken im Gestrüpp, wagen sich vorläufig nicht hervor …“

Er nahm zwei moderne Pistolen, eine zweite Büchse und drei Schachteln Patronen aus dem Schrank …

„Wir müssen sie auslöschen – alle!“ fuhr er ebenso rauen Tones fort und drehte sich um, reichte Mafalda die Büchse und eine Pistole. „Bitte, Fürstin … Sie verstehen ja mit Waffen umzugehen … So sehr es mir auch widerstrebt, diese Wesen zu töten, die mein Befehl erschaffen hat; es muß sein! Wir sind hier unseres Lebens nicht sicher, und wir haben es mit Feinden zu tun, die nicht lediglich wie Tiere rein instinktmäßig handeln. Sie haben Vernunft wie wir, und wenn sie erst herausfinden, daß ein Steinwurf genügt, die Fensterjalousien zu zertrümmern, dann – – Gnade uns Gott, Fürstin! Es sind noch immer ihrer fünfzehn, und schon die Hälfte wurde genügen, uns trotz unserer Waffen abzutun…“

Mafalda dachte an den Affenmenschen da draußen auf der Terrasse …

Sie zauderte … Ein Gefühl des Mitleids hielt sie davon ab, Goulden auf den ahnungslosen Honignascher aufmerksam zu machen. Außerdem beschäftigte sie jetzt auch eine andere Frage …

„Ich begreife bei alledem nur eins nicht, Mister Goulden … Aus welchem Grunde wohl die rasende Wut bei den Geschöpfen dort? Aus welchem Grunde?!“

Der Besitzer des Steinhauses am Monte Rossa erwiderte ehrlich:

„Bedenken Sie, Fürstin, ich habe diese Tiermenschen vollends zu Menschen erziehen wollen … Ich mußte den Rest der in ihnen noch schlummernden wilden Instinkte gewaltsam niederhalten, und das ging nicht ohne Strenge ab. Sie … hassen mich, weil sie mich fürchteten – bisher fürchteten. Und dieser Haß ist nun freigeworden, wie sie selbst, kennt keine Grenzen …!“

So ernst sprach er, daß Mafalda erstaunte.

Vergessen war bei ihr längst jene Szene, als sie Goulden auf der Terrasse durch ihre Verführungskünste soweit gereizt hatte, daß er sich für Minuten vergaß, daß er sich über sie gebeugt hatte und die lockenden Lippen küssen wollte in rasch entflammter Gier … Gerade da war das Unerhörte geschehen, gerade da war die Rotte wilder Gestalten aufgetaucht …

Und nachher, als Mafalda dann den einen Affenmenschen vom Fenster des Krankenzimmers wieder auf die Erde geschleudert hatte mit wohlgezieltem Hieb, da … war sie froh gewesen, daß Gouldens Geschöpfe jegliche Zärtlichkeiten zwischen ihr und dem Herrn dieses Hauses verhindert hatten, – froh, weil ihre Pläne wieder ein anderes Ziel in erreichbarer Nähe sahen: Gaupenbergs Liebe! –

Er hatte ja geduldet, daß sie ihn küßte … Ihre schlau berechneten Worte hatten Eindruck auf ihn gemacht und manche Zweifel scheinbar beseitigt. Mafalda fühlte sich wieder Siegerin im Kampf um diesen einen Mann, der ihr mehr galt als der ungeheure Reichtum des Azorenschatzes! Denn – ihn liebte sie wirklich, liebte ihn auf ihre Art mit verzehrender Eifersucht. Weil sie ihn verloren zu haben glaubte, sollte Goulden hier ein gefügiges Werkzeug werden. Das – war nun vorüber …! Sie brauchte Goulden nicht mehr.

Und wie er nun hier vor ihr ohne Scheu von dem bestialischen Haß seiner Geschöpfe sprach, wie sie deutlich aus seinen Worten heraushörte, wie ernst er die Gefahr für die Insassen des Observatoriums einschätzte, verschwand auch jäh die leise Regung des Mitleids mit jenem Affenmenschen dort auf der Terrasse …

Das Haus war bedroht, also auch Gaupenberg …!

Das gab den Ausschlag …!

Und leise ging sie zur Tür der Veranda, die jetzt gleichfalls durch die Rolljalousie geschützt war …

Öffnete ebenso leise die Flügel der Glastür, um den Lauf der Repetierbüchse in einen der Sehsschlitze schieben zu können …

Ein Blick nach draußen …

Die Terrasse war leer … –

Achselzuckend wandte sie sich um …

„Soeben noch saß dort am Tisch eines ihrer Geschöpfe, Mister Goulden, und leerte das Honiggefäß … Mit einem Löffel, wie ein naschhaftes Kind …“

„Oh – das kann nur Murat, der klügste meiner Zöglinge gewesen sein,“ nickte Goulden mit einem fast schmerzlichen Lächeln. „Murat kannte die Terrasse bereits … Zweimal hatte ich ihn hierher mitgenommen – zum Entsetzen Nannas. Um Murat ist es mir am meisten leid. Ihn will ich bis zuletzt schonen. Sie erkennen ihn leicht, Fürstin … Er hat an der linken Wange eine daumengroße weiße Narbe … Also – vielleicht kommen wir um seinen Tod herum, Fürstin …“

Niemand hätte diesem schlanken und doch so üppigen Weibe, das noch immer Gouldens hellen Flanellanzug trug, und diesem hochgewachsenen Manne jetzt auch nur im entferntesten angemerkt, daß noch vor einer Stunde zwischen ihnen Beziehungen sich anzuknüpfen drohten, die für beide nur zum Unheil ausgeschlagen wären …

Hier in Gouldens Herrenzimmer standen sie sich jetzt lediglich als zwei Menschen gegenüber, denen eine gemeinsame Gefahr gegenseitig einen vertraulicheren kameradschaftlichen Ton gestattet … –

„Gut,“ meinte die Fürstin nun. „Ich werde es nicht vergessen. Eine weiße Narbe auf der linken Wange! – Und die übrigen, Mister Goulden?“

„Wir werden in den Turm hinaufsteigen, in dem das Fernrohr untergebracht ist. Dort oben werden wir schon ein Ziel für unsere Kugeln finden. Schießen Sie aber bitte nur dann, Fürstin, wenn sie gewiß sind, einen Kopfschuß anbringen zu können. Ich möchte nicht, daß die Wesen, die nun einmal meinem Willen ihrer Existenz verdanken, unnötig leiden müssen …“

Und abermals zuckte es schmerzlich um seine Lippen.

Dann verließen sie das Herrenzimmer, durchschritten nochmals alle Räume des hochgelegenen Erdgeschosses, um sich zu überzeugen, daß auch alle Fenster und Türen gut versperrt, und begaben sich durch das erste Stockwerk in den Turm hinauf …

Als Goulden hier die kleine Tür öffnete, die in die Kuppel des Turmes führte, wo die astronomischen Instrumente aufgestellt waren, prallte er leicht zurück, hat jedoch im Moment dann die Büchse an der Schulter …

Drückte ab …

Mafalda Sarratow, die sich noch auf der Treppe befand, schrak jäh zusammen, als die überlaute Detonation des Schusses in dem schachtartigen Treppenhause dröhnend widerhallte …

Und dann – dann wurde sie Zeugin eines Kampfes, wie sie ihn noch nie erlebt hatte … –

Zwei der Affenmenschen hatten vorhin spielend leicht von der Rückseite des Hauses den Turm erklettert und waren durch die Fernrohrluke der Kuppel in den runden Raum eingedrungen.

Den einen hatte soeben Gouldens Schuß niedergeworfen. Der andere aber sprang den Doktor jetzt an – flog ihm an den Hals …

Ein Fausthieb des riesenhaften Geschöpfes, dessen Arme von Muskeln strotzten, schleuderte Gouldens Büchse beiseite …

Nun hielten Mann und Tiermensch sich umschlungen.

Aus der Brust des behaarten Goliaths kamen unheimlich röchelnde Laute …

Und dann – ein paar laut herausgeheulte, unverständliche englische Worte …

Im Nu hatte der grimmige Riese den schweigend sich wehrenden Goulden niedergerungen, hatte bereits dessen Arme so eng ihm an den Körper gepreßt, daß er nun versuchte, dem verhaßten Gebieter mit dem blinkenden Affengebiß die Kehle zu zerreißen …

Da … griff Mafalda ein …

Schüttelte das lähmende Entsetzen von sich ab …

Hob die Repetierbüchse …

Zielte kurz …

Feuerte …

Und – im selben Moment hatte der Tiermensch, über dem Wehrlosen liegend, diesen hochgerissen, um leichter an die Kehle herangelangen zu können …

Mafaldas Kugel fand ein Ziel …

Ein … doppeltes Ziel …

Fuhr dem Tiermenschen schräg durch den Rücken, durch das Herz – und bohrte sich in Gouldens linke Schläfe ein …

Das rasende Geschöpf schnellte hoch …

Sank zur Seite …

Doktor Percy Goulden lag still. Ein dünner Blutfaden rann die gebräunte Schläfe hinab … –

Die Fürstin stierte auf ihre Opfer …

Sie war leichenblaß geworden …

Ein leiser Schrei – und sie stürzte vorwärts, kniete neben Goulden …

Ein Wunder. Er lebte noch!

Und seine grauen Augen hingen nun mit ganz eigenem Ausdruck an dem fahlen Gesicht des Weibes, die ihn hier ungewollt ausgelöschte – die ihn hatte retten wollen … –

Noch seltsamer dann …:

Klar und deutlich kamen von des Sterbenden Lippen letzte Worte, – Worte, die den wahren Charakter Doktor Percy Gouldens enthüllten:

„Fürstin, grämen Sie sich nicht, weil das Schicksal der Kugel Ihrer Büchse noch ein zweites Ziel gab …! Fürstin, mag Ihnen mein Tod eine Mahnung für die Zukunft sein …! – Ich habe diese von mir geschaffenen Scheusale auf meine Art geliebt … Ich sterbe – ihretwegen! Alles rächt sich auf Erden, Fürstin, … alles! Schonen Sie meine Tiermenschen, wenn Sie können … Und …!

Keine Silbe mehr nach diesem letzten Wort …

Ein Aufbäumen des Leibes …

Und Percy Goulden war hinüber in eine andere, bessere Welt … –

Mafalda erhob sich taumelnd …

Warf die Tür des Kuppelraumes ins Schloß, drehte den Schlüssel um …

Handelte wie im Traum …

Bückte sich, hob Gouldens Leiche mit kräftigen Armen empor und trug sie hinab in den ersten Stock, legte sie hier in des Negers Jack kleinem Zimmer auf das Bett…

Und eilte nochmals nach oben, holte die beiden Büchsen, warf noch einen schauernden Blick auf den toten Tiermenschen und hastete nach unten, verriegelte die Turmtür …

Da aber versagten nun auch ihre Nerven …

Wie gebrochen lehnte sie an der Wand …

Und ein trostloser Gedanke durchirrte stets von neuem ihr überreiztes Hirn:

‚Nun bist du allein mit dem kranken verwundeten Geliebten und der vor Angst halbirre Negerin …! Bist also die einzige Verteidigerin des ausgedehnten Gebäudes …!’

Tiefe Mutlosigkeit meißelte dicke Kerben um ihren Mund …

So stand sie da, die beiden Repetierbüchsen in der Linken …

Und auf dem hellen Stoff des Flanellanzugs schimmerte tiefrot und anklagend ein großer Fleck an der einen Schulter: Gouldens Blut …! –

Plötzlich hob die Fürstin Sarratow lauschend den tief gesenkten Kopf …

Wechselte wieder die Farbe …

Dumpfes Dröhnen durchtönte von unten her die Flure des Hauses …

Helles Splittern von brechendem Holz folgte den donnernden Schlägen …

Mafalda begriff…

Die Affenmenschen zertrümmerten die Jalousien …!!

Und wie gehetzt flog sie ins Krankenzimmer zu Gaupenberg …

Wortlos umschlang sie ihn, riß ihn an sich, drückte ihm die Waffen in die gesunde rechte Hand …

Schleppte ihn … nach oben, in den Turm …

Beantwortete keine seiner Fragen …

Jagte wieder hinab, um die Patronenkästchen, die noch auf der untersten Treppenstufe standen, zu holen.

Und machte kehrt …

Kehrte dvor drei grimmen Gestalten, die soeben die Haupttreppe emporkeuchten …

Warf die Turmtür knallen zu … Bohrte den Schlüssel ins Schloß … sicherte diesen Zugang …

Hatte kaum das polierte Eichenholz zwischen sich und die Angreifer als Scheidewand verschlossen, als auch schon eherne Fäuste von der anderen Seite gegen diese Tür schmetterten …

Mafalda wußte kaum, wie sie dann in den Kuppelraum gelangte …

Ihre Glieder flogen …

Grauen und Entsetzen durchschrillte ihre Stimme:

„Viktor … Viktor … – die Affenmenschen …!! Sie kommen …!!“

Graf Gaupenberg hatte soeben mühsam einen hier hängenden Staubmantel Gouldens um die nur mit einem langen Nachthemd bekleideten Glieder geschlungen.

„Wir werden uns verteidigen,“ sagte er fest, und sein vornehm stolzes Gesicht rötete sich unter dem weißen Stirnband … „Diese Stunde, Mafalda, vergesse ich dir nie …! – Da, reiche mir deine Büchse …!“

Und als er sie in der Hand hatte, als er den Verschluß öffnete, um zu sehen, wieviel Patronen der Rahmen noch enthielt, fand er … den Rahmen leer …

Mafalda verfolgte seine Handbewegungen …

„Leer!!“ sagte Gaupenberg dumpf. „Hast du noch Patronen bei dir, Mafalda?“

Der Fürstin Augen wurden glanzlos …

„Nur die in meiner Büchse, Viktor,“ flüsterte sie heiser …

Und zitternd öffnete sie nun auch den Verschluß ihrer Waffe …

„Zwei … zwei Patronen …!“ lallte sie …

Gaupenberg schaute stumm hinaus durch das eine Fenster über die im Abendrot zauberhaft schöne Gebirgslandschaft …

Stumm …

Und unten dröhnten wuchtige Hiebe gegen poliertes Holz …

Unten durchtobten Gouldens Geschöpfe die Räume des Observatoriums …

 

69. Kapitel.

In der Brandung …

Die unendliche erbärmliche Feigheit des Verbrechers Lomatz, sein bestialischer Vernichtungstrieb und seine dämonische Freude am Morden traten nie so deutlich hervor wie jetzt auf dem mittleren der drei Robigas-Eilande, wo Gaupenbergs Wunderboot Sphinx hoch auf der flachen Spitze eines einzelnen Felswürfels ruhte und der Verbrecher nun, allein an Bord, das Maschinengewehr zunächst auf die wehrlosen Kabylen, auf Abd el Sarfas Leute richtete.

Erbärmliche Feigheit …!

Denn – ein nervöses Zittern hatte alle Glieder des Elenden vor Erregung flackern lassen, als er blitzschnell den Entschluß faßte, sich hier nicht nur seines Verbündeten Jimminez, sondern auch der anderen unbequemen Mitwisser des kostbaren Geheimnisses der Goldmilliarden zu entledigen …

Der Wille zur Tat, zur Untat war da …

Aber nebenher auch die Angst, daß ihm selbst doch irgend eine Gefahr drohen, daß der teuflische Plan mißglücken könnte …

Bebende Hände hatten das Maschinengewehr gepackt …

Bebende Finger lösten den Hebel, sandten so die Kugelsaat hinab in die braunen Leiber tapferer Marokkaner…

Schlau glaubte er zu handeln, daß er zuerst die knatternde Kugelspritze auf die Leute Abd el Sarfas richtete und die drei Hauptpersonen des Dramas, Jimminez, Abd el Sarfa und die seltsame maskierte Frau im Mövenflügelkleide, schonte …

Die Rechnung war falsch …

Der Blutrausch war über ihn gekommen, machte ihn blind …

Er sah die zehn braunen Krieger hingemäht wie reifes Korn, sah die roten Blutspuren auf den hellen Mänteln …

Fegte noch einmal hinweg über den Haufen todwunder Männer mit erbarmungslosen Geschossen …

Und – sah zu spät, daß die drei, die seine Mordgier bis zuletzt aufgespart hatte, auf die einfachste Weise sich nach dem ersten lähmenden Schreck in Sicherheit gebracht hatten. Sie waren bis zum Felswürfel geflüchtet, hatten sich hier eng an das Gestein geschmiegt und waren so unerreichbar für jede heimtückische Kugel – vorläufig wenigstens, vorläufig, denn über ihnen buchtete sich der Fels im Bogen nach außen und lag wie ein Dach über ihnen …

Gerade hier, wo sie in dieser Weise Schutz gefunden, hing neben ihnen noch das Tauende hinab, an dem Alfonso Jimminez, der patalonische Geheimagent, vorhin zur Erde abwärts geklettert war.

Abd el Sarfa tat jetzt einen Sprung zur Seite, nahm den langen gebogenen Marokkanerdolch zwischen die Zähne und ergriff das Tau, wollte nach oben – an Deck der Sphinx – und den feigen Mörder unschädlich machen.

Sein stolzes kühnes Gesicht war aschfahl vor ungeheurer Wut …

Dort, keine fünfzehn Meter entfernt, lagen seine Krieger, heimtückisch hingemordet …

Und dort oben der Mörder …! Er sollte ihm nicht entgehen …!

Da – eine leichte Hand krallte sich in seinen Burnus ein, eine schmale, sonnengebräunte Frauenhand …

Die der Maskierten …

„Überlassen Sie das mir,“ sagte die rotblonde Maskierte schlicht. „Ich werde den Mann gefügig machen … Wenn Sie, Abd el Sarfa, den Kopf auch nur über die Reling der Sphinx höben, würde ein einziger Schuß Ihre Tollkühnheit schlecht lohnen …“

Und sie drängte ihn beiseite …

Eine rasche Handbewegung, und der theatralische Aufputz des Möwenmantels sank herab …

Schneeweiße, wundervoll geformte Frauenglieder zeichneten sich in edlen Linien scharf von dem dunklen Gestein ab …

Nackt bis zu den Hüften war die Frau, bot die feste, zarte Büste ohne Scheu den Blicken der beiden Männer dar …

Und um Hüften und Oberschenkel schmiegten sich kurze, türkische, sehr weite Frauenbeinkleider aus gelbroter, golddurchwirkter Seide …

Die schmalen feien Hände packten das Tau …

Und mit einer kraftvollen Gewandtheit, wie sie kaum Abd el Sarfa besaß, kletterte die Frau jetzt waffenlos noch oben … –

Waffenlos – –?!

Ein Weib in der Blüte ihrer Jahre, ein Weib von solcher Gestalt, von so sinnverwirrender Schönheit, brauchte keine Waffen …

Ihr Schutz war ihr Leib …

Und – das wußte die Maskierte …

Löste jetzt auch die plumpe entstellende Rindenmaske vom Gesicht und schob sie in den seidenen Gürtel …

Schwang sich dann wie ein Blitz über die Reling hinweg …

Und drei Schritt vor ihr Edgar Lomatz, der Feigling, der Mörder, der erbärmliche Sklave jedes Weibes, das seine Sinne reizte …

Mit erhobener Pistole stand er da …

Und – mit halb offenem Munde …

Ein blöder Ausdruck ungläubigen Staunens lag auf seinem runden, nichtssagenden Gesicht …

Der Ausdruck veränderte sich …

Der Seewind spielte in dem frei herabwallenden prächtigen Haupthaar der Frau, über deren Antlitz nun ein Lächeln flog – wie ein stummes brünstiges Gewähren …

Lomatz schlug das Blut in heißer Welle in die Wangen …

Seine Augen weiteten sich …

Gier flammte in ihm auf …

Und doch, die Angst vor Jimminez und Abd el Sarfa saß ihm zu tief im Herzen!

Erst jetzt erkannte er, welch ungeheure Unvorsichtigkeit es gewesen, das Tau, die Verbindung zum Erdboden, nicht emporzuziehen …!

Gier und Angst stritten in ihm …

Die Angst siegte …

Und mit heiserer Stimme, immer noch auf das schlanke Weib zielend, rief er:

„Knoten Sie den Strick dort los – werfen Sie es hinab! Sofort!!“

Die Frau nickte lächelnd …

Wandte sich um, löste das Seil …

Es glitt hinab … –

Lomatz atmete auf …

„Wer sind Sie?“ fragte er auf gut Glück in spanischer Sprache.

Und die Frau erwiderte ebenfalls auf spanisch:

„Die Herrin dieser Insel, Sennor …“

Lomatz konnte eine Bewegung des Staunens nicht unterdrücken …

„Die Herrin dieser Insel? – Was heißt das?“

Sie lächelte weiter …

Aber Lomatz hatte sich vorhin getäuscht … Dieses Lächeln enthielt mehr als nur weibliche Koketterie – mehr als nur dirnenhaftes Locken …

Ein überlegener Spott war darin, ein unendlicher Hochmut, Geringschätzung und stolzes Selbstbewußtsein.

„Ich bin die Herrin von Mala Gura,“ wiederholte die Rotblonde. „Und wer sind Sie? – Jimminez konnte mir noch nicht alles mitteilen. Wir haben nur wenige Worte gewechselt … – Wer sind Sie, Sennor? – Ein … feiger Mörder, – das weiß ich schon … – Ihr Name?“

Lomatz verfärbte sich wieder.

Diesmal vor Wut …

„Was wagen Sie!“ brüllte er wütend. Und – lachte schrill auf …

„Sie scheinen zu vergessen, daß ich zur Zeit Herr der Insel bin!“ fügte er hämisch hinzu. „Und – auch der, dem sie zu gehorchen haben! – Mörder – – Mörder!! – Nun gut, mag sein …! Dann wissen Sie wenigstens, daß ich … kein Waschlappen bin, schöne Sennorita …“

Er fand sich wieder, er wurde wieder ganz er selbst …

Tückische Gemeinheit leuchtete aus seinen Augen. Sein rechter Arm streckte sich straffer, schob die Pistole noch näher dem Weibe entgegen …

Nochmals das schrille Lachen …

„Denken Sie etwa, das … Ihr Bordellkostüm hier den Ausschlag gibt, schöne Sennorita …?! – Sie irren …! – Immerhin – Sie sollen mich begleiten, aber als meine Gefangene … Ich werde mit der Sphinx sofort aufsteigen … Und dann …“

Er schwieg …

Das vieldeutige Lächeln, die starre Ruhe der Unbekannten verwirrte ihn. Er fühlte dunkel, daß hier … das Schicksal ihm gegenüberstand …

Fühlt Ähnliches, wie Abd el Sarfa es empfunden hatte, als er der Steinhütte auf der Halbinsel drüben sich genähert hatte … –

Etwas wie Hilflosigkeit überkam den Verbrecher …

Er wußte plötzlich, er würde nicht den Mut haben, dieses Weib niederzuschießen, wenn es auf ihn eindrang! Er wußte es, und – gerade deshalb suchte er diese Schwäche durch einen doppelt brutalen Ton zu verheimlichen …

„Gehen Sie mir voraus, dort in die Luke des Mittelturmes hinein!“ rief er grob und drohend. „Wenn Sie auch nur eine Sekunde zögern, drücke ich ab, so wahr ich Edgar Lomatz heiße!“

„Ah – Lomatz also …! – Sennor Lomatz, Sie sind wenig galant …“

Sie schaute flüchtig nach der Luke hin. Die Sphinx und ihre Eigentümlichkeiten waren ihr fremd …

Dann nickte sie …

„Gut – ich gehorche, Sennor Lomatz … Wir werden uns ja noch näher kennen lernen …“

Das Lächeln blieb …

Sie schritt dem Mittelturm zu – ohne Hast, mit graziösen leichten Bewegungen … Stolz – aufrecht, ganz so, als sei sie sich ihrer halben Nacktheit gar nicht bewußt …

Der Lukendeckel war hochgeklappt und durch die Eisenstange abgestützt …

Wieder glitt ein rascher Blick der Frau über diese Einzelheiten hin …

Sie klomm die kleine Treppe abwärts …

Und über ihr Lomatz – immer noch wachsam – vielleicht mißtrauischer denn je in dem Gefühl, daß dieses Weib als Gegnerin noch gefährlicher als eine Mafalda Sarratow …

Dann … ein blitzschneller Griff der Frau …

Die Stütze glitt zur Seite …

Und krachend fiel der schwere Lukendeckel zu …

Ein ebenso blitzschneller Satz hatte die Frau vor dem herabfallenden Deckel in Sicherheit gebracht.

Ebenso rasch hatte sie den Lukenriegel vorgeschoben.

War jetzt im Inneren der Sphinx eingeschlossen, sicher vor Lomatz, der drei Sekunden zu spät abgedrückt hatte …

Die Kugel war gegen den gummigepolsterten Eisenrand des Deckels geflogen und seitwärts abgeglitten …

Lomatz tobte, fluchte …

Wollte die Luku wieder öffnen …

Mühte sich umsonst ab …

Sah nun auch, daß die Metallblenden der beiden runden dicken Lukenfenster von innen vorgeschoben wurden, daß das Sehrohr langsam eingezogen ward …

Keine Möglichkeit gab es für ihn, in das Innere der Sphinx zu gelangen …

Keine …

Hier auf Deck in der sengenden Glut der Nachmittagssonne war er selbst nun … ein Gefangener …

Unten am Felswürfel Jimminez und Abd el Sarfa – zwei erbarmungslose Gegner …

Und unter ihm im Luftboot die andere Feindin – die Rotblonde …

Er selbst bewaffnet mit der einen Repetierpistole, die nur noch von Patronen enthielt …!

Eine ungeheure Wut, ein wilder Haß gegen das Weib, das ihn überlistet hatte, flammte in ihm auf …

Jene Wut aller feigen Seelen, die … ebenso schnell zerflattert, wenn Unerwartetes geschieht, die nicht das Große, Starke kraftvoller Energie als erhabenes Fundament besitzt …

Und – hier geschah etwas Unerwartetes …

Hier hatten Abd el Sarfa und Jimminez, zwei Männer, deren Seelen sich nur in einem Punkte glichen: kühner Tatkraft! sowohl den dumpfen Knall der Waffe, als auch den anderen des zuschlagenden Lukendeckels und ebenso Lomatz’ wilde Flüche deutlich vernommen …

Reimten sich das Geschehene ungefähr zusammen …

Einigten sich rasch … Hoben das herabgeworfene Tau empor und knoteten einen dicken kantigen Stein an dem einen Ende fest.

„Überlassen Sie mir diesen Versuch,“ sagte der Kabyle zu Jimminez. „Wir Marokkaner sind als geschickte Steinschleuderer bekannt …“

Und, vorsichtig aus der Deckung des überhängenden Felsens hervortreten, setzte er Tau und Stein in kreisende Bewegung, wirbelte den Stein immer rascher im Kreise, bis er durch eine bestimmte Handbewegung die Richtung änderte und der Stein fast steil nach oben stieg – – und dann dicht über der Reling sausend hinwegfuhr, am freien Fluge immer noch behindert durch das Tau, dessen anderes Ende Abd el Sarfa fest um den linken Arm geschlungen hatte. –

Lomatz war dem gefährlichen Steingeschoß nur durch einen raschen Sprung nach rückwärts ausgewichen. Er hatte sich gerade über die Reling gebeugt gehabt, um nach den beiden Männern unten Ausschau zu halten …

Neue Flüche geiferten über seine verzerrten Lippen.

Wahnsinnige Angst preßte ihm jetzt das feige Herz zusammen …

Was nützte ihm hier die Pistole?!

Nichts – nichts …!

Er kauerte jetzt neben dem Mittelturm, glaubte sich hier am besten geschützt …

Wartete … wartete auf einen zweiten Angriff dieser Art …

Schweißperlen rannen ihm über das schwammige Gesicht …

Die Wut war dahin …

Nur jämmerliche Angst erfüllte seine erbärmliche Seele …

Er wußte, was ihm bevorstand, wenn Jimminez und der Kabyle ihn in ihre Gewalt bekämen …

Und zergrübelte sich den schlauen Kopf, wie er aus dieser trostlosen Lage sich wieder befreien könnte …

Fand kein Mittel …

Erkannte seine Ohnmacht …

Dann – fuhr mit dumpfen Sausen abermals der fast zentnerschwere Stein über das Deck hin …

Das Tau streifte die Reling, und – krachend schlug der Felsbrocken gegen die helle Deckumrandung, klatschte auf die Deckplanken … verfing sich in dem in die Planken eingelassenen starken Haken, der für die Ankerkette der Sphinx bestimmt war …

Im Nu war Lomatz da über das Deck geglitten …

Die große Klinge seines Taschenmessers säbelte über die dicken Strähnen des Hanftaues hin …

Aber diese Klinge war stumpf und schartig, stumpf geworden bei der qualvollen Arbeit dort drüben auf der Südinsel, als Lomatz sich einen Weg durch das Dornengestrüpp bahnen mußte … –

Unten zerrte der Kabyle mit aller Kraft an dem Tau …

Jimminez half ihm …

Bis Abd el Sarfa leise rief:

„Er will es zerschneiden, den Stein entfernen … Da – spüren Sie die schwachen Rucke, Sennor?“

Und – flüsterte weiter, hieß den Geheimagenten das Tau straff spannen, begann emporzuklimmen – mit unglaublicher Geschwindigkeit … –

Lomatz’ wilde Angst hatte jegliche kühle Überlegung erstickt …

Sinnlos handelte er, als er wie verzweifelt das Tau kappen wollte, sinnlos, weil er darüber völlig das wichtigste vergaß, seine Feinde scharf im Auge zu behalten!

Und das wurde ihm zum Verhängnis.

Diese Feinde regten sich – von zwei Seiten gleichzeitig.

Mit überraschender Lautlosigkeit und Kraft hob die rotblonde Frau jetzt den Lukendeckel empor.

Sie hatte durch das eine Fenster die Vorgänge beobachtet. Die Scharniere des schweren Deckels waren gut geölt. Und gerade, als sie, mit einem aus Gaupenbergs Kabine geholten Revolver in der Hand, auf ihren nackten Füßen über die sauber gescheuerten Deckplanken auf den knienden Verbrecher und Mörder von hinten zuglitt, erschien am Rande der Reling ebenso lautlos der Kabyle …

Ein Panthersatz Abd el Sarfas, und er hatte Lomatz mit seinem Körper zu Boden gedrückt, – – sein rechter Arm fuhr hoch zum tödlichen Stoße …

Wie ein rötlicher Blitz flammte die Dolchklinge im Abendlicht …

Lomatz’ armseliges Leben hing hier an einem hauchdünnen Spinnwebfädchen …

Über ihm der Kabyle – halb auf seiner Brust knieend – mit der Linken ihm die messerbewaffnete Hand umklammernd …

Totenblässe überflog des Elenden Gesicht … Grauenvolle Todesangst flackerte in dem irren Blick …

Es – – sollte nicht sein …

Er sollte am Leben bleiben …

Das Schicksal hatte ihm längst eine andere Todesart bestimmt …

Zweierlei geschah …

In doppelter Weise griff die unergründlichen Vorsehung hier ein …

Die Rotblonde, dieses Weib mit der junonischen Gestalt, deren Nacktheit des künstlerhaften Ebenmaßes der Glieder wegen wie etwas Hehres, Heiliges wirkte, rief dem Kabylen befehlend zu:

„Keinen Mord, Abd el Sarfa …!! Keinen Mord! Er soll gerichtet werden, aber auf andere Art!“

Und doch hätte sie das Verhängnis vielleicht nicht mehr aufhalten können, da der tapfere Sohn Nordafrikas, dieser stolze gebildete Abkömmling eines freien kriegerischen Volkes, nur nach dem ehernen Gesetz der Wildnis handeln wollte: Auge um Auge, Zahn um Zahn!

Sein gutes Recht war’s, Lomatz die breite flammende Klinge ins verräterische Herz zu stoßen, denn dort unten lagen ja im Abendrot die Leichen seiner zehn nicht minder tapferen Stammesgenossen, hingemäht durch das knatternde Maschinengewehr … –

Immerhin – eine Sekunde lang unterbrach der stoßbereite Arm die kraftvolle Abwärtsbewegung …

Und da – geschah das andere …

Da war’s, daß drei Meilen weiter südlich auf dem Nachbareiland Christophoro der geheimnisvolle Fator die lohenden Schlangen in hineinschickte in die acht Büchsen, gefüllt mit Sprengstoff, dazu bestimmt, die Grotte am Westrande durch die Kraft der Explosion zu öffnen …

Der ungeheure Luftstoß dieser gewaltigen Sprengung pflanzte sich auch hier nach allen Seiten fort …

Und die Sphinx, deren Auftriebshebel so gestellt waren, daß das Luftboot nur gerade die Kuppe des Würfelfelsens leicht berührte, daß es also nicht mit seiner vollen Schwere auf dem Gestein lastete, erhielt den Stoß der Explosionswellen gerade von der Seite, rutschte nach Norden zu von dem mächtigen Steinsockel und kam beim Entlangschrammen über die Felskante so schief zu liegen, daß ihr Deck, wenn auch nur ganz kurze Zeit, fast senkrecht zum Erdboden stand.

So schnell geschah dies, so plötzlich, daß Abd el Sarfa mit einem Male über Lomatz hinwegkollerte …

Und Lomatz, in solchen Augenblicken höchster Todesnot stets von katzenhafter Gelenkigkeit, riß sich los, sah auch die Rotblonde gegen die Backbordreling taumeln – und rutschte blitzschnell zur Luke, verschwand im Innern des Luftbootes, das jetzt bereits wieder horizontal und nur drei Meter über dem Boden schwebte und vom Winde langsam dem Strande zugetrieben wurde …

Lomatz hatte den Lukendeckel hinter sich geschlossen, hatte dann sofort auch mit grimmem Lächeln den Auftriebshebel im Führerstand herumgerückt …

Und – wie ein Pfeil ging da die Sphinx empor, ins Sonnengold des klaren Abends …

Alfonso Jimminez aber, Geheimagent von Patalonia, hing unterhalb der Sphinx an einem Tau, kletterte höher und höher, bis Abd el Sarfa ihm über die Reling half.

Hier auf Deck standen nun die drei, die Frau, die beiden Männer …

Und Jimminez sagte – mit einem Achselzucken, das seine Gleichgültigkeit gegen den Tod bewies:

„Wir sind in Lomatz’ Hand …! Er wird uns … morden! Er kann es …!“

Abd el Sarfa, dem all die wunderbaren Eigenschaften der Sphinx noch fremd, meinte zweifelnd:

„Morden?! – Nun gut, mag der Schurke im Innern des Bootes in Sicherheit sein – er wird sich nicht herauswagen …! Er ist viel mehr unser Gefangener, als wir seine Gefangenen sind …“

Mit pfeifendem Geräusch strich jetzt ein Luftstrom über das Deck der Sphinx hin …

Scharfe Zugluft umwehte die drei …

Die Sphinx steuerte in jagender Hast gen Süden, der Insel Christophoro zu, an deren Klippenkränzen Tag und Nacht ruhelos eine ungeheure Brandung ihren Gischt empor zum Himmel spritzte …

Eine Brandung, in der kaum sieben Stunden vorher Abd el Sarfas Schoner ‚Mauretania’ in Trümmer gegangen …

Und – fast genau an derselben Stelle, wo der Schoner ‚Mauretania’ gescheitert war, ließ Lomatz die Sphinx rasch sinken, bis die Wassertropfen der haushohen Brandungswogen über das Deck stoben …

Und hier, wo die gierigen Wellen nur zerfetzte Körper tapfer Kabylen vorhin an den Strand getragen hatten, beging der Verbrecher die neue Untat – erbarmungslos – ohne Bedenken …

Er kannte jeden Handgriff im Führerstand der Sphinx …

Er kannte alles hier … Er war’s ja gewesen, der Gaupenbergs fliegendes Wunderwerk vor Wochen aus der Bootshalle am stillen deutschen Bergsee entführt hatte …

Hier jetzt … schüttelte er seine drei Feinde jählings ab wie lästige armselige Käfer, die eine grausame Hand in eine Wassertonne schleudert …

Zwei – drei Hebel riß er herum …

Klammerte sich selbst an dem Schreibtisch fest …

Und blitzartig schoß die Sphinx, die Spitze nach oben gekehrt, aufwärts …

Drei Menschen sausten, völlig überrascht durch dieses Manöver, vom Deck in die Brandung hinab … –

Die Sphinx nahm wieder die richtige Lage an …

Lomatz kam man Deck …

Beugte sich über die Reling …

Und – – fuhr zurück …

Stierte in die Tiefe …

Ein gräßlicher Fluch entschlüpfte seinen Lippen …

 

70. Kapitel.

Flammen um den Turm …

Wenn irgendjemand, sei es wer es sei, ob Kannibale oder überkultivierter Großstädter, an diesem warmen Juniabend durch einen Zufall jenes Tal in Westen des Monte Rossa auf der Azoreninsel San Miguel betreten hätte, in dem vor einer Stunde Agnes Sandens seltsame Macht über die Tiere selbst die rachedürstenden Geschöpfe Doktor Gouldens, die nicht Mensch, nicht Gorilla waren, aber doch menschliche Vernunft besaßen, gezähmt hatte, so wäre er gewiß starr vor Staunen wie angewurzelt stehen geblieben, würde mit der Hand über die Augen gefahren sein und … zu träumen geglaubt haben …

Denn dort in jenem Talwinkel, wo Agnes für die Wildziege, deren Milch der Halbverschmachteten neue Kraft verliehen, in der Einbuchtung der Felswand eine Art Stall gebaut hatte, dort flackerte ein gewaltiges Feuer, über dessen Flammen am dicken Holzspieße ein Widder briet.

Zischend tropfte das Fett in die Glut, und behaglich drehte Pasqual Oretto, der Hafentaucher von Lissabon, den auf Gabelästen ruhenden Spieß und schaute nur zuweilen mit zufriedenem Blick rundum …

Da saßen noch an demselben Feuer Agnes Sanden, Gottlieb Knorz und die Affenmenschen, – da lagen mitten unter ihnen die prächtigen gelbfahlen Rüden Cäsar und Pluto …

Und auf des treuen Gottlieb Schoß lag Kognak, der halbblinde Teckel …

In der Nähe aber weidete die jetzt an einen Baststrick gebundenen Wildziege die spärlichen Gräser ab …

Murat, der klügste der Tiermenschen, saß zur Linken des lieblichen blonden Mädchens. Zu ihrer rechten Gottlieb Knorz.

Die wilden Instinkte der Artgenossen Murats waren jetzt völlig vor den reinen menschlichen Regungen der Dankbarkeit gegenüber dem jungen Weibe und dessen Beschützern zurückgetreten.

Was die acht Affenmenschen, in deren Herzen doch ebenfalls das Verständnis für freundliche oder brutale Behandlung wohnte, noch nie kennen gelernt hatte, das hatten sie hier bei diesen drei Weißen gefunden, nicht nur freundliche, sondern sogar herzliche Wärme und … Gleichberechtigung, Anerkennung als … vernunftbegabte Wesen! –

Murat, der über den größten Wortschatz der englischen Sprache verfügte, war nach dem rasch zu Stande gekommenen Friedensschluß zwischen beiden Parteien sofort bereit gewesen, mit seinen Gefährten in den tiefer gelegenen Urwald hinabzusteigen und für alle ein Wildbret zu erlegen.

Schon nach einer halben Stunde war die kleine Schar dann wieder mit dem durch Steinwürfe zur Strecke gebrachten Wildschafe und einer Unmenge Früchte zum Lagerplatz zurückgekehrt.

Und – seltsam und wieder ein Zeichen menschlicher Intelligenz! – dort im Urwalde hatten die rostbraunen behaarten Ungetüme sich aus Rindenbast eine Art Lendenschurz hergestellt, um ihre Blöße zu bedecken – Agnes wegen!

Murat war’s, der die Seinen zu dieser ihnen bisher fremden dürftigen Bekleidung angeregt hatte.

Und nun saßen die acht Affenmenschen hier mit um das Feuer herum – wie Menschen, hörten zu, was Agnes, Pasqual und Gottlieb sprachen und schnatterten nur zuweilen ganz leise miteinander in ihrer Gorillamundart, die sie schon als Säuglinge von ihren Affenmüttern gelernt hatten.

Einer war unter ihnen, auch ein Männchen wie Murat. außerdem gab es noch drei Weibchen unter der Rotte, der als ältester, stärkster bereits vorhin etwas widerwillig dem Friedensschluß zugestimmt hatte.

Baru hieß er …

Und dieser Baru saß etwas abseits und kaute mißmutig halb reife Bananen.

Ihm gefiel es nicht, daß man hier aus Rücksicht auf die drei ermüdeten, hungrigen Weißen lagerte. Er wäre lieber sofort aufgebrochen und nach Gouldens Steingebäude zurückgekehrt, das von den übrigen Tiermenschen belagert wurde.

Zu seinem Ärger aber hatte Murat, der sich hier so plötzlich die Rolle eines Anführers angemaßt hatte, wiederholt erklärt, daß man noch immer zeitig genug dort am Hause Doktor Gouldens zur Stelle sein würde, um den endgültigen Sturm gegen das Gebäude mitzumachen. –

Jetzt stach Pasqual mit dem langen Messer zur Probe in den brutzelnden Braten …

„Fertig!“ rief er. „Murat, sucht flache Steinplatten als Teller … Wir wollen das Fleisch gerecht verteilen.“

Bald begann der Schmaus …

Agnes lächelte, als sie die Affenmenschen schmatzend das saftige Fleisch verschlingen sah …

Sie nickte Murat freundlich zu …

„Als Nachtisch dann die Früchte, die ihr gebracht hab,“ meinte sie …

„Oh, die besten hat Baru weggefressen, weiße Miß,“ rief der kluge Murat und drohte Baru mit der behaarten Faust. „Schon im Käfig war Baru stets unersättlich, weiße Miß …“

Agnes lachte Baru an …

„Ihr sollt euch nicht streiten, ihr …“ – Sie hatte Affenmenschen sagen wollen. Aber sie unterdrückte das Wort. Es hätte Gouldens Geschöpfe verletzen können.

Und nach kurzem Nachsinnen fuhr sie fort:

„Man müßte für eure Rasse, Murat, eine besondere Bezeichnung prägen, die …“

„Das hat Doktor Goulden längst getan,“ unterbrach Murat sie mit einem Aufflammen in den kleinen tiefliegenden Augen. „Er nannte uns: Homgori, und hat dieses neue Wort, wie er mir erklärte in einer der bitteren Lehrerstunden, von dem lateinischen Ausdruck Homo, der Mensch, und von Gorilla abgeleitet, – daher Homgori …!“

„Gut – also Homgori, Mehrzahl Homgoris, seid ihr,“ meinte Agnes mit ihrer sanften, einschmeichelnden Stimme. „Und wir alle sind Freunde, gute Freunde, nicht wahr, Baru?“

Sie hatte sehr wohl bemerkt, daß Baru eine schwer zugängliche, widerspenstige Natur war. Sie wollte auch ihn nun ganz für sich gewinnen, nahm den Rest ihrer Fleischportion, stand auf und brachte sie dem geradezu riesenhaften Baru, setzte sich neben ihn und sagte herzlich:

„Da – iß nur, Baru … Ich bin satt …“

Baru grunzte …

Im nu hatte er das Fleisch verschlungen.

Dann stierte er Agnes unaufhörlich ins Gesicht, sog die Luft prüfend ein und brummte in seinem kaum verständlichen Englisch:

„Gutes Geruch von weiße Miß – gutes Geruch … Besser als unsere Weibchen …“

In seinen Augen glomm langsam ein besonderes Funkeln auf …

Er wurde unruhig, rutschte hin und her und stieß knurrenden Laute aus …

Da rief Murat plötzlich Agnes zu:

„Weiße Miß, du und deine Freunde, ihr solltet jetzt schlafen … ausruhen … Und dann müssen wir zu Gouldens Steingebäude zurückeilen …“

Agnes sprang empor.

Sie war froh, daß sie einen Grund hatte, sich aus Barus Nähe zu entfernen. Sie ahnte dunkel, daß ihre holden weiblichen Reize nicht ohne Eindruck auf den gigantischen Baru geblieben waren.

Auch Gottlieb und Pasqual erhoben sich.

Rasch war dann in einer geschützten Ecke zwischen hohen Steinen ein Mooslager hergerichtet. Gottlieb bat Agnes, daß sie sich zwischen ihm und Pasqual niederlege. So sei sie am besten geschützt.

Auch er hatte ja bemerkt, daß Baru fraglos als ausgewachsenes Männchen die Lüsternheit nur schwer hatte unterdrücken können. Er wollte Agnes daher nach Möglichkeit den Blicken des gewaltigen Affenmenschen entziehen. –

Die Homgoris legten sich am Feuer nieder, während die Rüden zu Füßen des Mädchens sich zusammenrollten. Die Wildziege war in ihren Grottenstall gebracht worden.

Ruhe herrschte im Tale …

Der Mond stieg über die Randberge empor und warf milden Schein über Mensch, Homgori und Tier.

Das Feuer erlosch …

Ganz leise säuselte der Wind in den Schroffen und Zacken der Talwände …

Agnes schlief nicht, hatte wieder die Augen geöffnet …

Ihre Gedanken weilten in Gouldens Observatorium, bei ihrem kranken einstigen Verlobten …

Und – bei Mafalda Sarratow, der Intrigantin, die ihr das strahlende bräutliche Glück für immer zerstört hatte …

Und je länger sie sich ausmalte, wie die Verführerin Mafalda jetzt alles versuchen würde, Viktor Gaupenberg wieder für sich zu gewinnen, je mehr sie sich die Lage der von den Homgoris belagerten Insassen des Observatoriums vergegenwärtigte und die furchtbare Gefahr überschaute, in der die Eingeschlossenen schwebten, desto ruheloser und munterer wurden sie …

Neben ihr atmeten die beiden grauhaarigen Männer tief und regelmäßig, schliefen den Schlaf des gesunden Alters …

Sie beneidete die beiden fast …

Wie Fieber raste die Unruhe in ihren Adern …

Sie richtete sich halb auf, stützte den Kopf in die eine Hand, blickte hinüber zu dem nur noch schwelenden Lagerfeuer, sah die dunklen Gestalten der acht Homgoris auf dem kahlen Gestein eng nebeneinander liegen, die dich behaarten Arme als Kopfkissen benutzend …

Und wieder glitten ihre Gedanken hinweg über die nahe Hochebene zum Monte Rossa – zum Observatorium … –

Waren’s nur die Nerven, die ihr jetzt den Knall von Schüssen vortäuschten …?

Sie lauschte …

Setzte sich aufrecht …

Hörte nichts mehr …

Pasqual erwachte. Er hatte stets einen leisen Schlaf gehabt. Agnes Sandens Bewegung hatte ihn im Nu ermuntert.

„Gefahr?“ fragte er flüsternd, um Gottlieb nicht zu wecken …

Agnes wandte ihm ihr jetzt blasses, von Angst zerwühltes Gesicht zu …

„Ich glaubte Schüsse in der Ferne zu hören, Freund Pasqual,“ erwiderte sie ganz atemlos. „Ich konnte nicht schlafen … Mir wäre es lieber, wenn wir jetzt aufbrechen würden. Mitternacht ist vorüber.“

Der Portugies benetzte mit der Zunge den rechten Zeigefinger und hob ihn empor, prüfte so die Windrichtung.

„Ostwind!“ nickte er … „Das wäre die Richtung des Observatoriums. Aber bis dahin sind’s drei bis vier Meilen. So weit dringt kein Knall einer Büchse …“

Und nach kurzem Überlegen:

„Vielleicht ist’s wirklich ratsam, dort einmal noch bei Dunkelheit nach dem Rechten zu sehen, obwohl ich nicht glaube, daß Murats Artgenossen das Haus stürmen können … Goulden hat doch fraglos übergenug Schußwaffen und Munition …“

Und – er rüttelte Gottlieb Knorz, rief:

„Hallo, Amigo, – Aufbruch – Aufbruch! Es wird Zeit!!“ –

Auch die Homgoris am erloschenen Lagerfeuer schnellten jetzt hoch …

Murat kam herbei, fragte Agnes, ob der Marsch zum Steinhause nun angetreten werden solle …

„Gut,“ nickte er. „Gut, weiße Miß, du wirst dann auf meinem Rücken reiten …“

Agnes wollte ablehnen, Murat jedoch schien dies als Kränkung aufzufassen, und so versprach sie ihm denn, ihn als Reittier zu benutzen.

Sie ging nun noch schnell nach der Hürde der Wildziege hinüber und führte das Tier ins Freie, streichelte ihm den Rücken und scheuchte es davon …

Die Ziege ahnte wohl, daß sie wieder zu ihrem Trupp zurückkehren könnte, daß man ihr die Freiheit schenke. Und doch blieb sie schon nach wenigen Schritten stehen und schaute sich um, gerade so, als ob ihr der Abschied von Agnes schwer würde.

Spontan eilte die junge Frau nochmals zu ihr hin, bückte sich, drückte den Kopf des Tieres gegen ihre Wange und sprach weiche, zärtliche Worte …

Dann versetzte sie ihr einen leichten Schlag, und diesmal sprang die flinke wilde Bewohnerin der Berghänge mit frohem Meckern von dannen, war sehr bald auf dem schmalen Wildpfade des nächsten Berges verschwunden. –

Agnes nahm den Baststrick, den Pasqual der Wildziege geflochten hatte, und stellte daraus für sich eine Art Traggerüstet her, das sie dann Murat um die Schultern legte. So hatte er es leichter und bequemer, sie auf dem Rücken reiten zu lassen.

Als nun aber Baru, der Riese, sah, daß Murat die weiße Miß sich aufbürdete, drängte er sich heran und knurrte wütend:

„Ich der stärkste bin, Murat … Ich die weiße Miß nehmen …!“

Und so böse und angriffslustig schien er zu sein, daß Agnes rasch beschwichtigend ihm zurief:

„Nachher trägst du mich, Baru … Jeder von euch soll mich eine Strecke tragen.“

Baru gab sich damit zufrieden.

Der Zug ordnete sich jetzt.

Voraus schritt Pasqual, einen Baumast als Stütze benutzend.

Ihm folgte Murat, der Agnes trug, und neben diesem klügsten der Homgoris hielten sich die beiden Rüden.

Als nächster kam Gottlieb, Agnes gleichsam den Rücken deckend, auch mit einem Ast als Wanderstab. Sein Begleiter war Baru, und hinter diesen beiden schlossen sich die übrigen sechs Affenmenschen an.

Pasqual als Führer nahm die Richtung auf die Hochebene, auf der die zahllosen Maultiere des Züchters Sennor Rovenna weideten.

Der beschwerliche Weg wurde in raschem Tempo zurückgelegt. Als man erst die Hochebene erreicht hatte, kam man noch schneller vorwärts.

Hier sah man im Mondlicht überall starke Trupps prächtiger Maultiere grasen, die vor dem seltsamen Zuge aber stets schleunigst die Flucht ergriffen.

Und hier war’s gewesen, wo die beiden Maultierhirten den Tod gefunden, wo Agnes dann beinahe von Cäsar und Pluto zerrissen worden wäre …

Dort nach Norden zu aber erhob sich jener Kraterberg, in dessen Innerem Pasqual um Gottlieb so furchtbare Stunden verlebt hatten, bevor sie dann hinab in Gouldens Käfighöhle gelangten …

Und hier auf der Hochebene verlangte Baru, der Riese, ganz plötzlich, daß die weiße Miß jetzt Maruts Rücken verlasse und auf dem seinen Platz nehmen solle.

Man hatte gerade halt gemacht, um eine vobeigaloppierende Maultierherde zu beobachten, als Baru in seinem unangenehm knurrenden Tone sein Recht, Agnes tragen zu dürfen, in dieser Weise geltend machte.

Gottlieb flüsterte dem jungen Mädchen rasch zu, lieber zu Fuß zu gehen, damit jeder Streit vermieden würde.

Agnes meinte denn auch, indem sie sich scheinbar heiter an Baru wandte:

„Ich danke dir, Baru … Ich bin gar nicht sehr müde … Ich werde jetzt auch Murat nicht weiter zur Last fallen. Ich kann die letzte Strecke Wegs recht gut zu Fuß zurücklegen …“

Und flink sprang sie aus ihrem Traggerüstet heraus, rutschte zu Boden und rief:

„So – nun vorwärts! – Es scheint ja bereits Tag zu werden …“

Pasqual blickte prüfend nach Osten …

Dort war wirklich ein heller Schein zu bemerken.

Baru, der jetzt noch mit ansehen mußte, wie Agnes dem klugen Murat die Hand reichte und sich herzlich bei ihm bedankte, bekam plötzlich einen Wutanfall und stürzte sich, fraglos einer Regung wilder Eifersucht folgend, auf den jüngeren und schwächeren Murat, umfing ihn mit den muskelstrotzenden Armen und wollte ihm das starke Gebiß in die Kehle vergraben …

Zum Glück hatte Gottlieb Ähnliches vorausgesehen …

Indem er die Hunde auf den so jäh wieder zum Tiere herabgesunkenen Baru hetzte, holte er mit seinem Baumast aus und schlug dem Homgori so kräftig damit über den Schädel, daß der tollwütige Angreifer taumelnd von seinem Gegner abließ …

Kaum hatte Murat die Arme wieder frei, kaum hatten sich auch die beiden Rüden zähnefletschend vor Baru aufgestellt, als Murat die anderen Homgoris, die sich bisher zurückgehalten, in der schrillen Affensprache zu Hilfe rief …

Baru war bei den Seinen wenig beliebt, und mit dumpfem Knurren und laut hallenden Trommelschlägen gegen die mächtigen Brustkasten rückten ihm nun auch die sechs Artgenossen drohend auf den Leib …

Ein Kampf schien unvermeidlich …

Agnes war’s wieder, die das Schlimmste verhütete …

Ohne Scheu trat sie dicht vor Baru hin und streckte die Hand nach seiner Schulter aus, legte diese zarte Hand wie liebkosend auf die mit rostbraunen Haaren bedeckte Achsel des Riesen und meinte sanft:

„Du willst mich tragen, Baru … Du bist wirklich der stärkste von euch …“

Barus Wut war im Nu verraucht …

„Weiße Miß gut sein,“ gurgelte er hervor … „Weiße Miß gut reiten auf Barus Rücken …“

Er grinste vergnügt … Und ohne jede böse Nebenabsicht nahm er Agnes nun auf den Rücken, hielt sie mit einem Arm fest und schaute Pasqual fragend an …

Und das hieß: ‚Weshalb wandern wir jetzt nicht weiter? Ich bin bereit …’ –

Der Portugiese aber stierte noch immer gen Osten …

Dort hatte der helle Schein, den Agnes für den ersten Tagesschimmer gehalten, nun eine rötliche Färbung angenommen …

Pasqual ahnte, was die rote Lohe bedeutete …

Mochte aber Agnes wegen seine Befürchtungen nicht aussprechen.

Da wurde das junge Mädchen von selbst auf die veränderte Färbung des Lichtschimmers aufmerksam …

Und – sofort begriff sie …

Rief in jäher Angst:

„Gouldens Haus brennt.!! Das ist ein Feuer dort – – ein gewaltiges Feuer! Eilen wir – – eilen wir!“

Murat hatte alles verstanden …

Erbot sich jetzt, Knorz zu tragen, damit man schneller vorwärts käme …

Und ein anderer Homgori nahm Pasqual auf den Rücken …

So ging’s nun im Laufschritt weiter …

Acht Affenmenschen – im Laufschritt …

Neben ihnen die trabenden Rüden …

Und Kognak, der Teckel, in Gottliebs Arm auf Murats Schultern …

So ging’s wie die wilde Jagd dem Feuerschein entgegen …

Über die Hochebene hinweg – wieder in den Wald hinein – in die Berge und Täler …

Ohne Rast – ohne Aufenthalt … –

Baru betrug sich jetzt durchaus gesittet …

Ihm machte diese nächtliche Wanderung Freude. Er war stolz darauf, daß er Agnes tragen durfte. Alle brünstigen Gedanken wurden hier durch die körperliche Anstrengung wohltuend abgelenkt.

Mit einer Schnelligkeit strebten die Homgoris vorwärts, daß man schon nach einer halben Stunde die Abgänge des Monte Rossa erreicht hatte.

Steil aufwärts raste der Trupp nun …

Und dann – die letzte Felsenecke, die noch den Ausblick auf das brennende Haus versperrte …

Baru sprang als erster um diese Ecke …

Stutzte dann – stand still …

Keine hundert Meter entfernt das in Flammen stehende Haus …

Aus Fenstern und Türen leckte die freudige Lohe, die nur im Innern Nahrung fand, heraus …

Der Wind trieb Qualm und Funken gen Westen …

Ganze Funkengarben schossen aus den Fensteröffnungen heraus … –

Als Agnes diesen in der Nacht doppelt schauerlichen Anblick so unvermittelt von Barus Rücken aus erlebte, stieß sie unwillkürlich einen gellenden Angstruf aus …

Nur des Geliebten wegen – nur Gaupenbergs wegen, der vielleicht dort in den Flammen zu elendem Tode verurteilt war …

„Weiter – weiter, Baru …!!“ rief sie dann …

Und wieder setzte Baru sich in Galopp, rannte der Terrasse zu …

Bis an einem Gebüsch drei – vier Affenmenschen hervorsprangen, ihm den Weg vertraten – rot beleuchtet von dem blendenden Schein der Feuersbrunst, deren Hitzewellen schon hier das Atmen erschwerten …

Vier Homgoris waren’s …

Die letzten Überlebenden …

Vier, die jetzt in satanischer Freude wie die Teufel vor Baru und Agnes umherhüpften und dabei die geballten Fäuste zu dröhnendem Trommeln gegen die Brust schlugen …

Und – – dann wieder die Arme hochreckten zum Turme des Observatoriums, der, von Flammen umwogt, selbst noch nicht brannte …

In einem der obersten Turmfenster aber zwei Menschen …

Ein Mann … ein Weib …

Gaupenberg – Mafalda …

Da – – aus Agnes Munde ein neuer Schrei …

Bewußtlos glitt sie von Barus Rücken …

Wurde gerade noch von Gottlieb aufgefangen, der soeben mit Murat herbeigeeilt war …

Auch die übrigen nahten: Pasqual, die befreundeten Homgoris, die Hunde …

Und alle diese, Mensch, Halbtier und Tier, verhielten jetzt regungslos …

Hörten vom Turm her den Hilferuf einer Frauenstimme …

Stierten alle nach oben …

Empor zu den beiden, die niemand mehr retten konnte …