Zur Novelle
Ein Thema hat Walther Kabel gleich dreimal verarbeitet. Es handelt sich um einen Strandspaziergang, bei dem zwei Personen durch Unachtsamkeit in eine Schießübung mit scharfer Munition geraten. Die Örtlichkeit ist bei Zoppot, eben jenen Ort, wo Kabel bis ca. 1913 lebte und auch seine Frau, Käthe Kummer, kennenlernte und 1910 heiratete.
Die erste Fassung, Im Kugelregen, Novelle von Walther Kabel, erschien 1910 im Reclam Verlag. Die Hauptpersonen sind Käthe Traut und Heinz Bünding. Letzterer macht der Witwe Käthe Traut den Hof, die aber erst durch die Ereignisse wieder zu einem Mann vertrauen finden kann. Es handelt sich hierbei also um eine Liebesnovelle. Als Randnotiz sei noch erwähnt, daß eine Witwe Käthi Traut in der Novelle Bix von 1910 auftritt, die von der Figur her eigentlich ein identischer Charaktertyp ist. Kabel erwähnt beide Novellen bereits in seinem Brief von 1910 an Brümmer. Anmerkung: Kabel heiratete 1910 Käthe Kummer.
Die zweite Fassung, Ein gefährliches Abenteuer, Ein Erlebnis von Walther Kabel, ist deutlich kürzer und in der Ich-Form abgefaßt. Sie erschien 1913 in der Zeitungsbeilage Von Nah und Fern. Es ist dieses Mal keine Liebesnovelle. Vielmehr gerät die nicht näher benannte Ich-Person hier mit dem Couleurbruder Erich Kiesel (Anmerkung: In Indische Abenteuer tritt ein Erich Kieselowsky auf) in die Schießübung. Kabel erwähnt hier in der Einleitung einen (realen?) Tagebucheintrag aus seiner ersten Offiziersübung: „Heute nachmittag fanden Artilleristen, die nach einem Scharfschießen nach nicht krepierten Geschossen suchten, in einer Schonung die Leichen zweier Frauen, von mehreren Infanteriegeschossen durchbohrt. Die Frauen haben trotz des strengen Verbots auf dem Gelände des Schießplatzes Holz gesammelt und sind dabei in die Feuerlinie einer scharfschießenden Infanteriekompagnie geraten.“
Die dritte Fassung, Ein Strandspaziergang mit Lebensgefahr, Selbsterlebtes von W. Kabel, ist eine für die Jugend geschriebene Fassung und erschien 1914 in der Zeitschrift Die Burg. Auch diese Fassung ist in der Ich-Form geschrieben. Der Freund heißt hier Karl, allerdings spricht eben dieser Freund die Ich-Person mit Herbert an, was auf den Untertitel „Selbsterlebtes“ widersprüchlich wirkt.
Dieses Thema hat Walther Kabel offensichtlich sehr beschäftigt. Aber ob es nun wirklich Selbsterlebtes war oder auf einen Vorfall beruht, den Kabel als Offizier erlebte, wie der Tagebucheintrag unterstellen würde, bleibt völlig dahingestellt. Immerhin hat Walther Kabel ja auch öfters auf alten Stoff zurückgegriffen und so fand er vielleicht einfach nur die Geschichte besonders gut gelungen. Vielleicht findet sich aber auch irgendwann ein Zeitungsschnipsel aus Zoppot, wodurch ein entsprechender Vorfall, wie im Tagebucheintrag beschrieben, als wahr belegt werden kann und welcher Walther Kabel dann, ob er nun persönlich beteiligt war oder nicht, zur Inspiration diente. Wer weiß? Zum Nachgrübeln und Spekulieren fordern diese drei Erzählungen aber auf. „Schon frühzeitig machte sich bei mir eine gewisse Begabung zum Fabulieren bemerkbar“ schrieb Kabel einst an Brümmer und so mag nun der Leser sich seinen eigenen Gedanken dazu „fabulieren“.
Im Folgenden nochmals eine chronologische Auflistung: