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Das Rätsel der Schonerjacht

 

 

 

Der Detektiv

 

Kriminalerzählungen

von

Walther Kabel.

 

Band 92:

 

Das Rätsel der Schonerjacht[1]

 

Nachdruck verboten. Alle Rechte einschließlich Verfilmungsrecht vorbehalten. Copyright by Verlag moderner Lektüre G. m. b. H., Berlin 26. – 1923.

 

1. Kapitel.

John Laccemoor.

Wir waren in Japan.

Wir hatten uns Tokio gründlich angesehen, waren wieder nach Nagasaki zurückgekehrt und hörten hier, daß die Motorjacht Rania Maru inzwischen von dem amerikanischen Milliardär Pierpont Narrow angekauft worden war.

Die Rania Maru hatte ihre Geschichte. Mit einem toten Zigeuner fing sie an, und mit Harakiri endete diese Geschichte. Das alles steht im vorigen Band.

Wir trafen am Kai in Nagasaki Landsmann Schlenter, den Kapitän der Rania Maru. Der erzählte uns sofort, daß die Jacht nun in anderen Besitz übergegangen sei.

„Ihre Koffer sind noch an Bord, meine Herren. Narrow legt Wert darauf, daß Sie die Koffer persönlich holen. Weshalb weiß ich nicht. Er hat die ganze Besatzung mit übernommen, mich eingerechnet. Mir soll’s recht sein. Er bezahlt anständig.“

Schlenter hatte den Motorkutter der Jacht am Kai bereit. Die Rania Maru lag weiter draußen vor Anker. Als wir an Bord kamen, war es acht Uhr abends. Wir ahnten nicht, daß wir eine Viertelstunde später eine Geschichte hören sollten, die noch weit merkwürdiger war als die des toten Zigeuners.

Narrow, ein Witwer von einigen fünfzig Jahren, empfing uns überaus liebenswürdig. Er saß gerade mit seinem Privatsekretär John Laccemoor bei der Arbeit, das heißt, er diktierte Briefe, Depeschen und ließ seine Milliarden wie ein Heer zum Kampf aufmarschieren.

Wir mußten Platz nehmen. „Warten Sie einen Augenblick. Ich bin sofort fertig,“ sagte er und wandte sich wieder an Laccemoor, einen geradezu verhungert aussehenden Menschen mit dem Gesicht eines Asketen.

Dann war Narrow frei. „Gott sei Dank!“ meinte er aufatmend und reckte die massige Gestalt. „Gott sei Dank – nun kommen meine Privatangelegenheiten heran! – Eine Frage zunächst, Mr. Harst: Sind Sie als Detektiv zur Zeit unbeschäftigt? – Ja? Das trifft sich gut, sehr gut sogar. Ich kann Sie brauchen. Mir ist da etwas zugestoßen, das einfach unglaublich ist. Laccemoor weiß Bescheid. Sonst noch niemand. Also – meine Schonerjacht Nevada ist verschwunden, mit der ganzen Besatzung, mit meiner Nichte Evelyn, deren Gesellschafterin Miß Graner und der Zofe Luzie Ward.“

„Wo?“ fragte Harald, indem er sich eine Zigarette aus der Schale nahm, die Narrow ihm hinhielt.

„Das weiß ich nicht!“ –

Auch ich bediente mich. Laccemoor reichte uns Feuer. Wir saßen jetzt um den Tisch im Salon herum.

„Ich will Ihnen alles im Zusammenhang erzählen,“ fuhr Narrow fort. „Wir waren zuletzt mit der Nevada in Bombay. Dort erhielt ich eine Depesche, daß hier in Japan eine große Sache schwebte. Ich wollte mich beteiligen. Laccemoor und ich fuhren am 6. Oktober mit einem Dampfer hier nach Tokio. Evelyn blieb mit der Nevada in Bombay, wollte uns dann von hier abholen. Das war vor zwei Wochen, Mr. Harst. Die Nevada verließ Bombay am zehnten Oktober. Seitdem hat sie kein Mensch mehr gesehen – nur gehört, das heißt, ich erhielt hier eine drahtlose Depesche von der Nevada, ein Chiffretelegramm, das etwa lautete:

Besondere Umstände zwingen mich, mit der Nevada zu verschwinden. Laß nicht nach uns suchen. Evelyn.

Ist das nicht geradezu toll, Mr. Harst?!“

„Wann erhielten Sie die Depesche?“

„Am 13. Oktober abends – ausgerechnet am dreizehnten!“

„Die Nevada hat also Funksprucheinrichtung. – Über den Absendeort der Depesche ist nichts bekannt?“

„Nichts. – Ich beauftragte dann –“

„Einen Augenblick, Mr. Narrow. Ich bin gewohnt, sehr sorgfältig vorzugehen. Daher erst noch einige andere Fragen. – Hatten Sie mit Ihrer Nichte besondere geheime Chiffren für den Telegrammaustausch vereinbart? Wenn ja – wer kannte außer Ihrer Nichte diesen geheimen Kode noch?“

„Ich merke, Sie wollen feststellen, Mr. Harst, ob Evelyn auch wirklich die Absenderin der Depesche ist. – Meine Nichte – ich bin Witwer und habe keine eigenen Kinder – ist die Tochter meines einzigen Bruders Edward und erbt einmal mein Vermögen. Sie lebt seit zehn Jahren in meinem Hause. Unser gegenseitiges Verhältnis ist überaus herzlich. Evelyn und ich benutzen stets einen geheimen Kode für Depeschen, den nur wir beide kennen und den wir häufiger wechseln. Es ist daher ausgeschlossen, daß nicht Evelyn, sondern jemand anders die Depesche abgeschickt haben könnte.“

„Danke, Mr. Narrow. Nun fahren Sie fort –“

„Nach Empfang dieses merkwürdigen Telegramms beriet ich mich mit Laccemoor. Ich beauftragte dann die Leiter meiner Zweigniederlassungen in Bombay, Kolombo, Madras und Singapore, in aller Stille nach dem Verbleib der Nevada zu forschen. Nur der Bombayer meldete folgendes. Hier ist die Übertragung seiner Chiffredepesche –“

Er reichte Harald ein mit Bleistift beschriebenes Blatt.

„Nach Ihrer Abreise habe ich Miß E. dreimal in Begleitung zweier Herren gesehen. Europäer, mir und hier unbekannt. Einmal begegnete ich Miß E. tief verschleiert zu Fuß im Eingeborenenviertel. Sie kam aus dem Laden eines bekannten Wucherers, eines Persers Hassan Mirza. Schickte zu Mirza hiesigen zuverlässigen Detektiv Chester Connword; konnte nichts ermitteln. Sonst nichts. – Ermig.“

„Und weiter wissen auch Sie nichts, Mr. Narrow?“ meinte Harald nun.

„Nein. Die Nevada ist also jetzt neun Tage überfällig, Mr. Harst, – Grund genug zu ernstester Beunruhigung. Ich habe hier nun die Rania Maru gekauft. Sie ist das schnellste Schiff in Ostasien. Sagen Sie, was geschehen soll –“

Narrows kurze Art war ganz nach Haralds Geschmack.

„Nach Bombay, Mr. Narrow –“

„Sie bleiben gleich an Bord?“

„Ja.“

„Dann gehen wir um Mitternacht in See –“ –

Wir behielten unsere Kabine auf der Rania Maru. Wir waren hier an Bord so gut wie zu Hause.

Um neun Uhr soupierten wir mit Narrow, Schlenter und Laccemoor. Um zehn traf eine neue Chiffredepesche des Bombayer Vertreters Ermig ein, der nebenbei ein Deutscher war, wie der Milliardär uns noch mitgeteilt hatte.

Die Depesche lautete:

„Detektiv Connword hat durch Bestechung eines Angestellten Mirzas festgestellt, daß Miß E. dreimal bei dem Wucherer war und dort ihren Schmuck verpfändet hat. Sie erhielt dafür 20 000 Pfund Sterling. Connword behauptet, daß Liebesgeschichte mitspielt. – Ermig.“

Laccemoor hatte die Depesche übertragen. Als Narrow sie las, erbleichte er, sprang auf und lief im Salon erregt hin und her. Er beherrschte sich jedoch sehr bald, nahm wieder Platz und sagte ärgerlich:

„Dieser Connword ist ein Narr. Ein Mädchen von dreiunddreißig Jahren wie Evelyn hat die Zeit der Romantik und Schwärmerei hinter sich.“

Harst, der in der Sofaecke saß, fragte dann:

„Miß Evelyn erhält von Ihnen doch wohl ein sehr reichliches Taschengeld, Mr. Narrow?“

„Allerdings! Sie hat’s wahrlich nicht nötig, Schmuck zu versetzen! – Wie konnte sie nur! Wozu brauchte sie 20 000 Pfund?!“

Der stattliche Mann grübelte finster vor sich hin.

John Laccemoor, der spindeldürre Sekretär, strich sich bedächtig über den kurz geschorenen, schon leicht ergrauten Kopf.

„Miß Evelyn sammelt Altertümer,“ warf er leise ein.

„Unsinn, Laccemoor, – Unsinn! Wenn Evelyn Geld brauchte, hätte sie doch zu Ermig gehen können!“ Er schlug sich mit der geballten Faust auf den Schenkel. „Das alles muß aufgeklärt werden – muß! Sie werden es tun, Mr. Harst. Ich habe Vertrauen zu Ihnen. Laccemoor hält zwar von allen Detektiven nichts, aber ich habe meinen Kopf für mich!“

Der Sekretär lächelte. „Mr. Harst wird jetzt denken, ich hätte Ihnen abgeraten, sich an ihn zu wenden, Mr. Narrow, was doch keineswegs der Fall ist.“

„Na – zugeredet haben Sie mir auch nicht gerade, Laccemoor! Wir wollen ruhig bei der Wahrheit bleiben. Mr. Harst ist sicherlich nicht empfindlich.“

„Keineswegs,“ nickte Harald und gähnte verstohlen.

Wir gingen dann in unsere Kabine hinüber. Sie lag dem Jachtsalon gerade gegenüber. Neben uns wohnte Laccemoor, nach dem Heck zu, auf der anderen Seite befanden sich die beiden Räume Narrows.

Harald schaltete die Deckenlampe ein, blieb mitten in der Kabine stehen und horchte nach dem Gang hinaus.

„Laccemoor sprach von Altertümern,“ flüsterte er. „Also wollte er uns wohl auf eine falsche Spur lenken, was Miß Evelyns Geldausgaben betrifft.“

„Denselben Eindruck hatte auch ich –“

„Er weiß etwas, mein Alter, – fraglos weiß er etwas. Er riet Narrow ab, uns heranzuziehen. Wir werden mit diesem Laccemoor die Arbeit anfangen. Wir schlafen abwechselnd. Einer wacht stets. Laccemoor muß beobachtet werden.“

Ich war ganz einverstanden. Dieser Sekretär hatte ja die reine Fuchsvisage. Hinter den Gläsern seiner Brille lauerten ein Paar Augen, die viel zu ausdruckslos waren, um harmlos sein zu können. –

Bald lag ich im Bett. Harald hatte sich einen Stuhl an die Kabinentür gerückt und das Licht wieder ausgedreht.

Ich konnte nicht einschlafen. Die Depesche Evelyns an ihren Onkel beschäftigte mich immer wieder.

„– zwingen mich, mit der Nevada zu verschwinden. Laß nicht nach uns suchen.“

Ja – Narrow hatte ganz recht: die Depesche war ein tolles Stück! – Und dann Evelyn in Bombay: zwei fremde Europäer, der Wucherer Hassan Mirza! – Da war schwer ein Vers draus zu machen! –

Kurz vor zwölf hörte ich, daß die Ankerketten der Rania Maru durch die Klüsen rasselten. Dann begannen die Motoren zu arbeiten. Die Jacht verließ den Hafen. Bald schaukelte sie draußen auf offener See.

Ich war jetzt doch eingeschlafen. Dann rüttelte mich jemand: Harst!

„Viel Neues, mein Alter,“ flüsterte er im Dunkeln neben mir. „Laccemoor schlich vorhin an Deck auf die Brücke und – ins Marconihäuschen. – Begreifst Du?! Er hat telegraphiert! Er blieb eine halbe Stunde drinnen. Steuermann Germer hatte die Wache auf der Brücke. Als Laccemoor verschwunden war, fragte ich Germer aus. Er hält zu uns. Er ist verschwiegen. Laccemoor hat ihm gesagt, er wolle nur probieren, ob die Apparate der Rania Maru ebenso gut sind wie die der Schonerjacht. – Schwindel natürlich. Germer hat gehört: es wurde telegraphiert! Wir sind also schon einen Schritt weiter, lieber Alter.“

Jetzt war ich an der Reihe, Harst abzulösen. Ich kleidete mich rasch an.

Gegen vier Uhr morgens – ich hatte unsere Kabinentür eine Handbreit geöffnet – huschte Laccemoor der Treppe zu.

Ich ihm nach. – Und – wieder stieg er auf die Brücke. Wieder betrat er die Marconizelle.

Mir genügte diese Feststellung: ich war überzeugt, daß er die Antwort auf seine Depesche entgegengenommen hatte.

Ich weckte Harald.

„Gut, gut,“ meinte er. „Lege Dich jetzt nur ebenfalls zu Bett. Es muß gleich hell werden.“

„Ich will doch lieber noch warten –“ – Und so saß ich denn abermals neben der Tür und spähte in den matt erleuchteten Gang hinaus.

Laccemoor kehrte bald zurück. Kaum war er in seiner Kabine verschwunden, als ein zweiter Mann, diesmal nicht von der Treppe, sondern von der Schiffsküche her, erschien und bei Laccemoor leise anpochte. Er wurde sofort eingelassen. Dieser Mann war der neue Schiffskoch, den Laccemoor in Nagasaki besorgt hatte, ein Chinese!

Als ich Harald mitteilte, wer jetzt bei Laccemoor weilte, setzte er sich im Bett aufrecht!

„Schraut, Schraut, – die Geschichte wird vielversprechend. Laccemoor hat den Koch besorgt, also ist der Koch ein alter Bekannter von ihm.“

„Hm – der Sekretär ist doch aber bereits über fünfzehn Jahre bei Narrow und genießt dessen vollstes Vertrauen.“

„Trotzdem kann’s ein Schuft sein, mein Alter –“ Er machte eine Pause. „Der Mann kommt mir vor wie der berüchtigte Intrigant aus einem Volksstück. Ich mag ihm Unrecht tun. Vorläufig spricht alles gegen ihn.“

„Und die Depesche Evelyns?“

„Sollte Laccemoor den zwischen Narrow und Evelyn vereinbarten Kode nicht kennen? Er als Privatsekretär! – Nimm mal an, Laccemoor habe Sorgen – Geldsorgen. Er mag spekuliert haben. Er mag auf andere Dummheiten verfallen sein. Jedenfalls: diesen Mann bedrückt etwas. Er hat ein schlechtes Gewissen. Wenn Du ihn unauffällig beobachtet hättest, würdest Du –“

Die Unterbrechung, die Haralds Ausführungen hier beendete, war so eigenartig, daß auch wohl Harst vor Verlegenheit genau so rot wurde wie ich.

Ich muß noch bemerken: mein Bett stand an der Wand nach Laccemoors Kabine hin. – Die Kabinenwände waren auch hier wie sehr oft auf Jachten aus zwei Holzwänden mit einer Korkschicht dazwischen hergestellt. Das sah man über der Tür am Ventilatorenausschnitt. Das Holz war dunkelrot poliert und bis zu anderthalb Meter Höhe mit einem hellen, bunten Bastgeflecht bespannt, welches als Abschluß eine Goldleiste hatte.

Durch dieses Bastgeflecht erklang nun von Laccemoors Seite her plötzlich die Stimme des Sekretärs:

„Sie irren, Mr. Harst. Ich habe kein schlechtes Gewissen, habe weder betrogen noch spekuliert. – Verzeihen Sie, daß ich gelauscht habe. Ich mußte es tun. Als ich mich vorhin zu Bett legte, stieß ich mit dem Ellenbogen gegen die Wand, gegen die Bastbespannung. Mein Bett steht gerade an dieser gemeinsamen Wand. Da klappte, durch den Stoß gelöst, ein viereckiges Stück der Wand herab. Sie beide waren von mir daher nur noch durch die Bastbespannung auf Ihrer Seite getrennt. Obwohl Sie nur flüsterten, mußte ich doch jedes Wort verstehen. Ich hörte meinen Namen nennen. Wer hätte da wohl der Versuchung widerstanden, den Lauscher zu spielen, zumal die letzten Ereignisse mich so stark beunruhigt haben?! – Wenn Sie gestatten, komme ich sofort zu Ihnen hinüber. Ich möchte Ihnen so manches anvertrauen, damit Sie sehen, daß ich kein – Schuft bin.“

„Kommen Sie,“ erklärte Harald. „Sie hätten sofort Vertrauen zu uns haben sollen.“

 

2. Kapitel.

Ein Piratenstreich.

Harst schaltete das Licht ein.

Laccemoor klopfte und trat ein. Er trug einen schwarzseidenen Schlafanzug, der ihm sehr komisch um die dürren Glieder schlotterte.

Ich blieb im Bett liegen. Harald und der Sekretär setzten sich zu mir.

Laccemoor begann dann – ebenfalls in einer Art Telegrammstil, den er sich wohl von Narrow angewöhnt hatte – oder umgekehrt Narrow von ihm.

„Miß Evelyn ist jetzt zehn Jahre bei Mr. Narrow, sozusagen als Adoptivkind. Schon vor drei Jahren merkte ich, daß sie insgeheim zu Leuten in Beziehung stand, die sie nur unter großen Vorsichtsmaßregeln besuchte. Narrow wohnt ja zumeist in Neuyork. Außer diesen Beziehungen zu jenen Männern fiel mir noch auf, daß sie selbst für ihre Person sehr bescheiden war und trotzdem plötzlich große Summen ausgab – scheinbar für Antiquitäten. Ich stellte fest, daß sie die Preise für diese Altertümer Narrow stets falsch angab. Regelmäßig hatte sie nur die Hälfte von dem bezahlt, was sie Narrow als Kaufpreis nannte. Ich mußte annehmen, daß das übrige Geld jenen beiden Herren zufloß. Es werden dies dieselben sein, mit denen Evelyn jetzt in Bombay gesehen wurde. Meine Versuche herauszubringen, wer diese Leute waren, schlugen fehl. Die beiden waren auch bald aus Neuyork verschwunden. Doch – die Geldausgaben blieben dieselben. Evelyn sandte heimlich hohe Beträge an einen Mr. William Prenn nach – Bombay. – So vergingen drei Jahre –“

Harst unterbrach ihn hier.

„Mr. Laccemoor, hat Miß Evelyn vielleicht mal eine Liebschaft gehabt?“

„Nein. Bestimmt nicht, obwohl sie noch heute ein hübsches, frisches Mädchen ist, nur stets sehr ernst. – Also – nach drei Jahren, und das war Mitte September dieses Jahres, wollte Evelyn durchaus wieder einmal nach Indien. Narrow hatte sich inzwischen die Schonerjacht Nevada bauen lassen. Da er Evelyn keinen Wunsch abschlägt –“

„– weil er vielleicht in seine Nichte verliebt ist,“ warf Harald ein.

„Ja – es scheint so, Mr. Harst. Jedenfalls – wir segelten mit der Nevada erst nach Kalkutta, dann nach Bombay, weil Evelyn angeblich Bombay von allen indischen Städten am interessantesten fand. Diese Sehnsucht nach Bombay, wohin sie ja so und so oft Geld an William Prenn gesandt hatte, kam mir so verdächtig vor, daß ich den zweiten Koch der Nevada, einen mir sehr ergebenen Chinesen, vor unserer Abreise nach Japan – Narrow und ich fuhren ja allein hierher – dazu bestimmte, seine Stellung zu kündigen und als mein Spion in Bombay zurückzubleiben. Jeder an meiner Stelle hätte so gehandelt. Ich hielt mich als Vertrauter meines Herrn für verpflichtet, Evelyns dunkle Beziehungen aufzuklären. Der zweite Koch, Kwei Jang mit Namen, schickte mir dann einen Freund nach, weil er Wichtiges erkundet hatte. Dieser Freund ist unser Schiffskoch Tsuliu. Kwei Jang hatte ihm mündlich genau aufgetragen, was er mir ausrichten sollte. – Es war dies folgendes: Evelyn hatte in Bombay sofort nach unserer Abreise sich in ein Hotel begeben, wo zwei Amerikaner, William Prenn und Allan Orkry, wohnten. Diese beiden waren dann, nachdem Evelyn ihnen die 20 000 Pfund, den Erlös aus der Verpfändung ihrer Juwelen, übergeben hatte, mit einem Heuerbas[2] in Verbindung getreten, der für sie acht zuverlässige Matrosen anwerben mußte. Diese acht Leute segelten am 10. Oktober abends in einem Kutter mit ihren Schiffskisten in die offene See hinaus. Eine Stunde später verließ die Nevada dann den Hafen. – Dies waren die vielsagenden Nachrichten, die ich von Kwei Jang erhielt. Außerdem sollte ich aber heimlich durch Marconidepesche in Hongkong bei Kwei Jangs Bruder nach weiteren Neuigkeiten nachfragen. Dies tat ich vorhin um zwei Uhr morgens. Kwei Jangs Bruder ist Marconitelegraphist bei der internationalen Marconigesellschaft und konnte mir daher schon nach zwei Stunden Antwort senden. – Hier ist sie. Ich werde sie Ihnen vorlesen:

Aus Bombay nur das eine, daß der Segelkutter der acht Matrosen herrenlos treibend aufgefischt worden ist.

Sie sehen also, Mr. Harst, daß all das, was Sie als mich verdächtigend sich ausgelegt haben, mich nur insofern bloßstellt, als ich Evelyn eben habe beobachten lassen. Ich tat recht damit, wie die Entwicklung der Dinge zeigt. Evelyn, behaupte ich, hat mit Hilfe Prenns, Orkrys und der acht Matrosen die Nevada – gekapert, in ihren Besitz gebracht und entführt. Dies mag noch so unwahrscheinlich klingen. Aber – geben Sie mir eine bessere Lösung, Mr. Harst.“

„Das kann ich nicht. Ich bin wie Sie überzeugt, daß die Nevada durch Evelyn geraubt wurde,“ erklärte Harald ohne Zögern.

Dann reichte er Laccemoor die Hand. „Entschuldigen Sie, daß wir Sie so übel eingeschätzt haben. Es tut mir aufrichtig leid.“

„Oh – das trage ich Ihnen wirklich nicht nach, Mr. Harst.“ Er seufzte leicht. „Nur – helfen Sie mir, Narrow dieses Unheil zu verheimlichen! Fraglos liebt er seine Nichte, nicht als Onkel, sondern als Mann. Bedenken Sie, wie furchtbar ihn die Enttäuschung treffen muß, wenn er erfährt, daß er einer Undankbaren, einer Abenteurerin –“

„Stopp, stopp – soweit sind wir noch nicht, lieber Laccemoor. Verfallen Sie nicht in denselben Fehler, den ich schon vorhin, was ihre Person angeht, gemacht habe: vorschnelle Beurteilung der Motive der Handlungsweise eines Menschen! – Sie sprachen da soeben das Wort Abenteurerin aus. Ich möchte Ihnen vorhalten, daß Evelyn ein glänzendes Leben führte, daß sie Anwartschaft auf eine Milliardenerbschaft hatte! Wer wird bei so günstigen Zukunftsaussichten sich auf fragwürdige – Abenteuer einlassen?! Es müßte dies denn gerade ein sehr unruhiger Charakter sein, dem das friedliche Genießen des Daseins zu langweilig ist! – Ist Evelyn ein solcher Charakter?“

„Nein. Wenigstens schätze ich sie so nicht ein, obwohl – ja, obwohl ihr Vater Edward Narrow noch heute in Klondyke als Goldgräber sich herumtreibt und für ein seßhaftes Leben verloren ist.“

Wir beide hatten Laccemoor überrascht angeschaut. Ein Goldgräber als Bruder des weltbekannten Milliardärs Pierpont Narrow war eine Kuriosität.

„Es ist so, meine Herren,“ nickte der Sekretär. „Edward Narrow hat in seinem Leben wohl nur in Blockhütten und Zelten geschlafen. Die Brüder haben sich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Edward, der bedeutend ältere, war froh, als Pierpont ihm sein einziges Kind Evelyn abnahm, die in der Wildnis in Klondyke aufgewachsen ist.“

Harald blickte sinnend durch das runde Kabinenfenster auf das Meer hinaus. Der Tag war bereits angebrochen.

„Sie meinen also, Laccemoor, daß Evelyn zu viel von dem Abenteurerblut des Vaters in den Adern haben könnte?“ fragte er bedächtig.

„Ja – was soll ich Ihnen da antworten?! Ich glaube es – ich glaube es auch nicht! Wenn ich ohne jede Voreingenommenheit urteilen soll, dann sage ich: Nein – Evelyn ist Dame von Welt, hat sehr wenig Phantastisches, Romantisches an sich!“

„Desto unerklärlicher wäre die Entführung der Nevada! – Evelyn muß damit doch einen bestimmten Zweck im Auge gehabt haben! Waren denn an Bord der Nevada Sachen von großem Wert?“

„Nein!“

„Nun also! Will Evelyn moderne Piratin spielen?! Der Gedanke ist zu lächerlich! – Weshalb also der Diebstahl der Jacht?!“

„Wenn man das wüßte!“ Und John Laccemoor seufzte kläglich. Fügte hinzu: „Nun wird Ihnen auch verständlich sein, weshalb ich Sie und Mr. Schraut nicht gern als Helfer durch Narrow herbeigerufen haben wollte. Ich fürchtete, Sie würden –“

Er schwieg.

Da war jemand soeben die Treppe herabgekommen, klopfte bei Laccemoor an.

Der Sekretär eilte zur Tür, öffnete und winkte.

Kapitän Schlenter trat ein, machte große Augen und sagte dann zögernd:

„Es ist soeben eine Chiffredepesche für Sie eingetroffen, Mr. Laccemoor –“

Der Sekretär setzte sich sofort an den Tisch und übertrug das Telegramm.

Inzwischen weihte Harald den Landsmann Schlenter in alles ein.

Schlenter, ein noch junger Mann, war einer von den Kapitänen der neuen Zeit, ein feingebildeter Mensch von tadellosen Umgangsformen.

Still hörte er zu.

„Sie fragen mich um meine Ansicht als Seemann, Herr Harst,“ meinte er nun achselzuckend. „Ja – auch ich kann nur sagen: Schiffsraub!“

Da drehte Laccemoor sich um.

„Hören Sie, meine Herren. Kwei Jangs Bruder meldet folgendes:

Besatzung der Schonerjacht in Aden gelandet. Gibt an, daß die Nevada gleich nach Ausfahrt von Bombay am 10. Oktober abends acht Matrosen, angeblich Schiffbrüchige, an Bord nahm. Besatzung wurde durch Schlaftrunk wehrlos gemacht und fand sich auf einsamer Insel der Lakkadiven-Gruppe nach Erwachen am Strande liegen. Jacht war verschwunden. Zugleich mit der Jacht, nimmt Hafenbehörde Aden an, wurden Evelyn und die beiden anderen Frauen entführt, um von Narrow Lösegeld zu erpressen. – Besatzung, alle sieben Leute, unterwegs nach Bombay. Meldung an Narrow steht bevor.“

„Unglaublich!“ meinte Schlenter. „Die Miß hat also tatsächlich die Nevada gekapert.“

Harst blickte Laccemoor an.

„Ob wir Narrow nicht lieber die Wahrheit mitteilen? Weshalb sollen wir ihn in dem Glauben belassen, daß Evelyn entführt wurde?! Mir widerstrebt das!“

„Dann tun Sie es, Mr. Harst. Narrow wird unter diesem Schlag zusammenbrechen. Ich kenne ihn. Seine Leidenschaft für Evelyn ist stärker als Sie ahnen.“

„Und doch: einmal muß er es erfahren. – Gut, ich übernehme es, ihm die Augen zu öffnen –“ –

Wir trennten uns dann. Harald und ich schliefen noch ein paar Stunden. Vormittags um neun fanden wir uns im Salon zum Frühstück ein. Laccemoor drückte sich, als wir eintraten.

Was er vorausgesagt hatte, geschah: Narrow stierte Harst wie einen Verrückten an! Der Schweiß lief ihm über das fahle Gesicht.

Dann schnappte er nach Luft, goß sich ein Wasserglas voll Kognak und stürzte es hinab.

Er bot einen bejammernswerten Anblick dar.

„Das – das ist das verfluchte Blut meines Bruders!“ stöhnte er. „Das ist Edwards Tochter – das Kind des Abenteurers.“

Wir erhoben uns und ließen ihn allein. Es war am besten so. Mochte er mit dieser Enttäuschung allein ohne Zeugen fertig werden. –

Eine halbe Stunde drauf erschien er an Deck. Er schwankte etwas. Er war – betrunken. Aber sein Geist war klar.

„Mr. Harst,“ sagte er eisig, „die Wahrheit bleibt geheim – verstanden?! Wir werden die Welt täuschen. Evelyn ist entführt. Wir werden sie schon finden, diese – diese –“

Er drehte sich kurz um und trat an die Reling. –

Eine Stunde später fingen die Apparate der Rania Maru eine Depesche auf. Es war die Mitteilung an Narrow, daß die Nevada gekapert und die Besatzung ausgesetzt worden sei. Der Hafenkommandant in Aden hatte sofort drei Kreuzer ausgeschickt, die die Schonerjacht suchen sollten. –

Narrow erklärte hierzu finster: „Hoffentlich haben sie keinen Erfolg! Mir soll die Blamage erspart werden, daß meine Nichte mich so schmählich hintergangen hat. Ich will mit Evelyn allein abrechnen. Mr. Harst, Sie können mein halbes Vermögen haben: suchen Sie die Nevada!“

„Das werde ich, Mr. Narrow. Ich möchte aber schon jetzt betonen: hier handelt es sich fraglos um ein Geheimnis, das die Handlungsweise Ihrer Nichte vielleicht entschuldbar macht.“

Narrow lachte grell. „Geheimnis?! Was für ein Geheimnis kann das sein?! Bitte –“

„Das weiß ich – noch nicht. Ich werde es wissen. Und dann werden Sie an meine Worte denken: Evelyn Narrow ist keine Abenteurerin!“

„Soll mich freuen!“

 

3. Kapitel.

Schiras-Tabak.

Acht Tage später lief die Rania Maru morgens in Bombay ein.

Wir hatten inzwischen bereits Depeschen erhalten, daß von der Nevada nichts entdeckt worden war. Die Kreuzer hatten die Suche aufgegeben.

Kaum hatte die Rania Maru am Hafenkai festgemacht, als der Kapitän der Nevada, Mr. Armstrong, an Bord kam. Sein Bericht brachte nichts Neues. – Er wurde nicht eingeweiht. Narrow wollte nicht, daß der Kreis der Mitwisser noch vergrößert würde.

Harst und ich begaben uns sofort in das Hotel, wo Prenn und Orkry hier gewohnt hatten.

Bombay kannten wir von früher her wie unsere Tasche. Im Hotel Palmerston erreichten wir sehr wenig. Prenn und Orkry waren hier wiederholt für längere Zeit abgestiegen, stets als Kaufleute aus Neuyork. Zum ersten Male vor zwei und ein halb Jahren. – Das stimmte mit dem überein, was Laccemoor festgestellt hatte.

Der Portier des Hotels brachte uns einen Schritt weiter: er wußte uns zu erzählen, daß Mr. Prenn hier eine kleine Motorjacht des öfteren gemietet hatte – für zwei, drei Wochen. –

Der Besitzer dieser Motorjacht war leicht zu ermitteln. Es war ein reicher Inder, der uns die überraschende Tatsache mitteilte, Prenn sei – Berufsdetektiv gewesen. Der Inder erklärte, er habe dies auch nur zufällig in Erfahrung gebracht, da Mr. Prenn an Bord der Motorjacht „Indus“ einen Brieffetzen unter dem Teppich der Kajüte habe liegen lassen. Aus diesem Brieffragment ging hervor, daß Prenn Detektiv sein müsse. –

Der Brief war leider nicht mehr vorhanden. Aber der Inder holte nun einen Mann herbei, der die beiden Amerikaner als Maschinist bei ihren Ausflügen mit der kleinen Jacht stets begleitet hatte.

Der Mann war ein Singhalese. Harst nahm ihn gründlich ins Verhör und bot ihm schließlich Geld. Erst hatte der Singhalese stets behauptet, Mr. Prenn sei nur so zum Vergnügen tagelang auf See gewesen. Nun gestand er ein, daß die Fahrten Prenns stets demselben Ziele gegolten hatten, und zwar den Bahr-el-Benat-Inseln an der Nordwestküste Arabiens im Persischen Golf.

Mehr war aus dem Manne nicht herauszupressen. Die beiden Herren hätten ihn bei den Inseln stets allein auf der Jacht zurückgelassen und seien mit dem Beiboot an die Küste gerudert, wo ein kleines Dorf in einer Einbuchtung der Berge lag. –

Immerhin: es war ein Fortschritt!

„Wir haben Glück gehabt,“ meinte Harald, als wir das Haus des Inders verließen. „Evelyn hat also all das Geld für die Bezahlung der Detektive benutzt. Diese sind in ihrem Auftrag nach Bombay gekommen, sind in ihrem Auftrag im Persischen Golf gewesen – natürlich um dort an der Küste etwas zu suchen. – Was aber? – Ich denke, diese Frage können wir mit einem Rückgriff in die bewegte Vergangenheit ihres Vaters am leichtesten beantworten: Edward Narrow mag dort an der Küste Arabiens –“

Der Satz wurde nie beendet.

Harst wurde von hinten angerufen.

Es war der Inder, der Besitzer der kleinen Jacht.

„Mr. Harst, soeben habe ich den Freund Prenns gesehen,“ keuchte er hervor. „Ich schaute Ihnen vom Fenster nach. Da gewahrte ich diesen Orkry, der hinter einem Gemüsekarren stand. Er hatte den Singhalesen angesprochen und ging mit ihm nach der anderen Seite davon.“

„Ich danke Ihnen. Ihre Mitteilung ist mir sehr wertvoll –“

Dann schritten wir weiter. Harst faßte mich unter.

„Du – Evelyn hat also ebenfalls einen Spion hier zurückgelassen!“ flüsterte er erregt. „Jetzt wird die Sache gefährlich. Orkry weiß fraglos, wer wir sind. Ich wollte eigentlich sofort zu dem persischen Wucherer gehen, aber – Vorsicht ist besser! Kehren wir an Bord der Rania Maru zurück. Narrow erfährt vorläufig nichts.“

„Also ein Kampf gegen Kollegen, Harald! – Eine sehr – sehr dunkle Sache!“

„Freilich. – Wir werden den Perser verkleidet besuchen, nachmittags!“ –

Im Salon der Rania Maru fanden wir den Kollegen Nummer 3 vor: Chester Connword, den der Vertreter Narrows Ermig zuerst mit Nachforschungen betraut hatte.

Connword war ein kleines Kerlchen, ein Schotte von Geburt. Er gefiel uns. Narrow hatte auch ihm die Wahrheit verschwiegen. Aber Connword lächelte so eigentümlich, wenn die Rede darauf kam, daß die „Piraten“ für die Freigabe Evelyns ein hohes Lösegeld fordern würden.

Dieses Lächeln war so voller Zweifel, daß Harst den Kollegen schließlich geradezu fragte:

„Sie scheinen über die Entführung der Nevada anderer Ansicht zu sein?“

„Sie nicht, Mr. Harst?“

„Ich möchte erst Ihre Meinung hören –“

„Oh – die würde Mr. Narrow vielleicht für unsinnig erklären!“

Da merkte ich schon: Connword war der Wahrheit auf der Spur!

„Reden Sie nur ganz offen,“ sagte Narrow etwas verlegen. Auch er ahnte wohl, daß Chester Connword das Richtige mutmaßte.

Connword erklärte nun gelassen: „Die Betäubung der Besatzung der Nevada konnte nur gelingen, wenn Miß Evelyn darum wußte, also dabei mithalf. Die Annahme der hiesigen Polizei, daß Miß Evelyn die Depesche mit der Aufforderung, nicht nach der Nevada zu suchen, gezwungenermaßen absandte, ist ebenfalls hinfällig. Miß Evelyn hätte dem Telegramm dann wohl eine andere Fassung gegeben. – Kurz: ich glaube nicht an einen Piratenstreich!“

Harald winkte Narrow. Sie traten beiseite. Dann wurde Connword tatsächlich in alles eingeweiht.

Er lächelte wieder. „Nun will auch ich Ihnen gegenüber offen sein, meine Herren: Prenn und Orkry sind Detektive!“

„Das wissen wir,“ lächelte Harst ebenfalls. „Wir wissen sogar noch mehr. Orkry ist hier in Bombay und spioniert Schraut und mir nach!“

„Unmöglich!“ rief Connword da. „Ich habe ja selbst beobachtet, daß die Nevada am 10. Oktober nachts halb zwölf Prenn und Orkry an der Südspitze der Insel Elephanta (im Süden von Bombay) an Bord nahm. Gerade dies machte mich stutzig.“ –

So kam denn allmählich immer mehr an den Tag.

„Dann hat Orkry eben die Nevada nachher wieder verlassen,“ meinte Harst. „Tatsache ist: er ist hier!“

Narrow schaute Harald hilflos an. Man konnte das begreifen.

„Was – was hatte Evelyn denn mit den Detektiven zu tun?“ fragte er kopfschüttelnd.

„Sie stehen in ihrem Solde, Mr. Narrow. – Wissen Sie, ob Ihr Bruder Edward jemals hier in diesen Gewässern war?“

„Ja. In Persien war er, Mr. Harst. Damals strömten genug Abenteurer nach den Diamantfundstellen bei Kirman. Da durfte Edward nicht fehlen.“

Connword griff diesen Gedanken sofort auf.

„Dann läßt Miß Evelyn nach Diamanten suchen, die ihr Vater irgendwo verborgen hat!“ rief er.

„Hm – und da stiehlt sie die Jacht dazu?!“ Harald sprach sehr langsam. „Und – da verübt sie diesen unglaublichen Streich, nur um – Diamanten zu suchen?! – Überlegen Sie sich das mal, Mr. Connword. Konnte Evelyn nicht auch ohne all diese scheinbar so widersinnigen Handlungen die Diamanten an sich bringen?! War sie habgierig? Brauchte sie Geld? Hatte sie nicht alles, was ihr Herz begehrte?“

Und Narrow erklärte nun ebenfalls:

„Edward hat in Persien als Diamantengräber nie Erfolg gehabt. Wenn hier ein Geheimnis vorliegt, dann ist es anderer Art.“

Connword gab sich geschlagen. „Gut denn – anderer Art! Aber – welcher Art?“ – Und er wandte sich mit dieser Frage an Harald, der jetzt mit halb geschlossenen Augen vor sich hinstarrte. Seine hohe Stirn lag in Falten. Sein energisches, geistvolles Gesicht verriet angespannteste Gedankenarbeit.

„Es – gäbe schon eine solche Art von Geheimnis,“ sagte er nun leise. „Doch – das sind nur Vermutungen. Ich will darüber nicht sprechen –“

Dabei blieb er. –

Derartige Unterredungen, wie wir sie soeben im Salon mit Narrow, dem Sekretär und dem Kollegen Connword hatten, erzeugen unwillkürlich ein gewisses Jagdfieber.

Auch Harald war heute nicht frei davon. Als wir beide uns nun in unserer Kabine für den Gang zu Hassan Mirza umkleideten, sagte Harst zu Laccemoor, der voller Interesse zuschaute, wie wir immer mehr zwei ältere bärtige Seeleute wurden von jener Sorte, die den Grog stets ohne Wasser trinken:

„Hat Evelyn denn nie Bewerber gehabt? Ich habe doch jetzt ein paar Bilder von ihr gesehen. Sie ist nicht schön, aber doch fraglos eine reizvolle Erscheinung!“

„Bewerber? Gewiß! Sie ist jedoch Herren gegenüber von einer Unnahbarkeit, die jeden abschreckt.“

„Evelyn muß doch sozusagen als halbe Wilde zu Narrow gekommen sein –“

„Natürlich!“ Laccemoor lächelte etwas. „Sie konnte kaum schreiben und lesen. Sie besaß jedoch eine ungewöhnliche Anpassungsfähigkeit und rasche Auffassungsgabe.“

„Narrow hielt ihr wohl Erzieherinnen?“

„Ja. Aber nicht lange. Evelyn wollte eine Schule besuchen und dort das Nötige lernen. Es wurde eine Privatschule gewählt mit ersten Lehrkräften.“

„Wie hieß die Schule?“ – Harsts Fragen klangen seltsam zerstreut. Es war eine nervöse Unruhe in ihm, die ich eben als Jagdfieber deutete.

„Hirson College, Manhattan Street,“ erwiderte Laccemoor etwas erstaunt. „Weshalb interessiert Sie dies alles, Mr. Harst?“ fügte er hinzu.

Harald antwortete mit der Gegenfrage: „Wie lange besuchte Evelyn diese Schule?“

„Bis zu ihrem 25. Lebensjahr – fünf Jahre lang, obwohl sie schon nach zwei Jahren weit mehr Allgemeinbildung besaß, als der Durchschnitt der jungen Mädchen.“ –

Wir waren fertig. Nun kam es darauf an, unauffällig die Jacht zu verlassen. Harst nahm an, daß wir beobachtet würden. Orkry hatte fraglos Spione am Kai postiert.

Es wurde also das Motorboot der Jacht nach der dem Kai abgekehrten Seite des Schiffes gebracht. Wir kletterten durch eine der Ladetüren am Bug hinein und schlüpften unter das Öltuchverdeck. Zwei Matrosen mußten mit dem Boot dann nach einer entfernten Anlegebrücke fahren. Hier stiegen wir aus.

Es war jetzt zwei Uhr nachmittags. Die Straßen lagen verödet da. Dieser Tag war wohl der heißeste, den ich in Indien erlebt habe. Man wanderte durch förmliche Feuersgluten. Und doch hockten im Eingeborenenviertel Bettler und Händler an den Straßenecken. Wir waren froh, als wir eine der Basarstraßen erreicht hatten. Wir gingen Arm in Arm, schwankten leicht. Es gehörte zu unserer Rolle, daß wir die leicht Angetrunkenen spielten.

Hassan Mirzas Backsteinhaus, nach der Straße zu eine offene Halle bildend, machte einen recht armseligen Eindruck. Zum Schein handelte der Wucherer mit Seidenstoffen, Turbantüchern und billigen Goldwaren. Sein schräger Auslagetisch reichte bis auf die Straße hinaus und war mit einem vielfach geflickten Sonnenschutzdach überspannt.

Wir stellten uns vor dem Tische auf und besichtigten laut sprechend und lachend die Waren. Sofort erschien auch der bis dahin unsichtbare Perser und schob seinen dicken Bauch über den Tisch, dienerte und fragte nach unseren Wünschen.

Der Kerl war alt, schmierig, hatte Hängebacken und schielte. Alles in allem ein widerlicher Patron.

Das Englische sprach er ganz geläufig.

Harst gröhlte ihn an: „Das ist alles Schund! Hast Du nichts Besseres? Unsere Taschen sind gut gefüllt, Alter! Feines Geschäft gemacht – sehr fein, wir beide!“

Der Perser winkte uns in den Laden.

„Vielleicht ein Ring mit gutem Stein?“ schlug er vor. „So etwas, das seinen Wert behält? Ich will den Herren etwas vorlegen –“

Im Hintergrunde hockte an einem Tische ein verwachsener Schreiber. Der Perser rief ihm etwas zu und schritt uns voran. Da war ein türenloser Gang, der auf den kleinen Hof mündete.

Mirza führte uns nun über eine leiterähnliche Treppe in das Obergeschoß seines Hauses. Hier war es angenehm kühl. Hier gab es einen großen Raum, der völlig mit den kostbarsten Seidenteppichen behängt war. Hier standen auf Tischen und Gestellen wundervolle antike Gefäße, alte Tempelgeräte, Elfenbeinschnitzereien, Truhen aus Ebenholz, mit edlen Steinen verziert.

Mirza bot uns auf einer goldenen Schale persische Zigaretten an, die für Käufer schon bereitstanden. Ahnungslos griffen wir zu.

„Echter Schiras-Tabak,“ hatte der alte Gauner sie empfohlen und hielt uns ein Spirituslämpchen hin.

Ich sog den Rauch mit Wohlbehagen ein. Etwas so Vorzügliches hatte ich noch nie kennengelernt. Durch das hauchdünne Papier schimmerten die hellgelben Tabakfäden deutlich hindurch.

Mirza brachte einen Kasten und zeigte uns einen Ring mit wundervollem wasserklaren Brillant, ein altes Stück, wie die Fassung verriet.

Harald nickte. „Was meinst Du, Tom? Das wär’ ein gutes Andenken an das leicht verdiente Geld! – Nenne einen billigen Preis, Alter. Wir können Dir noch mehr Kundschaft verschaffen. Wir sind unserer acht, die da ein großes Ding gedreht haben.“ Er kicherte. „Ein Ding, wie’s nicht alle Tage vorkommt!“

Aber diese Anzapfung machte auf Mirza keinerlei Eindruck. Harald hatte gehofft, daß der Perser irgendwie eingeweiht sei und wüßte, daß acht Matrosen von William Prenn angeworben waren.

Da fuhr Harald denn das gröbere Geschütz auf.

Er nahm den Ring in die Hand, rief plötzlich:

„Woher hast Du diesen Ring, he? Raus mit der Sprache! Den kenne ich! Den habe ich am Finger einer Lady gesehen!“

Der Perser grinste. „So?! Wie hieß die Lady denn?“

In seinen schwarzen kleinen Augen schillerte es in tückischem Triumph.

Mir war der Hals plötzlich merkwürdig rauh geworden. Hustenreiz quälte mich. Die letzten Züge der Zigarette hatten ganz anders geschmeckt. Ein leiser Argwohn stieg in mir auf. Auch Harst hatte schon den Ring auf einen Tisch geworfen und – zerdrückte den Rest der Zigarette, ließ die glühenden Teile achtlos auf den Boden fallen.

Ich sah es.

Ich sah es aber nur noch wie durch Schleier hindurch.

Ich hatte das Gefühl, als ob der ganze Raum sich mit einem Male zu drehen begann – immer rascher.

Harst tat einen Satz – wollte die Tür erreichen.

Schlug lang hin.

Und ich selbst besaß auch nicht mehr die Kraft, mich aufrecht zu halten. Der tolle Wirbel drückte mich nieder.

Dann nichts mehr. Nur noch ein Brausen in den Ohren – nur noch die Empfindung des Hinabgleitens in eine ungeheure Tiefe.

Ich wurde ohnmächtig.

 

4. Kapitel.

Orkry weiß nichts.

Und erwachte in einem Bett – in einer hellen freundlichen Kabine, die mir auf den ersten Blick merkwürdig bekannt vorkam.

Die Erinnerung lebte auf. Mein Hirn arbeitete tadellos. Wir waren doch bei Hassan Mirza in eine Falle geraten. Wie war es möglich, daß ich mich jetzt wieder auf der Rania Maru befand?!

Das war doch unsere Kabine! Da hing ja mein gestreifter Schlafanzug! Da standen unsere Koffer!

„Nicht wahr – merkwürdig!“ sagte Harald von der anderen Wand her.

Ich drehte den Kopf.

Nun sah ich: es war tatsächlich unsere Kabine!

Harst nickte mir zu. Auch er lag in Unterkleidern im Bett. Unsere Perücken und Bärte hatte man uns also abgenommen. Nur die Schminke zierte noch unsere Gesichter.

„Ich bin auch soeben erst zu mir gekommen, mein Alter. Dies ist doch ganz gegen das Programm, daß wir nun wieder auf der Rania Maru sind! Der Kerl, der Perser, hatte uns doch so schlau erledigt! Ich begreife das nicht. – Übrigens – die Jacht ist auf hoher See, die Motoren arbeiten!“

Er stand auf. Er taumelte noch etwas. Er trat an das runde Fenster heran.

„Abendröte über dem Meere – kein Land! – Was bedeutet das alles?!“ murmelte er.

Dann ging schon die Tür der Kabine auf.

„Hallo!“ rief John Laccemoor. „Endlich also wieder bei Sinnen! Wie konnten Sie aber auch nur bei der Hitze sich ins Freie wagen! Der Perser hat vor Angst wie ein Verrückter auf der Straße gebrüllt!“

Wir stierten Laccemoor sprachlos an.

„Gebrüllt hat er?“ fragte Harst langsam.

„Ja. – Er rief Hilfe herbei! Zum Glück war Connword Ihnen nachgeschlichen. Der hat Sie beide im Auto auf die Jacht gebracht, hat einen Arzt geholt –“

Harst setzte sich auf den Bettrand. Er lachte grimmig. Und doch war auch ein wenig echte Lustigkeit in diesem Lachen.

„Ich begreife – ich begreife!“ Er nickte Laccemoor zu, der diese Heiterkeit wohl für eine Folge von Harsts Ohnmacht hielt. Wenigstens deutete des Sekretärs Miene dies an.

„Ich begreife, lieber Laccemoor! Ein Hitzschlag hat Schraut und mich betäubt gehabt – sagte Hassan Mirza!“

„Er brüllte es, er sagte es nicht! Er war ganz verzweifelt, daß Ihnen beiden dies in seinem Laden zugestoßen war.“

„So – so – verzweifelt! Sehr fein! – Und dann brachte der kleine tüchtige Connword uns hierher! Und dann kam irgend eine Nachricht, daß die Nevada irgendwo aufgetaucht sei!“

„Eine drahtlose Depesche – von Evelyn, Mr. Harst, – ganz recht.“

„Sehr – sehr fein! – Und auf die Depesche hin fährt die Rania Maru nun wohin?“

„Nach den Tschagos-Inseln, Mr. Harst. – Aber, verzeihen Sie, es scheint mir, als ob –“

„– die Depesche Schwindel ist! Da scheint Ihnen das Richtige, lieber Laccemoor. – Wie spät haben wir es? Etwa neun Uhr abends muß es sein. – Wann sind wir von Bombay abgefahren?“

„Um vier Uhr –“

„So – nun holen Sie mir Mr. Narrow und Evelyns Depesche.“

Laccemoor zögerte. „Narrow feiert mit Connword das baldige Wiedersehen mit Evelyn,“ sagte er dann kleinlaut.

„Das kann er tun. Aber sprechen muß ich ihn trotzdem.“

Der Sekretär ging hinaus.

„Du verstehst doch alles, lieber Alter?“ meinte Harald. „Orkry hat uns diesen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Er hat den Singhalesen natürlich ausgefragt, was wir von ihm gewollt hätten. Er wird dem Manne noch mehr geboten haben, und da hat der denn gebeichtet, daß er uns von den Fahrten der kleinen Motorjacht nach den Bahr-el-Benat-Inseln einiges mitgeteilt hat. Weil Orkry nun fürchtete, wir würden mit der Rania Maru sofort dorthin eilen, wollte er Zeit gewinnen, damit er vor uns dort anlangen könnte. Deshalb die Depesche, durch die unsere Rania Maru nun südwärts nach den Tschagos-Inseln gelockt wurde, während wir noch den Kater nach Mirzas Hitzschlag-Zigaretten zu verwinden hatten! Sehr fein – sehr fein das alles!“

Es klopfte. Narrow, Connword und Laccemoor traten ein.

Narrow hatte – ein halb gefülltes Sektglas in der einen Hand und in der andern ein beschriebenes Blatt Papier.

„Mr. Harst, ich freue mich, daß Sie beide wieder –“

Harald nahm ihm das Blatt weg. „Freuen Sie sich nachher, Mr. Narrow.“

Das Gesicht des Milliardärs wurde sehr lang.

Harst las halblaut:

„Mr. Narrow, Jacht Rania Maru, Bombay-Hafen.

Sind mit Nevada hier in Diego Garcia auf den Tschagos-Inseln. Bitte sofort kommen. Evelyn.“

„Mr. Narrow,“ sagte Harald dann, „geben Sie Kapitän Schlenter den Befehl, daß er sofort wendet und den Golf von Oman ansteuert, also die Südküste Persiens. Ich weiß, daß die Detektive Prenn und Orkry wiederholt im Persischen Golf bei den Bahr-el-Benat-Inseln waren. Dort hoffe ich die Nevada zu finden.“

Er erklärte nun, was es mit unserem Hitzschlag in Wahrheit auf sich gehabt hatte, und daß Orkry offenbar nur einen Vorsprung gewinnen wollte, um Evelyn zu warnen.

Narrow fiel der Sektkelch vor Schreck aus der Hand.

„Gehen Sie!“ rief Harst. „Es ist jetzt jede Minute kostbar. Befehlen Sie Schlenter, daß die Rania Maru ohne Schonung der Motoren nordwärts fährt!“

Narrow hatte sich wieder gefaßt. „Ja, ja, – ich gehe schon! Ich – ich hatte geglaubt, all Ihre Kombinationen wären falsch, Mr. Harst, und Evelyn sei doch entführt worden –“

Er drehte sich kurz um und eilte an Deck. Man sah ihm an, daß er, aus Liebe zu Evelyn rasch zu einer anderen Ansicht bekehrt, nun doppelt schwer unter der Enttäuschung litt, Evelyn abermals mitschuldig zu sehen.

Auch Connword stand jetzt ganz niedergeschmettert vor uns.

„Ich bekenne offen,“ meinte er sehr verlegen, „daß ich es war, der Mr. Narrow Hoffnung machte, es könnte doch ein Piratenstreich gegen die Nevada ohne Miß Evelyns Wissen vorliegen –“

„Wie Sie das konnten, verstehe ich zwar nicht. Aber ich nehme es Ihnen nicht weiter übel, Mr. Connword.“ Und Harst reichte dem Kollegen freundlich die Hand. –

Gegen Morgen näherte sich die Rania Maru bereits der Straße von Ormus, die den Golf von Oman und den Persischen Golf verbindet.

Harst und ich hatten uns gründlich ausgeschlafen, hatten um vier Uhr morgens reichlich gefrühstückt und standen nun neben Kapitän Schlenter auf der Brücke der Jacht.

„Wenn meine Berechnung stimmt,“ sagte Harald zu unserem Landsmann, „dann kann die kleine Motorjacht des Inders, die Orkry wahrscheinlich wieder benutzt, nur noch geringen Vorsprung haben.“

Er hob das Fernglas wieder an die Augen.

Noch war die Sonne nicht aufgegangen. Aber über dem Meere lag bereits jene eigentümliche Helle, die stärker ist als der blendendste Sonnenglanz und selbst die weitesten Entfernungen verkürzt.

Auch ich spähte nun mit meinem Glase nach Nordwest. Dort links lagen die Gestade Arabiens, dort rechts die persische Südküste. Nur wenige Fahrzeuge waren sichtbar. Ein großer Frachtdampfer hatte denselben Kurs wie wir. Wir kamen ihm schnell näher.

Und dann – dann Schlenters Stimme, der ebenfalls ein Fernrohr benutzt hatte:

„Eine kleine Jacht – soeben aufgetaucht – bisher von dem Dampfer verdeckt gewesen!“

Harst war mit einem Satz am Steuerrad, drängte den Matrosen bei Seite, griff zu und ließ die Rania Maru nach rechts wenden, damit der Frachtdampfer wieder zwischen uns und die kleine Jacht käme.

Schlenter trat dann selbst ans Steuer. Wir blieben nun stets durch den Dampfer gedeckt, den wir in fünf Minuten erreicht hatten. Dann erst bog die Rania Maru um den Dampfer herum, – dann sahen wir das andere Fahrzeug – kaum dreitausend Meter entfernt. –

Narrow, Connword und der Sekretär erschienen an Deck.

Harst rief ihnen zu: „Bald werden wir Master Orkry begrüßen können!“

Aber Orkry hatte uns jetzt bemerkt. Die kleine Jacht wendete, flüchtete dem arabischen Ufer zu.

Schlenter beruhigte uns. „Wir kriegen sie! Sie macht kaum ihre dreizehn Knoten!“

Das Jagdfieber packte uns alle. Narrow stand mit zusammengepreßten Lippen neben uns.

Unsere Augen maßen immer wieder den Zwischenraum. Unsere Hände führten immer wieder die Ferngläser hoch.

Wir rückten rasch auf. Ich erkannte bereits vier Personen an Deck der kleinen Jacht. Drei waren Asiaten, einer ein Europäer.

Die Rania Maru bewies, was sie leisten konnte. Das arabische Ufer trat immer deutlicher hervor: Felspartien, Palmenhaine, helle Wüstenflächen.

Jetzt noch fünfhundert Meter.

Noch dreihundert.

Und dann glitten wir dicht an der kleinen Jacht vorüber.

„Stoppen Sie!“ rief Harst mit dem Sprachrohr dem bartlosen, sonngebräunten Europäer zu.

Der winkte lässig mit der Hand. Sein Fahrzeug ließ die Schraube rückwärts schlagen. Wir umrundeten es. Die See war hier unter Wind der Küste fast unbewegt. Nun lagen wir Seite an Seite mit der kleinen Jacht. Der Europäer kam das Fallreep empor.

Narrow eilte auf ihn zu. „Wo ist die Nevada?“ keuchte er. „Sie sind doch der Detektiv Orkry? – Wo ist meine Nichte Evelyn?“

Orkry grüßte gelassen. „Mein Name ist Allan Orkry. Von einer Nevada oder einer Miß Evelyn weiß ich nichts.“

Narrow wurde blaurot vor Wut. Da trat Harst rasch dazwischen.

„Ich dachte mir, daß Sie nichts verraten würden, Mr. Orkry. Die Beweggründe Miß Evelyns für diese Geheimniskrämerei sind mir unverständlich. Gehen Sie nur wieder an Bord Ihres Schiffes. Ich werde die Nevada auch ohne Sie finden!“

Narrow konnte nicht länger an sich halten. „Der Mann bleibt hier!“ erklärte er wutbebend. „Sie sind der Beihilfe zum Schiffsraub verdächtig, Mr. Orkry. Ich lasse Sie in Eisen legen! Hier auf meiner Jacht spiele ich die Polizei!“

Harst drehte sich achselzuckend um und ging wieder auf die Brücke.

Orkry wurde in einen Verschlag des Vorschiffes eingesperrt. Seine kleine Motorjacht wendete und fuhr nach Bombay zurück.

 

5. Kapitel.

Evelyns große Liebe.

Um zehn Uhr vormittags kamen die östlichsten Eilande der Bahr-el-Benat-Inseln in Sicht.

Wir standen wieder alle auf der Brücke. Zwischen Narrow und Harst war eine kleine Verstimmung eingetreten. Harald wäre mit Orkry in anderer Weise besser fertig geworden. Nun spielte der Neuyorker Detektiv völlig den Stummen. Diese Behandlung durch Narrow hatte ihn erbittert. Wir beide waren zweimal in der Kammer gewesen, wo man ihn eingeschlossen hatte. Er antwortete auf keine Frage. Selbst Haralds gutes Zureden richtete nichts mehr aus.

So mußten wir denn versuchen, die Nevada nach den kargen Angaben des Singhalesen zu finden, der uns doch nur gesagt hatte, daß Prenn und Orkry von einer der Inseln nach der arabischen Küste hinübergerudert seien, wo in einer bergigen Bucht ein kleines Dorf gelegen habe. –

Dieses Dorf entdeckten wir denn auch gegen Mittag. Die Rania Maru lief vorsichtig in die Bucht ein. Vor dem Dorfe hatten sich eine Menge Araber, Weiber und Kinder am Strande versammelt.

Dann warf die Jacht Anker. Das kleine Motorboot wurde ausgeschwungen, und wir beide und Connword fuhren hinüber, legten an einer armseligen Bootsbrücke an und sahen uns nun einem weißbärtigen alten Manne gegenüber, der allein auf die Brücke gekommen war – offenbar der Dorfälteste, der Scheich.

Harald ging sehr diplomatisch vor. Der Scheich bot uns Früchte und frisches Fleisch an. Auch gutes Trinkwasser sei in der Nähe. Er sprach leidlich englisch.

Harald erklärte, wir würden Früchte kaufen, aber erst später.

„Ich suche hier zwei Bekannte, die schon öfters in diesem Dorfe waren, zwei Amerikaner,“ fügte er hinzu.

Der Scheich wurde plötzlich auffallend wortkarg.

„Ich kenne keine Amerikaner,“ erwiderte er.

Harst flüsterte Connword und mir zu: „Der Kerl hat einen amerikanischen Cold-Revolver im Gürtel!“

Dann fragte er laut:

„Woher hast Du die Waffe dort?“ Und er deutete auf den Revolver.

Der Scheich trat rasch zwei Schritte zurück.

Nicht rasch genug.

Harst war zugesprungen, hatte seine Handgelenke gepackt.

„Ins Boot mit ihm!“ rief er uns zu.

Der Araber wehrte sich. Vom Ufer stürmten ein Dutzend andere auf die Brücke.

Wir rissen den Alten ins Boot, stießen ab.

Ein paar der braunen Dorfbewohner hatten Flinten bei sich.

Die Lage wurde kritisch. Harst tat das einzig Richtige in diesem Falle, zielte mit der Clementpistole auf den Scheich und drohte mit der Linken nach der Brücke hin.

So kamen wir denn glücklich mit dem Scheich zur Jacht zurück, wo Narrow den Revolver besichtigte und sofort erklärte, die Waffe stamme aus dem Waffenschrank der Nevada.

Der Scheich schwieg sich aus. Stolz und verächtlich blickte er uns an. In seinen Augen war der ganze Rassenhaß zu lesen, den der freie Araber noch heute für den Europäer empfindet.

Harst winkte mir. Wir gingen ins Vorschiff, öffneten Orkrys Kammer und fanden ihn auf einer Kiste sitzen und seelenruhig eine Zigarre rauchen.

„Mr. Orkry,“ sagte Harald ernst, „wir haben soeben den Scheich des Araberdorfes, das Sie und Prenn so oft besuchten, gefangen genommen. Der Scheich hat einen Revolver bei sich, der aus dem Waffenschrank der Nevada stammt. Ich frage Sie: Halten Sie es für wahrscheinlich, daß jemand diesen Revolver dem Scheich geschenkt hat?“

Orkry hatte uns zuerst gar nicht beachtet. Jetzt fuhr er hoch.

„Ausgeschlossen!“ meinte er erregt. „Das ist ganz ausgeschlossen!“

„Folgen Sie uns dann bitte an Deck.“

Orkry, plötzlich völlig verwandelt, kam eilends hinter uns drein.

Nun sah er den Scheich.

„Habt Ihr braunen Schufte etwa die Nevada überfallen und ausgeplündert?“ brüllte er den Dorfältesten an.

Im selben Moment Schlenters Stimme von der Brücke: „Die Araber haben ihre Boote flott gemacht! Wir müssen die Bucht verlassen!“

Die Anker der Jacht gingen empor. Die Schrauben schlugen an. Sechs Boote und ein größeres Segelfahrzeug, jedes mit bewaffneten Arabern bemannt, waren bereits ganz nahe.

Schüsse fielen. – Wir mußten uns hinter die Reling ducken.

Die Rania Maru glitt rückwärts zur Bucht hinaus. Der Scheich, auf den niemand in dieser allgemeinen Aufregung aufgepaßt hatte, war plötzlich ins Wasser gesprungen, wurde von einem der Boote aufgefischt, die dann wieder umkehrten. –

Wir hatten die offene See erreicht. Alles stand im Kreise um Orkry herum.

„Mr. Orkry,“ meinte Harald, „ich will Ihnen kurz erklären, was ich von Miß Evelyns seltsamem Streich halte. Evelyn hat in Neuyork eine Privatschule besucht, blieb dort länger Schülerin, als nötig war. Ich denke, einer der Lehrer wird der Magnet gewesen sein, der sie in der Schule festhielt. Ich habe nun ein vorzügliches Gedächtnis selbst für entlegenere Vorfälle. Ein Amerikaner namens Thomas Armart, von Beruf naturwissenschaftlicher Lehrer, erhielt vor etwa sieben Jahren ein Stipendium zum Zwecke einer Forschungsreise nach Innerarabien. Dieser Armart gilt noch heute für verschollen. Man nimmt an, daß er in Arabien von Beduinen ermordet wurde. Diese Zeitspanne von sieben Jahren stimmt mit Miß Evelyns Schulbesuch überein: vor sieben Jahren verließ sie die Schule! – Sollte nicht Thomas Armart von Ihnen und Prenn gesucht worden sein – auf Evelyns Betreiben?“

Orkry nickte widerstrebend. „Da Sie jetzt doch der Wahrheit auf die Spur gekommen sind, Master Harst, hätte es keinen Zweck, länger zu schweigen. Es ist so: wir suchen Thomas Armart!“

Narrow war sehr bleich geworden.

All seine stillen Herzenshoffnungen brachen in diesem Augenblick zusammen.

„Jetzt ist jedoch keine Zeit,“ fuhr Orkry hastig fort, „diese Dinge durchzusprechen. Ich fürchte allen Ernstes, daß die Araber die Nevada überfallen haben, die acht Meilen weiter westlich in einer engen, aber sehr weit ins Land einschneidenden Bucht liegt.“ –

Nachmittags drei Uhr hatte die Rania Maru den südlichsten Winkel der meilenlangen Bucht erreicht. Und – nun sahen wir die Schonerjacht mit ihren beiden schlanken Masten am Ostufer vor uns.

Nun näherten wir uns ihr immer mehr. Nichts regte sich drüben an Bord.

Wir machten neben ihr fest. Und – wir fanden den schmucken Segler völlig ausgeplündert vor. Alles was nicht niet- und nagelfest, war gestohlen. Auf den weißen Deckplanken zeichneten sich große braunschwarze Flecken ab: getrocknetes Blut!

Das war die Nevada, die wir nun endlich entdeckt hatten.

Das Rätsel der Schonerjacht war gelöst: Evelyns große Liebe zu Thomas Armart war das Motiv all der dunklen Geschehnisse gewesen!

Aber – wo war Evelyn geblieben, wo der tapfere Prenn, wo all die anderen, die Evelyn so blind ergeben gewesen?! –

Was Orkry uns dann über Evelyns Bemühungen zur Auffindung Armarts mitteilte, soll den Anfang des zweiten Teiles des Rätsels der Schonerjacht bilden.

 

 

Der Löwe der Sultana Eizul

 

1. Kapitel.

Der Spuk auf der Nevada.

Pierpont Narrow war in seine Kabine hinabgegangen. Er hatte für nichts mehr Interesse. Der Gedanke, daß Evelyn eines anderen Mannes wegen ihm all diese Aufregungen bereitet hatte, war ihm so unerträglich, daß er zu Harst wie geistesabwesend gesagt hatte:

„Ordnen Sie an, was Sie für richtig halten, Mr. Harst. Ich will allein sein.“

Wir waren nun hier vier Leute vom Fach, vier Detektive: Connword, Orkry und wir beide.

Wir berieten. Harst meinte, wir sollten die Schonerjacht, deren Hilfsmotoren gleichfalls von den nach Metall so überaus begierigen Arabern zerstört worden waren, ins Schlepptau nehmen und mit beiden Schiffen an einer kleinen Insel ankern, die weiter nördlich in einer seeartigen Erweiterung der Bucht lag. Dort würden wir vor Angriffen der Araber sicher sein und doch in der Nähe der Stelle des Überfalles der Schonerjacht bleiben. –

So geschah es denn auch.

Um fünf Uhr nachmittags waren beide Fahrzeuge an der Nordseite der kleinen felsigen Insel vertäut, Wachen ausgestellt und die an Bord der Rania Maru vorhandenen Waffen verteilt. Wir verfügten über ein Dutzend Revolver, vier Repetierbüchsen, sechs Repetierpistolen und reichlich Munition. Dies genügte vollauf, jeden Angriff abzuschlagen.

Zunächst wurde nun das bisher versäumte Mittagessen nachgeholt. Der Koch, jener Chinese Tsuliu, den Laccemoor angeworben hatte, hielt die Mahlzeit seit Stunden bereit. Als wir bei Narrow anklopften und ihn baten, in den Salon zu Tisch zu kommen, rief er uns zu: „Der Koch soll mir etwas hier in die Kabine bringen. Wünsche Ihnen gesunden Appetit, meine Herren –“

So speisten wir denn ohne Narrow im Salon, der gleichzeitig als Eßraum benutzt wurde.

Bei Tisch erstattete Allan Orkry, übrigens ein sehr sympathischer Mensch, eingehend Bericht. – Ich will diesen Bericht hier verkürzt wiedergeben. –

Vor drei Jahren hatte Evelyn, die mit Thomas Armart heimlich verlobt gewesen, ohne dies jemandem anzuvertrauen, endlich ein Lebenszeichen von Armart erhalten, der mit Hilfe des Stipendiums nach Arabien in der wohlbegründeten Hoffnung gegangen war, durch die Ergebnisse seiner Forschungsreise sich eine Professur an einer Universität zu erringen.

Vier endlose Jahre war Evelyn ohne jede Nachricht von ihm geblieben. In dieser Zeit hatte sie bereits in aller Stille Erkundigungen eingezogen, was über das Schicksal der kleinen Forschungsexpedition ihres Verlobten bekannt geworden.

Dies war so gut wie nichts. Armart hatte die Reise ins Innere Arabiens von jenem einsamen Dorfe aus angetreten, dessen Bewohner jetzt die Nevada ausgeraubt hatten. Dann war keinerlei Lebenszeichen von der Expedition mehr eingetroffen. Die amerikanische Regierung hatte einen Kreuzer nach dem Küstendorfe gesandt, der jedoch nur feststellte, daß Armart mit einem zweiten Europäer namens Svenborg, einen Dänen, und zwei einheimischen Führern wirklich in die unbewohnten Wüsten Südarabiens eingedrungen war.

Hiermit hatte Amerika alles getan, was es in diesem Falle tun konnte. Armart galt für verschollen.

Dann, nach weiteren zwei Jahren, traf in Neuyork bei Evelyn Narrow ein sehr merkwürdiger Brief ein – ohne Unterschrift, aus London.

Er lautete etwa:

„Miß Narrow, ich halte mich für verpflichtet, Ihnen trotz eines von mir geleisteten Versprechens, Schweigen zu bewahren, von meinem Sterbelager aus mitzuteilen, daß Ihr Verlobter Thomas Armart noch in Arabien lebt, aber nicht mehr zu leben wünscht. Mehr darf ich nicht sagen. – Einer, der Sie bedauert.“

Mit diesem Briefe eilte Evelyn zu William Prenn, der zusammen mit Orkry eine Detektei betrieb, die nicht eben viel abwarf, obwohl die beiden Inhaber in ihrem Beruf Gutes leisteten.

Sie beschäftigte nun Prenn und Orkry ausschließlich in ihrem Interesse. Prenn fuhr nach London und ermittelte, daß der Absender des seltsamen Briefes jener Däne Svenborg gewesen, der tatsächlich in einem Krankenhaus an den Folgen einer vernachlässigten Beinschußwunde gestorben war und in dessen Gepäck man verschiedene altertümliche Goldgeräte vorgefunden hatte, die nach Ausspruch von Fachleuten arabischen oder persischen Ursprungs waren. Mehr zu erfahren, gelang Prenn jedoch nicht.

Nun sandte Evelyn die beiden Detektive nach Bombay, wo Armart vor Antritt seiner Forschungsreise gewohnt hatte. Von Bombay erfolgten dann auch Prenns und Orkrys weitere Ermittlungen, die zwei Jahre lang ohne wesentlichen Erfolg blieben. Sie brachten nur heraus, daß die Araber jenes Küstendorfes ohne Zweifel etwas über das Schicksal Armarts wüßten. Endlich konnten sie einen Araber dieses Dorfes bestechen. Er verriet, daß in einem Gebirgszuge Innerarabiens ein Stamm hause, der offenbar durch Blutmischung der Eingeborenen mit Europäern entstanden sei, ganz für sich lebe und eine hohe Kultur besitze. Bei diesem rätselhaften Volke sollte Armart gefangen gehalten werden.

Diese erste sichere Kunde über den Verbleib ihres Verlobten bestimmte Evelyn dazu, ihren Onkel Pierpont zu bitten, mit ihr nach Indien zu reisen. Wie Orkry betonte, war der Plan des energischen Mädchens damals schon in ihrem Kopfe fix und fertig. Sie wollte die Nevada entführen, wollte zuverlässige, unternehmungslustige neue Matrosen für die Schonerjacht anwerben und diese in der schmalen, tiefen Bucht mit einer Wache zurücklassen, während sie selbst mit Prenn und einem Teile der neuen Besatzung ins Innere vorzudringen gedachte. Orkry sollte in Bombay zurückbleiben, um Narrows Schritte zu beobachten und drahtlos der Nevada Nachricht geben zu können, falls eine Entdeckung drohte.

Umsonst hatten Prenn und Orkry Evelyn von diesem abenteuerlichen Vorhaben abzubringen gesucht. Evelyn hatte all ihre Einwände durch die Erklärung zurückgewiesen, daß ihr Onkel letzten Endes ihr verzeihen und daß der Piratenstreich für die Beteiligten keinerlei üble Folgen nach sich ziehen würde.

So wurde denn tatsächlich die Nevada geraubt. Orkry hatte dann, als er von dem Verrat des Singhalesen Kenntnis erhalten, sofort eine Depesche von der in einem Hause außerhalb Bombays heimlich errichteten Marconistation der Nevada zugeschickt, war jedoch ohne Antwort geblieben und hatte daher bereits befürchtet, auf der Schonerjacht müßte sich etwas besonderes ereignet haben. Er gab auch zu, den alten Wucherer bestochen und ihm das Betäubungsmittel für die Zigaretten geliefert zu haben. –

Haralds Annahme, Hassan Mirza habe uns beide nur für einige Stunden unschädlich machen sollen, damit Orkry einen Vorsprung vor der Rania Maru gewänne, war also in allen Teilen richtig gewesen.

Nach Tisch klopften Harald und ich abermals bei Narrow an.

Diesmal ließ er uns ein. Er hatte sich jetzt mit der Tatsache abgefunden, daß Evelyn nie die seine werden würde. Er sprach sich uns gegenüber jetzt über all diese Dinge mit einer schmerzlichen Ruhe aus, deren ganze Art, besonders die darin stets wiederkehrende Sorge um Evelyn, noch mehr für ihn einnahm.

Nachdem Harald ihm Orkrys Bericht wiederholt hatte, erklärte er sofort, uns jede Geldsumme zur Verfügung zu stellen, die wir für einen Ritt ins Innere nötig hätten. Wir kamen überein, daß Orkry, Connword und wir beide am nächsten Morgen aufbrechen sollten, um zunächst Reittiere zu beschaffen. Wir wollten in dem Motorboot zu diesem Zweck die Küste westwärts entlangfahren, bis wir ein anderes Araberdorf fänden. Narrow versprach uns noch eine geradezu ungeheure Summe, wenn wir Evelyn wohlbehalten zurückbrächten. Über Thomas Armart äußerte er sich nicht. Was aus diesem geworden, war ihm gleichgültig. Dies war immerhin verständlich. Ein Mann wie Narrow konnte zwar als Onkel für seine Nichte seine Milliarden spielen lassen. Daß er aber seinen Nebenbuhler befreien half oder suchen ließ, wäre eine Großmut gewesen, die es zumeist nur in Romanen gibt. –

Der Abend vereinte uns alle im Salon. Nochmals wurde unsere Hilfsexpedition erörtert. Orkry und Connword waren sofort bereit gewesen, uns beide zu begleiten.

So kam die zehnte Abendstunde heran. Ein Matrose und der Koch hatten soeben den Tisch abgeräumt. Narrow sagte uns Gute Nacht. Connword und Orkry, Laccemoor, Schlenter und wir beide wollten noch eine Weile beisammen bleiben.

Als der Milliardär den Salon verlassen hatte, kam die Rede notwendig wieder auf Thomas Armart und auf den geheimnisvollen Brief des Dänen Svenborg, der, wie Harald betonte, doch offenbar jenem Volke in Innerarabien entwichen war und von dort noch die goldenen Geräte mitgenommen hatte.

Laccemoor, sehr belesen und vielseitig gebildet, sagte nun, er besinne sich, einmal in irgend einem Werk über dieses Mischvolk einiges gelesen zu haben. Jedenfalls sei an dessen Existenz nicht zu zweifeln.

Wir alle rauchten und hatten den Salon schnell in dicke Qualmschwaden gehüllt. In diesem Zigarren- und Zigarettennebel erschien jetzt plötzlich, ohne Anklopfen hereinstürzend, der deutsche Matrose Möller, ein Hamburger Jung mit einem Mundwerk für zwei, aber brauchbar und zuverlässig.

„Käptein, Käptein,“ brüllte Jochem Möller, „upp’n Schuner geiht was um!“

„Mien Söhn, Du bist biesoopen,“ meinte Schlenter gemütlich.

Narrow hatte für die Matrosen Rum ausgegeben. Des Kapitäns Vermutung war also leidlich begründet.

Der an seiner Ehre schwer gekränkte Jochem erklärte nun hochdeutsch:

„Ich – besoffen?! Von fünf Gläser Grog?! Käptein, dazu gehören zwei Dutzend. Ich bin so nüchtern wie ’n ausgedörrter Stockfisch. Auch Jan Klabund hat den Geist gesehen, Käptein. Es war son wieter Kierl – wiet (weiß) von oben bis unnen, mit ’ne gelbe Mütz uppn Kopp. Jan und ich hatten die Wache oben auf dem Felsen. Der Mond wor grad vorkimmen, Käptein. De wiete Kierl kam von der Achtertrepp des Schuners her. Jan ruft, obwohl ook em ganz graulich wor: „Hallo, Kam’rad, war büst Du denn for ’n Miensch?“ – Nu – da rennt der Geist wieder nach achtern und wor mit ’n Mal weg.“

Connword, Orkry und Laccemoor ließen sich die Gespenstergeschichte von Schlenter ins Englische übersetzen.[3]

Harald stand auf. „Bleiben Sie nur hier, meine Herren,“ sagte er lächelnd. „Schraut und ich werden mal nachsehen –“

Jochem Möller grinste. „Mit Ihnen, Herr Harst, geh’ ich auch auf die Nevada, wenn’s sein muß!“

Wir stiegen an Deck. Der Mondschein lag silbern über der Bucht und den beiden nebeneinander vertäuten Schiffen.

Jochem hielt es doch wohl für ratsam, auf der Rania Maru zu bleiben. Er ließ uns allein über die Reling auf den Schoner klettern und meinte diplomatisch:

„Ich muß wieder auf den Felsen zurück, Herr Harst.“ Und er deutete rückwärts auf die höchste Erhebung der Insel, von wo aus die ganze Bucht zu überblicken war.

„Mag er!“ sagte Harald leise. „Besser, daß wir mit dem Gespenst allein sind.“

Das klang so eigentümlich, daß ich allen Grund hatte zu fragen: „Du ahnst, wer das Gespenst ist?“

„Du nicht? – Überlege mal: weiße Gestalt, gelbe Mütze! – Und Evelyn ist – blond!“

„Wie –?! Evelyn? Das – das ist doch unmöglich!“

„So?! – Warte ab!“

 

2. Kapitel.

Onkel und Nichte.

Es war nicht unmöglich. Bei einigem Nachdenken sagte ich mir dies selbst. Hierzu hatte ich reichlich Gelegenheit, als wir nun die in all ihren Innenräumen aufs traurigste verwüstete Nevada durchsuchten.

Harst schritt voran – schritt über zertrümmerte Türen und Möbel hinweg, über zerbrochene Kisten, Scherben und Stoffetzen. Sogar die Wandbespannungen hatten die Araber herabgerissen.

Wir nahmen denselben Weg, den „das Gespenst“ gegangen, über die Treppe am Heck in die Kabinenräume.

Millionenwerte waren hier vernichtet. Die braune Bande hatte wie die Teufel gehaust. Sogar die Türgelenke und Schlösser waren losgesprengt worden.

Haralds Taschenlampe schickte ihren Strahlenkegel hin und her gleitend über diese Bilder eines unsinnigen Vandalismus hinweg. Auch ich hatte meine Lampe eingeschaltet. So kamen wir in die große Doppelkabine, die Evelyn bewohnt hatte, einen Wohn- und einen Schlafraum. Pierpont Narrows Liebe zu Evelyn hatte einst diese beiden Miniaturzimmer zu Mustern erlesenen Geschmacks und praktischer Anlage gemacht. Wie sah es jetzt dort aus. Nichts war ganz geblieben. Die kleinen Seidensessel waren zerschnitten. Der Stoff fehlte, die Polsterung, die Federn.

Wir traten auf die Scherben vernichteter Bilder, zerbrochener Nippfiguren und alter buntbemalter Tongefäße. Die weiße Seide der Wandbespannung im Schlafraum war den Arabern wohl besonders wertvoll gewesen. Sie hatten sich hier Zeit gelassen und die Seide sauber abgetrennt, ebenso die gelbliche Faltenbespannung der Decke. Das in die Wand eingefügte Bett jedoch hatten sie merkwürdigerweise nicht berührt. Es sah genau so aus, als ob es soeben benutzt worden war. Die Steppdecke war zurückgeworfen, die Kissen zeigten noch den Eindruck eines Kopfes.

Vielleicht hatte der auf dem Bett liegende Telephonhörer mit der langen Schnur den Verdacht der braunen Gesellen erregt. Sie mochten ihn für irgend ein Mordinstrument angesehen haben.

„Evelyn hat also die Expedition ins Innere doch nicht mitgemacht,“ sagte Harald vor dem Bett leise und deutete auf den Eindruck in den Kissen und den Hörer. „Evelyn schlief, als der Überfall erfolgte. Der Lärm weckte sie. Die Telephonleitung geht wahrscheinlich nach vorn in das Mannschaftslogis. Evelyn fragte dort an, was der Lärm auf sich hätte.“

Ich schwieg. Ich dachte jedoch: „Hier kann auch Evelyns Gesellschaftsdame oder die Zofe geschlafen haben, während Evelyn abwesend war.“

Harald erriet meine Gedanken. „Du bist auf falscher Fährte, mein Alter.“

Weiter sagte er nichts, trat wieder in den Gang hinaus und bog links in die Kabine ein, die von Miß Graner bewohnt worden war.

Seltsam: auch hier das Bett genau in einer Verfassung, als ob es soeben verlassen wäre! Auch hier ein Telephonhörer im Bett!

Harst hielt sich hier nicht lange auf. Wir gingen in die nächste Kabine, die der Zofe Ward. Hier jedoch auch das Bett zerstört, die Bezüge aufgeschnitten, die Stahlmatratze entfernt. –

Ich muß noch einfügen, daß Narrow die Nevada innen nicht besichtigt hatte. Er war an Deck geblieben, als wir anderen die Zerstörungen in Augenschein genommen und nach Leichen gesucht hatten. Vielleicht hatte er gefürchtet, wir könnten Evelyn unten tot auffinden.

Harst wandte sich langsam um. „Hast Du Augenmaß, mein Alter?“ fragte er, indem er wieder den Gang hinab Evelyns Doppelkabine zuschritt.

Dann blieb er stehen.

„Zwischen Evelyns Schlafraum und der Kabine Miß Graners muß noch ein schmaler Verschlag liegen, wahrscheinlich ein Bad –“

Dieser Wink genügte mir.

Ich schaute in Miß Graners Kabine hinein, merkte mir, wie weit die linke Wand reichte, und tat dasselbe bei Evelyns Schlafraum.

„Ja – es fehlt ein Stück von anderthalb Meter,“ nickte ich.

„Ja – dort stecken die drei Frauen. Suchen wir die Tür.“

Und er ging in Evelyns Kabine und musterte die ihrer Bespannung beraubte Wand nach Miß Graners Seite hin. Die schmalen Goldleisten, die den Seidenstoff festgehalten hatten, waren noch vorhanden, bildeten große Vierecke. Neben dem Waschtisch war ein Stück der Wand unbesetzt. Und – da waren zwei der Goldleistenvierecke schmaler und höher. Das sah auch ich, indem ich der Richtung von Haralds Blicken folgte.

„Eine Art Tapetentür,“ meinte er.

Ja – ein winziges Schlüsselloch zeichnete sich auf dem dunklen Holze ab.

Harst klopfte, rief leise:

„Miß Narrow, bitte geben Sie Antwort. Ich bin der Privatdetektiv Harald Harst –“

Erst Stille.

Dann das leise Kreischen eines Schloßriegels.

Die Tür ging nach innen auf.

Unsere Taschenlampen beleuchteten drei Gestalten, die in – Bademäntel gehüllt waren, drei Gesichter, blaß, hager, verstört. –

Harald zog die Reisemütze, verbeugte sich.

„Miß Narrow, Ihr Onkel weiß alles. Orkry ist an Bord der Rania Maru. Sie brauchen nicht zu fürchten, daß Master Narrow Sie mit Vorwürfen empfängt. Er ist sehr besorgt um Ihr Schicksal. Hier mein Freund Schraut wird ihn sofort wecken –“

Ich eilte davon – eilte auf die Rania Maru hinüber.

Narrow war noch nicht zu Bett gegangen. Auf mein Klopfen öffnete er sofort.

Ich war selbst erregt. Es war etwas unbesonnen von mir, sofort mit der Neuigkeit herauszuplatzen:

„Miß Evelyn ist gefunden!“

Narrow taumelte zurück – wurde bleich.

„Tot – tot?“ stammelte er.

„Nein – sie lebt. Sie, Miß Graner und die Zofe hatten sich in dem Baderaum neben Miß Evelyns Kabine versteckt gehalten –“

Narrow sprang vor, drängte mich bei Seite und lief die Treppe hinan. Ich folgte. Im Salon waren wir gehört worden. Laccemoor rief mir zu: „Was ist denn geschehen, Mr. Schraut?“

„Evelyn ist da!“

Da kamen die vier wie die wilde Jagd hinter mir her.

Evelyn, Miß Graner und die Zofe waren bereits auf die Rania Maru hinübergestiegen. Harald stand neben Evelyn, als Narrow herbeistürzte.

„Evelyn – Evelyn!“ – Die Stimme des reifen Mannes, des Gebieters über Milliarden, des Besitzers zahlloser Fabriken, klang schmerzlich bewegt.

Er steckte ihr die Hände hin.

Das Mondlicht beleuchtete mild diese seltsame Szene, – die drei Frauen in den langen Bademänteln, den hünenhaften Pierpont Narrow und meines Freundes schlanke elegante Gestalt.

Evelyn bewies, daß sie kein weinerliches Frauenzimmer war.

„Verzeih’ mir!“ sagte sie schlicht. „Was ich getan, habe ich durch die wahnwitzige Angst vieler Tage dort im Baderaum gebüßt – durch Hunger, Durst und Selbstvorwürfe. Drei Matrosen, die mit uns auf der Nevada zurückgeblieben waren, sind ermordet worden. Ich bin schuld an ihrem Tode. Ich bin genug gestraft für alles.“

„Das bist Du, arme Evelyn,“ meinte Narrow tief bewegt.

Dann führte er sie die Treppe hinab in seine Kabine.

Miß Graner und die Zofe brachten wir in die unsrige.

Nach zwei Stunden hatte sich die allgemeine Aufregung an Bord gelegt. Die Frauen waren im Salon, den sie vorläufig bewohnen sollten. Narrow hatte den Wohnraum seiner Doppelkabine als gemeinsamen Aufenthaltsraum freiwillig hergegeben.

Hier saßen wir Männer nun und warteten auf Narrow, der den Frauen bei der Mahlzeit im Salon Gesellschaft leistete.

Wir wußten bereits, weshalb Evelyn ihren ursprünglichen Plan, Prenn und die fünf Matrosen ins Innere zu begleiten, aufgegeben hatte. Sie war plötzlich an einem leichten Malariaanfall erkrankt und hatte eingesehen, daß sie für William Prenn nur ein Hindernis sein und ihm sein Vorhaben erschweren würde. So hatte sie denn auf die Teilnahme an der Expedition verzichtet.

Was würde nun aber aus unserer Expedition werden? Eigentlich war sie ja überflüssig geworden. Prenn mit den fünf Matrosen war vor zehn Tagen zu Pferde in die Einöden Innerarabiens hineingeritten. Vor sechs Tagen war die Nevada dann von den Arabern, die sich bis dahin freundlich gezeigt, überfallen worden. William Prenn war also noch unterwegs zu dem geheimnisvollen Volke, und ob er Thomas Armart befreien und mitbringen würde, mußte die Zukunft zeigen.

John Laccemoor, der uns sehr zugetan war, meinte jetzt, es wäre doch wohl besser, wenn wir vier, die wir am Morgen hatten Pferde besorgen sollen, Prenn folgen würden.

„Sie, Mr. Harst, sind ja auch als Detektiv oft genug in unkultivierten Gegenden gewesen und kennen auch Arabien bereits. Prenn ist mehr Kultur-Detektiv. Freilich – ob Mr. Narrow jetzt, wo seine Angst um Evelyn zerstreut ist, noch die Mittel für diese Expedition bewilligen wird, erscheint mir fraglich.“

Im selben Moment trat der eben Erwähnte ein.

„Meine Herren, es ist Zeit, zur Ruhe zu gehen,“ sagte er ernst. „Mr. Harst hat morgen viel vor. Es bleibt natürlich bei unseren Vereinbarungen. Ich habe soeben Evelyn versprochen, für Thomas Armart alles zu tun, was in meinen Kräften steht. Und diese Kräfte sind Sie, Mr. Harst, und die drei anderen Herren, die mit Ihnen dieses Abenteuer bestehen wollen. – Gute Nacht. Auf Wiedersehen –“

Er ging in seine Schlafkabine und schloß die Schiebetür hinter sich.

Zum ersten Male war soeben der Name Armart über seine Lippen gekommen. Leicht war es ihm sicherlich nicht geworden, den Verlobten Evelyns dem unbekannten Volke entreißen zu helfen. Aber er hatte sich selbst überwunden. Er – imponierte mir und wohl auch allen anderen, die wir hier zusammensaßen.

Als wir beide uns dann in unserer Kabine entkleideten, sagte Harald sinnend:

„Ich fürchte, die arme Evelyn wird eine bittere Enttäuschung erleben. Der Brief Svenborgs scheint mir anzudeuten, daß Armart freiwillig bei dem fernen Volke dort in den Gebirgszügen geblieben ist. Denn – was sollten sonst wohl die Worte „– aber nicht mehr zu leben wünscht“ für einen Sinn haben?! Doch nur den, daß Armart für tot gelten will.“

„So?! Und – kann man diese Worte nicht auch so auslegen, daß Armart sich den Tod wünscht, weil er vielleicht in martervoller Gefangenschaft gehalten wird?“

„Du vergißt den Anfang des kurzen Briefes. Dort heißt es „– trotz eines von mir geleisteten Versprechens –“ – Weshalb hätte Armart seinem Kameraden ein Versprechen dieser Art abnehmen sollen, wenn er als Gefangener dort weilt?! Mußte ihm dann nicht gerade daran gelegen sein, daß sein Schicksal bekannt würde und man ihn befreite?!“

Ich gab mich geschlagen. Harald hatte wieder einmal schärfer gedacht als ich. Seine Ausführungen hatten mich vollkommen überzeugt: Thomas Armart war es gar nicht wert, daß Evelyn solche Anstrengungen zu seiner „Befreiung“ machte! Er wollte gar nicht befreit sein.

„Dies wußte ich sofort, als Orkry uns den Inhalt des Briefes mitgeteilt hatte,“ fügte Harald hinzu. „Wir werden jedoch schweigen. Ich will jetzt mehr den Forscher als den Detektiv spielen. Jenes geheimnisvolle Volk interessiert mich.“

Dann gingen wir schlafen.

 

3. Kapitel.

Der Löwe.

Am Nachmittag hatten wir dann in einem mehr landeinwärts gelegenen Dorfe glücklich vier Reitkamele und vier Lastkamele gekauft. Die Araber hatten uns einen unverschämten Preis abverlangt. Da die Unkosten auf eines Milliardärs Rechnung gingen, konnte uns dies gleichgültig sein.

Unser Motorboot hatten wir unter Orkrys und eines Matrosen Schutz in einer kleinen Bucht an der Küste zurückgelassen. Connword allein war mit uns ins Innere bis zu dem Dorfe gewandert. Aus Vorsicht hatten wir jeder eine der Repetierbüchsen und reichlich Munition mitgenommen. Die Araber waren jedoch völlig harmlos. Sie wußten offenbar nichts davon, daß die Bewohner des anderen, zwanzig Meilen weiter östlich gelegenen Küstendorfes die Nevada ausgeraubt hatten.

Connword kehrte dann allein zum Motorboot zurück. Wir beide wollten die acht Tiere nach der Bucht bringen, wo die beiden Schiffe verankert waren. Connword hatte noch nie im Kamelsattel gesessen und hatte daher erklärt, er wolle sich dieses „Vergnügen“ für den nächsten Tag aufsparen. –

Außer Sätteln und Zaumzeugen hatten wir auch Wasserschläuche und Lebensmittel von den Arabern eingehandelt, besonders frisches Hirsebrot und Dörrfleisch, Früchte und einen Schlauch eines weinartigen angenehmen Getränks.

Um sechs Uhr verließen wir hoch zu Kamel das Araberdorf. Die übrigen Tiere waren hintereinander angeseilt. Wir hofften, in zwei Stunden die Bucht und die Schiffe zu erreichen. Da wir tadellose Reitkamele ausgesucht hatten und auch das Reiten im Kamelsattel gewöhnt waren (ich erinnere nur an unser Abenteuer in der indischen Thar-Wüste, Band Nr. 84 und folgende), freuten wir uns auf diesen Ritt. Wir waren froh, einmal wieder allein zu sein. Das Zusammenleben mit so vielen Menschen auf einem doch immerhin kleinen Fahrzeug wie unsere Rania Maru war nichts für uns.

Die Küstenbildung dieses Nordostteiles Arabiens ist sehr verschiedenartig. Teilweise treten steinige Höhenzüge bis dicht an die Küste heran, weichen dann wieder anderswo zurück und schieben einen breiten Strich echter Sandwüste zwischen sich und das Meer.

Die Gegend, die wir so durchritten, ist verhältnismäßig fruchtbar. Um jedes Dorf ziehen sich Felder und Gärten hin. In der Steppe weidet Vieh, zumeist Schafe, Ziegen und Kamele.

Schweigend trabten wir dahin. Den Dörfern bogen wir aus. Nur zweimal begegneten uns kleinere Trupps Araber, die uns jedoch kaum beachteten.

Nun hörte jedoch, je näher wir der Bucht kamen, der fruchtbare Steppenboden immer mehr auf. Die Steinwüste begann. Über felsige Hochebenen, durch schaurig öde Täler ging’s weiter nach Osten zu. Kein Strauch, kein Baum, kein Tier – nur dunkelgrauer Fels und über uns die sinkende Sonne und ein paar Aasgeier, die drüben nach Süden zu träge über einer Bergkuppe schwebten.

Harst war hier so recht in seinem Element. Er pfiff vergnügt einen Marsch und rief mir zwischenein immer wieder zu:

„Famose Tiere – famose Tiere!“

Das stimmte: unsere beiden Reitkamele waren das Geld wert!

Dann bog Harald plötzlich nach rechts ab.

„Wollen uns doch die Zeit lassen und mal nachsehen, was die Aasgeier dort anlockt.“

Wir hatten die Felskuppe bald erreicht. Als wir sie umritten, sahen wir zu unserem Erstaunen dahinter ein kleines grünes Tal mit ein paar Bäumen und Palmen.

Aber – wir sahen noch etwas.

Und was wir sahen, entlockte mir unwillkürlich einen leisen Schrei des Entsetzens.

Da waren an den Bäumen Männer festgebunden, vier Männer in Matrosentracht.

Vier – Leichen, entsetzlich entstellt durch die Schnäbel der Aasgeier, halb aufgefressen, mit zum Teil schon vom Fleische entblößten Knochen. –

Ein furchtbarer Verwesungsgeruch schlug uns entgegen, als wir zögernd noch näher heranritten. Unsere Tiere scheuten, drängten rückwärts.

Derselbe Gedanke ließ uns die Köpfe wenden. Wir schauten uns an.

„Vier der Begleiter William Prenns!“ sagte Harald leise.

Dann lenkten wir zur Seite, näherten uns den Bäumen mit dem Winde, um dem furchtbaren Geruch zu entgehen.

Harst sprang aus dem Sattel, nachdem er sein Tier hatte niederknien lassen.

„Gib auf die Umgebung acht,“ rief er mir zu.

Ich verstand: hier drohte irgend eine Gefahr!

Ich spannte die neunschüssige Repetierbüchse, entsicherte sie und spähte andauernd ringsum.

Harald war bis an die Bäume gegangen, sah sich die Leichen an und kam wieder zurück.

„Es sind fraglos vier der Gefährten Prenns,“ sagte er mit einem Gesicht, das noch düsterer als die düsteren Felsmassen war. „Sie sind erschossen worden – an den Bäumen stehend, richtig füsiliert. – Von wem – von wem?! – Und! – sieh dort im Sande die Fährte, mindestens zwölf Kamele, daneben Fußspuren von breiten Sandalen. Die Fährte ist keine acht Stunden alt, behaupte ich. Reiten wir ihr nach.“ –

So waren wir denn mit einem Male mitten in einem aufregenden Abenteuer und hatten doch gehofft, diese Nacht noch in unserer Kabine auf der Rania Maru zubringen zu können.

Harst ritt jetzt stets fünfzig Meter voran. Die Fährte führte nach Südost in die wellige Sandwüste hinein – bis in ein Tal, wo die Spuren eines Lagers verrieten, daß die Kamelreiter hier längere Zeit, sicher mehrere Tage, geweilt hatten.

Von dieser Stelle liefen Fährten, ältere und neue, nach allen Richtungen hin.

Harst, der wieder abgestiegen war, winkte mir.

Ich ritt weiter, bis ich neben ihm hielt.

„Da!“ sagte er nur.

Und seine Hand wies auf eine Tierfährte, die sich hier gerade in dem durch einen bachähnlichen Wasserlauf feuchten Sande deutlich wie in Gips abgedrückt hatte.

„Ein Löwe!“ erklärte Harald.

Ich blickte ihn zweifelnd an.

„Es gibt in Arabien noch genug Löwen, mein Alter.“

Dann deutete er auf die Spuren plumper Sandalen neben der Löwenfährte.

„Mensch und Tier sind gleichzeitig hier gewesen und vor etwa zwei Stunden!“

Er schritt den Fährten nach. Wir kamen bald an eine Stelle, wo der Sandalenträger ein Kamel bestiegen hatte und nach Süden geritten war. Die Löwenspur blieb stets dicht neben dem Reiter.

Wieder machte Harald halt.

„Es gibt nur eine Erklärung dafür: Die Bestie ist zahm! Es ist ein zahmer Löwe, und der Reiter ist der Besitzer des Tieres.“

Ich wußte nichts dagegen einzuwenden.

„Mein lieber Alter,“ begann Harald wieder, „dies alles hier kommt mir überaus verdächtig vor! Machen wir, daß wir die Bucht erreichen. Ich fürchte, wir werden sie nicht erreichen –“

Er trabte schnell weiter, die Büchse quer überm Sattel.

Was hieß das: Wir werden sie nicht erreichen?!

Und dann – dann kam mir die Erleuchtung: das Lager dort hinten im Tale, die vielen Reiter (denn insgesamt waren hier mindestens fünfzig versammelt gewesen!), die von dem Tale nach allen Richtungen führenden Spuren, die vier erschossenen Matrosen, der zahme Löwe: sollten etwa Leute jenes geheimnisvollen Stammes bis hierher vorgedrungen sein, sollten sie William Prenns Expedition überfallen haben?

Ich mußte mir Gewißheit verschaffen, wie Harald darüber dachte.

Ich trieb mein Tier zu schnellerer Gangart an, zerrte die anderen sechs Kamele hinter mir her, näherte mich Harst.

Wir waren hier gerade auf einer hohen Bodenwelle.

Nach links hin sah ich das Meer, sah einen Höhenzug.

Nach rechts die endlose Wüste. Und vor und hinter uns kahle Berge, Felsen, Steingeröll in weiten Feldern.

„Harald, eine Frage!“ bat ich laut.

Da riß er sein Tier zurück.

Seine Hand beschrieb einen Bogen.

Und – wie durch Zauberschlag hatte sich links von uns die Einöde belebt.

Eine endlose Linie von Kamelreitern kam auf uns zugejagt – mit flatternden weißen Burnussen, flatternden Kopftüchern, deren rote breite Einfassung von weitem leuchtete, – mit roten Schärpen um die Hüften, Gewehren in den Händen.

Harst hatte schon die Leine durchschnitten, so daß die letzten fünf der Kamele nicht mehr uns zu folgen brauchten. Nur eins der Lastkamele nahmen wir so mit auf die Flucht, jagten nun nach Süden, wohin wir allein freie Bahn hatten.

Unsere Tiere waren ausgeruht, waren besser als die der Verfolger.

Wir jagten dahin wie der Sturmwind, schauten uns nicht um, schauten nur zuweilen nach rechts, wo die Sonne vorhin hinter fernen Höhen untergetaucht war.

Unsere Hoffnung die Nacht – die Dunkelheit!

Wenn erst die Nacht die Wüste deckte, waren wir gerettet –

Vor uns eine Reihe einzelner Felsen wie schwarze Flecken.

Bald waren wir nur noch hundert – nur fünfzig Meter entfernt.

Harald, wieder ein Stück voraus, hielt auf den größten der Felsen zu, eine Art Pyramide mit glatter Spitze.

Noch zehn Meter.

Dann – meine Augen stierten wie gebannt – dann schoß hinter dem Felsen ein Löwe hervor, keiner der gelben afrikanischen Löwen, – eine dunkler, bräunlich getönte Bestie mit prachtvoller Mähne.

Zwei Sprünge – und der Löwe hing am Halse des Reitkamels, das sich sofort überschlug.

Harst flog aus dem Sattel – flog in den Sand, blieb bewußtlos liegen.

Ein Schuß knallte vom Felsen her – ein zweiter.

Auch mein Tier brach zusammen – auch ich schoß über dessen Kopf hinweg. Schlug hart auf, verlor die Besinnung.

 

4. Kapitel.

Sultana Eizul.

Zu einem wehrlosen Bündel zusammengeschnürt lag ich in dem Tragkorbe eines Lastkamels mit verbundenen Augen.

Das Rütteln und Schütteln hatte mich wieder zum Bewußtsein gebracht. Das Tier, dem der Korb an der Seite hing, trabte. Ich hörte ringsum die dumpfen Hufschläge einer größeren Reiterschar. Ich hörte das Klirren von Zügelringen, das Keuchen von Kamelen.

Gefangen, – gefangen, bevor wir noch unseren Ritt ins Innere hatten antreten können.

Gefangen genommen von Beduinen in einem Küstenstrich, über den England gebietet, der zumeist von harmlosen Arabern bewohnt wird.

Und dann, je mehr mein Geist sich klärte, der schreckhafte Gedanke: diese Beduinen, alle so völlig gleich gekleidet, sind Zugehörige des unbekannten Volkes, das ihr aufsuchen wolltet, sind dieselben, von denen William Prenns vier Matrosen erschossen wurden.

Weiter trabte mein Lastkamel. Weiter rüttelte und schüttelte es mich in dem engen Korbe, daß mir sehr bald Übelkeit in der Kehle hochstieg, daß ich mich erbrach. Das Gefühl von Seekrankheit machte mich sterbenselend. Ein eisiger Schweiß trat mir auf die Stirn.

Und dann – schlief ich schließlich vor Erschöpfung ein. Schlief trotz des Rüttelns und Schüttelns wie jene Bedauernswerten, die, nicht seefest an Bord eines im Sturme rollenden Schiffes, ebenfalls im Schlafe Erlösung finden, nachdem die körperliche Mattigkeit überhand genommen. –

Ein harter Stoß weckte mich. Der Korb stand im Sande. Meine Augen waren frei. Ein blondbärtiges braunes Gesicht über mir. Und zwei kräftige Fäuste zerrten mich empor. Ich rollte in den Sand.

Der Morgen graute. Ringsum wiederkäuende ruhende Kamele, Männer in weißen Burnussen, weißen Kopftüchern, roten Schärpen.

Und – Harst – keine zwei Schritt entfernt gebunden auf dem Boden hockend.

Harsts graue Augen die meinen zwingend, mehr nach links zu schauen.

Da saß vor einem Zelte von blaßgelber Seide eine blonde Frau, gehüllt in ein seidenes, loses, weißes Gewand mit roten Kanten, um den Kopf turbanartig einen rotseidenen, golddurchwirkten Schal geschlungen.

Ein blondes Weib, jung, von eigenartiger wilder Schönheit mit dunklen großen Augen, die uns gleichgültig musterten.

Auf einem kostbaren hellen, seidig glänzenden Gebetteppich saß sie, neben sich – einen Löwen – vor sich auf dem Teppich eine Büchse.

Sie rauchte eine Zigarette, rauchte mit zierlichen Bewegungen. Um ihren nackten rechten Unterarm hingen Goldspangen, glänzten Brillanten wie schillernde Striche.

Ein paar andere Beduinen kamen, hoben uns empor, schleppten uns zu zwei Palmen am Rande der kleinen Oase.

Banden uns aufrecht an die Palmen, das Gesicht nach Osten.

Dort mußte sehr bald die Sonne aufgehen. Dort lag der Glanz der Morgendämmerung über der Wüste.

Kein Wort sprachen die Männer, die fast alle blond und doch Araber waren.

Kein Wort fiel, als sich nun fünf Schritt vor uns zehn der unheimlichen Gesellen aufstellten, ihre Vorderladerflinten spannten und wie fragend nach rechts schauten, wo zwölf Schritt weiter die Frau in kalter Ruhe saß und rauchte.

Ihre Hand deutete nach Osten. –

„Wenn die Sonne erscheint, ist es aus mit uns,“ sagte Harald da, und er sprach es hin wie einer, der nicht mehr hofft. „Wir teilen das Schicksal der vier Matrosen, mein Alter –“

Die Frau hatte plötzlich den Kopf etwas gehoben.

Ihre Augen ruhten durchdringend auf Harst.

Dann erhob sie sich, kam näher.

Unter ihrem Gewande sah ich Sandalen, die einen zierlichen Fuß umspannten, plumpe, häßliche Sandalen.

Sie blieb stehen. Der Löwe schritt bedächtig auf uns zu, beschnupperte uns, tat sich neben den Beduinen nieder.

Harst rief der Frau plötzlich in deutscher Sprache zu:

„Dürfte ich noch etwas erbitten? Darf ich noch eine Zigarette rauchen? Hier in meiner linken Brusttasche fühle ich noch mein Etui. Es ist gefüllt.“

Die Frau regte sich nicht. Ihre Augen waren kleiner geworden. Die Lider hatten sich halb geschlossen.

Dann winkte sie einem der anderen Beduinen, die hinter den Schützen einen weiten Halbkreis gebildet hatten.

Sie flüsterte dem Manne etwas zu.

Und – der Mann kam, faßte Harst in die Tasche, holte das Zigarettenetui hervor und nahm eine Zigarette heraus, steckte sie ihm zwischen die Lippen und schlug mit einem altertümlichen Luntenfeuerzeug Feuer.

Harst rauchte zwei – drei Züge.

Ich selbst – ich war wie versteinert vor namenlosem Staunen. Harst hatte die Frau in deutscher Sprache angerufen, und – sie hatte ihn verstanden, denn der Beduine war ja sofort auf ihren geflüsterten Befehl gekommen und hatte Haralds Bitte erfüllt.

Ein Weib, das dem unbekannten Volke angehörte und das der deutschen Sprache mächtig war?!

Was bedeutete das?! –

Im Osten erschien tief am Horizont ein feuriger Glanz.

Jeden Moment mußte die Sonne auftauchen.

Die zehn Schützen hoben die Flinten, legten an, zielten.

Fünf schwarze Mündungslöcher suchten meine Brust, in der das Herz raste, hämmerte.

Der Tod – das Ende? Wirklich das Ende?!

Denn – Harald rauchte gelassen weiter, lächelte etwas, blickte die Schützen an.

Später hat er mir eingestanden, daß auch sein Herz flatterte, daß er nur auf eins hoffte: durch Gleichgültigkeit dem drohenden Tode gegenüber die Frau umzustimmen, von deren Entscheidung allein Leben oder Sterben abhing!

Die Sonne kam.

Ein schmaler Bogen sandte die ersten Strahlen über die stille Wüste.

Die Schützen wandten abermals wie fragend die Köpfe nach der Frau hin.

Ein Wort kam über ihre Lippen.

Ein einziges Wort – mir fremd.

Und zehn Flinten drückten sich fester in die Schultern ein.

Mir stand das Herz still.

Dunkle Schleier senkten sich herab. Ich sah nichts mehr.

Schüsse krachten.

Das – Ende – das Ende!

Und – doch kein Schmerz in der von Kugeln bedrohten Brust, nur – nur das wahnsinnige Jagen des Herzens, gesteigert bis zur körperlichen Qual.

Ich lebte noch.

Ein Stück Rinde der Palme fiel mir auf die Schulter, glitt in das fahle Gras.

Ich hatte die Augen wieder in der Gewalt, sah das Stück Rinde, wußte: man hatte über unsere Köpfe hinweg in den Baum geschossen! Es war vielleicht eine Probe gewesen, ob wir nicht doch um Gnade flehen würden.

Mein Blick eilte zur Seite – zu Harald.

Der hatte noch den glimmenden Rest der Zigarette zwischen den Lippen, ließ ihn jetzt den Lippen entgleiten.

Die Frau war verschwunden. Die Schützen entfernten sich. Wir waren allein. Niemand kümmerte sich mehr um uns. Nur der Löwe lag noch dort, wo er sich vorhin niedergetan hatte.

„Begreifst Du das, Harald?“ flüsterte ich, und meine Stimme gehorchte mir kaum. Die Kehle war mir wie ausgedörrt.

„Nein, mein Alter. Ich weiß nur, daß diese Beduinen fraglos Leute des geheimnisvollen Volkes sind und daß die blonde Frau Ihr Scheich, ihr Häuptling, ihre Sultanin sein muß.“

„Sie kann deutsch –“

„Ohne Zweifel. Sie stutzte, als ich Dir sagte, daß die Sonne uns den Tod bringen würde. Sie hat uns nicht für Deutsche gehalten, hat uns geschont, weil wir es sind!“

Ein Mann näherte sich uns, löste unsere Fesseln und befahl uns in kaum verständlichem Englisch:

„Setzt Euch nieder. Wenn Ihr flieht, werdet Ihr erschossen.“

Ein zweiter kam mit einer Schüssel voll Hirsebrei und einem Holznapf voll Wasser, stellte beides auf die Erde und ging mit dem ersten Manne davon.

„Es ist die reinste Ironie, hier von Fluchtversuch zu sprechen, wo der Löwe doch der beste Wächter ist,“ meinte Harald. „Die Bestie läßt uns nicht aus den Augen. Das Tier ist fraglos ganz jung eingefangen worden und daher völlig zahm. Trotzdem ist diese Nachbarschaft reichlich ungemütlich. Man weiß nie, ob bei einem solchen Raubtier nicht plötzlich doch wieder die wahre Natur zum Durchbruch kommt.“

Wir aßen den Hirsebrei mit einigem Widerwillen. Er war sehr stark gepfeffert und mit Hammeltalg vermischt.

Der Löwe, dessen stolzer, hochmütiger Blick unausgesetzt auf uns ruhte, erhob sich mit einem Male und kam langsam näher. Er hatte das Trinkwasser in dem Holznapf gewittert und schien Durst zu haben.

Harst trank schnell ein paar Schlucke, reichte mir dann den Napf und sagte: „Rasch! – Schiebe dann den Napf dem Löwen hin.“

Ich begnügte mich ebenfalls mit einer Wenigkeit des lauen, leicht bitter schmeckenden Wassers und stellte dann den Napf dicht vor die Bestie hin, die vor uns halt gemacht hatte und den Schweif wie bittend hin und her pendeln ließ.

Ich wunderte mich selbst, daß ich keine Furcht, nur ein leises Unbehagen empfand, so etwas wie nervöse Spannung.

Die Bestie begann zu saufen. Der Napf war oben nicht breit genug und der Löwe hätte ihn daher beinahe umgestoßen. Harst war schnell näher gerutscht und hielt nun das Gefäß schräg, so daß der Löwe nun bequem trinken konnte. Er leckte den Napf völlig leer, stieß ein behagliches Brummen aus und tat sich nieder, legte den Kopf auf die Vorderpranken und blinzelte uns an.

Nie in einem Zoologischen Garten ist es mir so sehr zum Bewußtsein gekommen wie hier in freier Natur diesem halbfreien Tiere gegenüber, welch wahrhaft majestätischen Anblick ein Löwe darbietet und welch wirklich edlen Ausdruck sein Gesicht hat.

Harald sprach zu der Bestie, recht weich und schmeichelnd. Da warf das Tier sich plötzlich auf die Seite wie eine Katze, die spielen will.

Harst begann ihr den Kopf zu krauen.

Es war ein Bild, wie man’s nicht oft sieht.

Ringsum die freie Wüste – dort die Oase, die lagernden Beduinen, die ruhenden Kamele, das helle Seidenzelt der Sultana mit dem herabgelassenen Türvorhang.

Und neben mir der Freund, auf dem Bauche liegend, mit dem Löwen sich neckend, ihn zausend und streichelnd und immer wieder zu ihm sprechend mit jenem sanften Ton, den Harald Harst ebenso gut stets zu treffen weiß wie den nachdenklich ernsten Klang der Stimme des scharfen Denkens.

Plötzlich vom Zelte her ein Zuruf.

„Caesar – hierher!“

Deutsch – deutsch dieses befehlende „Hierher!“ der Sultana.

Alles andere war vergessen. War’s eine Deutsche, die hier die Sultana des fremden Volkes spielte?

Der Löwe war gehorsam aufgesprungen, trabte dem Zelte zu, verschwand darin.

Dann kamen auch schon zwei Beduinen, brachten uns einen neuen Napf Wasser und eine frisch am Spieße gebratene Hammelkeule.

Das mundete besser als der Hirsebrei. Wir aßen mit gutem Appetit. Wir benutzen unsere großen Klappjagdmesser zum Zerlegen und als Gabel. Und als wir sie aus der Tasche nahmen, stellten wir fest, daß man uns auch unsere Pistolen nicht abgenommen hatte.

Eine halbe Stunde später brach die Hälfte der Beduinen auf, und wir beide mußten mit ihnen reiten. Wir hatten tadellose Reitkamele erhalten. Man behandelte uns höflich. Derselbe Beduine, der uns vorhin vor einem Fluchtversuch gewarnt hatte, blieb stets neben uns.

Der Ritt ging immer nach Süden – immer tiefer in die Hochlandwüste Innerarabiens hinein.

Harst versuchte wiederholt ein Gespräch mit dem Beduinen anzuknüpfen. Der Mann antwortete auf Fragen stets ausweichend. Nur eins erfuhren wir: die Frau wurde wirklich Sultana genannt, Sultana Eizul. –

Während der Stunden der Mittagshitze lagerten wir in einem tiefen Tale. Dann wieder weiter in flüchtigem Kameltrab – fernen Höhenzügen entgegen, die immer klarer hervortraten.

Und doch täuschte die dünne Wüstenluft über die Entfernung. Abends waren wir den Bergen kaum merklich näher gerückt. Noch den halben folgenden Tag ritten wir, bis das Gebirge uns seine ersten Ausläufer entgegenschickte.

Bald waren wir mitten in einer Wildnis von schroffen Anhöhen, Schluchten und Tälern, wie ich sie bisher in dieser Trostlosigkeit völliger Kahlheit noch nie gesehen. Auch nicht ein Halm wuchs hier, nicht ein armseliger Strauch oder verkümmerter Baum belebte diese Berge und Schluchten. Auf einem Pfade, der sich unseren Augen als solcher kaum bemerkbar machte, drangen die Beduinen in diese trotz allem großartige tote Bergwelt ein.

So wurde es dunkel. Vorsichtig tappten die Kamele in ein enges Tal hinab, in dem drei Feuer uns entgegenleuchteten.

Menschen bewegten sich um die Feuer.

Nun erkannten wir sechs Beduinen und zwei Weiße, einer davon in Seemannstracht, der andere in einen Sportanzug aus Khakistoff.

Wir stiegen ab, schritten auf die beiden zu.

Der im Khakianzug kam uns entgegen, starrte uns an, fragte dann:

„Etwa Mr. Harst?“

„Ja. Und Sie sind William Prenn!“

„Der bin ich! – Also auch Sie gefangen, Mr. Harst! Seien Sie froh, daß Sie dem Tode entronnen sind – vorläufig!“

 

5. Kapitel.

Thomas Armart.

Der Gefährte William Prenns war ein Matrose namens Boolk, ein älterer, stiller Engländer, der nur sprach, wenn er gefragt wurde.

Wir vier hatten am Feuer Platz genommen. Bevor Prenn uns noch seine Erlebnisse erzählen konnte, trat der Beduine an uns heran und sagte kurz:

„Ihr werdet hier bleiben. Wir lassen Euch Fleisch, Hirse und Wasser zurück.“

Dann schritt er wieder davon. Die gesamten Beduinen brachen auf und führten ihre Tiere nach Norden zu eine engpaßähnliche Schlucht hinan. Sehr bald war der letzte verschwunden.

Wir vier untersuchten nun erst mal die Vorräte. Da lagen an der Westseite des Tales ein Ledersack voll getrockneten Kameldüngers als Feuerung, ein zweiter Sack voll Hirse, ein halber frisch geschlachteter Hammel und drei Wasserschläuche. Außerdem war noch ein eiserner Kochtopf da und zwei Holznäpfe.

„Die Schufte wissen ganz genau, daß wir von hier nicht fliehen können,“ meinte William Prenn ingrimmig. – Er war ein kräftiger Mann in den besten Jahren mit energischem bartlosen Gesicht. „Meiner Ansicht nach befinden wir uns hier mitten im Dschebel Menakib, einem Gebirgszuge Innerarabiens,“ fügte er hinzu. „Also in der ödesten Gegend Arabiens, wo auf Hunderte von Meilen nur Sand und Felsen zu finden sind. Kein einziger Araberstamm wohnt hier in der Nähe, nur – nur vielleicht jenes geheimnisvolle Volk, dessen Existenz wohl seit fünfzig Jahren bekannt ist, ohne daß bisher auch nur ein einziger Forscher bis an dessen Wohnstätten gelangte.“

Wir ließen uns wieder am Feuer nieder. Boolk schleppte den Kameldünger herbei, fachte die Glut frisch an und begann ein Stück des Hammels mit Hirse und Wasser in dem Topfe zu kochen.

Prenn erzählte jetzt, wie er und seine fünf Begleiter schon nach kurzem Ritt von den Beduinen umzingelt worden waren, wie nur er und Boolk sich durchgeschlagen hatten und dann plötzlich die Sultana mit Ihrem Löwen aufgetaucht war, nachdem Boolk und er in wilder Hetze nach Süden geflüchtet waren, da man ihnen den Rückweg nach der Jacht verlegt hatte. Die Sultana war von einem blondbärtigen sonngebräunten Manne begleitet gewesen, in dem Prenn sofort Thomas Armart wiedererkannt hatte, da Evelyn ihm zwei Bilder Armarts mitgegeben. Die Sultana hatte ihnen befohlen anzuhalten. Eine halbe Stunde drauf waren die Verfolger erschienen. So lange hatte der Löwe Prenn und Boolk in einem Tale bewacht. Armart war ihnen stets ferngeblieben, so daß sie ihn nicht einmal anrufen konnten. Prenn hätte dann aus den erregten Worten und Gebärden der Frau geschlossen, daß sie mit irgend etwas höchst unzufrieden war. Später erklärte ihm die Sultana Eizul in tadellosem Englisch, daß die vier Matrosen gegen ihren Willen erschossen worden seien. Prenn und Boolk wurden nun unter Bewachung ins Innere geschafft, nachdem Prenn der Frau noch alles hatte berichten müssen, was von Evelyn bisher zur Befreiung Armarts unternommen worden war. Dabei hatte er auch erwähnt, daß Pierpont Narrow jetzt zwei berühmte Detektive beauftragt hätte, die verschwundene Jacht zu suchen. Hiermit hatte er uns gemeint, ohne unsere Namen zu nennen. Aus dem ganzen Verhalten der Sultana hatte er jedoch gemerkt, daß diese durch Spione über all dies bereits unterrichtet gewesen. Dann waren Boolk und er hier in diesem Tale gefangen gehalten worden. –

Es war nun klar ersichtlich, daß die Sultana uns beiden aufgelauert hatte, daß die Rania Maru und die Nevada ständig beobachtet worden waren und daß Harst und ich durch die drohende Erschießung in jener Oase nur hatten eingeschüchtert werden sollen.

Harald hatte Prenns Bericht wiederholt durch Fragen unterbrochen und sagte nun zu dem Neuyorker Kollegen:

„Mr. Prenn, daß Thomas Armart bei dem unbekannten Stamm in Liebesbanden schmachtete und Evelyn längst vergessen hat, hatte ich schon aus Svenborgs Brief geschlossen. Ihre Erzählung bestätigt dies nur. Armart ist der Geliebte der Sultana Eizul geworden. Unsere Mission ist somit erledigt. Ich hoffe, die Sultana wird uns nach einiger Zeit freilassen.“

Prenn, der mit Wohlbehagen eine von Harsts Zigaretten rauchte, schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht, Mr. Harst. Bedenken Sie, daß der Beduinenstamm offenbar das Geheimnis seiner Existenz weiter bewahren will. Wir sind unser vier, die nun wissen, daß dieses Rätselvolk wirklich vorhanden ist. Nein – ich fürchte weit eher, man wird sich nicht weiter um uns kümmern und uns hier verhungern und verschmachten lassen.“ –

Prenn irrte sich. Der Ausgang dieses Abenteuers war weit romantischer als alles, was wir bisher hier erlebt hatten. – Wir saßen gerade bei der Mahlzeit, als aus dem Engpaß Reiter auftauchten. Vorn ritt die Sultana. Ihr folgten sechs Beduinen. Sie ließ ihr Tier niederknien, stieg aus dem Sattel und – rief:

„Mr. Harst!“

„Komm’ mit!“ flüsterte Harald.

Auch ich erhob mich. Die Sultana war dem Feuer fern geblieben. Der ausgestirnte Nachthimmel zeigte uns trotzdem ihr Gesicht, ihre Kleidung ganz deutlich. Sie trug einen Anzug mit weiten seidenen Beinkleidern nach Art der türkischen Frauen. In dem rotseidenen Gürtel schimmerten zwei Revolver und ein kostbarer Dolch. Auch der Löwe Caesar war jetzt neben ihr erschienen.

Wir grüßten und blieben vor ihr stehen.

Die Frau war doch nicht mehr so jung, als ich in der Oase angenommen hatte. Ich schätzte auf etwa dreißig Jahre. – Sie war offenbar sehr erregt, atmete hastig und sagte dann in deutscher Sprache:

„Herr Harst, ein Undankbarer ist, während ich an der Küste weilte, entflohen, – ein Undankbarer – ein Dieb! Wertvolle alte Tempelgeräte hat er mitgenommen, hat zwei Lastkamele damit beladen und ist entwichen.“

Ihre Stimme zitterte. „Sie und Ihre drei Gefährten sind frei, wenn Sie mir Thomas Armart aufspüren. Er kann noch nicht weit gekommen sein. Erst vor drei Stunden wurde seine Flucht bemerkt. Wir sind im unklaren, wohin er sich gewendet hat. Sie tun nichts Unrechtes, wenn Sie uns helfen, ihn zu ergreifen. Er hat zwei meiner Dienerinnen ermordet, um das Haus ungesehen verlassen zu können.“

Zwei Stunden später.

Mit verbundenen Augen wurden wir beide durch die nächtliche Bergwelt von schweigenden Beduinen davongeführt. Harst hatte eingewilligt, Armart zu suchen. Zwei Stunden waren wir bereits unterwegs – wie Blinde. Wir wußten, daß vor uns die Sultana Eizul dahinschritt. Wir hatten die Raubtierausdünstung des Löwen Caesar, der hinter seiner Herrin hertrottete, stets in der Nase.

Dann ging es in ein Tal hinab. Palmen rauschten neben uns. Düfte von blühenden Pflanzen verdrängten den Raubtiergeruch. Unsere Schuhe traten weichen Grasboden.

Unsere Führer hielten. Die Augenbinden wurden uns abgenommen. Vor uns lag ein endloses, rings von hohen Bergen eingeschlossenes Tal. Grüne Felder, Weideflächen, Baumgruppen und in der Ferne eine Ansammlung von weißen Steinhäusern verrieten uns, daß wir die Wohnstätten des unbekannten Stammes erreicht hatten.

Die Sultana Eizul stand neben uns.

„Was Sie hier sehen, ist vielleicht das glücklichste Fleckchen Erde, das es, klein im Verhältnis zur übrigen Welt und doch begnadet mit allem dem Menschen Nötigen, irgendwo geben mag,“ sagte sie fast feierlich in deutscher Sprache. „Wie ich, ein Weib aus einer der Riesenstädte Europas, ein Kind der modernen Zeit, eine Heimatlose und doch überall Beheimatete, hierher vor zehn Jahren verschlagen wurde, geht nur mich etwas an. Wer ich war, wird nie jemand erfahren. Wer ich bin, wissen Sie beide: die Sultana Eizul des sagenhaften Mischvolkes der Arakruzier, eines Volkes von kaum zweitausend Seelen, das durch eine besondere Religion und besondere Überlieferungen gezwungen ist, fern von den anderen Menschen hier in der Verborgenheit zu leben und durch strenge Gesetze eine Übervölkerung dieses paradiesischen Tales zu verhüten, in dem mehr als zweitausend Menschen sich nicht ernähren könnten. – Vor sechs und ein halb Jahren etwa fand ich Thomas Armart neben seinen bereits verschmachteten Begleitern halbtot auf. Eine Strecke weiter lag der Däne Svenborg im Sande. Ich setzte es durch, daß die beiden mit in dieses Tal genommen und gesund gepflegt wurden. Svenborg entfloh später – auch als Dieb, wie jetzt Armart. Diesen aber wählte ich mir zum Gatten. Ich glaubte, daß er mich liebte. Und doch ist jetzt erwiesen, daß er seit Jahren seine Flucht vorbereitet, daß er Lebensmittel heimlich beiseite geschafft und einen Zugang zu unserem sicher bewachten Tempel erkundet hat. Dort –“ – sie wies nach rechts, wo ein burgähnlicher Bau mitten im Grün der Bäume an der Berglehne sich erhob – „dort wohnten wir. Von dort ist Armart geflohen – als Mörder, Dieb, Verräter –“

Sie wollte noch mehr hinzufügen.

Aus dem hohen Walde drüben sprengte ein Trupp von Kamelreitern hervor, in der Mitte – Thomas Armart, bedroht von den Flinten seiner Wächter.

Die Sultana trat ein paar Schritte vor, starrte den Ankömmlingen entgegen. Der Löwe Caesar hatte sich wieder dicht neben seine Herrin gestellt.

Dann – dann hielt der Trupp. Dann kam Thomas Armart gesenkten Kopfes zögernd näher.

Warf sich vor der Sultana nieder, umklammerte ihre Füße.

Was er mit angstverzerrtem Gesicht stammelte, verstanden wir nicht. Nur eins ward uns bei dieser widerwärtigen Szene klar: daß dieser Mann ein erbärmlicher Schurke war, der Evelyn Narrows Liebe nie wert gewesen. –

Die Sultana riß sich von ihm los.

Mit einem kläglichen Winseln, unmännlich, ekelhaft, haschte er nach ihrer Hand.

Ob nun der Löwe Caesar diesen Mann, der seiner Herrin alles gegolten, stets schon insgeheim gehaßt hatte, ob die Sultana dem Tiere einen geheimen Wink gegeben, – wir wissen’s nicht!

Wir sahen nur, wie der Löwe plötzlich durch die Luft schnellte, Armart nieder riß und ihm mit einem einzigen Biß das Genick zermalmte. –

Wir wurden sofort, abermals mit verbundenen Augen, von den Beduinen davongeführt, langten nach stundenlangem Marsche wieder in dem Tale an, wo wir dann, ebenso Prenn und der Matrose, eine volle Woche bleiben mußten, bevor uns ein Dutzend Wächter immer nach Südwest bis in die Nähe von Aden am Südausgang des Roten Meeres brachten. Von Aden aus telegraphierte Harald an die Polizei in Bombay und fragte an, ob Pierpont Narrow dort eingetroffen sei. Wenn ja, sollte ihm gemeldet werden, daß Thomas Armart nicht mehr unter den Lebenden weile. – Eine Antwortdepesche Narrows bat um nähere Angaben. Harald gab dem neuen Telegramm folgende Fassung:

Armart als flüchtiger Dieb von Raubtieren zerrissen, Miß E. hat nach einem Unwürdigen gesucht.

Fünf Tage drauf lief die Rania Maru in Aden ein. Narrow und Evelyn baten um einen genauen Bericht, mit dem Harald nun nicht mehr zurückhielt.

Narrow überreichte dann Harst einen Scheck, der sechsstellig war. Wir trennten uns von ihm, Evelyn und den Kollegen in herzlichstem Einvernehmen. –

Da William Prenn einem Reporter einiges über die Arakruzier mitgeteilt hatte, wurden auch wir von Zeitungsmenschen und Gelehrten bestürmt, näheres über den geheimnisvollen Stamm im Interesse der Wissenschaft anzugeben. Vielleicht sind dem Leser kurze Notizen in der Presse vor die Augen gekommen, des Inhalts, daß unsere Erlebnisse endlich Aufschluß über die Frage verschafft hätten, ob das sagenhafte Volk existiere oder nicht. Besonders eingehend hat Professor Balfeer sich im „Strand Magazine“ vom 1. April 1922 mit den Arakruziern beschäftigt und diese für Nachkommen gefangener Kreuzfahrer, die Araberinnen geheiratet hätten, erklärt.

Mit der Sultana Eizul sollten wir gegen alle Erwartung nochmals zusammentreffen. Wer sich für die merkwürdige Frau interessiert, lese den nächsten Band. – Zum Schluß will ich hier nur noch erwähnen, daß aus Evelyn und Pierpont Narrow doch noch ein glückliches Ehepaar geworden ist.

 

Nächster Band:

Die tote Karawane.

 

 

Verlagswerbung:

Männe und Max

Lustige Bubenstreiche

von

Walther Neuschub

mit Bildern von R. Hansche

Diese Ausgabe hat den Beifall weitester Kreise gefunden. Der zündende Humor der Dichtung und die goldige herzerfrischende Komik der Illustrationen kann nicht übertroffen werden. Die Heftchen haben ein dreifarbiges Titelbild und enthalten meist über 25 Textillustrationen.

Bisher sind die nachstehenden Heftchen erschienen:

1. Onkel Adolars Geburtstag – 2. Schornsteinfeger Krause. – 3. Das Gespenst. – 4. Der Gang zum Photographen. – 5. Der Schweinestall. – 6. Köchin Line. – 7. Räuber Trald. – 8. Die Kindtauffeier. – 9. Die Reise nach Berlin. – 10. Knödelmeyers neue Köchin. – 11. Eine Kremserfahrt. – 12. Der Ritt nach Afrika. – 13. Kohn, der Papagei. – 14. Der Flohzirkus. – 15. Daniel in der Löwengrube. – 16. Der tote Puterhahn. – 17. Die Kartoffeldiebe. – 18. Der strenge Kandidat. – 19. Bobbis Begräbnis. – 20. Das Motorrad. – 21. Sonntagsjäger Haberland. – 22. Die Moorbadkur. – 23. Äppelschnuts Lehrlinge. – 24. Die Gauner Klapp und Pelle. – 25. Der Boxkampf. – 26. Der Indianer Heitawai. – 27. Josua Grind, der Pirat. – 28. Die Fuchsjagd. – 29. Der Dreibund im Zoo. – 30. Der Meisterschuß. – 31. Die Walfischjagd. – 32. Die sechs Mohren.

 

 

Anmerkungen:

  1. Hefttitel auf der Umschlagseite: „Das Rätsel der Schoneryacht“.
  2. Heuerbas oder auch Heuerbaas: Niederländisch für einen Arbeitsvermittler, der eine Mannschaft für ein Schiff gegen Gebühr anmustert.
  3. In der Vorlage steht: „übersetzen.e“.